Ergebnis*
*reine Fiktion .
Hm. Was ist dabei wohl herausgekommen? Natürlich könnte man hier eine ausgewachsene Umfrage starten, aber ich rate einfach einmal: 10% Turnierspieler, 40% Casual-Spieler & 50% „beides". (Obwohl diese Option strenggenommen nicht zur Auswahl stand.) Schauen wir uns dieses fiktive, aber bestimmt nicht allzu unrealistische Ergebnis einmal näher an!
Zunächst: Wer würde sich als Turnierspieler bezeichnen? (Wir müssen von diesem Begriff ausgehen, denn wir haben ja lediglich eine positive Definition, was ein „Turnier" ist – „Casual" bedeutet ja nichts anderes als „Nicht-Turnier".) Nun, offensichtlich Leute, die Turniere spielen. Der Plural weist darauf hin, dass sie es öfters tun. „Turnierspieler" wird also nicht als Bezeichnug einer aktuellen Tätigkeit aufgefasst, sondern als Eigenschaft der Persönlichkeit, so wie man jemanden als Schachspieler bezeichnet, auch wenn er gerade damit beschäftigt ist, Rasen zu mähen oder seinen Hund auszuführen.
„Spielen Sie Schach?“
=/=„Sind Sie Schach-Spieler?“ |
Hier sind wir übrigens auf eine sehr interessante Analogie gestoßen! Stellt Euch eine Umfrage in einem zufällig ausgesuchten Bevölkerungssegment vor: „Spielen Sie Schach?" Parallel dazu eine Umfrage in einem identisch ausgewählten Bevölkerungssegment: „Sind Sie Schachspieler?" Als Antworten seien nur „ja" oder „nein" möglich. Bei der ersten Frage erhalten wir garantiert weit öfter ein „ja" als bei der zweiten! Das liegt daran, dass sie wie folgt verstanden wird: „Können Sie Schach spielen, und tun Sie es auch gelegentlich?" Die zweite hingegen wird vermutlich von den Befragten sehr unterschiedlich interpretiert. Einige werden sie genau so wie die erste Frage auffassen. Andere werden sie als „Spielen Sie häufig Schach?" deuten. Wieder andere antworten, als wäre gefragt worden: „Sind Sie Vereins- oder Profispieler?"
Wie verhält es sich nun bei
Magic-Turnierspielern? Nun, kaum jemand, der lediglich ein- oder zweimal auf einem Turnier anwesend war, ansonsten aber nur privat spielt, wird sich als „Turnierspieler" ansehen. Der Grund dafür ist, dass es ja eine Alternative gibt! Er ist kein Turnierspieler – er ist „Casual-Spieler"!
Kommen wir noch einmal kurz auf die Schachspieler-Frage zurück. Diesmal stellen wir sie Schülern an einer Schule, an der ENTWEDER Schach ODER Bridge als Wahlpflichtfach belegt werden muss. Kaum einer der Bridgespieler wird hier auf die Idee kommen zu behaupten „Ich bin Schachspieler", egal, wie oft er es privat spielen mag! Die Frage wird automatisch als Alternative aufgefasst: Ist man Schach- ODER Bridgespieler?
Nun verkomplizieren wir den Fall noch ein wenig dahingehend, dass es zusätzlich möglich ist, BEIDE Fächer zu belegen. Haben wir damit ein Modell, welches das Selbstverständnis von
Magic-Spielern widergibt?
Mitnichten! Die Sache ist nämlich noch komplizierter. Schach und Bridge existieren unabhängig voneinander. „Casual" aber ist als das Gegenstück von „Turnier" definiert! Das schließt offensichtlich nicht aus, dass eine Person beides betreibt – aber wie kann sie beides zugleich sein, ein „Turnierspieler" und ein „Nichtturnierspieler"?
Ich denke, ich lüfte hier kein Geheimnis, wenn ich darauf hinweise, dass so ziemlich alle Spieler, die Turniere spielen, auch Casual-
Magic zocken (und zwar unabhängig davon, wie weit man den Begriff „Turnier" zu Ungunsten von „Casual" ausdehnt). Interessanterweise ist aber das Gegenteil keineswegs immer der Fall – es gibt eine große Anzahl Casual-Spieler, die fast oder überhaupt nie Turniere besuchen!
Warum ist das so aufschlussreich? Weil es viel darüber verrät, wie der Gegensatz „Turnierspieler" vs. „Casual-Spieler" ursprünglich entstanden ist! Nur eine dieser Gruppen konnte überhaupt ein entsprechendes Selbstverständnis entwickeln. Eine Trennung von „Turnier"-Spiel und „Casual"-Spiel war vorgegeben. Eine Aufteilung in „Turnierspieler" und „Casual-Spieler" hingegen kann nur von denjenigen ausgegangen sein, die NICHT beides betrieben! Hier bestand also offensichtlich ein Bedürfnis sich abzusetzen, indem man einen ursprünglich negativ definierten Begriff („negativ" ist hier keine Wertung, sondern sagt nur aus, dass eine Definition über die Abwesenheit eines Umstandes erfolgt) zu einem positiven umformte. Auf diese Art erklärt sich unser fiktives Umfrage-Ergebnis bereits zum größten Teil: Ca. 40% der
PlanetMTG-Leser grenzen sich von Turnierspielern ab, während etwa die Hälfte erkennt, dass sie beiden Spielformen frönt und sich deswegen nicht in eine dieser beiden Kategorien einordnen lassen will.
Was ist aber mit den ca. 10%, die sich selbst als „Turnierspieler" bezeichnen würden, obwohl ich 20 Schadenspunkte darauf verwetten würde, dass sie ebenfalls nicht allzu selten „Casual" zocken?
Nun, hier greifen die gleichen Mechanismen noch einmal: Diese Spieler wollen sich von der sich selbst als „Casual-Spielern" begreifenden Gruppe absetzen! Paradoxerweise definieren sie sich also nicht in erster Linie als „Turnierspieler", sondern als „Nichtnichtturnierspieler".
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Ich hoffe, es ist mir jetzt zumindest gelungen zu zeigen, wo die grundsätzlichen Frontlinien in diesem Dauerbrenner-Streit verlaufen: Es gibt einmal eine größere Gruppe, die ihr Selbstverständnis daraus zieht, sich von anderen abzusetzen. Es gibt dann eine (deutlich kleinere) Gruppe, die wiederum das Bedürfnis verspürt, sich von jener ersten Gruppe abzusetzen. Und dann gibt es eine Mehrheit an Spielern, die nicht so recht begreifen, worum es bei diesem Streit eigentlich geht, und die häufig wohlwollend, aber eben leider ohne Verständnis für die tatsächlichen Streitpunkte und deswegen nicht allzu erfolgreich zu vermitteln versucht – „Wir haben doch alle das gleiche Hobby, können wir uns denn nicht alle liebhaben und uns gegenseitig die Power Nine ausleihen?"
Einen Streit zu schlichten, ohne zu begreifen, worauf er überhaupt beruht – das funktioniert bestenfalls im Kindergarten, wenn man mit einer Eiswaffel oder einer Tafel Schokolade den Anlass für die Auseinandersetzung aus dem Kurzzeitgedächtnis der Kinder verdrängt. Deswegen sind all die gutgemeinten Love&Peace-Appelle nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern letztlich sogar hinderlich, da sie mit dazu beitragen, die den Auseinandersetzungen zu Grunde liegenden Ursachen zu verschleiern. Denn diese Streitursachen GIBT es. Allerdings haben oft ausgerechnet diejenigen Betroffenen, die sich am lautesten darüber äußern (bzw. Artikel darüber schreiben) Probleme damit, sie zu erkennen und zu benennen. Stattdessen verrennen sie sich in ungerechfertigte Verallgemeinerungen, unzutreffende Klischees und unsachliche Aggressivität.
Was sind denn nun eigentlich die Gründe (und Anlässe für Streitigkeiten), welche die verschiedenen Gruppen dazu bringen, sich voneinander zu distanzieren? Wir wollen uns ihnen wiederum über das benutzte Vokabular nähern. In der Diskussion tauchen nämlich außer „Turnierspieler", „Casual-Spieler" und „Gelegenheitsspieler" (nur eine Übersetzung des vorigen Wortes) auch immer wieder zahlreiche weitere Begriffe auf. Eine Auswahl davon will ich hier erläutern und in einen Kontext zu diesem Streit setzen:
Fun-Spieler, Budget-Spieler.
Timmy, Johnny & Spike.
Anfänger, Noob (Newb etc...)
Pro, Pseudopro, Möchtegernpro
Rules Lawyer, Betrüger, Cheater
Besserwisser, Schlechter Verlierer.
Idiot, Arschloch, Freak
Fangen wir oben an: Die Aussagen „Ich bin Fun-Spieler" bzw. „Ich spiele halt zum Spaß" liest man immer und immer wieder in dieser Diskussion, obwohl es eigentlich nur einer minimalen geistigen Anstrengung bedarf, ihre mangelnde Eignung zur Abgrenzung zwischen Spielergruppen festzustellen. Deswegen muss ich, fürchte ich, hier noch einmal ausführlich darauf eingehen:
Natürlich spielen beinahe alle
Magic-Spieler zum Spaß – warum auch sonst? „Um Geld damit zu verdienen" ist eine Antwort, die maximal eine niedrige zweistellige Zahl Spieler (wenn überhaupt) weltweit geben könnte, und auch diese spielen für gewöhnlich „zum Spaß" – einfach, weil sie mit ihren Fähigkeiten auf andere Art deutlich mehr Geld verdienen könnten! Eine andere Antwort könnte noch sein „um später Spaß zu haben". Vielleicht sitzt ein Spieler ja tatsächlich einmal in einem Turnier, in dem er sich nicht wohl fühlt und quält sich durch, weil er darauf hofft, sich so für ein anderes Turnier (Pro Tour oder Deutsche Meisterschaft zum Beispiel) zu qualifizieren – und dort dann ganz viel Spaß zu haben! (Diese Sorte Turniere neigt nämlich dazu, von Spielern größtenteils äußerst positiv wahrgenommen zu werden.) Hier auseinanderzuklämüsern, dass ein Spieler doch in diesem Moment gerade keinen Spaß am Spiel habe, ist so, als wenn man einen Golfspieler fragt, ob ihm denn das Bälle-Suchen Spaß bereite: Nein, natürlich nicht, aber es gehört eben zu einem Hobby, welches ihm insgesamt Freude macht!
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Die einzige wirkliche Alternative zum „zum Spaß spielen" sind soziale Beweggründe. Wenn wir da einmal „mein Papa zwingt mich" außer Acht lassen, bedeutet dies im Wesentlichen zweierlei: Soziale Kontakte oder Selbstbestätigung. Zum ersteren: Nanu – Menschen, denen das Spiel
Magic gar nicht einmal so viel Spaß macht, die es aber um der Geselligkeit willen ausüben – erwartet man die nicht viel eher bei den Casual-Spielern (siehe Phips' Definition von „casual")? Ja, natürlich! Ich kenne zwar die eine oder andere Ausnahme – Spieler, die regelmäßig an Turnieren teilnahmen oder -nehmen, obwohl sie mit dem Spiel selbst eigentlich überfordert sind, nur um in der Gesellschaft anderer Menschen zu sein. Aber in der Regel findet man diese Motivation weitaus häufiger bei Casual-Runden – der Kumpel, der sich ein Deck in die Hand drücken lässt, die Freundin, die mitgebracht wird etc... Sind also die Casual-Spieler die wahren „Nicht-Fun-Spieler"?
Nun, sofern diese Personen ausschließlich der sozialen Verpflichtungen wegen teilnehmen (womit wir letztlich doch wieder bei „Papa schlägt mich sonst" sind, nur ein wenig subtiler ausgeprägt), ist das tatsächlich so, und sie stellen damit wohl den größten Anteil derjenigen
Magic-Spieler, der NICHT zum Spaß spielt! Allerdings gehe ich schon davon aus, dass der Großteil der aus Geselligkeitsgründen mitzockenden Personen das Ganze nicht nur als Pflichtübung betrachtet, sondern diese Geselligkeit auch tatsächlich genießt – und damit spielen sie letztendlich auch wieder zum Spaß.
Damit bleibt noch genau ein Spielertypus übrig, von dem sich ein Casual-Spieler mit der Selbstbezeichnung als „Fun-Spieler" sinnvoll abgrenzen könnte, nämlich derjenige, der zur Selbstbestätigung zockt. Diese Spezies gibt es tatsächlich: Sie zieht ihre Befriedigung nicht aus dem Spiel an sich (bei einigermaßen ausgewogenem Verhältnis zwischen Siegen und Niederlagen), sondern ausschließlich daraus zu GEWINNEN, und ja, diesen Typus sieht man tatsächlich auf Turnieren, und er neigt dazu, sich als „Besserwisser" und „Schlechter Verlierer" aufzuspielen (zu diesen Typen kommen wir später noch).
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Dummerweise gibt es diesen Typus aber auch in Casual-Runden! Ich will hier auf einen weiteren von Phips' Artikeln verweisen: „Leitfaden zum Verärgern einer Mehrspielerrunde – nach einer wahren Begebenheit" (der übrigens weit, weit besser als sein angestrengt um politische Korrektheit bemühter neuerer Text ist). Die hier beschriebene Runde ist typisch. Ich habe alle diese Personen aus eigenen Erfahrungen wiedererkannt, und zwar mehrfach! Tatsache ist, dass das Bedürfnis, sich über andere zu erheben, und sei es auch in einer noch so unwichtigen Angelegenheit, unter Menschen weit verbreitet ist und keineswegs untrennbar mit dem Drang verbunden, sich gegen eine ernsthafte Konkurrenz zu beweisen und seine eigenen Grenzen auszuloten, der Spieler zu Turnieren treibt!
Konsequent zu Ende gedacht (oder auch einfach nur aus aufmerksamer Beobachtung heraus festgestellt) bedeutet das aber, dass dieser Typus in Casual-Runden sogar HÄUFIGER vorkommt als in Turnieren! Es ist eigentlich nur logisch: Dieser Typ (nennen wir ihn ruhig „Gott", so wie Phips) will gewinnen, immer und immer wieder, und zwar häufiger als es seinen Fähigkeiten entspricht. Gott will dominieren. Dazu muss er aber seine Umgebung KONTROLLIEREN. Das ist in einem Turnier weitaus schwieriger. Dort kann er nicht genau abschätzen, wer alles antreten wird, und gegen wen er gepaart wird. Noch viel weniger kann er dort die Regeln nach Gutdünken so verbiegen, dass sie ihm jeweils den größtmöglichen Vorteil gewähren. (Bei FNMs mit sehr überschaubarer regelmäßiger Teilnehmerzahl und einem Veranstalter, der seine Spieler ohne wirkliches Eingreifen eines Judges machen lässt, geht das noch am besten, und dort trifft man den Gott-Typ dann auch am häufigsten an. Übrigens ist das auch keineswegs zufällig diejenige Art sanktioniertes Turnier, die am ehesten von den Teilnehmern als „Casual" empfunden wird!)
Nein, Gott benötigt zum Beweis seiner Omnipotenz eine Casual-Runde, und zwar nach Möglichkeit mit immer den gleichen Mitgliedern! (Unliebsame Kandidaten oder gar Konkurrenten für die eigene Machtstellung können durch gezieltes Mobbing auch vergrault werden.) Oft kann er sogar abschätzen, welche Decks diese mitbringen. Die Regeln wiederum, insbesondere die selbstgemachten, kann er dort nach Herzenslust bestimmen.
Wer Selbstbestätigung ohne fairen Wettbewerb und wechselnde Herausforderer sucht, der tut dies am besten in einer Casual-Runde (und zwar nicht in irgendeiner, sondern in einer solchen, die er gezielt nach seinen Vorstellungen geformt hat). Wer hingegen echte Konkurrenz nicht scheut, der ist ein „Spike" – aber halt! Zu diesem Begriff kommen wir etwas später.
Zunächst einmal müssen wir konstatieren, dass es für eine Gleichsetzung von „Fun-Spieler" und „Casual-Spieler" nicht die allergeringste objektive Grundlage gibt! Es unterscheidet sich höchstens, WORAN Turnierspieler und Casual-Spieler Spaß haben. Das allerdings ist der Schlüssel zur Beantwortung der nächsten Frage: Wie ist denn dann diese Identifikation von Casual-Spielern mit dem Begriff „Fun-Spieler" überhaupt entstanden?
Nun, offensichtlich sind sie in Situationen geraten, in denen sie einem „Turnierspieler" gegenüberstanden (-saßen, whatever), und in denen BEIDE keinen Spaß hatten!
Moment mal – wieso denn „beide"? Nun, ganz einfach – wenn der Casual-Spieler Spaß gehabt hätte, dann besäße er ja keinen Grund sich aufzuregen! Warum sollte es ihn denn stören, wenn sein Gegenüber sich nicht so gut amüsiert wie er?
Andererseits kann jener Turnierspieler auch nicht gerade ein Ausbund von Lebensfreude und Frohsinn gewesen sein, denn wenn man sich selbst nicht amüsiert, der Gegner aber schon, dann kann man sich allerlei einfallen lassen, um diesen Gegner zu beschimpfen, aber der Vorwurf, dass er weniger Spaß am Spiel hätte, als man selbst, ist schlicht absurd!
Nein, dieser Vorwurf muss eigentlich aus Situationen geboren worden sein, in denen sich Casual-Spieler und Turnierspieler miteinander konfrontiert sahen und BEIDE keinen Spaß hatten. Bei der Interpretation, warum dies so war, verfiel der Casual-Spieler dann darauf, dass der andere gar nicht zum Spaß spiele. Der Turnierspieler hingegen... nun, ich greife ein wenig vor, aber er hielt sein Gegenüber aller Wahrscheinlichkeit nach für einen „Noob". (Auch dazu später mehr.)
Wie aber kamen diese Situationen zu Stande? Da der Vorwurf „nicht zum Spaß zu spielen" sich eindeutig darauf bezieht, dass gespielt wurde, offensichtlich entweder in einer Casual-Runde, oder in einem Turnier. Hier trafen zwei unterschiedliche Erwartungshaltungen aufeinander, und hier gab es deswegen Verstimmungen. Ja, aber wo denn nun genau?
Nun, wir haben alle vermutlich bereits Horrorgeschichten über Turnierspieler gehört, die eine ahnungslose Casual-Runde gesprengt haben. Allerdings, erinnern wir uns: Die meisten Turnierspieler zocken sehr wohl auch Casual! In jedem Fall aber ist es erheblich einfacher, sich einer Casual-Runde anzupassen oder sich eine andere Runde zu suchen, die den eigenen Vorstellungen mehr entspricht, als das Gleiche mit Turnieren zu tun.
So kann man, wenn die eigenen Decks sich als zu stark erweisen oder die anderen Spieler einfach nicht dagegen spielen mögen, das Deck einfach wechseln und sich im Notfall sogar eines leihen. Man kann sich den Hausregeln der Gruppe beugen und sogar darauf verzichten, unbedingt auf Sieg zu spielen. Schlimmstenfalls investiert man eben mehr Aufmerksamkeit in die Unterhaltung als das eigentliche Spiel (wie es viele Casual-Runden gerne tun)... und/oder spielt das nächste Mal eben mit anderen Leuten.
All dies sind Dinge, die ich selbst bereits getan habe, und deswegen weiß ich auch, dass sie sooo schwierig nicht sind (insbesondere, da man als ultimative Maßnahme halt den Spielerkreis wechseln kann). Ich weiß aber auch, dass natürlich nicht alle
Magic-Spieler in der Lage sind, über ihren Schatten zu springen, ganz besonders, wenn eine Gruppe es ihnen auch besonders schwer macht. (Zum Beispiel, wenn Gott willkürlich Karten oder Strategien bannt, um seine Dominanz zu verteidigen, oder wenn die Gruppe darauf besteht, nach veralteten/selbstgemachten/schlicht falschen Regeln zu spielen.) Hier kann es also durchaus zu jenen für beide Seiten unerfreulichen Momenten gekommen sein, dass ein Turnierspieler sich der Dynamik einer gegebenen Casual-Runde einfach nicht anpassen konnte oder wollte.
Meine Ratschläge zur Vermeidung dieses Problems:
An die Turnierspieler – wenn Ihr in eine Casual-Runde eingeladen werdet, fragt vorher, wie dort gespielt wird! Weist darauf hin, dass auch Ihr gewisse Vorstellungen davon habt, wie Magic Spaß macht. Versucht abzuklopfen, ob diese Vorstellungen mit jener Runde kompatibel sind. Sagt zur Not ruhig NEIN, anstatt Euch und anderen den Abend zu versauen! Wenn Ihr mitspielt und feststellt, dass es Euch keinen Spaß macht, macht gute Miene zum bösen Spiel. Probiert aus, was ich weiter oben angesprochen habe. Versucht, den anderen nicht ebenfalls den Spaß zu nehmen und brecht ruhig früher auf, wenn die Runde Euch nicht dringend benötigt. Versucht NICHT, die Runde mit Gewalt umzuerziehen! (Der Begriff „Besserwisser" kommt noch, keine Sorge.)
An die Casual-Spieler – fragt potenzielle Mitwirkende nach deren Vorstellungen und erzählt Ihnen ein wenig darüber, wie das Spielen bei Euch abläuft. (Versucht, ehrlich zu sein!) Überredet nicht Spieler, die offensichtlich nicht allzu begeistert erscheinen, zum Mitmachen, nur um ein besonderes Format (wie z..B. Emperor) vollzukriegen, sondern spielt lieber etwas anderes mit der Anzahl Spieler, die wirklich Lust haben! Wenn ein Spieler dann doch nicht Euren Wünschen entspricht, seid ein wenig flexibel! Beweist, dass es Euch nicht nur ums Gewinnen geht, indem Ihr es ihm nicht übelnehmt, wenn er Euch mit einem überzüchteten Deck plattmacht. Habt Vorschläge parat, wie diese Probleme zu lösen sind (zum Beispiel durch allgemeinen Decktausch, oder geschickt gewählte Mehrspieler-Formate). Verlegt zur Not den Schwerpunkt eines privaten Abends aufs Quatschen oder Filme-Gucken etc... (Denn Ihr werdet ja wohl hoffentlich niemanden eingeladen haben, mit dem Ihr Euch nicht auch anders als mit Magic unterhalten könnt – wenn ja, seid Ihr selbst schuld!)
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So, und jetzt kommen wir zu demjenigen Fall, der meiner Erfahrung nach erheblich häufiger die Ursache für Zoff zwischen Turnierspielern und Casual-Spielern ist, nämlich ein Casual-Spieler in einem Turnier! Hier fällt das Anpassen ungleich schwerer: Wenn man keinen Spaß am ernsthaften Wettbewerb mit dem Primärziel, möglichst viele Spiele zu gewinnen hat, dann hat man in einem Turnier einfach keine Alternativen! Man kann sich seine Gegner nicht aussuchen (das ist ja auch gerade der Sinn der Sache) und muss damit rechnen, dass es ihnen auch tatsächlich ums Gewinnen geht! Wenn das eigene Deck sich als nicht kompetitiv herausstellt, dann ist daran für dieses Turnier nichts mehr zu ändern. Auch die Gegner werden ihre Decks nicht wechseln, nur weil es dem Casual-Spieler keinen Spaß macht, dagegen zu spielen. Letztlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als aus dem Turnier auszusteigen – auch wenn er oft gar keine andere realistische Möglichkeit hat, Turniere zu spielen! Casual-Runden kann man sich weitgehend nach eigenen Vorstellungen suchen. Turniere hingegen muss man größtenteils so nehmen, wie sie sind.
Diese Feststellungen klingen jetzt genau so trivial, wie sie sind, und trotzdem scheint dieses Prinzip in die Köpfe mancher Leute nicht (oder erst viel, viel zu spät) hineinzugehen! Auf jeden Vorfall, von dem ich gehört habe, bei dem ein Turnierspieler eine Casual-Runde aufgemischt hat, kommen ungefähr 50, bei denen Spieler mit zum Casual gehörigen Erwartungen in ein Turnier gegangen sind und sich dann lautstark darüber beschwert haben, dass dieses Turnier eben wie ein Turnier ablief! (Ja, dieses Verhältnis ist natürlich teilweise auch darauf zurückzuführen, dass ich jahrelang Turniere geleitet habe.)
Wie oft muss man sich doch anhören, dass gewisse Strategien „keinen Spaß" machten, seien es Counter, Landzerstörung, Discard, Wrath of God, Elfen oder einfach nur Decks, die häufig gespielt wurden. Immer wieder die Vorwürfe „Denkt Euch doch einmal selbst ein Deck aus" oder „Mit diesem Deck könnte auch meine Oma gewinnen". Wie oft beklagten sich Spieler darüber, dass ihre Gegner „unfairerweise" sie ihre Spielfehler nicht zurücknehmen ließen, oder dass sie es gar wagten, einen Judge zu rufen! Und immer und immer wieder hört man zwischendurch „Ich bin gekommen, um Spaß am Spielen zu haben!" Wenn sie dann darauf hingewiesen werden, dass ihre Gegner hingegen „ernsthaft" zu gewinnen versuchen – presto, dann ist der Gegensatz „Fun-Spieler" vs. „Turnierspieler“ geboren.
Um einem zu erwartenden Einwand zu begegnen: Ich liste hier keine bloßen Klischees auf. Ich präsentiere Erfahrungen aus vielen, vielen Jahren Turnierpraxis (zumeist als Judge). Wie verbreitet aber diese Standpunkte sind, kann man auch im Netz erkennen: So habe ich zum Beispiel kürzlich erst in einem Blog gelesen, wie sich ein Casual-Spieler über einen Turnierspieler aufregte, der in einem Grand Prix seinen achtjährigen Gegner mit allen ihm zur Verfügung stehenden (legalen, was der Schreiber selbst einräumt) Mitteln besiegt hätte, anstatt ihn gewinnen zu lassen! Auch die Kommentatoren stießen größtenteils ins gleiche Horn.
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Wisst Ihr, in solchen Augenblicken verspüre auch ich den Drang, mich als „Turnierspieler" von der „Casual-Spieler"-Sippe abzusetzen, obwohl ich in der Praxis schon immer öfter Casual als Turniere gezockt habe, und zuletzt sogar praktisch ausschließlich. So viel geballte Ignoranz gepaart mit billigem Populismus stößt mir übel auf! WARUM bitte schön soll man in einem Turnier seinen achtjährigen Gegner nicht exakt genau so (regelgerecht) bekämpfen dürfen wie jeden anderen? Ist das die Logik, nach der Fußball spielende Kinder einen Brillenträger ins Tor stellen und der anderen Mannschaft sagen, sie dürfte jetzt keine Weitschüsse mehr machen? Wenn ein Achtjähriger noch nicht bereit dafür ist, ein Turnier zu spielen (und das kann ich mir sehr gut vorstellen), DANN HAT ER DA NICHTS ZU SUCHEN! Zu erwarten, dass seine Gegner sich selbst ein Handicap auferlegen, ist nichts weniger als eine Unverschämtheit. Solche Geschichten liest man aber immer wieder, und sie beweisen, wie inkompatibel doch die Vorstellunsgwelt mancher Casual-Spieler mit der Idee eines fairen Wettbewerbs nach festen Regeln ist.
Nun stellen aber diese selbsternannten „Fun-Spieler", die merkwürdigerweise immer mal wieder an Turnieren teilnehmen, natürlich nicht die Mehrheit der Casual-Spieler – nicht einmal annähernd. Wieso es ihnen trotzdem gelingt, zum Sprachrohr dieser inhomogenen Gruppe zu werden und dementsprechend von einem großen Teil derjenigen, die sich selbst als Turnierspieler begreifen, als typische Casual-Spieler betrachtet zu werden, hängt mit einem anderem Phänomen zusammen, nämlich dem der Überidentifikation. Dem werden wir uns noch ganz behutsam nähern.
Zwei Dinge will ich aber schon einmal festhalten:
1. Ein großer Teil der Differenzen zwischen Casual-Spielern und Turnierspielern ist auf die stetige Invasion anpassungsunfähiger Casual-Spieler bei Turnieren zurückzuführen.
2. Ich bemühe mich in diesem Artikel um SACHLICHE Korrektheit, nicht POLITISCHE Korrektheit (die ihrer Natur nach mit der ersteren zumeist im Konflikt steht). Das bedeutet, dass ich keine Symmetrien postuliere, wo es keine gibt! Es GIBT real existierende Probleme, und sie werden NICHT völlig gleichmäßig von den verschiedenen Parteien verursacht, auch wenn dieser Mythos fester Bestandteil der allgegenwärtigen Kuschelrhetorik ist.
An dieser Stelle muss ich den ersten Teil dieses Artikels aus Gründen der Länge beenden – er geht auf die 5000 Wörter zu, und es dürfte langsam anstrengend sein, ihm zu folgen.
Das wirft allerdings ein kleines Dilemma auf: Gewiss wird darüber bereits jetzt diskutiert werden, auch wenn ich erst einen kleinen Teil von dem gesagt habe, was es zu sagen gibt. In einer idealen Welt wäre der gesamte Text bereits fertig und würde im Tagesabstand bei
PlanetMTG erscheinen. In der Praxis folgt der zweite Teil aber erst eine Woche später. Ich würde ja Euch alle bitten, Euch mit Meinungsäußerungen ein wenig zurückzuhalten, bis Ihr wisst, worauf ich eigentlich genau hinauswill, aber viel Sinn hat das vermutlich nicht. Deswegen liste ich ein paar zentrale Punkte hier noch einmal auf:
1. In dieser Diskussion werden sehr unterschiedliche Spielergruppen durcheinander geworfen oder über einen Kamm geschoren. Trotzdem wird hier ein Konflikt zwischen zwei fest umrissenen Gruppen wahrgenommen. Wie das zu Stande kommt, darauf werde ich noch ausführlich eingehen.
2. Es GIBT real existierende Konflikte, welche diese Diskussion immer wieder befeuern. Ich habe jedoch gerade erst damit begonnen, diese herauszuarbeiten und zu analysieren, also hängt Euch nicht ausschließlich an dem, was ich bereits geschrieben habe, auf!
3. Das Thema ist NICHT durch und wird es auch nie sein, sondern immer und immer wieder zum Vorschein kommen. Der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwartende Vorwurf, dass ich eine erkaltete Diskussion wieder aufwärme, ist daher nicht berechtigt.
Bis nächsten Montag also dann!