Oh ja, Kruft. Wie ein Kruftie fühlte ich mich denn auch, als ich Samstagmorgen bei der Anmeldung zum ersten PTQ der Saison meine DCI-Nummer angeben sollte und bestimmt drei Sekunden überlegen musste, bis ich mit etwas Glück die acht Ziffern (waren das früher nicht mal nur sechs?) zusammengestammelt hatte. Immerhin, Treffer, versenkt. Trotzdem, Data würde bestimmt anmerken, dass das für einen Androiden eine halbe Ewigkeit sei, und machte nicht vor einiger Zeit selbst die Bahn Werbung mit dem Slogan: „Drei Sekunden sind drei zu viel“? Obwohl... möglicherweise waren das Minuten. Oder Stunden?
Bevor ich mich weiter verzettele, jetzt der elegante Sprung zum Anfang der Geschichte:
Prolog
Vor genau einer Woche schrieb mir der allseits freundliche DCIAutoEmailer folgende Zeilen:
Subject: Pro Players Club level change
You currently don't have any levels in the Pro Players Club. You still have your lifetime Pro Points and if you have only pro points from Grand Prix will still be considered an Amateur. We hope you will rejoin the Pro Tour in the future.
Nun, das hoffe ich natürlich auch! Aber wie schafft man das als einigermaßen eingerosteter, wenngleich rüstiger Magic-Rentner? Der erste Schritt ist – so viel dürfte jedem klar sein – die Deckwahl, und bereits erprobte Listen wurden zuletzt ja angespült wie Sand am Meer. Die meiste Erfahrung hatte ich ohnehin längst mit Elfen gesammelt, zudem würde sich kaum noch viel zusätzliche Erfahrung auftreiben lassen.
Kein Problem! Denn dieses Deck kann man notfalls einfach 500-mal gegen den Goldfisch antreten lassen, immer mal wieder zwischendurch, z.B. während man Artikel lektoriert, korrigiert, redigiert, editiert, bzw. – wenn's zu viel wird – ebendiese Aufgaben auch mal delegiert.
Und mit dem Goldfisch als Gegner hat man zumindest den psychologischen Vorteil auf seiner Seite: Man lernt schließlich, dass das eigene Deck in den eigenen Händen schier unbesiegbar ist. Auf der anderen Seite kann man ebenso noch etwas sinnvolles Testen betreiben: Machen wir mal 20 Spiele gegen Mogg Fanatic, 20 Spiele gegen Seal of Fire, 20 Spiele gegen Thoughtseize, 20 Spiele gegen Shadow Guildmage usw. usf. und insbesondere gegen jegliche Kombination derselben.
Dabei herausgekommen ist folgende Variante, deren Sideboard offensichtlich genauso schlecht ist, wie man es von einem Goldfisch-Quäler nicht anders erwarten würde, und deren Maindeck einerseits zwar abgeschrieben, andererseits trotzdem zweifelhaft sein mag:
| | | | 9 Forest
1 Pendelhaven
2 Overgrown Tomb
4 Gilt-Leaf Palace
4 Elves of Deep Shadow
4 Wirewood Symbiote
4 Nettle Sentinel
4 Llanowar Elves
4 Elvish Visionary
4 Heritage Druid
4 Birchlore Rangers
1 Regal Force
1 Eternal Witness
1 Boreal Druid
1 Viridian Shaman
1 Brain Freeze
3 Weird Harvest
4 Summoner's Pact
4 Glimpse of Nature
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3 Steely Resolve
1 Pendelhaven
3 Fecundity
4 Thoughtseize
3 Naturalize
1 Viridian Shaman
| —Diese und weitere Karten gibt's bei:
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Unsicher bin ich mir weniger bei den Änderungen am Maindeck des PT-Berlin-Siegers Luis Scott-Vargas (-1 Viridian Shaman, -1 Grapeshot, +1 Boreal Druid, +1 Brain Freeze) als bei der Frage, ob dessen Version überhaupt noch zeitgemäß ist. Teure Hexereien (Weird Harvest) haben im Vergleich zu flexibel zahlbaren Spontanzaubern (Chord of Calling) so einen unschönen Nachteil, welcher mir – vielmehr: an mir – später auch demonstriert wurde.
Hawaii – Five – O
Fünf Siege kamen zuverlässig zugeflogen wie UPS-Luftpost. (Cast Away mal außen vor gelassen.) Dummerweise nicht am Anfang des Turniers, sondern in Runde 3 bis 7.
Da war z.B. der Affinity-Magier, der sich im ersten Spiel überhaupt nicht wehrte, dafür im zweiten umso vehementer – mit insgesamt drei Krark-Clan Shaman, Dead // Gone und Thoughtseize! –, so sehr, dass er darüber völlig vergaß, eine eigene Offensive aufzubauen...
Oder der Zoo-Spieler, der gleichmütig ertrug, dass ich ziemlich mies spielte, aber ein ums andere Mal vom Topdeck gerettet wurde. Gegen ihn habe ich es übrigens geschafft, einen Kird Ape im Kampf zu besiegen, was – ihr seht es an obiger Deckliste – schier unmöglich ist sein sollte, weil ich ja keine Möglichkeit habe, überhaupt irgendeine Kreatur jemals auf eine Stärke von drei zu pumpen. Seinen Steam Vents plus Kird Ape begegnete ich mit Wirewood Symbiote und Birchlore Rangers – er legte Godless Shrine, er griff an, ich blockte, er stellte fest, dass sein rotes Doppelland beginnend mit „St...“ irgendwie gar kein Stomping Ground war, ich brachte meine Rangers auf die Hand zurück, er stellte weiterhin fest, dass er nun ja völlig screwed war und irgendwie überhaupt gar nichts ausspielen könne – insbesondere nicht das Jund Charm auf seiner Hand – und... nun, so gewinnt man Spiele.
Mono-roter Burn war eine knappe Angelegenheit, da er jeweils im zweiten Zug der gesideboardeten Partien Pyrostatic Pillar legte. Eine davon ging verloren unter Zuhilfenahme von Starstorm, eine beendete Doppel-Nettle Sentinel-Beatdown.
Gegen Dredge boardete ich grandiose null Karten und gewann trotzdem durch reines Zieh- und Würfelglück. Wobei er Spiel 1 wohl leicht verzockt haben mag. Jedenfalls brachten mich da sein Flame-Kin Zealot und dessen fünf Freunde bloß auf zwei Lebenspunkte und obwohl es nicht für die Kombo meinerseits reichte, schaffte ich es im Folgenden, ganz einfach so viele Elfen (und vor allem drei Wirewood Symbiote) zu spielen, dass ich seine gesamte Armee totblocken konnte. (Zu dem Zeitpunkt waren seine Dread Return allesamt verbraucht, da er beim Dredgen geschickt fast alle Brücken umschiffte und so darauf angewiesen war, gleich mehrfach Mulldrifter zu reanimieren.)
Die Spannung steigt...
In der letzten Runde, da stehe ich nun, ich armer Tor, und zwar 5-1. Mit 18 Punkten wäre ich sicher drin, mit 16 Punkten wahrscheinlich nicht, weil es aus unfassbaren Gründen sechs Spieler mit 13 Punkten gibt, deren bessere Hälfte mich bei einem Sieg aussticht. Also, die finale Schlacht um den Einzug in die verheißungsvolle Top 8 entbrennt.
Ich spiele gegen einen, ich glaube, Luxemburger. Weiteres erfahre ich im ersten Spiel auch nicht. Nachdem er Turn 4 in Anbetracht letalen Gehirnfrosts aufgibt, meint er spaßeshalber gar: „Well, you know, I'm playing the infamous Island deck.“ Mehr war da nicht zu sehen.
Das zweite Spiel geht ewig. Ich besiege mittels Nettle Sentinel und Wirewood Symbiote und dem resultierenden Beatdown Engineered Explosives Nummer 1, 2 und 3, erwische mit Thoughtseize Firespout und sterbe irgendwann an Swans of Bryn Argoll, clever kombiniert mit Chain of Plasma. Tatsächlich hätte ich mit Thoughtseize jedoch Spell Snare nehmen müssen, welche den im Grabenkampf so wichtigen Elvish Visionary verhindert hat. Doof.
Fürs dritte Spiel nehme ich Mulligan auf:
Oh lala, ich rieche eine Top 8. Mein Gegner hingegen zeigt mir nach zusätzlichem Mischen seine 6-Karten-Hand mit the one and only Cascade Bluffs als einzigem Land und mischt gleich weiter. Ich kann die Top 8 schon spüren. In dem Zug, in dem ich schließlich abgehe, kommt es noch zu einer witzigen Situation, als er mir in Reaktion auf Glimpse of Nature via Vendilion Clique meinen Heritage Druid von der Hand nimmt... nur damit ich durch das so verursachte Kartenziehen umgehend den nächsten finde.
Fliegeralarm!
Nicht so einfach war es dagegen in den ersten beiden Runden, denn dort durfte ich jeweils gegen Feen antreten. Im allerersten Spiel des Turniers wurde mir eiskalt Chalice of the Void mit Counter-Backup für meinen Viridian Shaman serviert. In Game 2 tötete ich mindestens genauso eiskalt – wenn nicht kälter! – Turn 2, obwohl ich Elvish Visionary noch von Spell Snare neutralisiert bekam. Und Game 3 geriet zur Farce: Er Land, ich Nettle Sentinel, er Mutavault, Chalice of the Void, ich Elvish Visionary... tja, und danach habe ich niemals mehr einen Spell resolvet, während er niemals mehr ein Land gezogen hat. Pendelhaven 1 – Mutavault 0.
Und dann durfte ich zum ersten Mal ein richtiges Match gegen Feen bestreiten, eines, das weder durch absurdes Luck noch absurdes Pech entschieden wurde. Ich weiß gar nicht mehr, was genau er mir angetan hat, wirkliche Frechheiten wie Chalice of the Void waren diesmal, soweit ich mich erinnere, jedenfalls nicht involviert.
Hier eine Spell Snare, da ein Mana Leak, obendrein eine Spellstutter Sprite – und schon fiel mein schönes Elfendeck auseinander. Einfach so. Ein Haufen Kreaturen, der von zwei Hexereien zusammengehalten wird, ist nämlich, verhindert man besagte Hexereien, wieder nur ein Haufen Kreaturen. Anders als in anderen Matchups kann man gegen die Luftfahrtbehörde nicht einmal darauf spekulieren, Umezawa's Jitte mittels Wirewood Symbiote auszuhalten.
Zumindest in diesem Matchup wäre die Version mit Chord of Calling direkt in zweifacher Hinsicht im Vorteil gewesen – möglicherweise ebenfalls nicht im Vorteil gegen die Feen, sicher aber im Vorteil gegenüber meinem Deck: Zum einen ist Chord of Calling nun mal ein Spontanzauber und lässt sich entsprechend spontaner zaubern, was es wahrscheinlicher zur Kombo kommen lässt. Zum anderen enthält jene Variante Wirewood Hivemaster, welcher, wenn es nicht zur Kombo kommt, auf jeden Fall besser ist als Elvish Visionary.
Nichtsdestotrotz, ein Spiel nehme ich meinem Gegner noch ab und wirklich auf null Leben lande ich auch erst im allerletzten Extrazug. Hätte ich nur ein wenig langsamer gespielt, wäre es dazu nicht gekommen, sagt der imaginäre kleine Teufel auf meiner Schulter (er sieht aus wie VolkerO), während der Engel auf meiner anderen Schulter (der trägt schwarz-weiß gestreift) aus den DCI-Regeln zitiert. Ärgerlich allerdings: Hätte ich nur etwas schneller gespielt... dann wäre es ebenso wenig dazu gekommen! Dann nämlich hätte ich an meines Gegners statt die drei Extrazüge bekommen. Bäh.
Hier bitte ankreuzen...
Mein Widersacher im Viertelfinale heißt Alexander Kreuz und spielt Feen. Zwar weiß er nicht explizit, wie er gegen Elfen, wenigstens gegen diese Elfen hier, zu spielen hat, aber er lernt schnell. Mein Draw gibt weder einen Turn-2-Kill her noch tappt er sich aus, um mir den Abgang irgendwann später zu ermöglichen; und das reicht schon. Ich muss mein Glück in der Kampfphase versuchen, muss Elvish Visionary bouncen, um nachzuladen, und das gibt ihm genau die Gelegenheit, mit Spell Snare dazwischenzufunken. (Zuvor hatte er ihn aus Angst vor Wirewood Hivemaster noch freiwillig resolven lassen.)
Am Ende verrecke ich zu allem Überfluss – und zur Belustigung der Umstehenden, versteht sich – an meinem eigenen Summoner's Pact. Jedoch war die Partie zu diesem Zeitpunkt de facto ohnehin verloren. Ich wurde bereits angegriffen, hatte keine nennenswerten Kreaturen, sechs Länder im Spiel und zwei weitere auf der Hand (exakt, die Hälfte aller Länder des Decks) sowie als einzigen Spell Weird Harvest, welcher gegen einen mit Spellstutter Sprite bewaffneten Feind in diesem Spielstadium mindestens genauso tödlich ist wie besagter Missed Trigger.
Das zweite Spiel ist, wenn das überhaupt möglich ist, weniger spektakulär. Ich scheitere gewohnt mit Kombo-Versuchen; der Beatdown läuft zwar einige Zeit lang, versandet dann aber, als ich statt Nachschub den letzten im Deck verbliebenen Weird Harvest und meine Regal Force ziehe. Ich weiß leider nicht mehr die genauen Umstände, aber an einer Stelle verliere ich meinen Wirewood Symbiote trotz Pendelhaven im Combat – damit anzugreifen, mag letztlich sogar ein weit schwerwiegenderer Fehler gewesen sein als das Nicht-Bezahlen des Pakts.
Fazit
Trotz des im Endeffekt enttäuschenden Ausgangs hatte ich einen Mordsspaß. Die Gegner waren alle nett, die bekannten Gesichter waren verdammt vollzählig vertreten und haben massenhaft lustige Geschichten beigesteuert, und letzten Endes ist ein 6-2 auf PTQ-Niveau das Beste, was ich in den letzten 22 Monaten Magic-mäßig zustande gebracht habe. Ich kann mich nicht einmal über Pech beschweren, sondern war ehrlich besiegt.
Zum Deck: Ob ich noch einmal Elfen spielen werde, bleibt fraglich, ob ich noch einmal diese Version spiele, bleibt anzuzweifeln. Sind Feen weiterhin dermaßen dominant, prognostiziere ich jedenfalls keine guten Zeiten für die Langohren. Dabei ist es nicht so, dass es keine guten Sideboard-Karten gäbe, um Countermagie zu begegnen, Thoughtseize ja sowieso und darüber hinaus durchaus ausdrücklich dafür Vorgesehenes: Angefangen mit der schlechtesten Option Defense Grid über Dosan the Falling Leaf und Xantid Swarm bis hin zu Vexing Shusher ist viel möglich... aber wenig sinnvoll. Wie bei den meisten Kombodecks kann man das sorgfältig konstruierte Gefüge lediglich mit einer begrenzten Anzahl Sideboard-Karten belasten. Alles weitere sorgt bloß dafür, dass man irgendwann per Glimpse of Nature unbedingt einen weiteren Elfen ziehen muss – und scheitert.
Und damit wären wir am Ende dieses Artikels. Aber Moment! Hier findet ihr einen weiteren Artikel mit ganz, ganz vielen Decklisten und einer kompletten Aufschlüsselung des Feldes.
Bis gleich tappt für euch weiter im Dunkeln...
TobiH
#457
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