Magic Online ist schon eine feine Sache. Außer dann, wenn es das einmal nicht ist. Zum Beispiel beim Akt des Deckbauens, denn das ist wirklich jedes Mal ein Akt, oder bei Fehlfunktionen einzelner Karten. Und ganz besonders, wann immer das Programm abstürzt, einfriert oder gar nicht erst startet. Aber das nur am Rande. Im Prinzip eine feine Sache.
In letzter Zeit spiele ich jedenfalls recht viel, und tatsächlich habe ich sogar Gefallen am „Tournament Practice Room“ gefunden. Dort kann man ohne Einsatz spielen und so eignet sich dieser Ort hervorragend, Decks auszuprobieren, von denen man in einem Turnier vielleicht doch besser die Finger ließe. Dabei ist es gerade die Auswahl mehr oder weniger zufälliger Gegner, die einen Vorteil gegenüber Spielen mit einen festen Testpartner darstellt.
Zwar trifft man hin und wieder auf Leute, die selbst ein eher zweifelhaftes Deck ins Feld führen, aber nicht selten bekommt man so Anregungen für eigene Experimente. Und der überwiegende Großteil aller „Feinde“ ist mehr höflich als feindlich und mit einigen habe ich mich schon ganz nett unterhalten. Auf der anderen Seite finden sich selbstverständlich auch Menschen, die sofort aufgeben oder unartig disconnecten, wenn es einmal nicht gut für sie läuft, doch das ist eine Minderheit, die einen naturgemäß kaum Zeit kostet.
Kurzer Einschub: Und man kann Regelfragen auf die denkbar einfachste Art und Weise klären! Nämlich indem man schlicht schaut, was passiert. Neulich tüftelte ich an einem Life from the Loam-Deck, um endlich einmal Worm Harvest mit Oran-Rief, the Vastwood zu kombinieren; dazu ist es dann zwar nie gekommen, weil sich das Deck schnell als großer Mist erwies, doch dafür gab es folgende Situation:
TobiH plays Treetop Village.
TobiH plays activated ability from Treetop Village. (Treetop Village becomes a 3/3 green Ape creature with trample until end of turn.)
TobiH plays activated ability from Oran-Rief, the Vastwood. (Put a +1/+1 counter on each green creature that entered the battlefield this turn.)
Na, was meint ihr? Bekommt das Treetop Village eine +1/+1-Marke? Immerhin ist es ja in diesem Zug ins Spiel gekommen und eine grüne Kreatur ist es ebenfalls. Allerdings hat es das Spielfeld nicht als solche betreten... Ich war einigermaßen gespannt, obwohl oder gerade weil ich bereits einen Verdacht hatte; dessen Überprüfung war in der Tat die eigentliche Motivation hinter dem Spielzug. Noch mehr interessiert mich jetzt natürlich, ob ihr die Antwort kennt!
Zurück zum Thema! Aber – was ist überhaupt das Thema?
Unter den zahllosen Roguedecks, an und mit denen ich momentan herumspiele, gibt es eines aus der letzten Woche, das überraschend gute Ergebnisse eingefahren hat, wenn auch bislang nur im Tournament Practice Room. Ein Außenseiterdeck, dem jetzt doch einmal ein wenig Aufmerksamkeit und Liebe widerfahren soll. Seid besser nett zu ihm, denn es steckt voller Hass auf seine etablierten Kollegen.
Hurterator
17 Plains
1 Eiganjo Castle
4 Chrome Mox
4 Isamaru, Hound of Konda
4 Raise the Alarm
4 Ethersworn Canonist
4 Kitchen Finks
4 Spectral Procession
3 Samurai of the Pale Curtain
2 Knight of the White Orchid
4 Suppression Field
4 Honor of the Pure
3 Damping Matrix
2 Glorious Anthem
3 Rule of Law
2 Path to Exile
2 Auriok Champion (Kor Firewalker)
2 Cloudgoat Ranger
4 Ravenous Trap
1 Samurai of the Pale Curtain
1 Damping Matrix
—Diese und weitere Karten gibt's bei:
Sagte ich, ich hätte es gebaut? Das ist nicht ganz richtig, denn dieses Deck baute sich quasi von alleine. Suppression Field und Damping Matrix sind mit dem Dark Depths-Vampire Hexmage-Thopter Foundry-Sword of the Meek-Kombo-Konglomerat ins Rampenlicht gerückt, und die Aussicht, mit beiden zusammen für ordentliche Redundanz zu sorgen, stand am Anfang der Überlegung. Nun sind mehr als insgesamt sieben etwas übertrieben und mehr als eine Damping Matrix braucht auch kein Mensch, während multiple Felder eben durchaus kumulieren. Nimmt man noch hinzu und an, dass die gegnerische auf Chrome Mox basierende Geschwindigkeit nach eigenen Moxen verlangt und dass Suppression Field rechtzeitig den Tisch zu erblicken wünscht, um Fetch-Länder zu unterdrücken, dann ist die 3-4-Aufteilung zugunsten der Verzauberung gegeben.
Außerdem sitzen wir damit bereits fest im weißen Sattel, und weil es gleich in rasantem Tempo weitergeht, kommen wir da auch nicht mehr heraus. Matrix und vor allem Feld verbieten nicht nur den Einsatz von Fetchlands und somit effektiv Mehrfarbigkeit, sondern ebenso den Verfolg einer Kontrollstrategie. Alle Zeichen deuten auf White Weenie und das ist insofern problematisch, als dass eigentlich schon ein paar zu viele Plätze von aggrofernen Elementen besetzt sind. Irgendwie muss ein akzeptables Aggressionspotenzial aufgebracht werden und so trifft es sich hervorragend, dass White Weenie sowohl bei Größe als auch Anzahl seiner Kreaturen schummeln darf. Honor of the Pure und Glorious Anthem besorgen Ersteres, und sind dankbar für die ausnahmsweise ausbleibende Konkurrenz seitens Ajani Goldmane, während Raise the Alarm, Spectral Procession und Kitchen Finks es ermöglichen, bis zu 28 Kreaturen in zwölf Karten zu verpacken.
Das lässt nicht mehr allzu viel Spielraum und den füllt zunächst einmal Isamaru, Count of Honda. Entsprechend seinen Gegenstücken im echten Leben ist dieser Köter nicht gut auf Artgenossen zu sprechen, doch wie damals im Standard brilliert er als Chrome Mox-Opfergabe Nummer 1, zumal er in dem Teil der Manakurve liegt, den man gerne überspringt. Weiterhin soll es ja Decks geben, die ohne aktivierte Fähigkeiten auskommen, wenngleich sich Hypergenesis wirklich rargemacht hat. Gegen die meisten davon hilft Ethersworn Canonist, egal ob Elfen, Hivemind, Storm oder All-in Red. Dieser unscheinbare 2/2er hat mich im Affinity-Sideboard beeindruckt und steht ganz oben auf der Kandidatenliste, zugegebenermaßen nicht zuletzt deshalb, weil jene Liste kurz danach bereits endet.
Samurai of the Pale Curtains Anwesenheit ist ebenfalls diesem Umstand geschuldet. Keine Frage, stark ist er, beispielsweise gegen Dredge oder Sword of the Meek... Oder eben gegen Kitchen Finks. Ja, dass es diese peinliche Antikombo allen Ernstes ins Deck geschafft hat, sieht reichlich blöd aus, lässt sich in der Praxis aber meist umspielen, oder wenn der Samurai das aktuelle Matchup gewinnt, auch eiskalt ignorieren.
Zu guter Letzt wäre da noch Knight of the White Orchid. Das Schlimmste, was dem Deck passieren kann, ist nämlich Manaflood und genau an dieser Stelle reitet der Ritter zur Rettung. Klingt komisch, ergibt jedoch Sinn, sobald man sich bewusst macht, dass die „Kurve“ eigentlich ein 18. Land erfordert. Manchmal fabriziert die Weiße Orchidee haltlos bescheuerte zweite oder dritte Züge, meistens bleibt es beim 2/2-Erstschläger.
Das Sideboard wiederum ist eine einzige große Baustelle. Mit mehr Zeitaufwand, ernsthafterem Testen und den Ergebnissen aus Oakland bliebe hier vermutlich kein Baustein auf dem anderen. Aktuell finden sich da ein paar Sargnägel, um bestimmten Gegnern den allerletzten absolut sicheren finalen Todesstoß zu verpassen, sowie recht viel Füllmaterial für den Fall, dass man in die Verlegenheit gerät, Damping Matrix und/oder Suppression Field ausboarden zu wollen. Ach ja, und die drei Path to Exile sind lediglich Platzhalter, bis mir für Bant/Zoo etwas Besseres einfällt. Punktlösungen schön und gut, aber davon hat man unmöglich ausreichend für alle Problempunkte, und gewinnen tut man sowieso nur auf Pump, also über die richtige Mischung aus Kreaturen einerseits und Honor of the Pure/Glorious Anthem andererseits.
Test of Ten
Kommen wir zum praktischen Teil. Jacob Van Lunen präsentiert in seiner Kolumne üblicherweise drei „ausgewählte“ Matches aus dem Tournament Practice Room. Hier hingegen soll nichts beschönigt werden, weder der Raum noch das Deck, und deshalb machen wir daraus zehn; zehn Runden in Folge, wie sie auch tatsächlich stattgefunden haben. Glücklicherweise spielt sich obige Liste angenehm stumpf, sodass ich nicht allzu sehr ins Detail gehen werde.
Runde 1: Ich spiele gegen ein ordentliches Burn-Deck und gewinne unspektakulär das erste Spiel, weil ich weder Damping Matrix noch Supression Field ziehe, sondern relevante Karten. Im zweiten Spiel bringt er mich auf fünf, setzt Rift Bolt aus und kann im Folgezug wegen meines nachgelegten 4/4-Ethersworn Canonist nichts weiter tun. Ob er andernfalls etwas getan hätte, bleibt ungeklärt. 2-0; 1-0
Runde 2: Der Feind ist ein voll ausgerüstetes Thopter-Kombodeck der alten Schule, blau-weiß mit etlichen Countern. Ein Spiel geht aufs Konto von Suppression Field und Damping Matrix, die ihn lange genug beschäftigen, dass meine Bummelantentruppe zum Sieg schlendern kann. Eins gewinnt er nach Plan. Im dritten habe ich dann allerdings Suppression Field, Raise the Alarm, Spectral Procession, Glorious Anthem gefolgt von Doppel-Honor of the Pure in den Zügen 1, 2, 3, 4 und— nein, da ist er schon tot. 2-1; 2-0
Runde 4:Gatekeeper of Malakir, Smallpox und Grim Discovery sind zwar ganz nett, aber kein Match für Raise the Alarm. Ich bemühe mich, es möglichst kurz und schmerzlos zu gestalten, aber erst nachdem ich Turn 2 Damping Matrix ausgespielt habe, in der Hoffnung sein Swamp-Go im ersten Zug signalisiere vielleicht Dark Depths. Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt; vorher ist er an der Reihe. 2-0; 3-1
Runde 5: Es geht gegen Bant. Jeweils Doppelpacks von Path to Exile und Rhox War Monk beanspruchen den Sieg im ersten Spiel. Im zweiten habe ich zu einem Zeitpunkt zwei Suppression Field, zwei Glorious Anthem und Honor of the Pure auf dem Tisch, doch meine einzigen Kreaturen sind Samurai of the Pale Curtain und Ethersworn Canonist. Sein vorletzter Chumpblocker ist gerade hopsgegangen und sein letzter ist dummerweise Qasali Pridemage. Der nimmt das Kanonfutter mit ins Grab. Danach findet er zwei Züge lang neue Chumpblocker und anschließend Threads of Disloyalty, während ich fünf Züge lang keine Kreatur ziehe. Es gewinnt die wahrscheinlich unhandlichste Umezawa's Jitte aller Zeiten. 0-2; 3-2
Runde 6: Neues Spiel, neues Glück, neuer Burn-Gegner. Turn 1 Honor of the Pure, Turn 2 und 3 Kitchen Finks. Dieses Matchup ist eindeutig zu einfach. 2-0; 4-2
Runde 8: Wie Burn zu leicht ist, so ist Bant zu schwer. Deren Manabasis lässt sich von Suppression Field kaum beeindrucken, sie haben acht harte Kreaturen-Removal und vier für Verzauberungen, dazu mit Rhox War Monk und Tarmogoyf die größeren Kreaturen. 0-2; 5-3
Runde 9: Ich habe eine Glückssträhne insofern, als dass Komboelfen ebenfalls ein legitimes Extended-Deck darstellen, und diese Glückssträhne zieht sich bis ins Match hinein. Dort ziehe ich mir nämlich zwei Ethersworn Canonist direkt auf die Starthand, was einer mehr sein dürfte, als er per Cloudstone Curio plus Grapeshot abstellen kann. Anschließend gibt's Sideboard-Karten, aber bei ihm offenbar mehr als bei mir, sodass er nicht nur alle Kanonisten und Rule of Law, sondern auch noch Honor of the Pure abschießen kann und dementsprechend kläglich an zwei Komboversuchen scheitert. 2-0; 6-3
Runde 10: Es gibt da so ein Deck mit unendlich Cycling-Kreaturen, Cascade für Living End sowie Landzerstörung in Form von Avalanche Riders und Fulminator Mage. Ob das turniertauglich oder Casual ist, darüber streiten sich die Geister, die ich rief, doch beim PTQ in Dortmund landete es immerhin auf Platz 10 der meistgespielten Decks... Wie auch immer, wusstet ihr, wie schlecht Cycling unter Suppression Field ist? Und wie schlecht Fulminator Mage gegen ein Deck mit einem Nichtstandardland? Und wie schlecht Cascade gegen Ethersworn CanonistundRule of Law? Mir war bis hierher zumindest das Erste niemals bewusst geworden und so bekomme ich in dieser Runde ein tierisch breites Grinsen auf mein Gesicht gezaubert, als mein Gegner seufzt, zwei Leben sowie zwei Mana zahlt und Street Wraith umwandelt! 2-0; 7-3
Nachdem dieser Spieler die Tortur eigentlich schon bis zu ihrem für ihn bitteren Ende weitestgehend klaglos hinter sich gebracht hat, meint er: „Your deck just hurts.“ Damit gibt er dem Deck seinen Namen.
Fazit
Die Frage, „Top oder Flop?“, beantwortet man in diesem Fall schlicht mit ja. Es gibt einige Matchups, die verliert man nicht; so einfach ist das. Je spezieller das gegnerische Deck, desto töter. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch, dass Zoo, Bant, Rock, Bant-Zoo, Zoo-Rock, Bant-Rock und Rock-Zoo-Bant schwierig sind. Gegen die gesamte Rockband(e) kann man zwar gewinnen, noch viel besser kann man aber verlieren.
Solange das Metagame in den Miniturnieren auf Magic Online sich nicht ändert, dürfte man zumindest dort einen positiven Erwartungswert haben; und das für relativ kleines Geld, weit weniger als für Zoo (das Deck) und vermutlich sogar weniger als für Dark Depths (das Playset). Zu guter Letzt ist es außerdem ein wunderbares Gefühl, die hochgezüchteten Kreationen der anderen mit ganz profanen weißen Weenies auseinanderzunehmen.
Wir sehen uns nächste Woche, gleiche Zeit, gleicher Ort. Dann wird's wieder tiefgründiger.