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Community Ostern mit Judge Norris von Nico Bohny |
15.04.2009 |
Chuck Norris kennt nun ja mittlerweilen jeder. Heute geht es aber nicht um den bärtigen Rabauken, sondern um seinen lieben Zwillingsbruder. Zugegebenermaßen entsprechen liebe Zwillinge nicht so dem Gesellschaftstrend – böse Zwillinge dominieren das heutige Geschehen sehr viel mehr und schaffen es öfters in die Schlagzeilen. Vielleicht mit Ausnahme von Bart Simpsons Bruder Hugo, dem eine ganze Sendung gewidmet ist – aber Ausnahmen bestätigen nun einmal die Regel.
Nun, wie auch immer. Judge Norris unterscheidet sich in einigen Punkten von seinem robusten Bruder. Er kämpft nicht gegen Bären, sondern gegen Ungerechtigkeit und Zweifel auf der Welt, insbesondere in verwahrlosten Randgruppen der Gesellschaft. Und bei Eskalationen verteilt er weder Fäuste noch Tritte, sondern gute Tipps und Warnings. Ihr seht, ein edelmütiger Bursche, dieser Judge.
Auf demütige Weise opferte sich nun unser lieber Judge, am Osterfreitag und -Samstag die unterrichtsfreien Schönwettertage in einem düsteren Komplex mit düsteren Gesellen zu verbringen – eine edle, wenn auch nicht ganz sinnvolle Geste.
Was man alles Tolles erlebt an solchen Ostertagen
Am Freitag kämpfte eine lebhafte Schar von knapp hundert Herren um einen Flug in die sonnigen Regionen unserer Mutter Erde. Programm war Extended, Neuigkeiten waren leider ziemlich rar, schon fast mythic. Die schicken Damen mit Flügeln dominierten das Format nach wie vor, gefolgt von den wilden Kerlen der Gilde Naya. Da mal ein wenig Mind's Desire, dort mal wieder ein paar narzisstische Langohren, und als Abwechslung noch ein paar Loam on the Rocks. War für einen absolut extendedhassenden Kerl wie mich eine grausame Tortur, die ganze Prozession einen ganzen Sonnentag über zu verfolgen.
Spannend war dafür, die Top 8 des Kombo-Masterminds Christoph Huber mitzuverfolgen. Da konnte man nämlich lernen, wie man im zweiten Zug mit Mind's Desire für vier abgeht, wie man gegen Vendilion Clique Desires für drei durchbringt, und wie man im Finale für einen Zug etwa fünfzehn Minuten in Anspruch nehmen kann, ohne dass es den Zuschauern langweilig wird.
Die Top 8 bestand im Übrigen aus dreimal Mind's Desire – mit ziemlich üblichen Maindecks, dafür verschiedenen Stategien wie der roten Akroma, der Vendilion Clique, Wheel of Fate oder Ad Nauseam im Sideboard. Des Weiteren ein Feendeck, das sich bis zum Finale vorwagte, zweimal Naya, und einmal Burn – jeweils mit relativ konventionellen Listen. Gewonnen haben am Schluss natürlich die Schweizer, trotz regem PTQ-Tourismus. Erster wurde oben benannter Herr der Wünsche, mit zwar mindestens so viel Glück wie Verstand, was in diesem Falle – das muss man fairerweise auch noch dazu sagen – in beiden Aspekten nicht wenig war.
Der Samstag war weitaus entspannter, gespielt wurde mit einem deutlich begrenzterem Kartenpool, es zeigten sich klar weniger Schönwetterignoranten am Turnierort (nur um die 60), und gespielt wurde um acht Slots für das Turnier, wo man mittlerweile fast Gratis-Pro-Punkte mitnehmen darf – den Schweizer Meisterschaften.
Kleiner Metagame-Breakdown:
13 – Cruel Control (mit insgesamt sage und schreibe insgesamten null Cloudthresher)
7 — RW Boat Brew
7 — Monorot-/ Blightning-Varianten
6 — Faeries (davon zwei mit Weiß)
4 — Wo die wilden Kerle wohnen
3 — Doran
3 — Kithkin (mit oder ohne Rotsplash)
3 — Bant-Aggro
3 — Esper-Variationen (alles selbstverständlich rogue, eines davon mit Sharuum- Sculpting Steel- Soul Warden-Infinite-Lifegain-Kombo)
2 — Jund-Ramp
2 — Esper-Lark
1 — GR-Beats (wie vom letzten Jahr, nur ohne Squall Line, denn die sind ja nicht mehr legal)
1 — Swans
1 — Bant-Control
1 — Monogrün-Elves
1 — Schwarzgrün-Elves
1 — Turbofog mit Howling Mine
0 — Monowhite Endless Enchantment Control
Qualifiziert haben sich schlussendlich acht verschiedene Decks, was doch sehr fürs Metagame spricht, und selbstredend waren auch keine Feen oder Cruels in den Top 8, dafür ein Esper-Lark, BW-Tokens, Kithkin, RG-Beats, Bant-Aggro, BG-Elves, Boat Brew und zu guter Letzt die weißen Tiere mit den harten Schnäbeln (nein, nicht Schnabeltiere).
Nach dem Event gab's dann auf Magic Online ein Ravnica Championship – wo man über acht Runden Ravnica mal wieder beobachten durfte, welches die beste Rare aus dem Block war (nämlich Moldervine Cloak). Und da Magic Online ja neuerdings auch „freezet“, das heißt eigentlich abstürzt, aber zur Tarnung ein flottes Bild beibehält, durften wir dann beim Top-8-Draft gleich mal mit acht Random Picks beginnen. Üble Sache, Maloney. Bis ins Halbfinale hat's trotzdem gereicht.
Und als nette Abschlussrechnung des Ganzen: Mit dem Online-Event habe ich doch tatsächlich in zwei Tagen volle 28 Runden (bzw. Stunden) Magic miterleben dürfen. Ich musste echt aufpassen, beim folgenden Osterbrunch am Sonntag (mit tollen vier Stunden Schlaf) Gespräche nicht über den Stack in verkehrter Reihenfolge ablaufen zu lassen, oder mir Splitsecond-mäßig Esswaren vom Tisch zu greifen. Und stellt euch mal das Massaker vor, wenn ich meine Freundin mal aus Versehen Wydwen genannt hätte. Oder gar Visara… Brrr! (Ich hab aber gehört, es gibt bei euch in Deutschland sogar schon ein Kind namens Visara. Da hat wohl auch einer 'ne Überdosis abbekommen…)
Was man alles Interessantes erlebt an solchen Ostertagen
Nebstdem, dass sich bei uns Spieler eintrafen, deren Zahnstellung tatsächlich an Osterhasen erinnerte, gab's auch als Judge jede Menge interessante Sachen zu klären. Die interessanteste Frage fand ich folgende:
Spieler A kontrolliert eine Vendilion Clique, nennen wir sie der Einfachheit halber mal Bill. Dann spielt Spieler B einen Sower of Temptation – nennen wir ihn mal Monica – und verführt den ahnungslosen Präsidenten. Danach spielt Spieler A ebenfalls einen Sower of Temptation – Hillary wäre zwar nicht so ein verführerischer, aber trotzdem passender Name – und knöpft sich – wie sich's für eine Dame von Welt gehört –, mal die Monica vor. Zickenkrieg ist angesagt. Nachdem all die Aktionen vollendet wurden, stehen sich nun auf Spieler As Seite die beiden Damen dem einsamen Bill (das hat er nun von der Fremdgeherei) von Spieler B gegenüber. Das lässt sich Spieler B nicht gefallen, und greift zu den Shackles (ein Werkzeug, mit dem sich die Beteiligten sicher auch auskennen) – der Name spielt hier keine Rolle, aber man könnte das Ding auch das Weiße Haus oder die Mediengewalt der USA nennen. Und nun will sich Spieler B mit den Shackles die Hillary schnappen. Und nun die Frage. Wenn sich nun Bill und Hillary streiten und blocken und töten, wer kriegt dann die Monica? Eine komplexe Frage, zwar nicht eine allzu schwere, aber eine amüsante.
Was man alles Trauriges erlebt an solchen Ostertagen
Sobald man irgendwo ein Turnier judget, in dem Pro Punkte in irgendeiner Weise involviert sind, trifft man immer wieder auf ganz traurige Gestalten. Während ich beim National Qualifier etwa vier Warnings verteilen musste für Situationen, die halt nicht extra passiert sind, die man aber nicht rückgängig machen könnte (z.B. fünf Karten anzuschauen mit dem Windbrisk Heights statt vier), wurde ich beim PTQ für jeglichen Mist gerufen. Kam mir fast schon wie Grundschule vor: Du, Herr Judge, mein böser Gegner hat übrigens das und das gemacht, gell, dafür kriegt er jetzt ein Warning, der Depp.
Ein doppelt trauriges Ereignis war zum Beispiel dieses hier: Ein Spieler, der bisher nicht unbedingt für die feine englische Art aufgefallen ist, ruft mich und schildert folgende Situation: Er möchte in seiner Upkeep seine Ancestral Vision spielen, auf dem Tisch hat er drei Mana liegen. Der Gegner spielt Spellstutter Sprite, er spielt Spell Snare. Der Gegner spielt Mana Leak auf die Snare, welches auch resolvt. Nun möchte Spieler A ein Trickbind spielen auf die Stutter-Ability, aber der Gegner findet daraufhin, dass die Sprite noch gar nicht im Spiel sei, und er als Antwort auf die Sprite gerne ein Condescend für eins auf die Vision spielen möchte. Ziemlich fies von Spieler B, das muss man schon sagen. Denn der hat sich natürlich überlegt, aha, der Gegner wird wohl sein Mana sowieso nicht zahlen, weil er ja Trickbind spielen möchte. Und da ja noch niemand davon geredet hat dass die Sprite nun das Spiel dann auch betreten und triggern würde, kann ich ihn als Judge daran auch nicht hindern.
Spieler A fühlt sich natürlich ungerecht behandelt – sonst war ja auch immer er derjenige, der mit saftigen Rulings dem Gegner eins auswischen konnte. Er verliert das Spiel – wohl eher wegen Screw als wegen der Spielsituation. Aber den gekonnten Abgang kann er sich trotzdem nicht verkneifen. Er wirft sein Deck auf den Tisch, flucht wie ein kleiner Rohrspatz und beschimpft seinen Gegner aufs Gröbere. Geschickt gemacht, denn als man mich darüber informiert, ist er natürlich schon längstens gedroppt und hat sich aus dem Staub gemacht.
Das ist ja schon traurig an sich. Noch trauriger ist es wohl, dass es, wenn Spieler B das Trickbind einfach resolven lassen hätte und danach mit dem Condescend die Vision gecountert hätte, a) fairer und b) einfach viel besser gespielt gewesen wäre. Na ja, gutes Magic spielen kann heutzutage nicht mehr jeder. Aber sich blöd aufregen über die anderen scheint nach wie vor möglich zu sein.
Eine andere Situation bei einem anderen Turnier. Ich war als Hilfsjudge tätig. Der Headjudge announcet, dass man den erhaltenen Sealedpool vor dem Deckswap alphabetisch sortieren soll. Nach dem Swap ruft mich ein Typ und meint: „Schau mal, Judge, mein Pool ist ja gar nicht alphabetisch sortiert.“ Worauf ich die Nase rümpfe und darauf warte, bis nun die Kernaussage folgt – schließlich wird mich der Typ ja nicht umsonst hergeholt haben. Danach meint er: „Ja, aber das sei doch nun gegen die offiziellen Vorschriften und so.“ Achso, der Herr möchte also, dass sein Registrierer ein Warning erhält. Oder dass ich ihm seinen Pool sortiere? Na ja, schulterzuckend laufe ich weg. Und eine Woche später lese ich von diesem Typen in irgendeinem Forum eine Beschwerde über meine Leistungen als Judge im Stil von „Ja, der kennt ja nicht einmal die Penaltys für „Failure to follow Officials' Instructions“.
Aber hallo? Was will uns dieser Mann sagen? „Bitte helft mir, ich bin als Einzelkind groß geworden und kann nicht so gut mit Menschen umgehen.“ Oder: „Gebt mir Aufmerksamkeit, ich habe keine Freunde, die das für mich tun.“ Manchmal frage ich mich echt…
Es gab da auch mal bei einem PTQ einen durchaus bekannten, dafür in der Schweiz nicht so beliebten Spieler, der in der letzten Runde im Spiel um die Top 8 runtergelost wurde. Sein Gegner wollte jedoch nicht conceden, da er zum Spielen da sei, nicht zum Aufgeben, und so gewann dann auch der Typ ohne Chancen auf die Top 8 die Runde. Das ist natürlich frustrierend, kann aber durchaus mal passieren. Aber es ist nie und nimmer ein Grund, zuerst seinen Gegner bedrohlich vom Gegenteil überzeugen zu wollen und ihn dann als asoziales Arschloch zu beschimpfen…
Tja, als Judge hat man's nicht einfach. Und wisst ihr, was das Allertraurigste ist? All die oben genannten Beispiele waren deutsche PTQ-Touristen.
Da seht ihr mal, was ihr von uns Schweizern noch lernen könnt.
P.S.: Ja, ich weiß, Moldervine Cloak ist gar nicht rare. Dann ist halt Batman der beste…
Doch nun noch zu etwas Erfreulicherem als Abschluss – meine Top 5 an lustigen Beiträgen über Magic im Netz:
5. Draftwalkthrough mit Trash
Lange ist's her, da gab's mal einen Draftwalkthrough mit Trash, war noch zu Time Spiral-Zeiten. Wir saßen zu zweit am Laptop und haben die Picks durchdiskutiert. Schon beim ersten Pick waren wir anderer Meinung – da hätten wir nämlich Temporal Isolation über Teferi's Moat gepickt. Und das Lustige daran: Der brillant dazu passende Flavor-Text des Moats…
4. Draftviewer der besonderen Art
Auch dieses Jahr gab es einen netten Aprilscherz auf der Wizards-Seite. Schön getarnt, und garniert mit netten Ideen. Mein Favorit: Der Schnauzbooster.
3. Webcomics
Schade, dass es hier keine neuen mehr gibt. Da gab's immer wieder absolute Perlen zu finden. Nebst einigem Schrott, zugegebnermaßen…
2. Morningtide-Spoiler
Auch wenn solche tollen Auflistungen an Fantasiekarten oftmals sehr viel Füllermaterial beinhalten – bei Karten wie „Ajani Strenght“ oder „Woman“ als Changeling nimmt man die Bürde wohl gerne auf sich…
1. Pirates vs. Ninjas
Ein absolut gelungener Aprilscherz aus dem letzten Jahr. Und wir wünschen uns natürlich sehnlichst, dass dasselbe bald auch mit „Clerics vs. Skeletons, Zombies, Spirits, Shades, Specters, Horrors, Wraiths, Vampires, and Liches”...
...sowie mit „Chickens vs. Eggs (includes collectable coin to determine who goes first!)” gemacht wird.
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