Wettkampf auf Turnierebene ist, was
Magic, aber auch andere Spiele und Sportarten betrifft, nicht nur eine Sache des Könnens, sondern der Einstellung. Bevor man überhaupt in der Lage ist, seinen Gegner auf dem Board, Platz, der Halle oder sonst wo zu besiegen, muss man ihn mental bezwingen und davor muss man es zunächst mit sich selbst aufnehmen. Gibt es eine oder gar verschiedene geistige Grundhaltungen die einen guten und vor allem erfolgreichen
Magic-Spieler ausmachen? Sind diese Denkweisen erlernbar, genau wie die nötigen Fertigkeiten des Spiels oder der Sportart trainierbar sind? Im folgenden Artikel gehe ich diesen Fragen nach und beginne zugleich eine lose Artikelreihe, welche sich mit den vielen Aspekten von Turnier-
Magic beschäftigt, die gerne übersehen werden.
Perspektive als Vorteil
Manch ein Leser mag sich zu Recht die Frage stellen, warum gerade ich über solche Themen schreibe, wo ich doch keine in der
Magic-Welt so wichtigen vorzeigbaren GP- oder PT-Platzierungen vorzuweisen habe. Die Antwort ist genauso kryptisch wie einfach: Erfahrung ist nicht gleich Erfahrung.
Ein Artikel kann inhaltlich noch so gut recherchiert und ausführlich sein, wenn er stilistisch schlecht geschrieben ist, bleibt die Information unzugänglich oder unbeachtet. Viele Leute unterliegen dem Irrtum, das Schreiben „recht einfach“ ist und keiner besonderen Kenntnisse oder Erfahrung benötigt. Dies gilt allerdings höchstens für das Verfassen schlechter Texte. Ein guter
Magic-Spieler ist nicht automatisch ein guter Artikelschreiber. Sein Wissen und seine Erfahrung mit dem Spiel verschaffen ihm leichteren Zugang zu bestimmten Informationen oder generieren im Falle eines erfolgreich absolvierten Turniers alleine genug Material für einen Artikel. Streckenweise lesen sich solche Werke leider so flüssig wie Teer und man merkt, dass selbst ein guter Editor nicht mehr viel herausholen kann, ohne Passagen völlig umzuschreiben. Das oft zitierte Wesen
Prospieler mag Erfahrungen aus erster Hand aufweisen, die ich nur recherchieren kann, dafür schreibe ich seit über zehn Jahren mehr oder weniger regelmäßig und besitze den Erfahrungsschatz des
Schreibers, welchen der
Prospieler nicht recherchieren kann, sondern in einem längeren Prozess erlernen muss.
Identifikation mit der Zielgruppe ist der andere große Vorteil meiner Perspektive. Ich spiele nun schon seit einigen Jahren
Magic und bin weit gekommen, weiter als ich je dachte, als ich mich eines Abends mit Freunden zusammengesetzt habe, um noch mal ein wenig
Magic zu spielen. Damals enthielt mein Deck
Stratadon, welchen ich als sehr stark und leicht zu spielen empfand, sozusagen eine Lategamebombe. Das ist lange her und heute schreibe ich regelmäßig Artikel über dieses Spiel und
Stratadon grast weit, weit entfernt auf der Casualwiese, wo ich ihn seitdem auch nicht mehr besucht habe. Auf diesem Weg hat mich eine Einstellung begleitet, über die ich mir lange nicht bewusst war und immer wieder missachtet habe. Neben vielen anderen Aspekten rund um
Magic bin ich
True Believer.
Der Rechtgläubige
„So überwältigend
ist seine Gewissheit,
dass bloße Fakten
nicht daran rütteln
können.“
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Dies ist eine freie (und meiner Ansicht nach bessere) Übersetzung des Flavortextes von
True Believer. Diese Karte symbolisiert eine, vielleicht sogar die wichtigste Grundhaltung. An sich selbst zu glauben und nie aufzugeben, ist überhaupt die Voraussetzung dafür, längerfristig an sich arbeiten zu können. Allen Vorsätzen, Testmatches und Recherchen zum Trotz stellt sich Erfolg beim
Magic-Spielen nicht über Nacht ein und hält auch nicht stetig an. Es mag Leute geben, die erzählen, wie sie auf ihrem ersten großen Turnier den zweiten Platz belegt, wie sie auf ihrem ersten Grand Prix gleich Tag 2 erreicht haben usw. Davon lässt man sich gerne beeindrucken, ohne darüber nachzudenken, dass es sich lediglich um eine Momentaufnahme handelt. Auch die besten
Magic-Spieler gewinnen im Schnitt nicht viel mehr als 60
% ihrer sanktionierten Partien. Allerdings werden die Pros meistens nur dann erwähnt, wenn sie gerade dabei sind, 80
% und mehr ihrer Spiele auf einem Turnier zu gewinnen. Die vielen Turniere, in denen es nicht klappt, fallen, was die Coverages betrifft, meistens unter den Tisch und werden auch selten in Artikelform vom jeweiligen Spieler aufgearbeitet. Damit wir uns nicht falsch verstehen, das ist nicht als Kritik, sondern als Bestandsaufnahme zu verstehen. Es soll zeigen, dass der Mythos des stets erfolgreichen Spielers ein Produkt der Berichterstattung und der eigenen selektiven Wahrnehmung ist, in jedem Spiel, jeder Sportart.
Doch auch eine erfolgsorientierte Berichterstattung täuscht nicht darüber hinweg, dass diese Leute, die da im Rampenlicht stehen, etwas anders machen, wahrscheinlich sogar sehr viel. Will man sich auf diesen Weg begeben, muss man ein
True Believer sein, man muss an sich selbst glauben, auch wenn die Fakten (noch) gegen einen sprechen. Mit Fakten ist in dieser Beziehung gemeint, dass man ggf. noch nicht über die nötige Erfahrung, die richtigen Karten, gute Testpartner und viele andere Dinge verfügt. Alles Dinge, die sich ändern lassen, wenn man daran glaubt, dass man sie ändern kann und nicht die Hände in den Schoß legt. Man muss daran glauben, dass man dort hinkommen kann, wo andere gerade stehen, auch wenn man teilweise schon erahnt, wie anstrengend, langwierig, im Grunde endlos dieser Prozess ist und mit wie vielen Rückschlägen er verbunden sein wird. Oftmals höre ich Argumente wie „ich habe ja noch ein Leben“, „ich will nicht so viel Zeit in
Magic investieren“, „ich spiele nur zum Spaß“ von teilweise doch recht verbissen agierenden Spielern. Ihnen merkt man an, dass sie sich bislang nicht damit auseinandergesetzt haben, was sie erreichen wollen. Ebenso haben sie vermutlich noch nicht erkannt, dass knapp bemessene Zeit und Spaß sehr wohl mit Erfolgen zu vereinbaren sind. Ein
True Believer zu sein, bedeutet einen langen Atem zu haben, zu erkennen, dass die Zeit, die man zu investieren bereit ist, irgendwann dazu führt, dass man sich verbessert, mehr Matches gewinnt, besser abschneidet und schließlich auch eine Top 8 erreicht. Je nachdem wie intensiv und effizient sich jemand mit
Magic beschäftigt, können sich Erfolge schnell oder aber sehr langsam einstellen.
Die Langzeitmotivation, von der die Rede ist, hat einige natürliche und schleichende Feinde. Zeiteinschränkungen des realen Lebens gehören nur bedingt dazu wie oben beschrieben. Solange man regelmäßig seine
Magic-Muskeln trainieren kann, lässt sich wenigstens der eigene Level halten. Lediglich zu langsames Vorwärtskommen aufgrund von zu wenig Zeit kann manchmal frustrierend wirken. Misserfolg ist sicherlich der bekannteste und schlimmste Feind, der einem nicht nur begegnen kann, sondern unweigerlich wird. Schaut man sich einen anderen Widersacher an, lässt sich aber schnell erkennen, wie man mit Niederlagen umzugehen hat. Der entscheidende Fehler vieler Spieler, die noch nicht so erfolgreich und/oder erfahren sind, ist nämlich die Annahme, dass ein Erfolg wie z.
B. das erste Erreichen einer Top 8 eines größeren Turniers eine neue Entwicklungsstufe widerspiegelt, einen Leistungs- und Motivationsschub nach sich zieht. In der Realität verhält es sich hingegen aber meistens so, dass der Spieler entweder bei seinem nächsten PTQ viel zu selbstsicher ist, dabei sich und sein Deck überschätzt und Fehler macht; oder dass der Spieler meint, unter Leistungsdruck zu stehen. Letztes Mal im Top-8-Kreis, da muss jetzt aber mindestens die Top 16 erreicht werden. In beiden Fällen wurde ein Punkt erreicht, der die Reflexion der eigenen Fähigkeiten und Motivation verschleiert. Der Blick für den langen Weg geht verloren. Stattdessen macht sich das Gefühl breit, dass man ja schon ein guter Spieler ist oder dass man unbedingt jetzt Erfolge erzwingen muss.
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Ob ein Turnier mit X-1 oder 1-X beendet wird, sollte in Hinblick auf die Motivation gleichwertig behandelt werden. Wie noch in einem anderen Artikel erläutert wird, ist die Aufbereitung eines X-1 und eines 1-X im Nachhinein gar nicht so verschieden, wie man auf den ersten Blick denken mag. Auch was die eigene Einstellung betrifft, sollten einzelnen Erfolgen und Niederlagen kein zu hoher Stellenwert eingeräumt werden. Sicherlich darf man sich freuen oder frustriert sein, mir geht es da nicht anders. Auf die lange Sicht jedoch ändert eines dieser Ergebnisse nichts daran, dass man weiterhin an sich glauben und arbeiten muss. Und zwar ohne unter Zugzwang zu geraten. Gerade wenn wiederholt Ergebnisse unter dem eigenen Durchschnitt auftreten, ist es mit der Motivation am schwersten. Bei anderen Kartenspielen reden gute Spieler von Glücks- und Pechsträhnen und wie wichtig es ist, sich weder von dem einen noch von dem anderen ablenken zu lassen. Sobald man ein Match, ein Turnier hinter sich gebracht hat, wartet das nächste, irgendwo, irgendwann. Vielleicht läuft es dann besser oder noch schlechter. Vielleicht gewinnt man das Turnier danach.
Ich bin mir bewusst, dass gerade die Zielgruppe dieses Artikels eine Menge Fragen haben dürfte, da noch kein W
ort über
Magic an sich verloren wurde. Tatsächlich ist dies sogar mein erster Artikel auf dieser Seite, der ohne eine einzige Deckliste auskommt. Ich habe vor, noch viele weitere zu schreiben, die nach und nach Aspekte des
Magic-Spiels behandeln. Alle diese Artikel ergänzen sich und bauen aufeinander auf.
Pascal Baatz
TS Crew