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Extended
Die Reise geht weiter, Teil 1
Bericht zur Pro Tour Berlin
von Artie Heinrich
07.11.2008

Als es das letzte Mal etwas von mir zu lesen gab, hatte ich gerade Rocky-mäßig den PTQ in Leipzig gewonnen und mich für die Pro Tour Berlin qualifiziert. Da ich seit einem knappen Jahr nahe Berlin wohne, war auch klar, dass ich auf jeden Fall teilnehmen würde. Also hieß es jetzt: vorbereiten und testen.

Tag -70 bis -36

Laut meinem Computer habe ich zum ersten Mal am 21. August ein Extended-Deck abgespeichert. Zu diesem Zeitpunkt war natürlich Shards of Alara noch nicht bekannt, aber man konnte schon mit dem Post-Rotation-Metagame anfangen, da im Extended bekanntlich ein neues Set nicht soviel ändert.

Ich beobachtete zunächst die daily Tournaments auf magic-league.com (das sind kleine 8- bis 16-Mann-Turniere, am ehesten zu vergleichen mit den Constructed-Queues auf Magic Online). Dort zeigte sich bald ein Vorherrschen von Affinity, Demigod Stompy und allgemein Aggro (damals noch gemischt Gruul, Boros und Zoo), sowie einige Next-Level-Faerie- bzw. Blue-Decks und diverse Storm-Combo-Listen. Man konnte also schon einmal ein Gauntlet zusammmenstellen und testen. Dies habe ich dann auch getan und u.a. bei einem Berliner Judge-Treffen mit Huy und Sebastian Rittau bis tief in die Nacht gezockt. Das Deck meiner Wahl zu diesem Zeitpunkt war Demigod Stompy. Vorher hatte ich noch Dredge angetestet, musste aber erkennen, dass es zu viele gute Karten verloren hat, um noch oben mitspielen zu können; allerdings war mein Build noch lange nicht so gut getunet wie die Dredge-Listen der Pro Tour.

Tag -35 bis -20
Mögliches Deck: Magus of the (Honey-) Moon

Genau zum Erscheinen von Alara, nämlich von Ende September bis Mitte Oktober, weilte ich mit meiner Frau in Afrika zwecks Flitterwochen. Magic-mäßig ein ungünstiger Zeitpunkt, aber manchmal muss man eben Prioritäten setzen. Da meine Holde aber meine Macken, insbesondere im Hinblick auf Magic, nicht nur gut kennt, sondern auch billigt, wurden natürlich einige Decks mit eingepackt und neben Safari, afrikanisch Kochen und einfach nur unter wunderbar blauem Himmel faulenzen auch ein wenig getestet. Dabei hat mich meine Süße immer wieder mit einem Oldschool-Gruul-Deck gut verprügelt. Was immer ich ihr auch entgegenstellte (UW-Tron, Death Cloud, Dragon Stompy) hatte nicht den Hauch einer Chance.

Bei einem mehrtägigen Aufenthalt in Nairobi hatte ich dann die Möglichkeit, mal ins Internet zu gehen (für ein Cent pro Minute im Internetshop – für einen Euro mal locker anderthalb Stunden gesurft) und mir die neuesten Listen mit Alara-Karten anzusehen. Aber bis auf Wild Nacatl in Zoo bzw. Master of Etherium und Ethersworn Canonist in Affinity gab es nichts wirklich Neues. Ein paar Death Cloud-Decks waren noch vorne mit dabei.

Tag -19 bis Tag -1

Nach meiner Rückkunft ging es mit dem Testen richtig los. Tägliches Studium der Online-Decklisten mit Führen einer Statistik der vorherrschenden Decks und natürlich Spielen, Spielen, Spielen. Teilweise im Solomodus mit Apprentice, teils mit wer-auch-immer Zeit für mich erübrigen konnte. Irgendwann in dieser Zeit war auch noch Grand Prix Paris, wo ich mit Tobi und Huy Coverage-Dienste leistete. Aber selbst hier wurde die Zeit genutzt, etwa die fünf Stunden, die wir nachts am Flughafen O-Really warten mussten, weil der Nahverkehr in Paris nicht-existent und teuer ist, Disneyland am Arsch der Stadt liegt, und Taxis von dort zwar existent, aber noch teurer sind. Aber immerhin hatte Huy dadurch Zeit, das Format zu brechen (also Grapeshot-Storm zu spielen).

In den letzten zwei Wochen vor der Tour habe ich dann bei der Deckwahl auf Death Cloud umgeschwenkt, da sich mehr und mehr ein aggrolastiges Feld abzeichnete. Zwei Tage vorher hatte ich auch meinen ersten Kontakt mit dem Elfendeck, das mich beim Testen so richtig eingemacht hat. Ein Matchup, das ich eigentlich nicht gewinnen kann, aber ich hoffte mal, dass nicht soviele Leute es spielen würden. (Pros und Grün – Ha!)

Die ganze Entwicklungsgeschichte meines Decks und mehr Infos zum Testprozess lassen sich in meinem Testblog nachlesen.

Tag 0

Donnerstag und Last Chance Qualifier. Da mich einige alte Kumpels aus Bayreuth besuchten, um den LCQ zu spielen, war ich schon am Donnerstag mit auf der Site. Irgenwie hat mich die Location ja doch enttäucht. Es gibt sicher repräsentativere Räume in Berlin, die weniger Fabrikhallenatmosphäre vermitteln. Ich testete vor Ort noch ein wenig gegen Jeffrey, auch ein „Einheimischer“, der sich beim PTQ Berlin qualifiziert hatte, und ging gegen sein Zoodeck gnadenlos ein; ich gewann nur eins von acht Spielen.

Der Abend war dann eine richtige Katastrophe: Zuerst hat Jeffrey einen Anruf bekommen, dass er am nächsten Morgen würde arbeiten müssen – damit war die Pro Tour für ihn gelaufen. Dann stand ich bei der Players' Party eine Dreiviertelstunde im strömenden Regen, da die Security immer nur so viele Leute ins Gebäude gelassen hat, wie in den Lift passen (etwa ein Dutzend) und dieser brauchte dann für seine Fahrt in den achten Stock und zurück jeweils mehrere Minuten – große Klasse! In der Bar oben war es dann eng, dunkel und laut, und man hatte die Wahl, sich entweder noch mal eine Viertelstunde für einen Döner anzustellen oder ein Stück Leberkäse vom Büffet zu nehmen. Also schnell gefuttert, angemeldet, T-Shirt und Booster abgeholt und im Regen zurück zur Site gelaufen. Dort habe ich noch ein wenig mit Felix getestet, der weiterhin ein Extended-Deck für den PTQ am nächsten Tag brauchte – ich habe ihm Grapeshot-Storm empfohlen. Beim Testen gewann ich dann immerhin auch mal ein Spiel von Sechsen.

Wenn mein Deck heute schon so abkackte, wie sollte es dann erst gegen die Pros werden. Ich überlegte noch kurz, das Deck zu wechseln, aber das schien auch kein wirklich guter Plan zu sein. Felix übrigens kam mit dem Stormdeck bis ins Finale, verlor dann aber gegen Faeries.

Tag 1

Jetzt ist es wohl an der Zeit, mein Deck vorzustellen:

LoamCloud


5 Swamp
4 Forest
2 Overgrown Tomb
2 Golgari Rot-Farm
2 Twilight Mire
2 Windswept Heath
2 Bloodstained Mire
3 Barren Moor
3 Tranquil Thicket

4 Sakura-Tribe Elder
4 Kitchen Finks
2 Ravenous Baloth
3 Garruk Wildspeaker

4 Raven's Crime
2 Edge of Autumn
3 Smother
2 Putrefy
3 Life from the Loam
4 Death Cloud
3 Damnation
1 Worm Harvest


4 Thoughtseize
2 Extirpate
2 Cranial Extraction
3 Molder
1 Smother
1 Damnation
2 Ghost Quarter

Diese und weitere Karten gibt's bei:


Das Deck unterscheidet sich in mehreren Punkten von den gängigen Death Cloud-Listen und ist auch anders zu spielen. Ziel ist es, die ersten paar Züge nur zu überleben bzw. zu beschleunigen; dafür leisten Sakura-Tribe Elder und Kitchen Finks unschätzbare Hilfe. Dann spielt man irgendwann Damnation oder Death Cloud, leert das Board und baut mit Hilfe von Life from the Loam wieder auf. Idealerweise hat man dann schon einen Garruk liegen, der sowohl mit dem Mana als auch dem Beatdown hilft.

Somit ist das Deck ein Kontrolldeck, das v.a. gegen Aggro gut aufgestellt ist. Ich hoffte, damit auf das erwartete Metagame gut vorbereitet zu sein.

Meine Matchups an Tag 1:


  • 4x Zoo

  • Ich hatte im Turnier gegen Zoo kaum Schwierigkeiten. Lediglich burnlastige Versionen können mich unter Druck setzen, gegen normale oder sogar langsame (Doran) Builds kann ich fast nicht verlieren. Der Tidehollow Sculler nervt manchmal etwas, genauso wie Teeg und/oder Stifle, aber letzten Endes habe ich jedes Match gegen Zoo gewonnen.

    Sideboarding:
    Postboard habe ich gegen Zoo nicht ein einziges Spiel abgegeben. Anfangs habe ich beim Testen immer noch Worm Harvest rausgeboardet, weil ich dachte, er wäre in dem Matchup zu klobig. Es hat sich aber gezeigt, dass zwei bis drei Blocker in Zug 4 oder 5 mir immer so viel Zeit kaufen, dass ich das Spiel dann leicht kontrollieren kann. Molder ist gegen Tidehollow Sculler, random Umezawa's Jitte, Oblivion Ring und eventuelle Sulfuric Vortex; wenn nötig, kann man da auch noch den dritten boarden.


  • 1x Burn

  • Das Matchup gegen Burn hängt an einer Karte: Sulfuric Vortex. Wird die schon im Maindeck gespielt und resolvet, dann hat man keine Chance. Nach dem Boarden muss ich dann mindestens so viel Molder ziehen, wie der Gegner Vortexe hat. Abgesehen davon sind die Siegchancen gut.

    Sideboarding:
    Das zusätzliche Smother hilft vielleicht einmal gegen Spark Elemental oder Keldon Marauders, aber primär ist es dazu da, die eigenen Finks abzuschießen, um sich Leben zu generieren. Raven's Crime wird hier nicht rausgeboardet, da jede Karte, die der Burnspieler abwerfen muss, potenziell drei Lebenspunkte Gewinn für mich darstellen.

    Im zweiten Spiel zeigte sich genau der Vorteil dieser Strategie: Ich beginne mit Raven's Crime; im zweiten Zug, noch bevor ich ein Land lege, retrace ich das Crime, mein Gegner macht Magma Jet, um sich Sprüche für die Zukunft zu sichern (er legt ein paar Länder nach unten), dann spiele ich Forest und schieße mit Molder sein Artefaktland ab. So bleibt er erstmal auf einem Land stehen und ich kann in aller Ruhe das Match gewinnen.


  • 1x Next Level Blue

  • Gegen Counterdecks sehe ich nicht so gut aus; Vedalken Shackles nerven schon ziemlich und meine teuren Sprüche kann ich auch nur schwer resolven. Hier muss ich die Raven's Crime-Life from the Loam-Engine an den Start bringen, fürs Late Game habe ich dann Worm Harvest.

    Sideboarding:
    Man erweitert hier den Discard etwas und nimmt zusätzliche Waffen gegen Shackles herein.

    In diesem Match konnte ich Game 1 mit Discard und Würmern gewinnen, Game 2 habe ich dann gegen Counter und Beatdown mit Umezawa's Jitte verloren. Im dritten Spiel starte ich mit Thoughtseize und sehe, dass mein Gegner eine 1-Land-Hand mit Spell Snare, Tarmogoyf und Shackles, aber ohne 2-Mana-Counter behalten hat. Ich discarde seine Spell Snare, damit ich im nächsten Zug mit Edge of Autumn beschleunigen kann. Er zieht ein weiteres Land und spielt seinen Goyf. Damit kann ich die Turn 3-Death Cloud für eins zünden, was ihn weit zurückwirft. Er zieht erst einmal keine Länder mehr und als er schließlich die Shackles spielen kann, habe ich das Putrefy.

    Nach dem Spiel ist er total sauer, flucht noch was auf Russisch und haut mit der Faust auf den Tisch; die Hand hat er mir natürlich auch nicht gegeben. Okay, er hat ein für ihn eigentlich gutes Matchup verloren, aber ich denke mir dann immer: Wer nicht verlieren kann, der sollte nicht spielen!


  • 2x Elfball

  • Natürlich musste auch ich gegen das Breakout-Deck der Pro Tour ran – leider. Gegen Elfball kann ich nämlich so gut wie nicht gewinnen. Mein Deck ist einfach zu langsam und die Karten, die es gegen andere Decks so gut machen wie z..B. Raven's Crime oder Death Cloud machen gegen Elfen einfach mal gar nichts. Die zwei Matches habe ich dann auch sang- und klanglos verloren.

    Am Abend des ersten Tages haben sich dann dankenswerterweise Martin Bisterfeld und Dennis Baris noch einmal zwei Stunden mit mir hingesetzt und das Postboard-Elfball-Matchup getestet – Martin hatte zu diesem Zeitpunkt damit schon einen Tag PTQ hinter sich (er kam bis ins Halbfinale). Vielen Dank dafür!

    Dabei hat sich dann folgender, zunächst einmal unintuitiv wirkender Sideboardplan als beste Wahl herausgestellt:

    Sideboarding:

    Somit habe ich nach dem Boarden die maximalen Chancen, den Combokill zu unterbinden. Problem ist dann immer noch der ganz normale Elfenbeatdown. Zwar habe ich jetzt mehr Removal, aber wenn Fecundity mal auf dem Tisch liegt, kann Damnation auch nicht mehr viel. Mit Glück habe ich zwar noch das Molder für die Fecundity, aber es muss schon so viel für mich richtig laufen, dass das Matchup weiterhin mehr als schlecht ist. Trotz allem bin ich jetzt besser auf das Deck vorbereitet und ich kann ja immer noch darauf hoffen, nicht gegen so viel Elfball gelost zu werden.


    Ich habe übrigens in Runde 7 gegen Gaetan Lefebvre gespielt, der später disqualifiziert wurde. Mir ist in dem Spiel nichts aufgefallen, allerdings saßen wir in der ersten Reihe direkt am Publikum; der erste Zuschauer war vielleicht einen Meter von ihm entfernt. Ich glaube nicht, dass er derart öffentlich versuchen würde, zu betrügen. Außerdem bestand sein Cheat ja darin, Sideboardkarten aus seinem Schoß auf die Hand zu nehmen. Da Zoo gegen Death Cloud aber normalerweise nicht wirklich etwas im Board hat, wäre das wahrscheinlich auch gar nicht gegangen. Wie auch immer: ich habe ihn klar 2:0 besiegt und er hatte auch nie wirklich Chancen, ein Spiel zu gewinnen. In Spiel 1 habe ich sogar mit meinen Kitchen Finks gegengeracet und er ist schließlich an seinem eigenen Dark Confidant gestorben.

    Statistik

    Stand Tag 1: 6-2 (12:7)
    Mulligans Tag 1: 3x auf 6 Karten (1-Land-Hände)

    Statistische Matchups

    Zoo:
    Elfball:
    Storm-Combo:
    Next Level Blue:
    Sonstiges:



    3
    2
    1
    1
    1









    Tatsächliche Matchups

    4
    2
    0
    1
    1 (Burn)

    Somit lag ich mit meinen Matchups an Tag 1 ziemlich genau in der Statistik; das zusätzliche Match gegen Zoo war für mein Deck natürlich von Vorteil.


    [An dieser Stelle endet Tag 1: Nächste Woche Dienstag geht's weiter mit dem zweiten Teil.]




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