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Der Mondmann
von Michael Diezel
23.07.2016


Der Mond ist aufgegangen und hat jede Menge interessanter neuer Karten mitgebracht. Doch was heißt eigentlich „interessant“? Nun, für die kommenden Zeilen Folgendes:

goldenes oder violettes Symbol
gut genug, um im Constructed unter bestimmten Umständen ein Heim zu finden
dabei aber noch nicht zu offensichtlich spielstark

Daraus folgt, dass wir uns weder mit Lone Rider (überaus spannend, aber „nur“ das silberne Symbol) noch Assembled Alphas (nicht ansatzweise gut genug für ein anständiges Constructeddeck) beschäftigen, aber auch Spell Queller ignorieren. Wenn ihr etwas über diese letzte Kategorie an Karten lesen wollt, geht zu meinen Schreiberkollegen. Ich bin mir sicher, dort werdet ihr lesen, warum ihr diese Karte(n) spielen solltet.

Nachdem wir jetzt also „interessant“ definiert haben, kommt hier meine Top 10 der interessantesten Karten aus Düstermond


10. Bruna, the Fading Light




Ich gebe zu, beim Prerelease war ich auch zunächst ziemlich enttäuscht, statt Gisela nur Bruna in meinem Pool zu finden. Während die Enttäuschung aus finanziellen Gründen noch immer nachvollziehbar ist, bin ich mir beim spielerischen Wert nicht mehr so sicher. Klar, Gisela ist die flexiblere Einzelkarte und in Sachen Haarfarbe sicher im Trend. Sollte sie gespielt werden, dann vermutlich gleich im Playset und dazu halt noch eine oder zwei Brunas, um den Traum von Brusela am Leben zu halten. So wird es ja erwartet.

Auf der anderen Seite ist Bruna keine schlechte Einzelkarte – selbst wenn man ihre Rückseite völlig außer Acht lässt. Sieben Mana sind natürlich Dimensionen, in denen man besser gleich das Spiel gewinnt, aber der Engel dominiert halt das Schlachtfeld und hat eine durchaus ansehnliche Fähigkeit, wenn er das Spielfeld betritt. Abgesehen von Gisela gibt es in diesem Standardformat mit Archangel Avacyn und Linvala, the Preserver ja noch mindestens zwei weitere Engel, deren Rekursion ziemlich Eindruck machen sollte; selbst wenn man nur einen Menschen zurückholt, gibt es da durchaus gelungene Exemplare.

Beachtet, dass die Fähigkeit beim Wirken ausgelöst wird, was natürlich ungleich besser gegen Kontermagie ist, dafür aber Schummeln in Form von Reanimation oder Nahiri-Ultimate unmöglich macht. Schade eigentlich. Wie genau jetzt das ultimative Bruna-Deck aussieht, weiß ich auch nicht, vermutlich mit einer Menge Manaquellen und Engel, aber ich wollte sie einfach mal aus dem Schatten ihrer flippigen Schwester holen, deswegen taucht sie in dieser Liste auf.


9. Summary Dismissal


Bruna hat ja gerade noch einmal gezeigt, wie wichtig Cast-Trigger sein können. Insbesondere die diversen Elrazi-Bosse arbeiten auf diese Weise gegen die gewöhnliche Kontermagie, da diese zwar die (durchaus beachtlichen) Körper neutralisiert, nicht aber die zugehörigen Effekte. An dieser Stelle kommt Summary Dismissal ins Spiel. Weder sonderlich flashy noch wahnsinnig flexibel, kann diese Karte eine wichtige Aufgabe im Sideboard übernehmen, wenn irgendwann ausgerechnet blaue Decks die Eldrazi-Invasion stoppen sollen.


8. Collective Brutality


Diese Karte finde ich ja unglaublich gelungen und sie befindet sich nur so weit hinten in der Liste, weil das auch schon einigen anderen aufgefallen ist. Erinnert ihr euch an die Charms? Ein- bis dreifarbig boten sie maximale Flexibilität für vergleichsweise geringe Kosten. Supergut. Die Collective-Sprüche sind noch einmal besser, insbesondere der hier. Die Manakosten sind niedriger und farblich weniger anspruchsvoll. Dann kombiniert man mit Disfigure und Duress auch noch genau zwei Karten miteinander, die jede für sich mit hoher Varianz belastet sind, da sie halt entweder richtig gut oder aber ziemlich furchtbar sind. Das Schönste an der Kombination in Collective Brutality ist dann, dass Duress und Disfigure in mehr oder weniger genau entgegengesetzten Matchups gut (und damit auch schlecht) sind. Das bedeutet, einer der beiden Modi wird nahezu immer supergut sein und man muss trotzdem keine Angst davor haben, eine tote Karte zu spielen, weil der Gegner zum Beispiel keine Kreaturen oder keine Nicht-Kreaturen-Sprüche spielt.

Da hört es aber noch nicht auf. Diese Modi lassen sich untereinander kombinieren beziehungsweise um Drain 2 erweitern. Dafür muss dann jeweils eine Karte abgeworfen werden, was zwar nicht gerade zu vernachlässigen ist, aber immerhin keine weiteren Manakosten nach sich zieht. Und dann gibt es ja noch den Fall, dass man sich über den Discard freut: Madness und Delirium sind die aktuellen Keywords, aber Reanimationen auf die eine oder andere Weise beziehungsweise das thematisch verwandte Volk der Zombies lassen ebenfalls die Möglichkeit offen, dass diese Kosten sogar noch positive Effekte ermöglichen. Wie gesagt, meines Erachtens eine der besten Karten des Sets und im Vergleich zu Spell Queller und Kollegen, aber auch zu Collective Effort noch viel zu wenig beachtet.


7. Oath of Liliana


Auch die hatte ich im Prerelease, passenderweise im 2-Headed-Giant-Teil. Lächerlich. Davon abgesehen erhalten wir ein überteuertes Diabolic Edict mit Sorceryspeed, aus dem wir natürlich noch mehr ziehen müssen, um die Spielbarkeit zu rechtfertigen. In erster Linie wären das Planeswalker, von denen es gegenwärtig ja zum Glück einige durchaus spielbare gibt. Erste Wahl dürfte Gideon, Ally of Zendikar sein, da sich das einfach hübsch in der Manakurve macht, aber letztendlich ist das völlig Banane. Verstärkt wird der positive Effekt noch dadurch, dass der Zombie direkt bereitsteht, um den eben gewirkten Planeswalker vor feindlichen Angriffen zu schützen.

Neben der aufgedruckten Kombination mit Planeswalkern besitzt der Eid ähnliche Applikationen wie die schon vorhandenen. Als legendäre Verzauberung schafft er es gern in den Friedhof, wo er wiedergeholt beziehungsweise als vergleichsweise seltener Kartentyp für Delirium herhalten kann. Alternativ nimmt man den Effekt und betrachtet die übrig gebliebene Karte als nettes Opfer, zum Beispiel für Angelic Purge. Noch durdeliger wird es, wenn man Bounce hinzufügt.


6. Heron's Grace Champion


Ja, mir ist bewusst, dass die Liste der Decks, die den haben wollen eher kurz ausfällt: Grün-weiße Menschen und … Liste fertig. Selbst in dem grünweißen Menschendeck gibt es eine ganz ordentliche Karte als direkten Konkurrenten im 4-Mana-Slot: Collected Company.

Dennoch – oder gerade deswegen – glaube ich, dass zumindest im Sideboard Platz gefunden werden wird. Zu stark ist der Champion in Racesituationen und damit in allen Matchups, in denen nicht sofort jeder eigene Mensch direkt umgeschossen wird. Ein weiteres Argument ist die Spielbarkeit neben Collected Company. Insbesondere die sowieso enthaltenen Werwölfe wie Lambholt Pacifist oder Duskwatch Recruiter freuen sich, wenn im eigenen Zug bloß ein Land fällt und trotzdem bis zum nächsten Enttapsegment noch etwas passiert. Viermal Company reicht genau nicht aus, um das zu gewährleisten, weswegen ich einige Exemplare von dem hier nicht ausschließen möchte.


5. Mirrorwing Dragon


Den bringe ich nur deswegen ins Spiel, weil Thunderbreak Regent noch im Format ist. Gemeinsam gilt für beide, dass sie zwar den „Doom Blade Test“ nicht bestehen (also von jedem generischen Removal erwischt werden, was dann normalerweise weniger kostet als der Drache selbst), aber zumindest eine Bestrafung für den Gegner bereithalten. Entsprechend sinkt die gegnerische Motivation für Mord, was dann schnell dadurch bestraft wird, dass so ein Drache halt trotz allem ein Drache ist, was bedeutet, dass es kaum effektivere Kreaturen als fette Flieger gibt.

Im Gegensatz zu Thunderbreak Regent ist Mirrorwing Dragon noch nicht einmal völlig furchtbar gegen Archangel Avacyn und Languish. Ishkanah, Grafwidow auf der anderen Seite …


4. Stromkirk Condemned


Von den typischen Innistrad-Tribes enttäuschten die Vampire vielleicht am meisten. Im Gegensatz zu den ebenfalls absolut ungespielten Zombies sahen sie nämlich durchaus konkurrenzfähig aus. Ähnliches gibt es jetzt vom Düstermond zu vermelden. Jede Menge anständige Vampire, die sich noch dazu im Wahnsinn verbunden fühlen. Trotzdem bin ich noch skeptisch, was ihre Spielbarkeit angeht. Diese hart zweifarbigen Aggrodecks sind gierig vom Mana her, da man ja eigentlich ab Zug 1 enttappte Länder benötigt. So dürften die besten 1-Mana-Vampire noch immer rot sein (Falkenrath Gorger und Insolent Neonate), das optimale Turn-2-Play hingegen schwarz – doppelt schwarz sogar, nämlich der hier. Blöd.

Insofern muss man entweder Abstriche bei der Stabilität machen – nicht jedes Spiel kann man mit Foreboding Ruins eröffnen – oder aber die Mana- beziehungsweise Powerkurve senken. Eine einfache Möglichkeit für Letzteres ist das mehr oder weniger vollständige Eliminieren von Rot. Dafür gibt es dann Voldaren Pariah, dessen Madnesskosten man plötzlich bezahlen kann. Die 1-Drops beschränken sich hingegen auf Indulgent Aristocrat, es sei denn, dieser Vampire Cutthroat macht plötzlich Karriere, aber ich habe ja von Abstrichen gesprochen. Zusammengefasst: Ich glaube nicht, dass sich die Vampire durchsetzen werden – falls doch, wird der hier aber eine ganz zentrale Rolle spielen.


3. Dark Salvation


Und damit sind wir bei den Zombies. Denen spreche ich ein größeres Potenzial zu, da ich mir zumindest ein Metagame vorstellen kann, in dem sie gut sind. Dieses müsste aus jeder Menge Decks bestehen, die nicht fair kämpfen wollen. Die Stärke der Zombies liegt nämlich nicht darin, dass sie besonders gut fighten, sondern dass sie sich nicht unterkriegen lassen. Das ist offensichtlich nützlicher, wenn sie beim Sterben etwas mitnehmen. Wird also ein Zombie getötet und kommt zurück, alles prima. Stirbt er im Kampf gegen eine vergleichsweise große Kreatur für vergleichbare Manakosten – blöd. Nun befürchte ich allerdings, dass im kommenden Metagame ausgerechnet das passieren wird: Menschen und Geister, die einfach alles besser machen als die Zombies, die wiederum ihre Hartnäckigkeit nicht ausspielen können.

Genau deswegen finden wir auch Dark Salvation in der Liste und nicht beispielsweise Cryptbreaker, der natürlich auch in jedem anständigen Zombiedeck viermal vertreten sein wird. Zunächst ist es Removal und im Zombiedeck sogar gutes. Und dann gibt es ja da noch die Aussicht auf ein besonders witziges Zombiedeck, das zwar Risen Executioner enthält, aber sonst keine Kreaturen. Stattdessen baut man sich Spielsteinzombies, unter anderem mit Gisa's Bidding, From Under the Floorboards, Shamble Back, Rise from the Tides, Oath of Liliana und natürlich diesem Ding.


2. Docent of Perfection


Sehr wahrscheinlich wird die Megafliege nicht so schnell abheben. Kostet fünf und macht dann erst mal nicht wahnsinnig viel. Dann besteht sie den „Doom Blade Test“ nicht, fällt also gegen alles nicht-rote Removal um.

Trotzdem habe ich sie auf Platz 2 meiner Liste, weil der Dozent im passenden Deck unglaublich schnell das Spiel gewinnt. Dieses passende Deck sehe ich in erster Linie in Blau-Rot, wo passenderweise nahezu alle anderen Kreaturen, die man gern spielen will, zufällig auch Zauberer sind. Somit reicht oft schon ein weiterer Spruch für den Flip und dann gibt es ordentlich die Massage. Trotz niedriger Länderanzahl kommt man durch die ganzen Cantrips doch erstaunlich zuverlässig auf die benötigten fünf Mana, ja sogar mehr sind möglich und dann wird der Dozent natürlich gleich noch viel besser, da man direkt Zauberer produzieren kann. Außerdem gibt es mit Unsubstantiate gleich noch eine weitere wirklich gute Karte für diesen Archetyp.


1. Thalia's Lancers


Erinnert ihr euch an Sidisi, Undead Vizier? Grenzwertig spielbar, wenn auch nicht wirklich demonstriert in letzter Zeit. Thalia's Lancers ist ganz ähnlich. Nur dass man nichts opfern muss, um den Tutoreffekt zu bekommen. Klar muss man ein wenig kreativer sein, da man nicht jede Karte auf die Hand bekommt, aber relevante Effekte verteilen sich eigentlich ganz gut auf diverse Legenden:

Removal? Oath of Liliana, Oath of Chandra, Atarka
Lebenspunkte? Ayli, Dromoka, Kalitas, Linvala, Gisela
Handkarten? Ojutai, Jori En, Nissa, Bruna, Geier Reach Sanitarium
Lächerliche Kreaturen? Ulamog, Avacyn, Jace, Emrakul

All diese Karten würde ich am liebsten zusammen mit Nahiri, the Harbinger (fürs Ultimate), Eldritch Evolution (für mehr Tutoreffekte), ein paarmal Elvish Visionary als Kleber und ein paar Flickereffekten, zum Beispiel via Eldrazi Displacer, in ein Deck werfen. Vermutlich ist das alles zu verspielt und wahrscheinlich besteht Thalia's Lancers nicht den Avacyn-Test („Heißt diese weiße 5-Mana-Kreatur Avacyn?“), was aber eher etwas über die Absurdität des Erzengels denn über die Stärke dieser Karte aussagt. Dass ich es dennoch nicht ausschließe, dass man sie sehen wird, zeigt, wie viel Potenzial in der Karte wirklich steckt.

So, ich bin mir ziemlich sicher, dass ein beachtlicher Teil dieser Liste nur in Ausnahmefällen das Turniergeschehen von den vorderen Tischen aus verfolgen wird. Trotzdem – oder gerade deswegen – hoffe ich, dass ihr (auch ohne vollständige Decklisten) einige Anregungen gefunden habt, um den ersten Wochen mit Menschen und Geistern würdig begegnen zu können.

Bis zum nächsten Mal
Der MiDi




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