Extended
WWWien
von Tobias "TobiH" Henke
12.03.2008

Am Wochenende werden sich Spieler aus der ganzen weiten Welt in Wien versammeln, denn der Grand Prix steht vor der Haustür, in den Startlöchern und für alle offen. Die Decks sind hoffentlich gebaut, getestet, getunet und gepackt, die Byes gesichert und die Fahr-, Flug- oder sonstigen Pläne geschmiedet. Und wer nicht da ist, wird wohl wenigstens die Berichterstattung online mitverfolgen.

Fehlt da überhaupt noch irgendetwas?

Nun, aller Erfahrung nach hat der durchschnittliche GP-Spieler zumindest sein Sideboard noch nicht in die steinerne Decktafel gemeißelt und dementsprechend kann ein letzter kurzer Blick aufs Metagame sicher nicht schaden.

Kurz übrigens deshalb, weil ich selbst bereits auf dem Sprung bin und noch die eine oder andere Kleinigkeit zu erledigen hab...



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Einschub: Infiltration der Live Coverage
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Die deutschsprachige Berichterstattung, die ihr hier ab Samstag vorfinden werdet, bringt euch diesmal nämlich folgendes Team:

    Sebastian Abresch
    Huy Dinh
    Timm Gerber

An dieser Stelle schon einmal vorab besten Dank, dass sie allen Widrigkeiten trotzen und den Job überhaupt übernehmen! Aber was mache dann eigentlich ich?

Nun, daheimzubleiben, kommt selbstredend nicht in die Tüte. Tatsächlich bekomme ich in Wien nun erstmalig die Gelegenheit, an der offiziellen englischsprachigen Coverage mitzuarbeiten. (Dafür werden allem Anschein nach zusätzlich noch Tim Willoughby, Rich Hagon und Ben Coleman eingesetzt sein.)

Auf der einen Seite bedeutet das, dass ich mich nun auf ganz viel Englisch am Wochenende einstellen darf. (Ich wünschte, da wäre ich flüssiger.) Auf der anderen Seite heißt das, dass ich die Allmacht über die PlanetMTG-Coverage abgeben muss. Keine Frage, ich habe vollstes Vertrauen in unser Team, aber das Szepter loszulassen, tut schon weh...

Wenn ihr das hier lest, bin ich also voraussichtlich schon wieder dabei, meinen Englisch-Wortschatz um irgendwelche Kuriositäten zu erweitern, oder nerve vor allem Huy mit weiteren Briefings.

Nun aber zurück zum eigentlichen Thema...

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Extended-Metagame
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Vor zwei Wochen hatte ich zuletzt das Extendedmetagame hierzulande untersucht. Damals sah die Tabelle noch so aus:

Rock:
Some.Level.Blue:__
Dredge:
Zoo:
Affinity:
Boros:
Death Cloud:
Ideal:
TEPS:
Goblins:
Bubble Hulk:
AggroLoam:
U/W-Tron:
U/G-Tron:
Faeries:
Kithkin:

(Jede Box steht für eine PTQ-Top-8-Platzierung; Blau kennzeichnet die Siegerdecks.)

Seitdem sind fünf PTQs gelaufen, sodass sich die Tabelle nun folgendermaßen darstellt:

Rock:
Some Level Blue:
Dredge:
Zoo:
Affinity:
Goblins:
Death Cloud:
TEPS:
Boros:
Ideal:
AggroLoam:
U/G Tron:
U/W Tron:
R/G Beatz:
Bubble Hulk:
Faeries:
Kithkin:
Elves!:
Tings:
Swath-Storm:
Gargadon-Yosei:
Burn:
Ninja:
Landstill:


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Die Top 8
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Nach den ersten acht Archetypen in obiger Aufzählung lässt sich sinnvoll ein Schnitt ansetzen. Oberhalb dessen befinden sich nämlich nur Decks, die entweder mehr als vier PTQ-Top-8s zu verzeichnen haben oder aber mehr als einem Spieler eine Qualifikation einbrachten,


Rock

Doran & Co. führen das Feld zwar immer noch an, haben aber etwas von ihrem Vorsprung eingebüßt. Auf den ersten vier PTQs konnten wir eine regelrechte Rock-Manie erleben. Damals gab es durchschnittlich in jeder Top 8 zwei davon! Die Vorschusslorbeeren sind mittlerweile ein wenig zu revidieren. Im Gesamtmittel kommen Rock-Varianten zwar immer noch mit einer Stückzahl von 1,33 in jeder Top 8 vor, aber in den letzten acht PTQ-Top-8s durchschnittlich nur je einmal.

Inhaltlich lässt sich eine Rückbesinnung auf die Bauarten vom Beginn der Saison feststellen. Waren zwischenzeitlich deutlich kontrollorientiertere Versionen aufgekommen, die sogar auf den ursprünglichen Namenspatron Doran höchstpersönlich verzichteten, ist man jetzt doch wieder beim soliden Beatdownplan gelandet. Die Metagame-Nische grün-schwarzer Kontrolldecks wird mittlerweile von Death Cloud besetzt.


Some Level Blue

Es hat ein wenig gedauert bis die Blau-Beliebtheit über den großen Teich auch zu uns herübergeschwappt ist. Nach den ersten vier Qualifikationsturnieren war "Next Level Blue" noch ein Deck unter vielen, bestfalls auf Platz 6 der Erfolgsskala. Nach sieben PTQs dann bereits auf Platz 2 (zumindest was die Top-8-Rate angeht) und gepusht durch den Sieg von "Previous Level Blue" beim Grand Prix in Vancouver schickt es sich nun sogar an, Rock seine Pole Position abzujagen.

Dabei ist bislang das eigentliche Previous Level Blue (welches auf Counterbalance verzichtet) jedoch mehr eine Randerscheinung. Auch die eine Qualifikation, die der Archetyp erst jetzt endlich erzielen konnte, geht auf die Kappe von Next Level Blue.


Dredge

Das "fiese Friedhofsdeck" ist über jeden Zweifel erhaben das mit Abstand stärkste Deck des Formats. Dazu passt, dass Dredge mittlerweile die Nase vorn hat, was tatsächlich erzielte Fluggutscheine angeht.

Aber: Es ist anfällig für Hatekarten und schlichtes Pech. Damit sieben Runden bis zur Top 8 zu überstehen, ist dementsprechend nicht ganz einfach – dort allerdings einmal angelangt, weist es eine wesentlich bessere Siegquote auf als Rock oder Blau oder...



Zoo

Beim kanadischen Grand Prix spielte Zoo eigentlich kaum mehr eine Rolle. Stattdessen wurden rein rot-grüne Kreationen bevorzugt. Bei uns hingegen ist es nach wie vor recht beliebt und steht weiterhin an der Spitze der in erster Linie auf Aggression ausgerichteten Beatdowndecks, die nur minimalen Aufwand betreiben, den Gegner zu disrupten.

Versionen gibt es hiervon mittlerweile wie Sand am Meer. Von extrem burnlastig bis hin zu extrem auf den Kreaturenkampf abgerichteten Varianten mit viel Removal und/oder Combat Tricks ist alles möglich und je nach Zusammensetzung des Feldes an einem bestimmten PTQ-Tag entweder gut, schlecht oder mehr so lala.

Zwei gute Tage erwischte Zoo bereits, übrigens einmal in Form einer Combat-Variante und einmal in einer Version, die entgegen jeglicher Konvention sowohl vier Meddling Mages als auch zwei Gaddock Teegs enthielt und somit alle anderen Zoos an Disruption um Längen überbot. Gegen Combo sicherlich eine vortreffliche Wahl und gegen ein insgesamt blau-betonteres Feld mindestens interessant, obwohl die dadurch verlorene Aggressivität einen ggf. teuer zu stehen kommt.


Affinity

Ganz gleich, ob man seine Artefakte nun "Mesel" nennt oder nicht, im Grunde hat sich an Affinity nicht viel getan. Seine Stärken liegen in einer potenziellen Explosivität und darin, dass eine fliegende Offensive nicht von jedermann und nicht immer so leicht in den Griff zu bekommen ist. Shrapnel Blast ist im Weiteren ein guter Finisher und wahlweise Pithing Needle und/oder Tormod's Crypt bieten Disruption, die hervorragend ins Konzept passt...

Aber letztlich ist das alles einfach nicht stark genug und eine Anfälligkeit für Draws, die entweder keinen Druck aufbauen oder aber den Schlussstein vermissen lassen, sowie für Artefaktzerstörung tut ihr Übriges. Und selbst wenn Kataki wohl die furchteinflößendste Hatekarte ist, Shattering Spree und Shatterstorm tauchen ebenfalls in Sideboards auf; Pernicious Deed, Moment's Peace und Doran gar in Maindecks – und selbst der allgegenwärtige Ancient Grudge sorgt dafür, dass aus einem Matchup wie Zoo, AggroLoam oder R/G Beatz eine sehr gefährliche Angelegenheit wird.

Die Top-8-Performance von Affinity dümpelt jedenfalls so vor sich hin und allzu große Sprünge erwarte ich hier eigentlich nicht mehr. Trotzdem ist Affinity als Deckwahl recht und billig und vor allem recht billig, sodass ich weiterhin damit rechnen würde.


Goblins

Nach anfänglich knappen Fehlschlägen ging Goblins, was die PTQ-Top-8s angeht, erst einmal wieder völlig auf Tauchstation. Diese Orientierungsphase ist nunmehr vorbei und langsam aber sicher positioniert es sich unter den besten acht Decks des Formats.

Damit einher geht jedoch eine Veränderung der Sideboards. Hier eine Engineered Plague, da ein Tsabo's Decree, drüben ein Collective Restraint und nebenan vielleicht noch ein Pyroclasm. Als es noch völlig unter dem Radar war, hatte ich selbst mit Goblins ein 4-2 und ein 5-2 auf PTQs abgestaubt. Beim PTQ in Dortmund blieb es bei einem 2-2 (immerhin 1-1 gegen Plage) und mittlerweile befürchte ich, dass die ohnehin schon bestehenden Schwächen der Gobbos gegen jegliche Form von Combo (und gegen Moment's Peace) zu viel sind, als dass man sich auch noch mit gezieltem Hate arrangieren könnte.


Death Cloud

Ich hatte es oben schon geschrieben: Death Cloud belegt die Nische der nicht-blauen Controldecks. Zwar ist es quasi als letzter Neuzugang in den Metagame-Kanon aufgenommen worden und hat allein schon deshalb nicht die Ergebnisse vorzuweisen, die seine Kollegen aufbieten können, aber ich denke am unteren Ende der Top-Decks ist es zu Recht aufgehoben.

Inhaltlich würde ich zwar gerne behaupten, dass immer noch die Debatte läuft, ob Tarmogoyf trotz Antisynergie mit dem ganzen Rest des Decks dort hineingehört, aber de facto ist die Entscheidung hier längst gefallen. Die Epochrasites von Denis Skornik blieben ein Einzelfall. Sonst hat ausnahmslos jede erfolgreiche Cloud-Liste seine vier Tamagotchies.


TEPS

Neben Enduring Ideal (und jenem Stormdeck, über das ihr hier lesen könnt, sowie gewissermaßen auch Balancing Tings) profitiert TEPS davon, dass sehr viele Spieler auf traditionellere Disruption zu Gunsten von Graveyard-Hate verzichten.

Ganz klar, man hat die Wahl – entweder man stopft z..B. mehr Discard ins eigene Sideboard (oder Stifle oder Rule of Law oder weiß der Geier was auch immer) oder man versucht ein halbwegs erträgliches Matchup gegen Dredge hinzubekommen... Letzteres bedeutet für die meisten Decks vier bis acht Karten, was dann keinen Platz mehr lässt, um Stormkombinationen wirkungsvoll zu bekämpfen. (Freilich traut sich in der Realität kaum einer, diese Wahl zu treffen, sondern viele haben lieber sowohl ein bisschen hierfür als auch ein bisschen dafür im Sideboard – das führt letztlich aber bloß dazu, dass beide Matchups riskant bleiben.)

Obwohl TEPS gegen Dredge selbst ein massiv mieses Matchup hat, muss es für dessen Anwesenheit im Format eigentlich dankbar sein. Während Dredge nämlich mit der großen, roten Zielscheibe durch die Gegend läuft, ist TEPS der lachende Dritte. Tatsächlich hat sich TEPS die beste Quote von erreichter zu gewonnener Top 8 erstritten,damit aber indirekt dafür gesorgt, dass nun so langsam wieder Rule of Law o..ä. in den Sideboards auftaucht.

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Trends unterhalb der Top 8
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Zumindest scheinbar hat die Exeprimentierfreude zuletzt noch einmal zugenommen. Durch die letzten fünf PTQs hat sich die Gesamtzahl in den Top 8s vertretener Archetypen glatt veranderthalbfacht!

Andererseits kann man dafür wenigstens zum Teil auch den Umstand verantwortlich machen, dass die letzten PTQs im Vergleich zu den vorherigen eher teilnehmerschwach waren. (In einem großen Feld werden Unikate viel wahrscheinlicher aussortiert.)

Dennoch, U/G Tron ist – beflügelt vom Ergebnis beim GP Vancouver – eindeutig auf dem Vormarsch. Boros tritt aktuell wieder weniger auf, aber prinzipiell hat sich an seinen Erfolgsaussichten nicht viel geändert. Anders beim Protean Hulk-Deck, welches letztens einen Überraschungserfolg erzielte – wenn die Gegner genau wissen, was hier vorgeht, sind dessen Chancen eher dürftig.

Für Ideal und Balancing Act Tings eröffnet sich jetzt allerdings eine gute Gelegenheit. Zwar langsamer als TEPS (mindestens dauert es bis zum tatsächlichen Ableben des Gegners länger), sind sie im Gegenzug weit weniger anfällig für Stifle oder Rule of Law, oder auch für eine simple Counterbalance...!

Und zu guter Letzt sind Loam und rot-grüne Aggrodecks dabei, ein wenig aufzuschließen, und interessanterweise dabei... zu fusionieren. Zumindest gibt es entsprechende Bestrebungen, die so aussehen, dass man – ausgehend von R/G – auf alle Kreaturen verzichtet, die nicht Kird Ape oder Tarmogoyf (und möglicherweise Mogg Fanatic) heißen, zuätzlich Countryside Crusher dazuholt und ggf. sogar selbst Devastating Dreams unterstützt – wird dieser für zwei gespielt, überleben schließlich alle eigenen Kreaturen und selbst bei mehr bleiben wenigstens Goyf und Crusher erhalten.

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Abschließend…
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…bleibt mir nur, viel Spaß in Wien zu wünschen – wie gesagt, auf die eine oder andere Art kann ein jeder live mit dabei sein – und außerdem auf nächste Woche hinzuweisen. Dann haben wir nämlich mal wieder ein richtig großes Gewinnspiel mit einem fürchterlich kniffligen Rätsel und einer phänomenal großen Preisausschüttung!

Bis dahin tappt für euch weiter im Dunkeln...

TobiH
#379
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