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Standard Going Infinite IV unterwegs im Standardformat von Tim "TMM" Michels |
11.12.2007 |
In den Kommentaren unter meinem letzten Artikel diskutierten einige Leser die Frage, ob man jetzt in 4-3-2-2-Queues „infinite gehen“ könne oder nicht. Und in der Tat, abgesehen von Nix-Tix-Wochenenden oder zum Release einer neuen Edition – wenn die Einzelkarten noch überteuert verkauft werden können – ist das gar nicht mal so einfach.
Zwar habe ich diesbezüglich schon erwähnt, dass man durch Rare-Draften einen Teil des Drafts finanzieren kann, um aber wirklich dauerhaft draften zu können, müssen dazu aber auch noch gewonnene Booster kommen. Und hier wird klar, warum – ausreichendes Können vorausgesetzt – 8-4-Queues rentabler sind. In der Regel wird hier im Finale immer gesplittet, so dass man nach einem 2-0 meistens sechs Booster sicher hat. Da sieht es mit vier bzw. drei Boostern in der anderen Variante eher mager aus.
An der Stelle kommt oft das Argument: „Aber wenn ich die erste Runde gewinne habe ich ja schon zwei Booster, und die erste Runde verliert man ja eh nie!“ – schön wäre es, leider verlieren nun mal per Definition 50% der Spieler die erste Runde und niemand schützt einen davor, auch im 4-3-2-2 als ersten Gegner mal den 1950er-Rating-Spieler vor die Nase gesetzt zu bekommen..
Langer Rede, kurzer Sinn: Traut man es sich zu, wirklich dauerhaft gewinnen und damit kostenlos draften zu können, lohnt sich das Spielen in 4-3-2-2-Queues einfach nicht mehr und man sollte 8-4 bevorzugen. Zumal mir kein Spieler bekannt ist, der mit 4-3-2-2 wirklich den „infinite mode“ eingeschaltet hat – wer es doch schafft, kommentieren!
Aber es gibt noch einen ganz anderen Plan, wenn man ínfinite gehen möchte: Constructed spielen. Hier muss man nicht auf Moneyrares hoffen oder jeden Draft gewinnen, sondern einfach nur 50% der Matches gewinnen! Das klingt doch mal nach einem realistischen Ziel...
Zur Demonstration gibt es mal wieder eine einfache Rechnung. Als Gegenwert für ein Draft-Set habe ich im letzten Artikel 14-15 Tix angenommen, dieser Rahmen sollte auch langfristig bestehen bleiben. Im Ankauf durch Bots bekommt man daher für ein Draftset immer 13 Tix, wenn der Tagespreis aller Bots bei 15 Tix liegt, wird man beliebig viele Sets innerhalb von Minuten auf dem Selling Message Board los, wenn man sie für 14 anbietet. Die Startgebühr für Constructed-8-Mann-Queues beträgt vier Tix, die Preisausschüttung ist 4-2-1-1 – in der Praxis aber eher 3-3-1-1, da auch hier meistens im Finale gesplittet wird. Gehen wir jetzt von einer durchschnittlichen Gewinnquote von 50% aus, gewinnt man zu 50% null Booster, zu 25% einen Booster und zu 25% drei Booster (bzw. zu je 12,5% vier und zwei) – macht einen Erwartungswert von genau einem Booster, der mindestens 4,33 Tix wert ist.
Beispiel: Wir haben zwölf Tix auf dem Account, spielen die erste Queue 0-1, die zweite 0-1 und bei der dritten lucken wir uns mit 2-0 ins Finale und können splitten. Das macht dann drei Booster, die wir direkt beim Bot für 13 Tix verscherbeln können, um mit sattem Gewinn weiter zu spielen..
Alternativ kann man – ein ausreichendes Sicherheitspolster vorrausgesetzt – mit einigen Boostern erst mal wieder so lange draften, bis eine bestimmte Menge leer ist, um sich dann wieder ein paar Tage mit Constructed zu erholen.
Nun sollte man sein Deck natürlich so wählen, dass man sich sogar noch etwas höhere Chancen als 50% ausrechnet und schon wird es ziemlich einfach mit dem Infinite-Gehen. Und auch wenn sich das alles jetzt total super anhört, gibt es natürlich einen großen Haken: die Anfangsinvestition. Je nach Deck und dafür schon aus Drafts ergattertem Material sind diese natürlich unterschiedlich teuer – ein handelsübliches „Sonic Boom“-Deck kostet so schnell zwischen 110 und 130 Tix, was für viele dann doch ein bisschen happig ist.
Dementsprechend möchte ich heute ein „Budget“-Deck vorstellen, mit dem Alexander Rosenberger, Timm Gerber, Babak und ich bisher ziemlich erfolgreich gespielt haben:
Dieses Deck sollte man in der Regel schon für weit unter 40 Tix erwerben können, Kostentreiber sind hier z.B. die Greater Gargadons zu je zwei bis drei Tix – verglichen mit den 27 Tix, die ein Tarmogoyf kostet, allerdings mehr als fair..
Die Entstehungsgeschichte lässt sich relativ leicht erzählen. Nach dem GP Krakow habe ich mir die Top-8-Decklisten und die Coverage auf PlanetMTG angeschaut und dachte mir, dass das Deck, was Alex Fanghänel da gespielt hat, in dem Metagame bestimmt eine super Idee wäre. Allerdings wollte ich keinen Shock haben und hab mir eine Liste mit vier Martyr of Ashes im Maindeck gebaut – und damit nie gegen Kreaturen, sondern nur blaue Decks gespielt, entweder Makeshift Mannequin oder Sonic Boom. Also wurden die Martyrs ins Sideboard verbannt und durch Lightning Bolt, äh, Brute Force ersetzt. Diese sind vor allem im Kampf Mogg War Marshal vs. Phyrexian Ironfoot eine sehr willkommene Verbesserung...
Ansonsten ist die Kartenauswahl für ein monorotes Deck ja ziemlich offensichtlich. Der eine Magus ist natürlich ein bisschen zufällig, will aber eh nicht mehrfach und auch so nur selten gezogen werden, die 23 Länder sind nicht zuviel, da ja Cavern und Megaliths ganz nützlich sind und ich mit 22 immer mulliganen musste.
Im Sideboard hatte ich am Anfang noch drei Lash Out gegen gegnerische Kreaturen, da es die aber kaum gab, wurden dann doch die sechs Tix für drei Magus of the Moon investiert – und die haben sich total gelohnt!
Das Metagame auf Magic Online ist in der Regel überschaubarer als bei Offline-Turnieren – zumindest ist das mein Eindruck, aber ich spiele mit Pappkarten eigentlich nie Constructed.
Jedenfalls traf man kurz nach dem GP vor allem auf folgende Decks:
U/B Makeshift Mannequin
Dieses Matchup wurde vor allem durch die Brute Forces im Maindeck sehr gut. Vor dem Boarden gewinnt man in der Regel durch Browbeats, die einem irgendwann gezwungenermaßen Karten und damit ausreichend Brand bescheren. Nach dem Boarden kommen noch vier Threaten und drei Magus of the Moon dazu. Was rausgeboardet wird, entscheide ich eigentlich immer intuitiv, aber in der Regel dürfen Browbeat, Magus of the Scroll und noch zwei random Karten weichen. Oftmals reicht es, nach dem Boarden Turn 3 Magus of the Moon zu legen und sofort gewonnen zu haben, da die Decklisten kaum Basic Lands spielen und danach wie wir oft eine monorote Manabase vor sich liegen haben.
Sonic Boom
Dieses Matchup ist eigentlich klassisch 50/50, ein gewonnener Würfelwurf verbessert die Chancen enorm, genauso wie ein resolvtes Cryoclasm nach dem Boarden. Raus dürfen hier Gargadons, man kann auch noch den Magus gegen die Wüste boarden, wenn man mag. Threaten ist gut, wenn der Sideboard-Plan des blauen Decks Razormane Masticore beinhaltet, gegen Flaschengnome ist es nicht so stark. Oft wird es hier dramatisch, wie oft der Gegner Venser oder Command für die Megalithen zieht.
Snow Red
Das ist eins der lustigsten Matchups, die ich seit langem spielen durfte. Einfach jede Karte ist toll gegen ihn – bis auf Brute Force, aber selbst die kann mal random eine Kreatur vor Dead // Gone oder so retten. Ansonsten merkt man, wie gut das Matchup ist, wenn der Gegner mit Incinerates auf Keldon Marauders schießt.. Reingeboardet werden die Threaten, raus kommen die Brute Force, danach sollte man nie wieder verlieren können.
Na, das klingt doch super! Zwei total gute Matchups, ein Coinflip, was will man mehr? Um einen gewissen Spannungsbogen in den Artikel zu bekommen, habe ich bislang natürlich etwas verschwiegen... den schlimmsten natürlichen Feind des Decks, den....
...Wald
Legt ihn der Gegner Turn 1, mag man am liebsten sofort aufgeben. Dabei ist es egal, ob danach ein Karplusan Forest oder ein Gilt-Leaf Palace kommt, sobald Tarmogoyf, Garruk und Call of the Herd (oder auch Vanquisher, Troll Ascetic, Warhammer) am Start sind, will man am liebsten weinend davonlaufen. Von ca. 20 Matches habe ich, glaube ich, zwei gewonnen und selbst das kommt mir überdurchschnittlich vor. Es ist einfach total einseitig, egal wie man versucht, das Matchup zu spielen. Ich habe den Aggro-Plan versucht, wollte die Rolle des Kontrolldecks übernehmen usw. usw. Man kann es nicht gewinnen. Schade. Theoretisch kann es mit Magus of the Moon doch noch klappen, wenn der Gegner nicht allzu viele Basic Lands, sondern lieber Painlands, Canopy und Treetop Village zieht. Tut er aber nicht. Bemerkenswert übrigens, dass horrende Preise für die Rares anscheinend nicht dazu führen, dass die Decks weniger populär sind – ich jedenfalls weigere mich (noch), allein 140 Tix für Garruks und Goyfs auszugeben..
Zum Glück waren anfangs viele Inseln und wenige Wälder unterwegs, sodass ich die Investitionen für das Deck schon wieder reinholen konnte. Leider scheint der Trend sich langsam zu ändern und die Zeiten werden immer härter für das rote Deck.
Beim Premier Event vor zwei Tagen war ich auch schon nach drei Runden K.O., weil zweimal Turn 1 ein Forest auf der Gegenseite auftauchte... Die viele Zeit konnte ich dann nutzen, um mir Replays der anderen Begegnungen anzuschauen und siehe da: Ich hatte nicht unbedingt Pech mit den Pairings – die anderen Spiele waren auch Garruk vs. Goyf, Call vs. Vanquisher.
Jetzt fragt ihr euch vielleicht: Was soll mir dieser Artikel bringen, wenn das Deck offensichtlich tot ist?
Das Interessante an Magic Online ist, dass sich das Metagame immer wieder ändert. Sobald ein Kontroll-Deck da ist, um die grünen Mesel zu schlagen, habt ihr jetzt ein Deck, um dieses wiederum zu besiegen. Denn dieses Deck ist – was es von vielen im Internet beworbenen unterscheidet – tatsächlich getestet.
Nicht nur von mir, sondern noch von fünf anderen Spielern – und das gegen ein repräsentatives Metagame mit einigermaßen ordentlichen Gegnern. Denn neben der Möglichkeit, durch erfolgreiches Spielen langfristig Gewinn zu machen, eignet sich meiner Meinung nach MTGO zum Testen neuer Decks weit mehr als Magic Workstation (MWS).
Dort spielt man entweder gegen schlechte Spieler mit genau so schlechten Decks oder gegen immer die gleichen Bekannten mit ähnlichen Decks, die zudem immer eine ähnliche Spielweise haben. Natürlich spielt man auch mal auf Magic Online in drei Queues hintereinander gegen den gleichen Gegner mit identischem Deck oder trifft auf ein Deck mit sehr seltsamen Karten – aber im Schnitt sind sowohl die Decks einigermaßen repräsentativ als auch genug Abwechslung geboten.
Doof nur, wenn man merkt, dass das eigene Deck nicht gut genug ist – diese Erkenntnis kostet dann nämlich unter Umständen ein paar Tix..
Übrigens noch eine Randnotiz aus aktuellem Anlass: In den Constructed-Queues habe ich bis Mitte letzter Woche insgesamt viermal gegen ein komisches monorotes Deck mit Hideaway-Land gespielt. Als ich dann ein Game verloren habe, weil er Lotus Bloom, Rite of Flame, Grapeshot für drei, Grapeshot für vier und aus dem Hideaway-Land Dragonstorm gezaubert hat, wollte ich schon fragen, ob sein Deck vielleicht „eine schlechte Witz“ (© M. Almendras) wäre... ist es offensichtlich nicht, wie die Worlds gezeigt haben! Dagegen habe ich übrigens nur das eben genannte Spiel als das einzige von neun verloren. Entweder war diese spezielle Version da noch nicht so toll oder es ist einfach ein sehr gutes Matchup.
Jetzt nach der Weltmeisterschaft bietet sich dementsprechend also wieder eine gute Gelegenheit für Monorot-Aggro, da man nun wohl vermehrt auf Kopien des bei der WM so erfolgreichen Dragonstorm-Decks treffen wird.
Nächste Woche gibt es dann auch wieder Limited von mir, ich hoffe, ihr wart diesmal nicht zu enttäuscht...
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