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Gute Karten, Schlechte Karten
von Andreas "Zeromant" Pischner
09.02.2004

Cordelia (to Buffy): "If you wanna fit in here, the first rule is: 'know your losers'. Once you can identify them all by sight, they're a lot easier to avoid."

Welcome to the Hellmouth, Buffy 1:1



Es ist wieder einmal soweit: Eine neue Magic-Edition kommt heraus, und jedermann beteiligt sich an Spekulationen, welche Karten denn nun Constructed-tauglich seien und welche nicht!

Dabei ist es ganz normal, dass man einige Monate später feststellt, wie furchtbar man doch in vielen Fällen danebengelegen hat - Magic ist (glücklicherweise) ein sehr komplexes Spiel, und daher ist es einfach nicht möglich, den Spielwert von neuen Karten korrekt vorherzusagen. Trotzdem liegen erfahrene Spieler mit ihren Prophezeiungen (ja, dieses Wort ist richtig geschrieben, egal, was auf Euren alten Displays steht!) natürlich viel öfter richtig als Scrubs, und in jedem Fall ist es interessant zu lesen, was diese "alten Hasen" für Ansichten und Ideen haben.

Aber auch, wenn es prinzipiell schwierig ist, neue Karten einzuschätzen: Der Großteil dessen, was man im Netz (insbesondere in Magic-Foren) darüber liest, ist einfach haarsträubender Unsinn!

Nun kann man natürlich seine Zeit - oder zum Beispiel einen Kolumnen-Artikel - damit verbringen, sich über diese Masse ahnungsloser Scrubs lustig zu machen. Aber wie TobiH schon bemerkte: Irgendwann geht einem einfach der Sarkasmus aus! Stattdessen will ich etwas anderes versuchen:

Bei der Einschätzung von Magic-Karten gibt es einige Richtlinien, die eigentlich immer gültig sind. In dieser Allgemeinheit kann ich das hier allerdings nur hinschreiben, weil ich von RICHTLINIEN spreche, und nicht von unumstößlichen Regeln! Einer der faszinierendsten Aspekte von Magic ist,
dass sich die Gegebenheiten ständig ändern. Dabei können selbst die heiligsten Kühe strategischer Magic-Prinzipien unerwartet geschlachtet werden: So gab es da zum Beispiel einmal eine Pro Tour im Format Tempest-only, bei der unerwartet mit Giant Strength eine Kreaturenverzauberung zur Tier-1-Karte aufrückte - was vorher undenkbar gewesen war! Und war da nicht neulich erst eine Block-Constructed-Saison gewesen, in der die Spieler mit schönster Regelmäßigkeit für Kreaturen Manakosten von bis zu ACHT bezahlten? Und in Kombodecks wurden immer wieder Karten salonfähig gemacht, die eigentlich GANZ OFFENSICHTLICH nicht constructed-tauglich waren - so wie Burst of Energy oder Deathlace halt...

Es läuft eben darauf hinaus, dass die Zeiten sich ändern und dadurch Nischen für einzelne Karten oder auch Strategien entstehen können, die vorher als unspielbar galten.

Wenn man sich dieser Ausnahmen jedoch bewusst ist, behalten die Richtlinien zur Kartenbewertung weiterhin ihre Gültigkeit! Kreaturenverzauberungen müssen schon etwas ganz Besonderes leisten oder auf ganz spezielle Metagamebedingungen antworten, um nützlich zu sein. Superteure Kreaturen funktionieren außerhalb des Onslaught-Blocks in der Regel doch nur in Decks, die ihr Ausspielen ausdrücklich zum strategischen Ziel erhoben haben. Und Karten, die "ganz offensichtlich" nichts tun, tun in 99.9% der Fälle auch tatsächlich nichts.

Deshalb will ich hier einige Richtlinien zur Kartenbewertung geben. Dabei nenne ich zu jeder Richtlinie einige Beispiele aus jüngerer Zeit, wo Karten, bei denen man durchaus hätte vermuten können (bzw. in dem einen oder anderen Fall, wo die Scrub-Community im Internet besonders hartnäckig darauf bestanden hat), dass sie Constructed-tauglich sind, sich als irrelevant erwiesen haben.

Dann kommt der schwierige Teil: Ich versuche, diese Richtlinien auf einige Darksteel-Karten, die in den
letzten Wochen im Netz diskutiert wurden, anzuwenden! (Das ist der Teil, der in dem einen oder anderen Fall - siehe Einleitung! - auch einmal in die Hose gehen kann.) Ich hoffe, dass diese aufklärerische Arbeit Leuten wie Tobi und mir in Zukunft ein wenig Sarkasmus erspart (den wir dann dafür an anderen, nicht minder geeigneten Stellen anbringen können!)


1. Die Investitionen (z.B. Manakosten)

Die Investitionen in eine Karte (eine recht unzulängliche Übersetzung des Begriffs "Investment") geben an, wieviele Ressourcen diese Karte benötigt, um eingesetzt zu werden. Das können ganz verschiedene Dinge sein, wie beispielsweise gezahlte Lebenspunkte oder abgeworfene Handkarten, aber in den meisten Fällen (und das ist auch der Aspekt, den Scrubs immer und immer wieder unterbewerten) geht es dabei um Manakosten!

Nun kann man die Manakosten einer Karte nicht völlig losgelöst von ihren weiteren Eigenschaften betrachten. (Das gilt übrigens für ALLE hier genannten Aspekte!) Nichtsdestotrotz muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, dass Mana eine Ressource ist, die im Constructed-Magic üblicherweise KNAPP ist. Je nach Metagame und Matchup wird eine Partie auch in relativ langsamen Formaten wie Standard oder Block Constructed oft bereits in den Runden drei bis fünf wenn auch nicht sofort beendet, so doch entschieden. Viele Spieler denken bei "ein Mana mehr" in Kategorien des Geld Bezahlens oder Abmessens - fünf Mana sind eben ein Fünftel mehr als vier Mana, was heißt das schon?

Das ist aber keine geeignete Orientierungshilfe! Bei Magic heißt es normalerweise: Mana HABEN oder NICHT HABEN! Mit vier Ländern im Spiel nützt mir die Erkenntnis, dass mir nur ein Fünftel an den Spruchkosten der Karte in meiner Hand fehlt, gar nichts. Wer Rollenspiele wie D&D oder Computerspiele wie das alte Civilization kennt, sollte sich stattdessen besser an folgendem Modell orientieren: Ein Spruch mit Gesamt-Manakosten von X entspricht einem X-te-Stufe-Spruch!
Eine höhere Stufe überhaupt zu erreichen, kostet Ressourcen, die man auch hätte aufwenden können, um einen niedrigstufigeren Spruch zu benutzen (Man muss nämlich ein weiteres Land haben, das stattdessen ein weiterer billiger Zauber hätte sein können)!

Deswegen sollte die die Frage nicht lauten: Ist die "Does-not-tap-to-attack" Fähigkeit des Diving Griffin ein weiteres Mana im Vergleich zum Leonin Skyhunter wert, sondern: Ist diese Fähigkeit es wert, einen Spruch einer höheren Stufe zu benutzen?

Typischerweise (das hängt natürlich vom jeweiligen Deck und dessen genauen Mana-Anteil ab) legt man mit einem Constructed-Deck bis zur vierten Runde jeweils ein Land und muss danach im Schnitt immer zwei bis drei Runden auf das nächste Land warten. Ein Mana mehr bedeutet also bei teuren Sprüchen oft zwei bis drei Runden später, in denen der Gegner vermutlich nicht untätig ist, während man selbst eine nicht benutzbare Karte in der Hand hält. Aber auch (und gerade) bei billigen Sprüchen macht ein Mana Unterschied viel aus, da es häufig darüber entscheidet, ob man einen Spruch zusätzlich zu einem anderen Spruch oder als Reaktion auf eine Aktion des Gegners spielen kann! Was nützt der Predator's Strike, wenn man nur noch ein grünes Mana frei hat, als die eigene Kreatur am Shock stirbt? Was bringt der Complicate, wenn der Gegner Molten Rain auf eine meiner beiden Inseln, die meine einzigen Manaquellen sind, spielt? Der Unterschied zu Giant Growth und Mana Leak ist fundamental: Spielen können oder nicht spielen können, das ist hier die Frage!

Insbesondere bei Kreaturen verklären beeindruckende Fähigkeiten und hohe Power/Toughness-Werte oft den Blick. Man darf aber nicht einfach nur sehen, wie supertoll diese Kreatur im Spiel ist, WENN sie im Spiel ist (und bleibt)! Auf gegnerische Kreaturen ist praktisch jedes Constructed-Deck auf irgendeine Art und Weise eingestellt.. Daher sollte man sich fragen: Ist diese Kreatur die Investitionen wert, wenn ich damit rechnen muss, dass mein Gegner darauf eingestellt ist, Kreaturen zu begegnen?

Um zu demonstrieren, WIE hoch die Hürde "Manakosten" für Constructed-Karten ist, habe ich zwei Beispiele aus Onslaught gewählt, bei denen man auf den ersten Blick wirklich nicht denkt, dass die Karten zu teuer wären: Hystrodon und Mobilization!

Beide Karten galten bei Erscheinen des Sets als sichere Constructed-Kandidaten, sind aber nach einer kurzen Testphase kläglich durchgefallen. Während damals beim Hystrodon davon geschwärmt wurde, wie ein grünes Deck (das damals neben Birds of Paradise auch Llanowar Elves zur Verfügung hatte) bereits in der dritten Runde eine Extra-Karte ziehen könne, galt Mobilization als geeigneter Finisher für Blau-Weiße Kontrolldecks. In der Realität hat sich dann gezeigt, dass für das Hystrodon sowohl 5 Mana, als auch zweimal 3 Mana einfach zu viel waren, während der mana-effizientere Ravenous Baloth sich den Weg in jedes grüne Deck bahnte. Mobilization hingegen war selbst im Wake-Deck, das ja darauf aufgebaut war, verschwenderisch viel Mana zu erzeugen, einfach nicht sein Mana wert: 3*x+3 Mana für X 1/1er Token lohnte sich nicht.

Als Beispiel aus Darksteel will ich hier NICHT den Darksteel Colossus anführen: Diese Karte fällt nämlich in die Kategorie "extrem", ebenso wie z.B. Eater of Days. Bei solchen Karten muss ich immer an den Phyrexian Dreadnought denken: Bei dermaßen extremen Eigenschaften sind Anwendungsmöglichkeiten im Constructed nie auszuschließen, da man eine Deckstrategie darauf aufbauen kann. Beim Dreadnought war es Pandemonium, bei Draco Erratic Explosion, der Krosan Cloudscraper ist in Decks mit Sutured Ghoul gelandet... Ob der Colossus z.B. mit Proteus Staff etwas taugt, kann ich nicht beurteilen. So oder so hängt es in diesem Fall in erster Linie wohl nicht von den exakten Kosten des Colossus ab, sondern von der Effizienz des dazugehörigen Decks.

Stattdessen soll die Ageless Entity herhalten: Eine äußerst beeindruckende Kombo mit Nourish, oder mit Renewed Faith, oder mit Wellwisher, oder Exalted Angel, oderoderoder... Unterm Strich bleibt jedoch, dass ich fünf Mana für eine Kreatur ausgebe, die meinem Gegner gefährlich werden soll. 5 Mana - das ist die Summe, für die Serra Angel schon lange nicht mehr gespielt wird, und für die sich Spiritmonger als bei weitem nicht zu stark erwiesen hat! 5 Mana sind einfach zu viel für eine Kreatur, die erst größer als ein Ravenous Baloth werden SOLL und die keinerlei Evasion besitzt. Um zu zeigen, was im jetzigen Metagame eine 5-Mana-Kreatur leisten muss, verweise ich auf Siege-Gang Commander, Arc-Slogger und Molder Slug - alles Karten mit dem Potenzial für enormen Kartenvorteil, ohne die Hilfe einer anderen Karte zu benötigen!

2. Situationsabhängigkeit (auch "mangelnde Flexibilität" genannt)

Viel zu oft liest man im Netz bei der Diskussion über die Spielbarkeit von Karten Sätze, die mit "Wenn" anfangen. "Wenn ich erste Runde Land & Chrome Mox spiele, und dann ein Isochron Scpter mit Boomerang eingeprägt lege"...sollte ich lieber Lotto spielen! Die Frage, wie gut eine Karte ist, stellt sich nicht für den hypothetischen Fall x und y und z (es sei denn, ich spiele eben ein Kombodeck, dass es sich zur Aufgabe gemacht hat, x, y und z zu vereinen) sondern einfach dafür, dass ich die Karte HABE. Wie gut ist sie dann? Dabei muss man auf jeden Fall auch berücksichtigen, dass der Gegner auch noch mitspielt! Ich stelle immer wieder fest, wie schwierig es ist, beginnenden Spielern ihre Heedless One und Doubtless One und Reckless One auszureden - Karten, die nur gut sind, wenn die eigene Strategie sowieso schon funktioniert! Wenn eine Karte nicht für sich genommen bereits gut ist, dann handelt es sich um eine Kombokarte. (Und von einer Kombo, die naturgemäß verlangt, dass man das ganze Deck auf sie ausrichtet, erwarte ich nicht viel weniger, als dass sie das Spiel gewinnt!) Da wir aber hier nicht über Kombos reden, betrachte ich stattdesen einige Karten, die durch ihre Situationsabhängigkeit nicht Constructed-tauglich sind:

Da ist einmal der Funspieler-Favorit Voice of the Woods! WENN ich die spiele und vier weitere Elfen habe... hätte ich das Spiel in den meisten Fällen einfach mit den vier weiteren Elfen gewonnen! Und wenn nicht - eine 2/2er für 5 Mana. Hurra!

Oder Lethal Vapors: WENN ich bereits im Vorteil bin (z.B., weil ich ein schnelles Kreaturendeck spiele) UND mein Gegner, um mich zu stoppen, Kreaturen ausspielen müsste... ja, dann gewinne ich ein Spiel, das ich mit einem flexibleren Creature Removal stattdessen wohl ebenso gewonnen hätte. Und wenn nicht - tja, dann habe ich halt einen Mulligan genommen... Aus heutiger Sicht wirkt es eher befremdlich, aber diese Karte ist bei Erscheinen von Scourge viel diskutiert worden!

Als letztes Beispiel will ich eine Karte nennen, die offensichtlich NICHT offensichtlich ist: Auriok Steelshaper! Seit sie erschienen ist, habe ich an ihrer Nützlichkeit (außerhalb von Block Constructed) gezweifelt. Klar, WENN ich ein Equipment im Spiel habe, UND zwar auf dem Steelshaper, DANN kriegen meine Soldaten und Ritter alle +1/+1 - da geht es ja schon wieder los mit den Wenns!
Ja, und was, wenn nicht? Wenn ich kein Equipment habe (oder der böse Gegner es mir kaputtmacht)? dann habe ich einfach eine 1/1er für W1, in Fachkreisen auch "Scheißkreatur" gennant. Und was, wenn ich zwar ein Equipment auf dem Steelshaper habe, aber keine weitere Kreatur? Tja, dann ist der Steelshaper 2/2 plus was immer das Equipment ihm gibt - das könnte ich mit Silver Knight, White Knight, Whipcorder oder Leonin Skyhunter auch besser haben!
Okay, WENN ich nun aber den Steelshaper und eine weitere Kreatur habe, UND ein Equipment - Moment mal, ich habe zwei voneinander unabhängige weiße Weenies und ein Equipment im Spiel? Ich glaube, ich gewinne auch so!

Gerade bei einer offensiven Strategie ist es wichtig, dass man seine Karten einfach, so wie sie sind, ins Spiel legen und mit ihnen Druck machen kann. Karten wie Glorious Anthem, die mit einem guten Drittel meiner Karten zusammenarbeiten, sind da gerade noch akzeptabel. Karten, die nach einer Kombination mit zwei weiteren Karten verlangen, sind es nicht!

Als besonders extremes Beispiel für eine situationsabhängige Darksteel-Karte will ich hier Chimeric Egg nennen!

(Ehrlich gesagt ist es mir absolut so hoch, wieso diese Karte überhaupt diskutiert wurde... Wenn es um Multiplayer gegangen wäre, hätte ich es ja noch verstanden, aber so?)


3. Relevanz (Einfluss auf das Spielgeschehen)

Okay, wir haben jetzt also eine Karte, die einigermaßen bezahlbar ist und auch zuverlässig das tut, was immer sie tut - ja, was denn eigentlich? Kann sie angreifen oder meinem Gegner sonst Schaden zufügen? Zieht sie mir zusätzliche Karten? Beraubt sie meinen Gegner seiner Ressourcen? Was macht es wünschenswert, diese Karte anstelle einer anderen Karte zu ziehen, die angreifen kann, Karten zieht oder meinen Gegner einer Ressource beraubt?

Das hier ist die Kategorie für Karten, die im eigentlichen Sinne dieses Magic-umgangssprachlichen Ausdrucks "nix machen" oder zumindest "wenig machen".

Mein absoluter Favorit in dieer Kategorie ist die wohl am meisten gehypte Scourge-Karte: Upwelling!

Also mal sehen... Ich spiele eine Karte und gebe vier Mana aus und die Karte macht - GAR NIX. Okay, warten wir eine weitere Runde... In dieser Runde muss ich aussetzen, denn wenn ich mein getapptes Mana für irgendetwas ausgebe, macht die Karte ja IMMER NOCH NIX. Also setze ich im Endeffekt zwei Runden aus, um dann in der folgenden Runde knapp doppelt so viel Mana zu haben wie sonst, hurra! (Nur, dass mein Gegner auch davon profitiert. Und zwei Runden lang Zeit hat, mir mit einem Naturalize oder so den Spaß zu verderben und mich gegebenenfalls sogar Mana Burm nehmen zu lassen.) Was mache ich jetzt mit dem ganzen Mana? Offensichtlich irgendetwas GANZ BESONDERS SPEKTAKULÄRES, denn es muss sich ja gelohnt haben, dafür zwei Runden auszusetzen!
...wie, mein Gegner hat mein Upwelling discardet/gecountert/naturalized und ich habe das GANZ BESONDERS SPEKTAKULÄRE immer noch auf der Hand und kann es nicht spielen? Mist. Also, mal sehen: Upwelling läßt mich erstens zwei Züge aussetzen und ist dann nur in Kombination mit einer ganz bestimmten (superteuren) Karte sinnvoll... diese Karte wiederum ist aller Logik nach auch nur mit Upwelling sinnvoll... Zum Teufel, wenn mein Deck so dringend Mana braucht, warum spiele ich dann nicht Explosive Vegetation? Kostet genauso viel, betrifft nicht meinen Gegner, kann nicht naturalized werden und ist gleich in der nächsten Runde benutzbar!

Ooookay, wenn Euch diese ausführliche Erläuterung gelangweilt hat, hier noch einmal die kurze Zusammenfasung: Upwelling MACHT GAR NIX - es hat in einem normalen Deck keinerlei positiven Einfluss auf das Spielgeschehen und ist in Kombination mit anderen Karten völlig ungenügend. Wie bitte, das ist völlig offensichtlich und ich bräuchte mir darüber nicht die Finger fusslig zu tippen?

...und das war es damals etwa nicht, als ich im der ZK im entsprechenden Thread gegen Windmühlenflügel kämpfte?

Die Moral von der Geschichte: Wenn sich die Wirkung einer Karte nicht unmittelbar mit Begriffen wie "Extraschaden", "zusätzliche Ressourcen" (man beachte das UNMITTELBAR hier!) oder Disruption beschreiben läßt, sollte man sehr misstrauisch sein - die Chancen stehen gut, dass die Karte halt einfach nix macht!

Ein weniger extremes Beispiel: In der Achten Edition ist Rukh Egg wiedergekommen. Klar, die Karte ist cool - aber was macht sie eigentlich? Für vier Mana bekomme ich einen Blocker, den der Gegner nicht gerne tötet. Und wenn er trotzdem irgendwie stirbt - Moment, dass muss korrekt heißen: WENN er trotzdem irgendwie stirbt (immer bei Magic-Diskussionen darauf achten, wie oft und in welchem Zusammenhang man "wenn" benutzt!) habe ich einen 4/4 Flieger.

Hier muss ich wohl nicht im Detail darauf eingehen, wieso diese Karte im Vergleich zu dem, was man für 4 Mana erwarten muss, viel zu wenig das Spiel beeinflusst, oder?

Kommen wir nun zu Darksteel! Da sind mir zwei Diskussionen aufgefallen:

Einmal ist da das Whispersilk Cloak - jawohl, im Constructed! Also, ich gebe 3 Mana aus, und noch einmal 2 Mana, und dann muss ich noch eine Kreatur haben - ja, und dann habe ich IMMER NOCH eine Kreatur, mit denselben Power/Toughness-Werten wie vorher (wenn es kein Auriok Steelshaper oder so ist...), nur dass der Gegner sie nicht mehr targeten oder blocken kann. Und DAS ist eine Karte wert? Und fünf Mana? Wie wäre es stattdessen einfach mit einer weiteren guten Kreatur - die zum Beispiel auch dann eiwas macht, wenn ich nicht bereits eine im Spiel habe? Ah ja, aber WENN mein Gegner auf meine Kreatur zielen oder sie blocken will... oder vielleicht spielt er ja auch ein Deck mit Wrath of God und Akroma's Vengeance. Oder er zuckt mit den Schultern und greift mit einer Kreatur mehr (da er lieber eine Kreatur ausgespielt hat und kein dummers, nutzloeses Equipment) zurück an und gewinnt das Damage Race. Naja, vielleicht spielt er ja auch weder ein Deck mit Kreaturen, noch mit globalen Kreaturenvernichtern... ähh... ja, genau.

(Und der Sarkasmus schleicht sich doch ein!)

Dann ist da Æther Vial. Zugestanden, die Karte sieht erst einmal interessant aus! Dann aber stellt man schnell fest, dass alle Lobpreisungen wieder damit beginnen: "WENN ich diese Karte erste Runde spiele"... und wenn nicht, dann spiele ich sie offensichtlich anstelle der Kreaturen, die ich irgendwann mit ihr ins Spiel bringen will, ja? Das nennt sich Tempoverlust - keine gute Sache für Kreaturendecks. Apropos: Wenn man die Möglichkeit hätte, anstelle der Vial erste Runde eine Kreatur zu legen, würde man das nicht auch lieber tun? Sind Kreaturendecks nicht immer auf der Suche nach guten ein-Mana-Slots (Savannah Lions/Deftblade Elite, Carrion Feeder, Goblin Sledder etc...)? Und wenn man die Vial im Mittelspiel zieht, wenn die Kreaturen von der Hand weg sind - hoppla, dann ist sie aber überflüssig! Ach übrigens: Die Vial selbst ist ja auch keine Kreatur, also erkaufe ich mir ihre Anwesenheit in meiner Hand in jedem Fall mit einer Kreatur weniger...

Zusammenfassung: Æther Vial ist Kartennachteil, da die Karte für sich genommen einfach nix macht. (Und in Beatdowndecks ist sie zusätzlich Temponachteil).

4. Anfälligkeit

Dann gibt es Karten, die einen WIRLICH coolen Effekt haben, der auch die Investitionen in sie wert zu sein scheint... wenn der böse Gegner es nicht viel zu einfach hätte, sie wegzumachen!

Ein Klassiker ist da der Royal Assassin, der einfach ein Albtraum für Kreaturendecks ist wenn er im Spiel bleibt! Aber das tut er irgendwie nicht. Als Offensivkreatur ist er mit seinen 1/1 für drei Mana offensichtlich zu mau, also muss man ihn als Creature Removal betrachten. Tja, aber da gibt es halt eine Farbe, die so gar keine Schwierigkeiten damit hat, 1/1er Kreaturen umzunieten, und die auch nicht selten gespielt wird: Das ist Rot! (Und Schwarz wird es auch irgendwie schaffen.) Creature Removal, das an gegnerischem Creature Removal stirbt? Das klingt nicht gut - da nimmt man doch lieber etwas Zuverlässigeres.

Ein anderer Klassiker ist der Elvish Piper - die wohl eleganteste Methode, superteure Kreaturen ins Spiel zu bringen, selbst wenn sie nicht reanimiert werden können (hallo Darksteel Colossus)!

Zu dumm, ein 1/1er für 4 Mana... nicht nur, dass Rot ihn problemlos wegbekommt, und schwarz wohl auch, er kommt auch etwa zur gleichen Zeit wie ein Wrath of God. Und wenn man ihn dann doch nicht im Spiel hat, stapeln sich die ganzen schicken superteuren Kreaturen nutzlos in der Hand...

Die Darksteel-Karte für diese Kategorie soll Panoptic Mirror sein, den ich ausgerechnet in einem Typ-1-Thread diskutiert gesehen habe! Über die Anfälligkeit eines 5-Mana-Artefaktes in Typ 1 muss wohl nicht viel gesagt werden. Hier kommt allerdings erschwerend noch dazu, dass mit einer gewissen Chance der Gegner den Mirror als Antwort auf das erste Imprinten zerstört, was vermutlich eine der stärksten Karten des eigenen Decks mit hopps gehen lässt. Ein wenig sehr riskant für eine Karte, die man zwei- bis dreimal benutzen muss, damit sie sich rentiert!

Die Lektion hier ist: Immer daran denken, dass der Gegner auch mitspielt! Wenn die eigenen Pläne zu leicht zu druchkreuzen ind, bilden sie kein solides Fundament für eine Gewinnstrategie.

5. Konkurrenz

Und dann gibt es Karten, die SIND gut genug, dass man sie spielen könnte. Aber man tut es trotzdem nicht: Einfach, weil es Karten gibt, die ungefähr das gleiche, nur besser machen!

Goblin Taskmaster zum Beispiel ist eine 1-Mana-Kreatur, nach der sich Sligh-Spieler in der Anfangszeit dieses Decktyps alle zehn Finger geleckt hätten! Pumpt sich selbst und andere Goblins, kann als 2/2er (und vor allem als FARBLOSER 2/2er!) gespielt werden - der Junge IST gut.

Goblin Sledder ist besser. Und Skirk Prospector ist es, aufgrund der Präsenz von Goblin Sharpshooter sowie von teuren Kreaturen wie Goblin Goon, Clockslither und/oder Siege-Gang Commander (und Rorix, Bladewing!) auch. Selbst Goblin Grappler könnte zu bevorzugen sein.

Hier hat eine gute Karte einfach zu viel starke Konkurrenz, um gespielt zu werden. Das heißt NICHT, dass sie schlecht wäre - eine andere beliebte Dummheit von Scrubs ist es, Karten, die nicht in Netdecks auftauchen, deswegen völlig abzuqualifizieren! Auf diese Art verpasst man bei leichten Verschiebungen des Metagames oder dem Herausrotieren eines Sets oft nur die plötzlich beste Alternative.

Was ist eigentlich aus dem Blinding Angel geworden - war der nicht auch einal eine Turnierkarte gewesen? Oh ja! Und, warum ist er es heute nicht mehr? Meiner Ansicht nach ist das (wenn auch vielleicht nicht einzige) Problem der Exalted Angel. Was macht der Blinding Angel denn? Er macht dem Gegner Schaden, während er verhindert, dass die gegnerischen Kreaturen Schaden machen. Was macht der Exalted Angel? Er macht dem Gegner doppelt so viel Schaden und sorgt mit seinem Lifegain dafür, dass der Schaden der gegnerischen Kreaturen zum großen Teil ausgeglichen wird. (Und nicht nur von Kreaturen!) Das ist schon ziemlich ähnlich, und der Exalted Angel fängt dank seiner Morph-Fähigkeit auch noch FRÜHER damit an.

Natürlich ist im Moment das Metagame dermaßen mit Wrath of God, Akroma's Vengeance & Eternal Dragon verseucht, dass selbst der Exalted Angel zur Zeit kaum gespielt wird. Aber selbst wenn sich das ändert: Solange der Exalted erlaubt ist, sehe ich schwarz für den Blinding.

Jetzt noch ein GANZ ALTER Klassiker (obwohl die Karte noch in der Achten ist): Jayemdae Tome! Jawohl, diese Karte war einstmals in Kontrolldecks (genauer: in DEM Kontrolldeck) in Gesellschaft von Ancestral Recall und Braingeyser gespielt worden! Aus heutiger Sicht mag es fraglich erscheinen, ob sie wirklich in dieses Deck gehört hatte. Andererseits gab es außer den beiden genannten Restricted-Karten damals keinen guten Card Draw.

Warum spielen blaue Kontrolldecks (und machen wir uns da nichts vor, Jayemdae Tome wurde immer in blauen Decks gespielt) diesen Klassiker heute nicht mehr?

Weil das Tome bestenfalls drittklasig ist, darum! 4 Mana, dafür kann ich einen Concentrate spielen. Um dessen Wirkung zu erreichen, muss das Tome SECHZEHN Mana fressen. Okay, kein Vergleich hier! Selbst Treasure Trove ist besser - die Ausspiel- und AKtivierungskosten sind zwar gleich (abgesehen vom farbigen Mana, aber wir spielen ja Blau!), aber sobald man acht Mana hat, kann man den Trove zweimal pro Runde aktivieren, und als Enchantment ist er zur Zeit klar weniger anfällig als das Tome.

Was nicht heißt, dass irgendjemand den Trove in den Zeiten von Concentrate, Thirst for Knowledge, Thoughcast und Future Sight spielen würde...

Jayemdae Tome jedenfalls hat die Zeiten seiner Spielbarkeit weit, weit hinter sich gelassen. Rest in Peace!

Zu Darksteel: Pulse of the Tangle IST gut. Hey, auch Trained Armodon ist gut! Der Pulse hat gegenüber dem Armodon Nachteile, aber auch deutliche Vorteile.

Und dann war da noch der Troll Ascetic... Wenn ein grünes Deck jemals mehr als 4 Kreaturen im 3-mana-Slot spielen will, dann steht der Pulse bereit. 3/3 für drei Mana ist völlig okay, ein Beast zu sein, kann ein Vorteil sein, und ab und zu geht er auch tatsächlich wieder auf die Hand zurück (z.B. gegen Goblins oder WW).

Nichtsdestotrotz ist wohl in nächster Zeit nicht mit ihn zu rechnen.

Ein letztes Beispiel noch: Leonin Shikari. Im Gegensatz zum Steelshaper ist der auch ohne ein Equipment eine erträgliche Kreatur.

Erträglich, das ist hier das entscheidende Wort. White Knight ist eine gute Kreatur. Silver Knight und Leonin Skyhunter sind es auch. Whipcorder ist wohl sogar noch besser.

Ein bisschen viel Konkurrenz im 2-Mana-Slot, selbst wenn White Weenie überhaupt wieder spielbar wird.

6. Metagame

Kommen wir zum letzten Faktor, der die voraussichtliche Spielbarkeit einer Karte im Constructed bestimmt (ich habe versucht, mehr oder weniger alles abzudecken, und dafür auch gewisse Überschneidungen in Kauf genommen): Das Metagame.

Starke, effiziente Karten, die auch die besten ihrer Art sind, können überflüssig sein, wenn sie einfach nicht gebraucht werden.

Eines der besten Beispiele ist wohl Choke aus der Achten Edition. Ein superböser Colorhoser gegen blaue Decks - aber welche eigentlich? Die, welche ihr blaues Mana aus Seat of the Synod und Talisman of Progress/Dominance beziehen? Oder die mit den Cloudposts bzw. Urza Lands, die kaum blaues Mana benötigen und den Choke halt irgendwann nebenbei mit der Akroma's Vengeance wegmachen?

Stark, aber zur Zeit überflüssig.

Oder Voidmage Prodigy - eine exzellente Karte in blauen Aggro-Controldecks!

Wenn es davon welche gäbe. Armer Kai...

Und was nehme ich jetzt als Beispiel aus Darksteel? Hm, zukünftige Metagmes vorhersagen - gibt es denn irgendetwas aus dem Bereich von Magic: The Gathering, das ich NOCH schlechter kann?

Puh, da fällt mir nichts ein, also gehen wir den sicheren Weg:

Karstoderm!

Der ist nämlich eigentlich ziemlich gut! Im Invasion-Block zum Beispiel. Naja.

Beenden wir das Trauerspiel.


Resummee: Die Karten einer neuen Edition sehen immer zuerst aufregend aus. Das sollten sie auch, ansonsten hätten die Jungs und Mädels bei WotC keinen guten Job gemacht! Bevor man aber zu den Leuten gehört, die sich 4 Upwelling für 10 Euro das Stück auf Ebay holen, lohnt es sich, noch einmal ganz in Ruhe nachzudenken und zu versuchen, die Stärken und Schwächen einer Karte sachlich zu erfassen. Der Vergleich mit älteren, ähnlichen Karten hilft dabei ein wenig, kann aber manchmal auch in die Irre führen, wenn sich die Bedingungen geändert haben oder zunächst nebensächlich erscheinende Eigenheiten plötzlich bedeutend werden (Wie - ich kann Artefaktländer für R detonieren lassen?)

Auf jeden Fall - und das gilt eigentlich für fast alle Bereiche des Lebens! - sollte man sich NICHT davon leiten lassen, was die Mehrheit sagt. Die Mehrheit hat nun einmal keine Ahnung - es ist immer besser, den Argumenten zu folgen!
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