Community Speed kills präsentiert: Hartes Brot Lasst die Finger von Internetarchiven von Uwe Stroinski |
05.05.2005 |
Wer dem Rat im Titel nicht folgen will, der ist hier genau richtig aufgehoben. Dieser Artikel ist für die Historiker unter Euch. Leute also, die gerne in staubigen Archiven wühlen und wissen wollen wie es so war vor zehn Jahren, als das alles anfing mit Magic. Präsentiert werden mindestens vier Stunden Lesestoff mit Einblick in Originalquellen direkt vom Ausgrabungsort. Intime Details über Richard Garfield, Paul Barclay und den berühmt berüchtigten „black summer“ werden abgerundet durch einige Spieltipps und eine Unmenge an Turnierreports. Wer damals dabei war, wird sich vielleicht gerne erinnern. Für die anderen gilt frei nach Buddha: Lesen heißt leiden!
„Attack!“ Ich tappe meinen Thicket Basilisk und lehne mich zurück. Das G/W Kontrolldeck hat mich bis ins Finale meines ersten großen Turniers getragen. Das Format ist ungepowert, um möglichst vielen das Mitspielen zu ermöglichen. Offensichtlich ist Lure dann einfach zu mächtig und hat folgerichtig meine Gegner reihenweise in die Verzweiflung getrieben. Mein Gegenüber spielt ein B/U Kontrolldeck und sieht sehr gelassen aus. Egal. Jedenfalls wird er jetzt sein ganzes Board verlieren. Er tappt Royal Assassin und entgegnet: „Destroy Basilisk.“ Mir schießt das Blut ins Gesicht. Natürlich! So muss man den Assassin einsetzen! Während des Angriffs! Wieso war ich da nur nicht selbst drauf gekommen? Was für ein Fehler. Mein erster Fehler. Der erste einer langen Reihe.
Diese Szene hat sich nicht letzte Woche zugetragen. Sie spielt nicht einmal in Deutschland. Sie stammt aus England und das Datum ist irgendwann 1994 vielleicht Anfang 1995. Vor ziemlich genau zehn Jahren habe ich mich das erste Mal frisiert. Das tat richtig weh. So weh, dass ich mich heute noch daran erinnern kann. Jedenfalls habe ich etwas gelernt. So banal es klingt, Magic lernt man nur durch spielen. Man kann schlicht nicht jede Idee selber haben. Es ist vollkommen legitim, anderen zuzuschauen und zu lernen. Aber wie kann man lernen? Die Spielgruppen damals waren auf einige Unis verteilt und eigentlich hatte niemand Interesse am Turnierspielen. Magic war damals vollkommen reduziert auf power gaming, d.h. wer die teuersten Karten hatte, war der Held. Einerseits konnte ich mich nur durch Spielen auf Turnierniveau verbessern, während es andererseits zu wenig Turniere und zu wenig Gleichgesinnte gab.
Das war die Situation als ich auf die Mailing List mtg-strategy-l (zumArchiv) stieß. Ich weiß nicht mehr genau, wann das war, ich glaube im Frühjahr 1995. Die Archive gehen jedoch nur bis Januar 1996 zurück. Es kann also sein, dass ich mich täusche. Auf dieser Liste tauschten Enthusiasten E-Mails aus. Jede E-Mail wurde an jeden Abonnenten verteilt. Bequeme Leser, so wie ich, erhielten einmal wöchentlich einen Digest, eine Zusammenfassung aller E-Mails.
Kurz darauf entdeckte ich die amerikanische Newsgroup rec.games.trading-cards.magic.strategy und das englische Pendant uk.games.trading-cards.misc. Die Newsgroups sind am Besten mit den heutigen Foren zu vergleichen.
Wir hatten also eine Infrastruktur. Aber worüber sollten wir uns unterhalten? Wer mehr Moxe hat? Entscheidend war also, dass zur gleichen Zeit das Format Standard (damals Type II) immer mehr an Popularität gewann. Ein Format bei dem jeder Zugang zum gleichen Kartenpool hatte und wir Juwelenbesitzer nicht unbedingt bevorteilt waren. Magic wurde zum Sport und Standard zu _dem_ Thema in Listen und Newsgroups.
So in etwa war die Situation als die Bombe einschlug. Ein bis dahin unbekannter Abonnent namens Paul Pantera beschrieb ein neues Deckkonzept auf mtg-strategy-l. Ein Vintage (damals Type I) Deck, welches mit Moat, Jayemdae Tome, Library of Alexandria sowie Disrupting Scepter und Mind Twist natürlich inklusive diverser weiterer Spoiler den Gegner förmlich zerrieb um ihn dann mit einem Paar Serra Angel zu töten. Diese Strategie war so anders als alles was wir bisher gesehen hatten, dass wir es ausprobieren mussten. Es funktionierte. Es funktionierte wirklich! Eine Strategie, die gewann, und ein Konzept, welches erklärte warum man gewann. Das Konzept wurde „Card Advantage“ genant. Das war so neu, dass der Autor für Magic meiner Meinung nach die gleiche Bedeutung bekam wie Newton für die Physik. Der Name des Decks war schlicht „The Deck“ und der Name des Autors ist Brian Weissman.
August 1995. The Deck
Dieser Artikel ist die wahrscheinlich einflussreichste Arbeit in der Magic Geschichte. Paul erzählt uns darin was er für ein toller Hecht ist und was er für tolle Hechte kennt. Das war damals durchaus üblicher Stil. Danach kommt er zum Punkt und auf drei, vier weiteren Seiten liefert er eine Deckbeschreibung, wie man sie besser nicht machen kann. Ich war am Haken. Nicht für Vintage, aber für das Netz. Das Netz bedeutete ab jetzt nicht nur Kommunikation sondern auch Information. Auch ich nahm daran teil.
Dem Himmel sei Dank sind meine Frühwerke (hoffentlich) im Datennirwana verschwunden. Das vielleicht erste vorzeigbare Projekt war der „The Fastest Deck“ Wettbewerb.
Februar 1996 Die Ausschreibung zum “The Fastest Deck“ Wettbewerb (weitere Erklärungen)
Februar 1996 Der Wettbewerb
Entwicklung ohne Tempoverlust. Aktivierung der Ressourcen. Das waren Konzepte, die wir damals vom Schach übernahmen und die heute noch wichtig sind. Allerdings waren die oben angeführten Decks nicht die schnellsten Decks. Die Story geht weiter.
Wahrscheinlich um den Dreh herum, vielleicht aber doch erst 1997, setzte Frank Kusumoto seine „The Dojo“ Seite (Archiv unter: http://www.classicdojo.org) auf. Sie wurde später die beste Seite für Magic. Etwa vergleichbar mit PlanetMtG heute.
Anfang 1996 begann WotC in England mit der Organisation von überregionalen Standard-Turnieren. Bis dahin war doch alles noch klein und eher lokal gewesen. Das erste dieser größeren Turniere, an dem ich teilnahm war der Polycon in Cambridge. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt zwei Decks ein White Weenie mit 4 Land Tax, Armageddon und Wrath of God, welches wir heute nicht als Aggro sondern eher als Aggro Control einstufen würden und ein _damals_ wohl innovatives schwarzes Kontrolldeck zum dem ich nachher noch einiges sagen werde. Der Trick des WW war natürlich das sogenannte Land Tax stalemate mit einem "one drop" z.B. Savannah Lion zu garnieren. Dies zwang dem Gegner i.d.R. unangenehme Entscheidungen auf. Land Tax war damals eine der stärksten Karten und die Freude eine zu sehen war in etwa so groß, wie zehn Jahre später bei Disciple of the Vault.
Da ich die überregionale Szene erst einmal antesten wollte, nahm ich das weiße Deck und tankte mich durch die Vorrunden. Im Viertelfinale traf ich auf einen U/W Standard Weissmanklon. Der hatte wie erwartet keine Chance gegen mein Land Tax gepowertes aggressives Deck. Wenn, ja wenn da nicht der Schiedsrichter für die Heimmannschaft gepfiffen hätte. Als unbekannter Deutscher in England gegen einen der Topspieler habe ich mich natürlich benommen und meinen Gegner die Hand gegeben. Der machte mir daraufhin ein Kompliment: „You know the rules!“. Mein damaliger Gegner war Paul Barclay. Sein Kompliment war kein kleines, denn die Regeln waren zu jener Zeit eindeutig eine Schwäche von Magic. Viel zu kompliziert, nahezu jede Karte ein Ausnahme. Schiedsrichter waren oft einfach Richter, die die Plausibilität von Argumenten abwägten um dann Entscheidungen zu fällen. Dies änderte sich eigentlich erst mit der Einführung des Regelwerks welches wir noch heute verwenden, mit der Einführung der 6.Edition. Reichlich spät also. Pauls Bemerkung über Regeln war allerdings durchaus doppeldeutig zu verstehen.
Eine Woche später war ich wegen dieses Zwischenfalls jedoch nicht mehr ganz so unbekannt in der Szene und jetzt zückte ich das kleine Schwarze.
März 1996 Crusade VI in Bristol
Mit dem 5. Platz in Cambridge und dem Erreichen des Finales in Bristol war ich innerhalb einer Woche bei Englands Magicspielern bekannt wie ein bunter Hund. Nicht zuletzt wegen meiner Nationalität und natürlich wegen des Necrodecks. Das hat ein wenig Furore gemacht, da man von der im Februar 1996 gelaufenen ersten Pro Tour Necro eher als Aggro deck mit bis zu acht Knights of Stromgald bzw. Order of the Ebon Hand kannte. Eine Kontrollvariante, wie ich sie spielte, war damals, sagen wir es einmal so, noch nicht sehr verbreitet.
Als kleiner Nachklapp zum “The Fastest Deck“ Wettbewerb.
April 1996 Der “The Fastest Deck“ Wettbewerb
In 1996 hatten wir viele Errungenschaften der modernen Turnierszene noch nicht durchgesetzt. Eine davon war das Schweizer System. Wir spielten meistens „round robin“, d.h. die Spieler wurden an Vierertische gesetzt und spielten dort jeder gegen jeden. Die Sieger der Tische wurden dann zusammen gruppiert und spielten erneut jeder gegen jeden. Die Top 8 oder Top 16 wurden dann nach dem System ermittelt, welches dem Veranstalter gerade einfiel. Das führte natürlich immer zu Diskussionen. So auch auf dem ersten PTQ in England zu dem ich eingeladen war.
April 1996 PTQ Birmingham
Das war wohl nichts. Rückblickend lässt sich meine nicht den Erwartungen entsprechende Leistung auf dem Turnier vielleicht damit erklären, dass ich an jenem Tag Geburtstag hatte. Ich war mit meinen Gedanken einfach nicht bei der Sache. Nun, jedenfalls war ich nicht allzu traurig und machte weiter.
Die folgende E-Mail gibt einen Eindruck wie wir in jener Zeit Taktik und Strategie diskutiert haben. Wundert Euch bitte nicht, warum ich mit einem Land auf der Hand gespielt habe. Mulligan war damals nur erlaubt wenn man gar kein (oder sieben) Land auf der Hand hatte. Dann durfte man allerdings sieben Karten nachziehen.
May 1996 Das Internet zahlt sich aus
Eine weitere Errungenschaft, die wir Spieler uns noch erkämpfen mussten, war die „optional draw rule“. In 1996 hatte der Startspieler nämlich noch eine Drawphase und damit einen immensen Vorteil. Wie groß der war, lest selbst.
May 1996 Optional draw rule, please
Swamp, Dark Ritual, Hymn to Tourach, Demonic Consultation for Hymn to Tourach. Das ist schon ein Start. Der Gegner war geschlagen bevor er Einfluss auf das Spiel nehmen konnte.
Interessant finde ich die Bemerkung zum starken Sideboard. Manchmal habe ich den Eindruck, dass man das heute wieder vergessen hat. Das Entscheidende am Turnierspiel ist nicht die Deckauswahl, sondern der Sideboardplan. Das liegt an dem Turniermodus „best of three“. Hiernach ist die Gewinnwahrscheinlichkeit für ein Match gleich 2 x pre x post x (1-post) + post ^ 2, wobei pre die Gewinnwahrscheinlichkeit vor dem Sideboarden und post die Gewinnwahrscheinlichkeit nach dem Sideboarden ist. Auch ohne Mathematik sieht man sofort, dass wenn man nach dem Sideboarden auf jeden Fall gewinnt, so gewinnt man das Match und wenn man nach dem Sideboarden auf jeden Fall verliert, so verliert man das Match. Matchausgang und post sind also sehr stark korreliert. Was ich von Match-up Analysen presideboard halte, könnt Ihr Euch damit denken. Das ist eine unterhaltsame Form von Zeitverschwendung. Die folgende Binsenweisheit gilt heute mehr denn je: Es wird zuviel ohne Sideboard und zuwenig mit Sideboard getestet.
Zurück in den Sommer 1996. Der wurde durch eine Bemerkung im letzten Satz des ansonsten mäßig interessanten folgenden Reports eingeleitet. Mäßig interessant ist allerdings relativ. Die Beschreibung der kleinen Herausforderung am Ende des Artikels zeigt wie wir Meinungsverschiedenheiten in der Regel austrugen. Wir haben sie einfach ausgespielt.
Juni 1996 “Necro the Gathering”
Den Ausdruck „Necro the Gathering“ finde ich heute noch gut. Wir waren im „black summer“ und Necro war das deck "to beat". Natürlich wollte ich so kurz vor den nationalen Meisterschaften meine Karten nicht aufdecken. _Der_ Plan ging jedenfalls auf.
Juni 1996 Swindon
Dann war es so weit. Ich war zu den Englischen Meisterschaften eingeladen. Der unbestrittene Star des Turniers war der Franzose Bertrand Lestree. Als Finalist der ersten Weltmeisterschaft besaß er einen geradezu legendären Ruf. Wie es ihm erging? Lest selbst.
Juni 1996 UK Nationals
Dieses Turnier war also kein großer Erfolg für mich. 4: 2 auf den englischen Meisterschaften, da hatte ich mir mehr erwartet. Grund war natürlich der katastrophale Fehler einen zweiten Hypnotic Specter auszuspielen, wenn das einzige out für den Gegner ein Wrath of God ist. Nobody is perfect.
Zwei Wochen später, das Wimbledon in Magic. Einmal im Monat traf man sich in London zum Mox a Month. 128 Teilnehmer im knock-out Format spielen um einen Mox. In meinem Report wird beiläufig auch das fundamentale Magicgesetz erläutert;-)
Juli 1996 Mox a Month IV
Dass wir nicht teilnehmen konnten, war natürlich schade, jedoch auch wiederum nicht. Es war einfach nicht wichtig. In London spielte man Magic, ob im Turnier oder daneben. Außerdem war da immer noch der nächste Monat. Den kleinen Seitenhieb zur Fußball EM konnte ich den Inselbewohnern nicht ersparen.
Ein Highlight meiner Forschung über Magic ist natürlich, ich zitiere: „… This brings us to the fundamental law of MtG: There is only a certain amount of bad luck in this world. Say x. If you play y times and y > x then you will be lucky. …” Das gilt, glaube ich, auch heute noch.
Ebenfalls im Juli 1996 erscheint das erste wirklich erfolgreiche Kombodeck. Howling Mine, Kismet und Stasis sind für den uneingeweihten Gegner ein unüberwindbares Hindernis. Leider jedoch zu langsam, um damit zuverlässig Turniere zu gewinnen.
Juli 1996 Thames Valley X
In diesem Turnier hat es für Stasis nicht zum Sieg gereicht. Genaugenommen kenne ich nur einen Menschen der mit diesem Deck ein größeres Turnier gewonnen hat. Aber dazu später mehr. Erst noch einmal eine weitere Niederlage.
Juli 1996 Ealing. Master of Magic I
Ethik ist ein hochtrabendes Wort. Aber darum geht es hier. Wie sollte sich der ehrenhafte Magicspieler verhalten, wenn es Richtung Zeitlimit geht? Ich weiß die Antwort bis heute nicht. Von Zeit zu Zeit jedoch habe ich „just in time“ aufgegeben. Das ist sicherlich nicht sehr professionell, aber wahrscheinlich dennoch richtig.
Genug von Stasis. Jetzt wird wieder Necro gezockt.
August 1996 Swindon III
“Play your Hymns well and you need no Disks.” Dieser Satz ist einfach wahr und irgendwie auch der Grund warum Hymn to Tourach eines Tages lange vor seiner Zeit aus Standard geworfen wurde.
Die Top 8 oder Top 16 jener Zeit wurden gewöhnlich nicht mit Zeitlimit gespielt. Vor allem nach dem Auftauchen der Prison- und Stasisdecks war das für die Veranstalter ein gewisses Risiko. Ich erinnere mich noch lebhaft an ein Halbfinale Stasis gegen Stasis, dass ich nach circa zwei Stunden 2:0 gewinnen konnte weil mein Gegner aufgab. Er hatte keine Force of Wills mehr und damit keine Chance ein Kismet auf den Boden zu bringen. Und darum ging es ja damals, um das Kismet nicht um die Stasis. Allerdings hätten wir zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch eine Stunde spielen müssen, um das zu beweisen und stellt Euch vor mein Gegner hätte das Zweite gewonnen.
Weiter geht es mit dem fundamentalen Gesetz über Frauen und Magic.
August 1996 Worthing II
Die kleine Stichelei gegen die amerikanischen Spieler müsst Ihr verzeihen. Dass CoP:B und Pestilence beziehungsweise „flying“ in Limited gut sind, war auch 1996 schon ein alter Hut.
Spätestens jetzt hatte es sich herumgesprochen, Necro ist ein gutes Deck. Das merkte man daran, dass alle behaupteten Necro sei tot. Ja, das war damals schon so!
August 1996 How to beat Necro
Auch Netdecking, also das Kopieren von Decks aus dem Netz war ein Thema. Meine damalige Meinung zum Thema hat sich eigentlich nicht geändert.
August 1996 Netdecking
Nachdem die Gewinnerdecks veröffentlicht waren, haben wir sie natürlich genüsslich zerlegt.
August 1996 Oliver Schneiders Stormbind
64 Karten, aargh, und gewinnt damit auch noch denn Side Event auf der Pro Tour. Ohne Strip Mines wäre ihm das sicher nicht gelungen. Ohne Mishras wahrscheinlich auch nicht. Ich vermisse solche Deckbesprechungen.
Einmal gelang mir sogar das Unmögliche Ich bekam einen Counter auf meinen Sengir Vampire.
August 1996 Ealing. Master of Magic II
In den Top 8 gleich verlieren war ich Meister. Hier noch einmal.
September 1996 Shrewsbury
Das ärgerlichste Erlebnis im Zusammenhang mit verlorenen Viertelfinals war ein PTQ im Dezember 1996 in Maidenhead im Format Mirage/Visions Sealed Deck in dem ich den Swiss Part ohne einen einzigen Spielverlust gewann, nur um im Viertelfinale wieder geschlagen zu werden. Das Deck besitze ich heute noch, eingetütet in die von mir damals benutzten Spielhüllen. Diese Spielhüllen waren für den Einzelhandel vorgesehene Preishüllen die ich zweckentfremdet eingesetzt habe. Warum? Nun als ich anfing Turniere zu spielen gab es noch keine UltraweißderGeierDinger und da ich während der Turniere an den Händen schwitzte musste ich eben improvisieren. Allerdings gab es noch einen zweiten Grund und der war mindestens genauso wichtig. Dass sich die Rücken von Magic-Karten in Farbnuancen unterscheiden weiß jeder, man vergleiche nur Alliances mit Ice Age. Was weniger bekannt ist und mir nebenbei den einen oder anderen Groschen eingebracht hat ist, dass es herstellungsbedingt sehr schwierig ist die Ecken von rares und commons mit dem gleichen Radius zu schneiden. Die werden i.d.R. von verschiedenen Maschinen aus den Druckfolien gestanzt. Das hat zur Konsequenz, dass man mit dem „diagonal cut“, d.h. mit Daumen und Mittelfinger an gegenüberliegenden Ecken des Decks, rares nach unten cutten kann. Wer das nicht glaubt versuche es selbst mit 38 Onslaught commons und 2 Onslaught rares. Dort stehen die Ecken der rares ganz extrem über und man braucht nur ganz wenig Fingerspitzengefühl.
Im Herbst '96 war es gang und gäbe Spielern ein Startgeld zu bezahlen. D.h. Turnierorganisatoren luden gute Spieler zu Ihren Turnieren ein. Kost und Logis frei sowie eine mehr oder minder kleine Kontribution unabhängig vom Turnierresultat. So schön sich das anhört, es hat auch Nachteile. Magic verliert den Status eines Spiels und wird Arbeit. Nachdem ich im folgenden Turnier in der dritten Runde (round robin) gegen die Argothian Pixies eines kompletten Turnieranfängers verliere, spiele ich “um mein Leben“.
September 1996 Doncaster
Dann gingen die englischen Pro Tour Spieler zur Pro Tour und ließen sich von Necro vertrimmen. Sie kamen zurück, spielten Necro und ließen sich von mir vertrimmen. So einfach kann Magic bisweilen sein.
September 1996 Reading
Ohne Umschweife das beste Turnier, dass ich in meinem Leben gespielt habe. Den Pokal habe ich heute noch. Der Turnierorganisator hat sogar meinen Namen eingravieren lassen.
Interessant sind auch die Ratings. Soweit ich weiß, war ich damit der erste gerankte deutsche Spieler. Im Unterschied zu den heutigen Ratings waren die damaligen nicht so „up to date“, d.h. die DCI war zunächst immer mehrere Monate mit dem Einpflegen hinterher. Das verbesserte sich aber schnell.
Decklisten bei Limitedturnieren hatten wir auch noch nicht. Wozu das führte erfahrt Ihr im nächsten Bericht.
September 1996Swindon. Mirage Prerelease
Der großer Unterschied zu heute war jedoch die Turnierdichte. Wir spielten damals wesentlich mehr. Bis zu vier Turniere pro Woche! Das fing manchmal Mittwochs an und zog sich hin bis zum Sonntag. An den Tagen an denen wir keine Turniere hatten trainierten wir. Normalerweise so zwischen 3 und 4 Stunden täglich. Wer Chips und Cola mitbrachte, war gern gesehen. In „meiner“ Spielgruppe waren wir immer so zwischen vier und zehn Spieler.
Das zahlte sich natürlich aus. Im Oktober 1996 war ich (unter meinem japanischen Pseudonym Yokohomo K. Masutra) auf Nummer drei der englischen Rangliste. So ging es dann zu unserem monatlichen Wimbledon.
October 1996 Mox a Month 256
Dass der folgende PTQ abgesagt wurde, war sehr ärgerlich, denn ich hatte für Ice Age Block Constructed ein Ivory Gargoyle / Jokulhaups Deck mit “off color” Elvish Spirit Guide vorbereitet. Damals gab es für jede Pro Tour in England genau einen PTQ mit 96 Teilnehmern. Man hatte also genau eine Chance aus 96 Möglichkeiten und nicht einmal die hatte man immer.
October 1996 Thames Valley XII
Da lag ich falsch. Die Meinung: „Die Zukunft gehört W und Kontrolle, d.h. White Weenie und Counterpost“ hatte bestenfalls vier Wochen bestand. Die Zukunft war rot. Aber dazu später mehr.
Interessant ist auch, ich zitiere:
„The first rule when you want to become a top MtG player is
Rule I: If your opponent is mana screwed, finish him off in 5-6 turns.“
Das hatte ich damals quasi im Vorgriff auf mein heutiges Motto “speed kills“ formuliert.
October 1996 Scarborough. The Coastal Challenge
Da habe ich die Jungs doch dran gekriegt. Mit Stasis in Standard. Geht doch. Man muss nur wollen.
Alles in allem war der Tonfall zwischen den Teams eher locker. Ach so, der Zentaur um den es gleich gehen wird ist Jolrael.
November 1996 Seitenhiebe
March of the Machines hatten wir damals auch schon. Er war grün und hieß Titania's Song.
So, da waren wir nun. Im November war ich Englands am höchsten gerankter Spieler. Die Nummer Eins. Was mir gleich im ersten Turnier passierte, ist ein Beleg dafür, dass man sich für Rating nichts kaufen kann.
November 1996 Swindon
Das schlechteste Turnier das ich je gespielt habe, ohne Zweifel. „Oliver is his name and Hammer the name of the game" war natürlich wieder ein Schenkelklopfer. Die Zukunft war angebrochen, der „black summer“ war vorbei. Ein rotes Kontrolldeck und wer hatte es konstruiert. Der Oliver Schneider. Den Kerl gibt es immer noch und er ist halt einfach gut.
Allerdings war spielen nicht alles. Der Millstone als never ending story.
November / Dezember 1996 Der elende Millstone (mehr dazu)
Für den geneigten Leser noch einmal eine kurze Beschreibung der roten Kontrolldecks. Die Fetchländer von denen die Rede sein wird waren die Mirageländer. Fetchländer, die hatten wir damals also auch schon.
Dezember 1996 Introducing „The Hammer“
Das ist gewissermaßen mein „coming out“: „… In the post 1st Jan type II environment speed kills. Even more than it does now … “
Dann ging es aus beruflichen Gründen zurück nach Deutschland. Ich hörte auf Magic zu spielen. D.h. Turniere spielte ich noch, aber sonst hatte ich keine Zeit mehr.
Das erste Turnier war Anfang 1997 in Tübingen mit einhundertundeinpaar Teilnehmern. Gespielt wurde um 3.000 Mark. Zum damaligen Zeitpunkt war mein Standard Rating so um die 2000 und ich war damit die DCI #2 in der Welt. Natürlich hatten Sie irgendwo einen random Amerikaner aufgetrieben und mir vor die Nase gesetzt. Das Turnier an sich lief eigentlich ziemlich glatt. Wer in Deutschland etwas auf sich hielt spielte Counterpost, ein U/W Kontrolldeck welches mit Kjeldoran Outposts gewinnt. Gegen rote Decks hatte man 4 CoP:R im Sideboard. „The Hammer“ ging durch diese Decks wie ein heißer Dampfhammer durch Butter. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, bestritt ich das Finale gegen Martin Engelhardt mit White Weenie (?). Er möge widersprechen wenn ich mich irre.
Der erste deutsche Spieler gegen den ich ein Match verlor, war Holger Meineke. In meinem dritten Turnier in Deutschland, einem Qualifikationsturnier für die regionalen Meisterschaften musste ich mit „The Hammer“ gegen G/W Maro Armageddon. Das war halt bergauf. Ja, so etwas gab es damals. Qualifikationsturniere für die regionalen Meisterschaften.
Bei den Amigos habe ich dann auf einem Stuttgarter Turnier meine Schiedsrichterschein gemacht. Allerdings kam dann ein Schlaumeier bei der DCI auf die glorreiche Idee dass Schiedsrichter doch gefälligst bezahlen sollten. Da habe ich dann als Schiedsrichter wieder aufgehört. Ging ganz schnell.
Turniere habe ich auch organisiert.
Mai 1997 Five Colors Cup
Wie Ihr Euch denken könnt, kam die „The winner gets a box“-Philosophie bei den Spielern gut an. Ein paar der Namen kennt man heute noch. Der Julian Seume und der Wolfgang Eder waren damals schon dabei. Leider kann ich hier nicht alle aufzählen.
Mitte / Ende 1997 schrieb ich keine Berichte mehr, das machten jetzt andere wie z.B. Gregor Wollny. Wem sein Report zu lange geht, der kann sich auf das Viertelfinale des ersten Turniers und das Resümee im letzten Absatz beschränken.
September 1997 PTQ Season
Da hat der Gregor ein bisschen übertrieben. Zum damaligen Zeitpunkt bestand nun wirklich kein Anlass mehr mich mit diesen Namen in einem Satz zu nennen.
So war das vor zehn Jahren.
Das war „Hartes Brot“.
Viele Grüße
Uwe Stroinski
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