Eternal
Überlegungen zum aktuellen Metagame im Legacy
von Bernd Hamann
04.12.2008


1. Es ist ein tolles Gefühl!

2. Überlegungen zum aktuellen Metagame im Legacy
2.1. Was ist Metagaming?

2.2. Wie finde ich das Metagame heraus?

2.3. Wie ist das Metagame im aktuellen Legacy?
3. Trinket/Lark gegen Next History

1. Es ist ein tolles Gefühl!

Ist es nicht ein tolles Gefühl, mit einem selbst kreierten Deck das Turnier zu rocken? Und noch dazu so, dass keiner deiner Gegner auf deine Idee eingestellt ist? Fantastisch. Von einer Runde spielst du dich in die nächste, immer mehr Zuschauer versammeln sich, um dir über die Schulter zu schauen und ein Raunen geht durch die Luft, wenn du Zug um Zug den Gegner ungläubiger dreinblicken lässt. Du fühlst dich gut und erinnerst dich selbst an einen gewissen Kenny Öberg.

Ja, so etwas ist nicht schlecht. Aber: Der Weg dahin ist alles andere als einfach. Was muss man also tun, um ein derartiges Deck zu bauen? Wie kann man das im aktuellen Legacy schaffen? Logisch: Viel Arbeit, Kreativität, Testen und vor allem eine genaue Kenntnis des Metagames sind von entscheidender Bedeutung. Womit wir auch schon beim Thema dieses Artikels wären: Metagame und Legacy. Ob es eine schwierige Sache ist, diese beide Variablen im deutschen Raum zu vereinen, oder ob man ohne große Schwierigkeiten ein Metagame finden kann, das soll unser Thema nun sein.

2. Überlegungen zum aktuellen Metagame im Legacy

2.1. Was ist Metagaming?

Was Metagaming ist, möchte ich am liebsten mit meinem eigenen Beispiel aufzeigen. Als ich, gerade mal zwölf Lenze alt, begann mit Magic-Karten zu spielen, da tat ich das hauptsächlich an zwei Orten. Zum einen spielte ich daheim, mit den Kindern aus der Umgebung. Ich rekrutierte sie allesamt langsam zum Magic-Spielen und war in dieser Tätigkeit beinahe so gut wie Uncle Sam für die US-Army.

Zum anderen spielte ich aber auch im damals noch großen, tollen RSK in Bamberg, in dem es durchaus richtig gute Spieler gab. Daheim konnte ich die meisten Spiele gewinnen, da ich mir alle Karten, die wichtig waren, in ebendiesem RSK holte – meine Schule war direkt daneben. Da die anderen diese Möglichkeit im Vergleich zu mir nicht hatten, gewann ich. Andererseits profitierte ich natürlich auch von den Erfahrungen, die ich aus den Spielen mit den älteren, für mich durchaus schon erwachsenen Spielern (zwischen 15-18 Jahre waren sie alt) machen konnte. Im Fantasyladen aber, da war alles etwas anders.
Nicht nur die Stärke der Spieler, sondern auch deren ausgefeilten Decks machten mir zu schaffen. Ich dümpelte mit meinem Kiddie-Klobo-Deck vor mich hin und gewann kaum ein einziges Spiel.

Also tat ich genau das Richtige: Ich sah zu und merkte mir, wie meine Gegner mich schlugen, mit welchen Karten sie das taten, und überlegte mir, mit welchem Deck, man gegen diese gewinnen konnte. Das war, ohne dass ich es wusste, das erste Metagaming meiner Magic-Laufbahn. Aus diesem Metagaming heraus entstand auch das erste richtige Deck, an das ich mich erinnern kann: eine selbst kreierte Variante des berüchtigten „THE DECK“. (Exkurs: Hier handelt es sich bei meiner Version um ein UW-Controlldeck mit Serra Angel als Win-Condition, Swords to Plowshares und vielen, vielen Counterspells.)

Natürlich wusste ich weder, was ich da getan hatte, noch konnte ich ahnen, dass ich in meiner jugendlichen Naivität so den ersten Schritt aus der Gruppe der Kiddies heraus in die „Elite-Gruppe“ der Stammspieler des Shops vollzogen hatte. Natürlich war ich immer noch nicht integriert. Trotzdem konnte ich, nachdem ich den Shopbesitzer mehrere Male in Folge geschlagen hatte, ein ums andere Mal bei den Großen sitzen und lachen, als die armen anderen Jungs und Mädels als „Klars“ verspottet wurden. Sehr gemein, wie ich jetzt finde. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich noch immer nicht in Erfahrung bringen konnte, woher dieses Schimpfwort denn kommt...

Zurück zum Thema: Aus der Not heraus, im Shop gegen die unterschiedlichsten Gegner mit den unterschiedlichsten Decks zu spielen, hatte ich also begonnen, das erste Metagame zu analysieren. In anderen Wort en: Ich hatte begonnen zu überlegen, auf welche Decks ich treffen würde und wie ich gegen diese verschiedenartigen Decks eine Chance haben könnte. Natürlich dachte ich dabei auch an die Nachbarn zu Hause, von denen ich mich natürlich ebenfalls nicht einstampfen lassen wollte. Ich hatte also zwei Metas gleichzeitig in Erwägung gezogen, ging aber nicht den zweiten Schritt und variierte meine Decks je nach Spielumgebung. Ein guter Metagamer jedoch tut genau diese beiden Schritte: Er analysiert die einzelnen Metas und verändert seine Decks so weit, dass er im jeweiligen Meta genau das Deck zur Verfügung hat, dass die höchste Durchschlagskraft hat.

Womit aber kann man einzelne Spielumgebungen (Metagames) brechen? Das ist eine schwierige Sache. Dabei ist die Antwort zunächst einmal sehr banal: Mit einem Metadeck. Aber, was ist ein Metadeck? Ein Metadeck kann ein Roguedeck sein, welches für die Gegner, die die Spielumgebung genau studiert haben, eine Überraschung darstellt. Durch ungewöhnliche Kombinationen (Tricks, Kombos, etc.) und unbekannte, nicht erwartete Karten soll es geschehen, dass man diese auf dem falschen Fuß erwischt und mit einem Deck, das keiner auf der Rechnung hatte, das Meta „bricht“.

Jüngstes Beispiel hierfür ist das schon angesprochene Deck von Kenny Öberg auf der Pro Tour Berlin, mit dem er recht erfolgreich war. Eine weitere Überraschung ist das Dredge-Deck der Österreicher gewesen, die zwar nichts Neues erfunden hatten, aber durch das genaue Analysieren der zu erwartenden Decks erkannt hatten, dass weder in den Sideboards noch den Maindecks vieler eine zufriedenstellende Lösung gegen ebendiese Deckidee vorzufinden sein würde. Also was taten sie? Sie kamen und überraschten mit einem perfekten Metadeck.

Dass aber der Umkehrschluss, ein Roguedeck sei zugleich auch ein Metadeck, komplett daneben ist, müsste jedem klar sein. Ein Metadeck muss nicht unbedingt Rogue sein, kann es aber und ein Roguedeck muss nicht unbedingt ein Metadeck sein.
Es kann auf viele unterschiedliche Arten und Weisen geschehen, das Metagame einzuschätzen, herausfinden kann man es aber nie genau.

2.2. Wie finde ich nun das Metagame heraus?

Die Antwort auf die Überschrift muss heißen: Das geht nicht! Es kann auf viele unterschiedliche Arten und Weisen geschehen, das Metagame einzuschätzen, herausfinden kann man es aber nie genau. Sonst gäbe es keine Metadecks. Die Einschätzung der Spielumgebung hingegen sollte dennoch stattfinden. Diese sollte im Idealfall über alle verschiedenen Wegen erfolgen, die es gibt.

Bei kleineren Turnieren, bei denen immer dieselben Spieler sind, ist es natürlich unerlässlich, sich bei der regelmäßigen Teilnahme anzuschauen, was gespielt wird. Es ist äußerst wahrscheinlich, auch bei der nächsten Teilnahme auf eben genau die gleichen Decks zu stoßen.

Weiterhin ist es bei größeren Turnieren, vor allem bei überregionalen Veranstaltungen wichtig, das Internet als Informationsquelle zu nutzen. Zum einen hilft die Analyse von Decklisten aktueller Top 8. Zum anderen aber sollte man auch Neuentwicklungen nicht außer Acht lassen, über die man in Foren, großen Magic-Seiten mit Strategieartikeln lesen kann. Jüngstes Beispiel ist wieder die Pro Tour in Berlin. Einen Tag vorher, wenn ich mich nicht täusche, schreibt Klaus Jöns diesen Last-Minute-Artikel über das Elfball-Deck, welches die kommenden drei Tage alles gewinnen würde, und keiner wusste Bescheid. Keiner ist hier als ein Übertreibung zu sehen. Dennoch gab es Teilnehmer der Pro Tour, die zugaben, von Elfball davor nichts gehört zu haben.

Auch Decklisten von Übersee sind von großem Interesse. Sowohl das amerikanische als auch das japanische Legacy-Metagame sind oft nicht mit dem hiesigen identisch. Bei der Ancient Memory Convention in Japan zum Beispiel (Ich betrachte nun die 40. Convention, auf deckcheck.net zu finden.) finden sich Decklisten, die das deutsche Meta so noch nicht gesehen hat. Diese sind auch auf einschlägigen Seiten wie The Source nicht erwähnt.

Beispiel gefällig? Zweiter von 53 wurde ein Trinket/Lark-Deck mit Karten wie Reveillark, Sower of Temptation, Venser, Shaper Savant und trotz Zwei/Drei-Farbigkeit: OHNE Dual-Lands. Und das im Legacy! Auf dem achten Platz haben wir sogar ein UW-Tron. Gleichermaßen finden sich auf der 41. Convention interessante Decks: Yamazakis Next History auf Platz 1 von 53 sowie Tsudas TrinketStalker. Aus den Staaten schwabbte außerdem die Team-America-Welle über, benannt nach dem selbigen Deck, dass seit ein bis zwei Monaten die Top 8 beinahe aller aktuellen Turniere bevölkert... Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.

Eine weitere Möglichkeit für neue Ideen bietet das Online-Testen. Hier kann man etweder über MWS, Magic Online, Apprentice etc. oft auf durchaus brauchbare Ideen stoßen. Ein Beispiel aus meiner Erfahrung: Den Einsatz des Tarmogoyf im Threshold sah ich das erste Mal auf MWS und habe ihn dann bei der Bazaar-Liga in ein WUG-Fish eingebaut, während die Thresh-Spieler auf dem Turnier den Tarmogoyf oft entweder noch nicht gesehen, oder einfach als zu schwach beurteilt hatten – stattdessen wurde noch immer der Werebear gespielt. Dank dieses Playtestings konnte ich mir mein Set Tarmogoyf damals für ungeheure <20$ besorgen, bevor der Tarmohype begann.

All diese Entwicklungen gilt es beim Metagaming im Auge zu behalten. Nicht nur die Anregungen, die man sich für die eigenen Decks holen kann, sondern auch die Entdeckung komplett neuer Archetypen kann man in jeder der beschriebenen Methoden zur Metagameanalyse finden.

2.3. Wie ist das Meta im aktuellen Legacy?

Kommen wir nun zur eigentlichen Anregung für diesen Artikel. Wie man in meiner Einleitung und an meinen ersten Schritten beim Deckbau sehen konnte, hat es mir schon immer Spaß gemacht, das Deck zu finden, mit dem entweder keiner rechnet oder mit dem keiner zurechtkommt. Weil man aber, solange einem etwas Spaß macht, nicht aufhört, genau das auch zu betreiben, bin ich immer noch dabei, das für mich perfekte Deck zu finden. Und das Meta in dem ich dieses Deck spielen möchte, ist das aktuelle Legacy-Meta.

Hierbei stieß ich auf folgendes Problem: Bei meinen Metagameforschungen stellte ich fest, dass es leider nicht so einfach war, ein einheitliches Legacy-Meta in Deutschland auszumachen.

Der erste Grund für diese Erscheinung ist, dass es im Legacy wie in keinem anderen Format (Vintage eingeschlossen) eine ungeheure Anzahl an Decktypen gibt, die ein Turnier gewinnen können. The Source, DAS Legacyforum unterscheidet allein dreizehn Decks to Beat (DTB)! Und diese beinhalten zum Beispiel nicht: das derzeit äußerst erfolgreiche Team America, It's the Fear, MUC, Dragon- und Faerie-Stompy – um nur einige zu nennen. Jeder dieser fünf Decktypen kann ein Turnier gewinnen oder die Top 8 erreichen. Dies geschieht auch regelmäßig. Somit kann also jedes der dreizehn DTB wie auch jedes der Established Decks, wie The Source die Kategorie nennt, unter der die fünf oben genannten Decks geführt werden, als Teil des Metagames angesehen werden.

Weiterhin finden sich gravierende Unterschiede auf regionaler Ebene. Es kann ein anderes Legacy im Norden vorherrschen, als es im Süden Deutschlands existiert. Ich kann mich noch gut an die ungewöhnlich hohe Anzahl an Landstill-Decks im Süden erinnern, die wohl darauf zurückzuführen ist, dass Marius Hausmann, seit ich ihn kenne, dieses Deck in Perfektion beherrscht und für gewöhnlich auch mit ihm gewinnt – während im Norden heftig an der Entwicklung des Baseruption-Decks gearbeitet wurde. Ich hoffe ich irre mich hier zeitlich nicht. (Exkurs: Norden ist für den Bayern, leider bin ich als Franke nun einmal neuerdings auch einer von denen, alles oberhalb Bayerns.)

Die bisher beschriebenen regionalen Unterschiede bezogen sich auf größere regionale Turniere, wo man das Meta einigermaßen vorhersagen kann, da dort für gewöhnlich auch die Spieler zu finden sind, die sich sehr mit der Entwicklung des Formates beschäftigen. Findet man sich aber auf einem lokalen Turnier wieder, kann man auf alles treffen, nur meist das nicht, auf was man sich in der Regel vorbereitet. Das Meta wird unvorhersehbar. Ein Beispiel aus meiner aktuellen Turnierspielerei ist das Legacyturnier vom 30.11.2008 in Bamberg, das mit 30 Teilnehmern unglaublich gut besucht war. Von Top-Spielern wie Oliver Voll, Florian Frank und Daniel Knauf (allesamt Top-8-Finishes bei der Bazaarliga, Oliver sogar zweimal mit dem berüchtigten Elfendeck) bis zu Magic-Anfänger mit zwölf Jahren, die mich sehr an meine RSK(Fantasyshop)-Jugend erinnerten, war das Feld sehr heterogen aufgestellt. Hier waren Klobodecks wie auch durchdachte Deckkreationen – UR-Fischkreation erster Platz, zweiter Charbelcher/Warrens-Kombo, dritter Ugb-Kontroll-Fisch, Elves, etc.. – vorhanden. Ein wahrlich nicht einschätzbares, aber dennoch stark besetztes Meta, nicht nur aufgrund der guten Spieler.

Dieses Turnier führt uns auch schon zum dritten Grund für das unergründbare Meta das aktuellen Legacy: Decklisten werden nicht gepostet. Mittlerweile habe ich in meiner Eternalkarriere an bestimmt zwanzig Turnieren die Top 8 erreicht, von denen EINE (!) gepostet wurde und das war die DM 2007. Sonst wurde nichts festgehalten und für die Community bereitgestellt. Das heißt im Klartext: Das Wissen dieser Turniere, auch wenn sie noch so klein sind, ist für die große Legacycommunity de facto nicht abrufbar. Auch wenn man sich vielleicht nicht viel Neues von kleinen lokalen Turnieren erwarten kann, so kann man dennoch auf im Legacy weitgehend vergessene Deckkonzepte wie Stasis stoßen und an ihnen arbeiten. Doch nicht nur ländliche Turnierergebnisse werden nicht veröffentlicht. Die Nürnberger Legacyhappenings, die wieder regelmäßig stattfinden, sucht man vergebens im Deckcheck. Das gleiche geschah damals bei den Müchner Turnieren, von denen ich nicht einmal weiß, ob es diese noch gibt.

Ein weiterer Grund, der im Konflikt mit Vorhergehendem steht, ist, dass viele gepostete Top 8s nicht repräsentativ sind. Klar kann man von den Decklisten lernen, sehen, was gespielt wird; aber eine Top 8 aus einem Turnier mit zwölf Spielern als Maßstab zu nehmen, entbehrt jedweder Logik. Die Decks, die Platz sieben oder acht belegen, sind oft unvollständig, zusammengestöpselt und in keinem Fall turnierbeständig. Die Betonung liegt allerdings auf meist.

Fazit: Diese Gründe belegen, dass es bei meinen Forschungen nach dem Metadeck nicht möglich ist, ebendieses zu finden, da ein einheitliches Meta nicht existiert. Vielmehr bleibt es eine fortwährende Suche. Das Deck muss für jedes Turnier neu erstellt bzw. eingestellt werden, was nicht bei jedem Turnier so einfach ist. Vor allem auf ländlichen Turnieren findet sich ein Metagame, dass nicht einschätzbar ist. Doch auch bei großen Turnieren kann man auf Decklisten stoßen, die man so noch nicht gesehen hat. Das kann zum einen daraus resultieren, dass man die Informationskanäle, wie sie beschrieben wurden, nicht optimal genutzt hat. Zum anderen aber kann es auch daran liegen, dass die Informationen, die die Community hat, unvollständig sind. Somit gilt es, neben der Analyse basierend auf Daten und Quellen, auch auf die eigene Intuition und Einschätzung der Lage zu hören und entsprechend zu reagieren.

3. Schluss

Unbeeindruckt spiele ich gegen das Trinket/Lark-Deck meines Gegners einen Ashenmoor Gouger aus. Ich gebe die Runde ab und lege auf den Reveillark meines Gegenübers einen Trinket Mage für Relic of Progenitus, spiele es aus, töte den Lark mit der Executioner's Capsule und entferne meinem Gegner seine Sower of Temptation, die Venser, Shaper Savant und den Grand Arbiter Augustin IV aus dem Friedhof. Ich ziehe eine Hymn to Tourach nach, mit der ich ihm seine letzten Handkarten abwerfen lasse, zwei Basic Lands. Verrückte Veranstaltung! Aber durchaus vorstellbar in einem interessanten Metagame, welches man derart wohl nur bei der Ancient Memory Convention oder kleinen Turnieren auf dem Lande (Bamberg, oder auch im anstehenden Turnier in Lichtenfels am 7. Dezember etc.) finden kann.
-------gggggggggggggggg--------------