Die Leute von Wizards wissen schon, wie man uns Hobbyzauberer bei der Stange hält. Seit drei Wochen erhalten wir jetzt portiönchenweise Karteninformationen zum lang ersehnten neuen Set, rationiert wie Medikamente in einem Altersheim. Und um uns den Speck nicht nur durch den Mund zu ziehen, sondern gleich auch noch quer durch die Speiseröhre, werden uns gleich als Erstes die Fancy Mythics und die starken Rares aufgetischt, damit auch jeder, der auch nur das kleinste Spike-Gen in sich trägt, täglich den Spoiler checkt, ob nicht doch wieder eine neue Karte für das BW-
Sorin-Token-Deck gezeigt wird. Nun sind wir nach langem Warten doch am ersehnten Tag X angelangt, an dem mit dem mitternächtlichen Glockenschlag die
Magic-Welt einmal mehr vor Spannung den Atem anhält, in die grauendurchzogenen Nächte von
Innistrad abtaucht und statt im Ausgang hübsche Frauen nun gemeinsam Booster aufreißt.
Ich freue mich auf jeden Fall wie ein
Invisible Stalker auf seinen Waffenschein. In meinen Augen hält
Dark Ascension genau das, was
Innistrad schon verspricht, und alleine das Durchforsten der
Kartengalerie lässt einem bereits wohlig kühle Schauer das Rückgrat entlangschleichen. Mal ehrlich – wenn morgen vor dem Kino das Bild von
Village Survivors hängen würde, den Film würde ich mir sofort anschauen gehen. Selbst wenn Julia Roberts die Hauptrolle hätte. Oder gäbe es im Supermarkt Einmachgläser mit Augen zu kaufen, ich würde mir sofort eins für die Küche besorgen. Auch wenn
Jar of Eyeballs flavortechnisch nicht ganz einwandfrei funktioniert, denn wie man bitte einem toten Gespenst zwei Augen entreißen will, bleibt unbeantwortet. Oder warum in aller Welt ein Zyklop beim Ableben plötzlich biokular wird. Trotzdem, bei den Karten des neuen Sets lohnt es sich einfach, genau hinzuschauen, sei es nun wegen dem entzückenden Bild oder dem spaßig makabren Flavortext.
Die Karte, die mich bisher auf den meisten Ebenen entzückt hat, ist
Chosen of Markov. Warum? Na, einerseits beweist sie zuerst mal, dass Sorin Markov entgegen allen Vermutungen doch kein Battyboy, sondern ein richtiger Batman mit reichlich gutem Frauengeschmack ist. Zudem wissen wir jetzt auch, wo all die putzigen Vampirchen aus Sorins +1-Fähigkeit herkommen. Und wie passend, dass sich die Dame erst mal von einem Vampir seitwärts drehen lassen muss, damit der Spaß beginnt. Von so einem süßen Mädel würde ich mich also auch tappen lassen, wenn ich ein Vampir wär, solange es für einen guten Zweck ist. Was mir außerdem am Mädel mit roter Geschenkschleife (Happy Birthday zum Tausendsten, Sorin, alter Junge!) sehr gefällt: Wer die Dame mal gedreht und durchgelesen hat, kennt gleichzeitig auch die Geschichte und Handlung der gesamten Twilight-Saga, ohne nur eines der Bücher zu lesen. Praktisch, nicht? Auch wenn ich mich für den Vergleich jetzt als Twilight-Kenner outen muss. Aber wer kann schon widerstehen, wenn man eines Abends von der Freundin hört: „Komm, Schatz, wir gehen ins Kino und schauen uns 'nen Werwolf-Film mit Vampiren an. Sex gibt's auch, und there will be blood!“ Tönt doch mächtig nach Jackpot, oder?
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Spieltechnisch denke ich, dass die meisten Karten ziemlich einfach einzuschätzen sind. Mythics und Rares sind entweder richtig gut oder richtig mies und den meisten Commons und Uncommons sieht man schnell an, in welchem Deck man sie denn gerne hätte und in welchem sicher nicht. Nicht ganz sicher bei meiner Einschätzung bin ich mir jedoch bei diesen beiden Flüchen:
Curse of Echoes und
Curse of Bloodletting.
Curse of Echoes macht an und für sich erst mal nix beim Betreten des Spielfeldes und ändert die Boardpräsenz um kein bisschen, hat aber einen ziemlich mächtigen Effekt. Zwar verbietet er dem Gegner nicht direkt das Spielen seiner Sprüche, er negiert aber die meisten Effekte. Combattrick auf dein Tier? Na gut, auf meins auch. Counter auf meinen Spell? Dann aber auch auf deinen Counter. Removal auf mein bestes Tier? Gleichfalls. Somit wird der Gegner oftmals seine Sprüche simpel und ergreifend nicht mehr spielen. Einen Gegner ohne Spontanzauber oder Hexereien auf der Hand stört das reichlich wenig. Dem Gegner mit
einem betroffenen Ziel kommt der Curse vorerst wie ein überteurter
Duress vor, mit jedem nachgezogenen Opfer verschlimmert sich die Auswirkung des Fluches. Und der ausgetappte Gegner, der
Divination,
Forbidden Alchemy,
Dissipate und
Silent Departure hält, der kotzt euch gleich auf den Tisch. Tolle Karte? Matchupabhängig, klar, ansonsten – da die meistens Decks nicht mehr als fünf Spontanzauber/Hexereien haben und der
Duress-Vergleich am häufigsten ausfallen wird, meiner Meinung nach zunächst ein Fall für die Ersatzbank.
Curse of Bloodletting halbiert theoretisch die Leben des Gegners – jeder Schaden wird verdoppelt, also muss man nur noch halb so viel hinkriegen. Klingt nach
Wound Reflection aus
Shadowmoor, einfach ein Mana günstiger. Leben des Gegners zu halbieren, fühlt sich irgendwie an wie Direktschaden ins Gesicht. Nehmen wir zum Vergleich mal
Lava Axe – die kostet auch fünf Mana und schießt ins Gesicht. Und war im richtigen Deck auch ganz in Ordnung. Ist der Gegner auf zehn, ist der Effekt etwa derselbe. Ist der Gegner tiefer als zehn, wird der Effekt des Fluches schlechter, umgekehrt wird er stärker. Perfiderweise ist Direktschaden ja genau dann gut, wenn man den Gegner damit direkt töten kann, weil er auf so wenigen Leben steht. Das kann der Curse aber nur mit tatkräftiger Unterstützung. In Kontrolldecks, gegen die ein Gegner oft im fünften Zug noch auf 20 Leben verweilt, will man aber nur ungerne Direktschaden spielen, da er das Board nicht wirklich beeinflusst. Doch man stelle sich vor – ein im vierten Zug rausgelegter
Galvanic Juggernaut oder eine im vierten Zug gedrehte
Hanweir Watchkeep haut den Gegner in zwei Angriffen kaputt – halbierte Leben bedeuten ja in gewissen Situationen, in denen man der Aggressor ist, auch die Verdopplung der Bedrohungen auf dem Tisch. Und eine Karte für fünf Mana, die mir alle Tiere auf dem Tisch verdoppelt, würde ich ja im Aggrodeck immer spielen. Tolle Karte? Gefällt mir persönlich nicht sonderlich, aber ich seh's schon vor mir, wie ich dagegen beim Prerelease verliere. Ich denke, besonders mit dicken Tieren, namenhaft Werwölfen, wird der Gegner einfach oft in Situationen gedrängt, in denen er schon schnell so sehr an die Wand gedrängt ist, dass er mit Chumpblocken beginnen muss, ehe er die Bedrohung richtig anwenden kann.
Ebenfalls interessant finde ich im Übrigen die zwei neuen Fähigkeiten – Fateful Hour und Undying. Meine fünfzig Cent dazu:
Fateful Hour (Irgendwas passiert, wenn man fünf oder weniger Lebenspunkte hat): Die Fähigkeit hat auf jeden Fall mal Flavor, so viel ist sicher. Den guten Adrenalinschub bei Gefahr kennen wir alle, und dass die Fähigkeit einen absterbenden Magier noch einmal zurück ins Spiel bringen kann, gefällt mir eigentlich auch ganz gut. Irgendwie erinnert mich Fateful Hour an
Timely Reinforcements. Es schafft die Möglichkeit, mit seiner Stärke ein schon entschieden gedachtes Spiel nochmals interessant zu machen, setzt sich aber fair für ausgeglichene Spiele ein, indem es sich weigert, einen wirklich guten Dienst zu erweisen, wenn man selbst im Spiel vorne liegt.
Fünf Leben sind aber leider herzlich wenig. Im Constructed wird es selten Spiele geben, in denen man zufälligerweise unter sechs Leben geht und dann zurück ins Spiel kommt. Aggressive Decks haben meist Direktschaden oder Möglichkeiten, letzte Schadenspunkte durchzudrücken, und Kontrolldecks haben es gar nicht nötig, den Gegner kurzfristig auf eine tiefe Anzahl Leben zu schlagen. Gäbe es noch Manaburn, bestünde eine weitere Möglichkeit, sich selbst mal in eine schicksalsschwere Situation zu bringen, so muss man sich wohl auf
Souleater und phyrexianisches Mana verlassen, um sich die eigenen Lebenspunkte zu kürzen.
Im Limited scheint mir Fateful Hour schon interessanter zu sein. Da passiert es nämlich in den meisten Spielen, dass einer oder sogar beide Spieler mal unter sechs Leben verweilen, und da kann ein guter Fateful-Spruch das Ruder doch noch mal gehörig rumreißen. Dass man um Fateful Hour herumspielen sollte, denke ich nicht direkt, aber wer gegen Weiß – die einzige Farbe mit Fateful-Effekten – spielt, sollte sich bewusst sein, dass Menschen in Bedrängnis tendenziell härter zuschlagen können.
Undying (Wenn die Kreatur ohne +1/+1-Marke stirbt, kommt sie mit einer solchen ins Spiel zurück): Die Fähigkeit hört sich zwar ähnlich wie Persist an, spielt sich wahrscheinlich aber um einiges anders. Durch die zahlreichen Morbid-Karten kann es durchaus doppelt gewinnbringend sein, mit seinem Untier-Undyer in einen größeren Blocker anzugreifen, um Morbid anzuschalten und gleichzeitig die eigene Kreatur wachsen zu lassen. Was bedeutet, dass Blocken plötzlich um einiges unattraktiver wird und dass sämtliche Morbidkarten in Kombination mit Undying einen Mehrwert erhalten. Aber auch in der Defensive sind Undyer richtig stark – hier kann man nämlich beim Blocken selbst steuern, ob das eigene Tier wirklich stirbt und wächst. Stellt euch vor, wie gut selbst ein
Young Wolf gegen
Bloodcrazed Neonate und sämtliche 2/1er des Formates in der Defensive dasteht, in der Offensive jedoch kaum beachtet werden würde. Am besten werden Undyer aber wohl in Race-Situationen sein – erst blocken, mit etwas Glück sogar abtauschen, und dann für mächtig viel Damage zurückschlagen.
Schade allerdings, dass es in
Innistrad kein Marken-Thema gibt wie in
Shadowmoor, das einem lustige Spielereien mit Undyern ermöglichen würde. So müssen wir uns mit
Travel Preparations auf gegnerische Tiere zufriedengeben. Interessant im Übrigen, wie die Interaktion zwischen +1/+1- und −1/−1-Marken, letztere vor allem durch Infect verabreicht, funktioniert. Wenn nämlich ein Tier mit Plus-und-Minus-Marken auf sich stirbt, werden die noch nicht abgerechnet, sondern die Kreatur stirbt mit beiden Sorten Countern im Schlepptau. Also ist
Strangleroot Geist doch nicht der ewige
Phyrexian Crusader-Chumpblocker, den wir uns gewünscht haben.
Die letzte Frage, die man noch vor dem Prerelease beantworten will: Play or draw? Meistens wohl Draw. Durch Undying und Fateful Hour wird die durchschnittliche Kreatur mit einem der Effekte etwas kleiner, das heißt auch weniger aggressiv. Ich kann mir einiges an aggressiven Decks zusammendenken, die gerne starten möchten, aber im Großen und Ganzen sehe ich
Dark Ascension als etwas langsamer und mehr auf Kartenvorteil spielend an als
Innistrad, was zur Folge haben wird, das das Sealedformat etwas langsamer wird. Was natürlich einem richtig aggressiven Deck umso mehr den Drang aufgibt, anzufangen.
Ach ja, was natürlich nicht vergessen werden darf – die fünf Dinge, die mich heute Abend vor dem Prerelease in schaurig-schöne Stimmung versetzen werden:
5. |
Wenn man für Kamigawa Inspiration bei Chihiro und Co. gesucht hat, dann reicht wohl das Genießen dieses Musikclips, um sich nach Innistrad wegzudenken. Zumindest in die verwurzelten Dickichte von Kessig und die weiten Hallen von Stensia …
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Die erste Halbstunde des Filmes „The Village“, bevor der Film dank eines Geniestreiches des Regisseurs komplett in den Dreck gefahren wird, passt irgendwie auch bestens zur menschlichen „Wir verstecken uns in unserem Dörfchen und lassen keinen rein“-Thematik von Innistrad.
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3. |
Eine feuchtfröhliche Runde „Werwölfe aus Düsterwald“, bitte ohne Expansionen, dafür mit dem Psychopathen anstelle der Blinzelgöre.
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2. |
Ich stelle mir Klaus Jöns als Werwolf vor.
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„Sleepy Hollow“ mit Johnny Depp. Und dann ab zum Prerelease – mit weiteren Deppen!
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