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You don't have the level for it
Die Vorgeschichte zur PT Genf
von Jim Herold
16.02.2007

Dass mir mit meinen 30 Jahren drei neue Erfahrungen in einem so kurzen Zeitraum widerfuhren, ist für mich recht ungewöhnlich. Dass es sich dabei auch noch um so positive handelte, war mir sehr willkommen! Der Besuch in Genf war mein erster in der Schweiz und die Impressionen stimmten nicht wirklich mit meinen Erwartungen überein. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben Ski fahren! Hurra!! Auf der Pro Tour waren mir die Pforten zur Top 8 nicht verschlossen!Juchhu!!!

Bevor ich damit anfange, über den Weg in die Top 8 zu berichten und meine Draftdecks aufliste, schreibe ich in diesem Artikel ein wenig Vorgeschichte für Freunde des Reiseberichts.

Hamburg:

Es war einmal ein PTQ… welcher sich zu meiner Freude in meinem Heimatort abspielte.
Glücklich darüber, war mir dieser auch gleich hold und verhalf mir zu einem schönen Gutschein, der einige Kosten des daraufhin geplanten Schweizbesuches abdecken sollte. Während Jan Ruess noch auf seine Bestätigung vom gewonnenen PTQ in Kobe wartete und Jan-Moritz Merkel noch ein wenig die Schulbank drückte, beschlossen Stefan Meewes und ich, schon mal auf Reisen zu gehen.

Stefan, der sich in wirklich etabliertester Form mit der „netten“ Angestellten vom FM Gütereisebüro Hasbros Vertrauens über E-Mails auseinandersetzte, nahm mich freundlicherweise mit in den Verteiler. So wurde mir gewahr, dass diese nette Dame wohl schon ganz irrsinnig schlechte Erfahrungen mit Magic-Spielern gemacht haben muss, demnächst kündigen will oder einfach mal schrecklich wenig aufgepasst hat, als es in ihrer Ausbildung um Kundenservice ging. Nun ja, das Resultat diverser Mails führte dann dazu, dass Stefan lieber günstig den Flug direkt bei Lufthansa gebucht hatte, damit wir uns dann ein tolles Hotel von dem Gutschein leisten würden… soweit der Plan. Unser Doppelzimmer kostete dann für eine Woche immerhin auch „nur“ knapp 700 Euro, war dafür aber am anderen Ende der Stadt, im Gewerbegebiet, an der Autobahn, neben dem Genfer Stadion.

Zur Frage, ob wir vielleicht auch ein Hotel in der Nähe des Kongresscenters in ähnlicher Preiskategorie bekommen könnten, kam nur die höhnische, Antwort das es dort so etwas „günstiges“ nicht gebe und wir ein Doppelzimmer ab 1200 Euro die Woche bekommen könnten. Naja, wir haben schon darüber philosophiert, ob Hasbro eventuell einen Deal mit dem Reisebüro hat, dass dieses dicke Zahlen auf die Gutscheine schreiben muss und dafür dann mit ordentlich Aufschlag vermitteln darf…

Genf:


Der Ausblick von der Site auf die Schweizer Alpen

Am Sonntag ging es dann gemütlich gegen 11 Uhr im leeren Flieger los und wir haben schon mal unseren ersten „one-headed“ Two-Headed-Giant-Draft gemacht. Nach der Ankunft zur freundlichen Touristinformation gegangen, man lässt sich ja gerne als Gast in einem fremden Land erst einmal verarschen… Wir sollen doch ein Taxi nehmen, dies war die wirklich enorm schnell übermittelte Botschaft. Das kostet circa 15 Euro pro Person. Nachdem wir fragten, wie es mit einem Bus ausschaut, wurde uns doch sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass das wirklich keinen Sinn macht. Der Bus fährt alle 40 Minuten, wir müssen drei Mal umsteigen und 90 Minuten fahren…!

Nachdem ich dann noch mal nachfragte, ob ein Taxi also 30 Euro kostet meinte er dann, ne, doch 40 Euro. Aha! Es handelte sich also schon mal um einen kleinen Rechenfuchs a la 40:2 = 15 – so macht man das also in der Schweiz. Kein Wunder, dass die so reich sind. Meine Laune ging zu dem Zeitpunkt rapide bergab, weil ich mir gerade vorstellte, wie wir nun 3-4 Tage jeden Morgen fürs Taxi löhnen oder Nachtbus fahren dürften, weil wir so ein tolles exklusives Hotel am Arsch der Heide haben. Zum Glück schien draußen die Sonne und wir gingen erstmal zur Bushaltestelle. Immerhin war der nette „Informant“ kein totaler Lügner und wir warteten tatsächlich eine gute halbe Stunde auf den Bus. Während wir uns mit dem Fahrkartenautomaten beschäftigten, fiel uns auf, dass da eine Menge Münzen in den Schlitzen stecken und das Ding gar nicht ging. Also ran, und ein paar Schlüsseltricks später besaßen wir unsere ersten Schweizer Franken! Nach 30 Minuten Sonnenbank und dem ersten kleinen Jackpot hatte sich meine Laune stabilisiert. Wie man an dem Busplan ablesen konnte, war es möglich, mit dem Bus recht dicht an unser Hotel heranzukommen. Letztendlich stellte sich heraus, dass wir eine ziemlich gute Busanbindung mit 30 Minuten Fahrzeit hatten.

Abgesehen davon, dass außer uns noch genau zwei andere Gäste gewillt waren, in dieser „Top-Lage“ zu verweilen, muss ich dem FM Reisebüro zugestehen, ein sehr komfortables Hotel gewählt zu haben. Wir haben dann den sonnigen Tag noch genutzt, die Stadt zu erkunden, um den Abend dann wieder unser aller Hobby zu widmen. Montag war es leider schon wieder recht grau und wir inspizierten das riesige Einkaufszentrum, das eine Passagenmündung in unser Hotel hatte. Das musste dann aber auch an Nicht-Magic-Aktivität für den Tag reichen und wir gingen zum nächsten 2HG-Draft über. Stefan und ich sind ja bekannt dafür, nicht gerade die schnellsten Spieler beziehungsweise Drafter zu sein, doch an diesem Abend… oje. Nachdem es 1-1 stand und seit Beginn unseres Drafts fast sechs Stunden vergangen waren, mussten wir ja noch ein Entscheidungsspiel machen. Es konnte ja kein normaler Mensch (wie wir) ahnen, dass wir dafür weitere sechs Stunden benötigen würden…Schnarch.

Komischerweise hatten wir am Dienstag keinen Bock auf Magic, zumindest nicht sofort. Nachdem wir die Altstadt durchwandert hatten und sehnsüchtig darauf warteten, dass die Restaurants wieder öffneten, haben wir eine Pizzeria gefunden, in der es Pizza Margarita für unter zehn Euro gab. Wohl gesättigt und von Caipi (ja, ja, Robert, wo warst du?!) und Bier beeinflusst schien uns ein neuer Draft dann gar nicht mehr so abwegig. Anscheinend waren wir beide noch recht schockiert von den Vortagserlebnissen, und so draftete Stefan Beatdown und ich spielte relativ flott Kontrolle. Mit gut drei Stunden inklusive des Drafts war das sicher unser Two-Headed-Rekord.

Während Stefan und ich am Mittwoch mal wieder alleine in der Frühstückslobby saßen, machte ich mir irgendwelche bekloppten gesamtgesellschaftlichen Überlegungen über Sinn und Unsinn über den Hotelbetrieb, der mit fünf Mal soviel Angestellten wie Gästen am Start war. Dann schneite Jan Ruess in Backpacker-Montur herein… Hurra! Endlich konnten wir Abstand nehmen vom Two-Headed, unsere Köpfe sammeln und uns auf die Duell-PT vorbereiten. Kurzerhand wurde der Sechs-Mann-Draft gefaked und im Dreieck mit den beiden erwirtschafteten Decks simultan gezockt. Bissel anstrengend, aber effizient!


Jan Ruess (links) und Jim auf der Pro Tour

So richtig ist der Plan, sich schon mal ein wenig auf das frühe Aufstehen einzustellen, natürlich nicht aufgegangen. Der verlockende Gedanke, die ganze Ski-Aktion zu canceln, schoss mir recht bald nach dem sympathischen Klang des Handyweckers durch den Kopf. An der Site angekommen drückten wir dann unser Ski-Gating-Geld ab und bekamen dafür eine wie sich herausstellte sehr brauchbare Pro-Tour-Mütze. Während wir darauf warteten, dass der erste Bus richtig schön voll wurde und wir uns dann alleine in den zweiten Bus hauen konnten, begutachteten wir noch die Eltern von einem Amerikaner, die wohl auch mal gerne Ski fahren lernen wollten. Die Mutter hatte sich anscheinend extra für diesen Trip eine spezielle Strategie überlegt, frei nach dem Motto: nach dem kalt Duschen ist einem warm, also kam sie barfuß in Flip Flops an. Die einen sind hart… sie ist härter.

Auch die nächste Überraschung folgte sogleich: Ein flotter Flitzer kam zum Stehen, Mathias Wigge hüpfte aus dem Wagen und fragte, wo man sich denn hier anmelden könne. Tobias Henke und Michel Dach waren auch noch mit dabei und unsere Pläne für den einsamen zweiten Bus wurden durchquert. Dies war jedoch positiv, da wir anständig quatschen konnten. Der Rest des Busses schien noch im morgendlichen Delirium zu liegen und schwieg. Eisig.

Skitrip:

Nachdem wir mit dem Bus durch den etwa 50 Meter langen Wundertunnel gefahren waren, vor dem es regnete und hinter dem es schneite, kam langsam die Märchenstimmung bei mir auf. Verschneite Bäume, tiefe Schluchten, Schneeflocken in der Luft… Ach ja. Etwas unromantischer ging es dann weiter. Angekommen, zack nach Alphabet sortiert, in zwei Läden gepackt und eingekleidet. In den Skischuhen fühlte ich mich völlig unbeweglich und es war schon fast eine Erleichterung, endlich Skier unter diese klobigen Batzen zu kriegen.

Draußen wurden dann die Anfänger gesammelt, während sich die „Pros“ schon mal alleine vom Acker machten. Wir Nabs wurden dann von schnittigen Skiinstructors trainiert. Die Jungs passten echt gut ins Klischee, braungebrannt, gut aussehend, Drei-Tage-Bart und dazu noch dieser französische Akzent… Voila, im Sommer sind die bestimmt Surflehrer. Bissel seitwärts Hügel rauf krächzen, dann runterfahren, dann versuchen zu bremsen und zwischendurch mal ordentlich am Schnee schnuppern – so in etwa sah meine Anfangsphase aus. Dann ging's hoch zur ersten echten Piste. Die war noch so harmlos, dass man da auch ohne Skilehrer ganz gemütlich runtergurken konnte. Hat natürlich trotzdem Spaß gemacht, zumindest die erste halbe Stunde. Zwischendurch gab es dann in der Skihütte mal ein gesponsertes gepflegtes Helles und ein wenig Wärme für die kalten Glieder.

Als wir wieder auf die Piste sind, kamen Jan und Michel vorbei und haben sich unser ein wenig angenommen. Ich habe versucht, mir von Jan erklären zu lassen, wie man denn am besten bremst, musste dann aber leider doch fast immer ungewollterweise eine Vollkörperbremsung machen. Nach einem zweiten kleinen Hüttenbesuch war ich dann auch ganz schön durch und merkte langsam, dass meine Konstitution meinem Willen nicht ganz folgen konnte. Andererseits, wann fahre ich mal wieder Ski, oder fahre ich überhaupt mal wieder? Wille siegt, Patient tot? Zum Glück nicht ganz. Einer von den Skitrainern hat sich dann bereit erklärt, mit mir eine schwierigere lange Piste zu fahren, was wir beide recht schnell bereuten. In der folgenden halben Stunde lag ich mehr im Schnee als dass ich stand.

Am Anfang hat er sich noch schlapp gelacht, wenn ich gerade mal wieder einen Saltosturz mit 10-Meter-Sliding vorgeführt habe, doch nach einer Weile war das wohl nicht mehr Entertainment genug und ich hatte ständig nur noch seine Befehle „Stand Up!“ und „Slow Down!“ im Ohr. Als wenn ich nicht slowdownen würde, wenn ich das auch mal ohne hinpacken hingekriegt hätte… Irgendwann kam dann mal eine etwas sanftere Phase und ich fuhr ein paar Minuten durch und hatte schon Hoffnungen, dass es besser würde. Tja, Pädagoge war der nicht, „ok, we got the half way now, this was the easy part, now it will be harder. You don't have the level for it, it wasn't a good idea”. Ja, danke ist mir auch schon aufgefallen!

Leider hatte er in allen Punkten Recht. Während Jan und Michel locker flockig so einen fiesen steilen Hügel runterzischten, siegte bei mir der Verstand. Ich war froh, dass ich noch die Kraft hatte, auf den Skiern stehen zu können, aber da runter fahren, no way! Der nette Trainer bekam also meine Skier in die Hand gedrückt und ich habe eine schöne Rodelpartie gemacht. Nachdem dann immer noch ganze Familien (mit kleinen Kindern!!) an mir vorbeirauschten, oder sogar anhielten, um zu schauen, was denn der komische Anfänger hier für'n Heckmeck macht, war ich heilfroh, als ich mit meinem letzten Bremssturz am Ende der Piste lag und nur noch ein letztes Mal hoch musste. Trockene Klamotten mitnehmen wäre natürlich viel zu clever gewesen, also lieber schön nass in den Bus gelümmelt und vom trockenen Pro-Tour-Shirt geträumt.

Players Party:

How lucky, zum ersten Mal durfte ich erleben, dass es langärmlige Shirts gab! Erstmal noch kurz über die Businessclass vs. Economy-Unterteilung von Pro Level 3+ gegen Level 1-2 bei der Anmeldung aufgeregt: Level-3+-Spieler dürfen auf der Überhohlspur auf dem roten Teppich an den anderen Wartenden vorbei und es wird erst wieder ein normalsterblicher Spieler angemeldet, wenn alle Level 3+ Spieler durch sind. Echt lächerlich so etwas! Schön wäre es, wenn einfach jeder 3plus-Spieler diesen Klassentrennungs-schwachsinn ignorieren würde.

Dann gab es noch mal parallel zum Essen (Käsefondue und Bratkartoffelmix) einen kleinen österreichisch-deutschen Testdraft, in dem ich glorios 0-3 ging… Eigentlich ging es toll los, mit Flametongue Kavu und gepasstem Rift Bolt, Magus of the Scroll und getabelter Orcish Cannonade. In Wirklichkeit haben meine beiden rechten Nachbarn aber Flametongues darüber gepickt und ich bekam den rot-blauen Resthaufen. Zum Glück hatte ich ordentlich Hunger und konnte mir das miese Ergebnis mit reichlich Mousse au Chocolat und einigen Fruchtsalat-Cocktails versüßen. Eine Nacht mit wenig Schlaf, aber dafür reichlich Gliederschmerzen später war es dann soweit…

[Weiter geht's am Montag morgen!]
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