Limited
Drei Züge, fünf Farben, eine Legion
Sliver draften
von Rene Appel
12.07.2007

So. Nach langer Abstinenz vom Artikelschreiben schließe ich mich mal dem Exodus vieler Autoren von Site a nach Site b an und gebe auch hier mal wieder was zum aktuellen Limitedformat was von mir. Nachdem TrashT ja in seiner hochklassigen Future-Sight-Analyse das Pferd von den Farben her aufgezäumt hat und die Archetypen eher streifte, greife ich die Materie heute mal von der Seite des Archetype-Draftens aus an. Außerdem wollte ich doch unbedingt zum Besten geben, mit welchem Deck ich in Turn 3 die Sliver Legion ausgespielt habe, was dann ein Disconnect meines Gegners mit vorherigem "U SUCK!!!!" zur Folge hatte.

Daraus, dass ich diese 5-Color-Monstrosität gespielt habe, kann man schließen, dass es heute um unser Lieblingsherdentier gehen wird: den Sliver. Das kleine Pseudoalien hat ja im TSP/TSP/TSP-Draft eher eine Randerscheinung dargestellt, wurde dann mit dem kleinen Set Nummer eins (Planar Chaos) einmal aufgewertet und noch zusätzlich mit Future Sight, sogar soweit, dass – seit FUT erschienen ist – bei mir fast nur noch Sliver rumlaufen, und das sehr erfolgreich.

Der Hauptgrund dafür ist, dass sich die wichtigen Sliver verstärkt in den beiden kleinen Sets aufhalten und dadurch wesentlich häufiger vorhanden sind als die zwar gespoilteren [mir wurde gesagt, das heißt “besseren” –H.], aber doch wesentlich “selteneren” (das heißt, man kriegt auch die Commons wesentlich seltener, nicht nur die Uncommons oder Rares).

Als erstes mal ein paar Grundregeln, die sich bei mir eingebürgert haben:
1. Wenn ich mich für Sliver entschieden habe, drafte ich die wichtigen auch über JEDE andere Karte (auch Drachen oder Removal, selbst wenn sie in meinen Farben sind).
2. Colorfixing ist dein Freund!!!
3. Sliverdecks haben einen signifikanten Weiß-Anteil.
4. Removal geht immer auf Evasiongetier, denn das Mid- und Lategame gewinnen die Sliver eigentlich immer.
5. Für Sliver entscheidet man sich relativ früh und muss das dann auch knallhart durchziehen

Nach Absteckung dieser Grundvorsätze gehe ich jetzt mal ins Detail. Punkt 1 ist einfach etwas, wo man seinen inneren Schweinehund überwinden muss und dann halt mal den Poultice Sliver über Dead // Gone picken muss, damit zum Schluss das Ergebnis größer ist als die Summe seiner Teile. Die Missachtung dieser Regel, das habe ich festgestellt, ist der himmelweite Unterschied zwischen guten und konsequenten Sliverdecks und “Sliver”-Decks mit gerade mal fünf Slivern.

Für das Colorfixing (Punkt 2) gilt eigentlich genau das gleiche: Wenn man keine gute Manabasis hat, nutzen einem die schönsten Sliver nichts… darum hab ich schon einige Male Edge of Autumn über gutes rotes Removal gepickt, weshalb dann Leute, die meinen Draft beobachtet haben, nur die Haare rauften. Außerdem sammelt man hier auch gern späte Off-Color Storagelands ein, man weiß ja nie, was noch kommt.

Punkt 3, der meiner Erfahrung nach vielen Leuten, die sich am Sliver-Draft versuchen, nicht klar ist, ist für die Sliverstrategie viel wichtiger als das Öffnen von Spoilerslivern. Damit sich die Strategie der Sliver gut entfalten kann, müssen die Tiere überleben, und das stellen in den Commonslots praktisch nur die weißen Sliver sicher. Watcher, Poultice, Sinew und Lymphsliver sind hier die Vertreter, die es dem Gegner einfach fürchterlich schwer machen, das Getier abzurüsten. Insbesondere der Poultice Sliver, der endlos underdraftet ist, ist Gold wert, denn die meisten Removal bringen gegen Regeneration nichts. Und wenn sich erstmal ein Horde angesammelt hat, stirbt dann mal langsam gar nichts mehr und man kann in die Offensive gehen.

Der vierte Punkt erklärt sich durch die vorherigen Pickregeln. Man wird nicht viel Removal haben und gegen Evasion hilft uns von unseren Jungs eigentlich nur der Spinneret Sliver (Rares und Uncommons mal außen vorgelassen).

Punkt 5: Wann entscheidet man sich für Sliver? Meiner Erfahrung nach steht nach den ersten vier bis sechs Picks fest ob das Deck ein Sliverdeck wird oder nicht. Denn sonst kann man nicht mehr die richtigen Entscheidungen treffen und wird einen Fünf-Sliver-Haufen haben. Hier mal eine kurze Auflistung von Beispielen, die mich zum Sliver-Draften animieren würden:

Fpfp: Pulmonic, Telekinetic, Fury, Might, Essence oder Sedge Sliver.

In den ersten sechs Picks findet sich ein Watcher oder Bonesplitter Sliver und einer der dazu passenden kleinen Sliver (Sidewinder, QUilled, Two-Headed).

Meine ersten sechs Picks enthalten 3 “harte” Colorfixer (Terramorphic Expanse, Gemhide Sliver, Prismatic Lens).

Aus den obigen Regeln lässt sich auch ableiten, in welchen Farben man meist landet, nämlich
G/W/x(/y) wobei das x sich meist danach richtet, ob man jetzt rote Sliver oder Telekinetic Sliver hat. Wenn man Timespiral verlässt, ergibt sich zumeist durch die geringe Dichte toller Commonsliver (Watcher, Gemhide, Spinneret und Bonesplitter) und die recht vielen Colorfixer (Search for Tomorrow, Greenseeker, Terramorphic Expanse, Prismatic Lens, Storageländer und Chromatic Star) ein Gerüst, das aus Manafixing, zwei wichtigen und drei anderen Slivern besteht, die man einfach hat, weil sie Sliver sind.

Und dann kommt man zu PLC, wo sich entscheidet, wie agressiv oder defensiv das Deck sich gestaltet, und zwar ganz simpel durch die Anzahl der Sinew Sliver. Hierzu eine klare Ansage: Wenn man Sliver draftet, pickt man Sinew Sliver über absolut ALLES! Denn der sorgt zum Hauptteil mit dafür, dass man nicht früh überrannt wird. Ansonsten pickt man auch hier wieder gern Manafixing, vor allem den multitaskingfähigen Evolution Charm, der einem einen Teil der guten Sliverengine wiederholt oder halt das Mana fixt. [Dabei stelle ich mir einen zugedröhnten Evolution Charm vor, der in der Ecke sitzt und sich das Mana reindrückt… –H.] Der schon angesprochen Poultice Sliver hängt leider auf dem Printrun mit dem Sinew zusammen. Da viele ihn allerdings nur als Grey Ogre sehen, wheelt er meistens, so dass man mindestens einen bekommt.

Zwei stark unterbewertete Sliver aus PLC sind der Synchronous und der Spitting Sliver. Der erstere gestaltet mit Poultice zusammen Angriffe sehr unangenehm für den Gegner, der zweite sorgt dafür, dass zu Fuß eigentlich nichts durchkommt. Extrem wichtig sind in PLC die drei Uncommon-Sliver Frenetic, Necrotic und Cautery, die meist der Hauptgrund für die 5-Color-Strategie sind, vor allem Necrotic, da man außer ihm und Spitting Sliver eigentlich nie Schwarze sliver im Deck haben will (Sliver Legion mal aussen vor gelassen ). Die Farbkombinationen der Uncommon-Sliver sorgen auch dafür, dass man sie oft recht spät einsammeln kann, und beim Cautery kann man fast immer darauf bauen, dass er einmal um den Tisch rumgeht. Wenn er in den ersten Picks auftaucht, sollte man den Necrotic allerdings schon nehmen, sonst kommt noch der Rebeldrafter auf den dummen Gedanken, den und dann at random weitere rumkommende Sliver wegzunehmen!

In Pack drei schließlich sollte man schon die Masse seiner Sliver haben. Sonst wird man in arge Probleme geraten, da man hier an wirklich kämpfenden Vertretern dieser Spezies nur den Lymph Sliver vorfindet (und natürlich die Sliver Legion ). In Future Sight findet man eher die Sliver Nr. 10-15 – Mesmeric Sliver und Lymph Sliver zum Beispiel. Homing Sliver zählt eigentlich nicht zum Slivercount. Er nimmt stattdessen einen Tutorslot für den jeweils gefragten Sliver ein und kann auch gern mal im Deck landen, wenn kein rot drin ist. Gern nimmt man auch hier wieder das Manafixing in Form des Edge of Autumn und als Superspoiler Coalition Relic, das hier geradezu aufblüht.

Auch das Pseudofixing für sowohl Sliver als auch Länder in Form der Scry-Karten ist hier gern gesehen und liefert einem meist auch das spärliche Removal. Foresee ist hier natürlich der Held schlechthin. Eine Sache, die ich mir für den Future-Sight-Booster angewöhnt habe, ist, ab Pick 10 Vedalken Aethermage zu hate-draften, da sie einem einfach extrem den Angriff kaputt machen können und vor allem gegen U/W Aggro verhindern, dass man sich stabilisiert.

Wenn man diese allgemeineren Regeln zum Sliverdraft beachtet, ist man meist schon auf einem sehr guten Weg. Allerdings ist auch in diesem Drafttyp eine gewisse Varianz gegeben. Diese liegt vor allem zwischen dem G/W/x-Deck, das sich einmauert und dann mit der synergetischen Horde gewinnt, und dem sehr geradeaus gedachten G/x Aggro-Sliver-Deck, das jedoch nur gelingt, wenn man entweder mehrere Sinews oder Bonesplitter Sliver sichern konnte. Das Aggro-Deck entsteht meistens schon in Planar Chaos. Dann nimmt man in Future Sight auch mal die guten weißen Flyer, die man ansonsten ja zu Gunsten der Synergie verschmäht hat! Allerdings ist dieses Aggrodeck eher eine Randerscheinung. Meist hat man doch einen gemächlichen Sliver-Behemoth, der unaufhörlich wächst.

Eine wichtige Sache beim Spielen dieses Decks ist noch, dass man oft einiges an Schaden nehmen muss, bevor man stabilisiert. Man kann halt nicht einfach früh mit anderen Kreaturen abtauschen, da sich sonst die Sliver nicht gegenseitig aufbauen. So, zum Schluss gebe ich euch noch einige Draft-Decklisten, die euch mal einen Ansatz geben sollen, wie die ganze Theorie dann in der Praxis aussieht und wie anderweitige Autoinclusions dann doch mal im Sideboard landen.

MfG,

René Appel
renappel auf MTGO



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