Ich gebe zu, ich bin bestechlich. Wenn mir jemand etwas schenkt, dann erhält er eine ehrliche Reaktion. Und wenn es sich bei dem Geschenk beispielsweise um, sagen wir, eine Vollversion von Duels of the Planeswalkers für den PC handelt, dann kann man hinterher sogar darüber auf PlanetMTG lesen.
Vermutlich habt ihr bereits das eine oder andere über diesen jüngsten Videospielableger von Magic gehört. Meine Aufgabe ist es nun, dafür zu sorgen, dass ihr auch wirklich alle positiven wie auch negativen Aspekte kennt.
Die Decks
Man spielt ausnahmslos mit vorkonstruierten Decks. Die sind untereinander ganz ordentlich ausbalanciert, sodass jedes Deck jedes andere schlagen kann, wenn es nur glücklich genug zieht. Deckintern ist die Balance eher weniger gewährleistet. Das grüne Deck zum Beispiel kann im zweiten Zug entweder Grizzly Bears oder Rampant Growth spielen, für fünf Mana entweder den spielentscheidenden Overrun, den fast immer nützlichen Spined Wurm oder eben... Natural Spring. Man ist dem Zufall schon ein wenig ausgeliefert.
Allerdings ist das Gefälle im Powerlevel der genannten Karten längst nicht so dramatisch, wie es zunächst den Anschein hat. Nicht selten sind Grizzly Bears in dieser Umgebung eine bessere Eröffnung als Rampant Growth und manchmal ist Natural Spring dann doch die einzige Karte, die einem noch aus der Patsche hilft. Selbst die extrem fragwürdige Wall of Wood ist bisweilen überraschend hilfreich. Dermaßen unfokussiert würde man seine eigenen Decks in der Realität zwar niemals bauen, nicht einmal im Draft, aber dass man ausschließlich mit dem arbeiten muss, was man hat, erzeugt durchaus interessante Spielsituationen und -Entscheidungen.
Mit fortschreitendem Spielverlauf erhält man weitere Einzelkarten, die dem Deck automatisch hinzugefügt werden. Die Anzahl der Länder wird ebenfalls entsprechend aufgestockt. Bei beidem handelt es sich um eine reine Addition. Man kann nicht etwa Karten aus dem Ursprungsdeck durch neue Karten ersetzen. Die einzige Möglichkeit, die Zusammensetzung seines Decks zu beeinflussen, besteht darin, auf bestimmte Neuzugänge zu verzichten. Das scheint auch explizit vorgesehen zu sein, denn nicht jede Bonuskarte stellt eine Verbesserung dar.
Sämtliche Decklisten mit ihren jeweiligen Zusatzkarten findet ihr hier.
Die Grafik
Obwohl das heutzutage wohl nichts Außergewöhnliches mehr ist, bin ich schwer davon beeindruckt, dass Duels of the Planeswalkers einfach besser aussieht als die Realität. Verzeiht es einem alten Mann, der seine ersten Videospielerfahrungen noch auf dem NES gemacht hat.
Jedenfalls erstrahlt alles in leuchtenden Farben und die Bilder sind gestochen scharf. Fünf Spieloberflächen, eine für jede Farbe, stehen zur Auswahl und sind allesamt viel schöner, als es eine Spielmatte im Real Life je sein könnte. Wenn die Karten über den virtuellen Tisch hin- und herfliegen, sich tappen, auf den Stack oder in den Friedhof legen, tun sie es in einer makellos fließenden Bewegung. Treffen zwei Kreaturen im Kampf aufeinander, dann wird gekratzt, gebissen, geschlitzt oder gespien, und auch Prodigal Pyromancer spuckt echte Flammen, während Kreaturen mit Flugfähigkeit tatsächlich über dem Spielfeld schweben. Das sieht alles echt toll aus!
Da das Programm aber nicht im Fenstermodus läuft, muss ich auf fremder Leute Videos zurückgreifen, um euch einen Eindruck zu vermitteln. Die Aufnahmen stammen zwar von der Xbox-Version, doch dazu gibt es auch bei der PC-Version keine Unterschiede. MAZ ab!
Das Spiel
Es gibt verschiedene Modi. Die sogenannten Challenges seien hier nur am Rande erwähnt, obwohl einen gerade die stundenlang beschäftigen können. Dabei handelt es sich um kleine Magic-Rätsel nach dem Motto: „Das ist die Spielsituation, gewinne diesen Zug!“ Weiterhin gibt es die Option, übers Internet mit anderen echten Menschen zu spielen, und das ist naturgemäß die einzige, die wirklich unbegrenzten Spielspaß ohne Wiederholungen bietet.
Und dann gibt es da die Kampagne: Man schnappt sich ein Deck und besiegt damit der Reihe nach alle möglichen Computergegner. Währenddessen erhält man die zuvor erwähnten Bonuskarten und das ist auch gut so, denn die Gegner werden auf dem Weg vom leichten Opfer bis zum Endboss selbstverständlich immer stärker. Zu Anfang stehen offenbar vier Decks zur Auswahl, späterhin kann man weitere freispielen. Insofern als dass jedes davon unterschiedlich ist, hat man effektiv also nicht eine, sondern etliche verschiedene Kampagnen zu bewältigen. Selbst wenn man nie aus dem Single-Player-Modus aussteigt, bleiben zig Stunden reine Spielzeit, bevor man einmal „durch“ ist. (Offizielle Quellen sprechen von 40 Stunden und das halte ich für eine eher konservative Schätzung.)
Sowohl fürs Online Play als auch für die Kampagne gibt es zudem einen Mehrspielermodus, wo man jeweils zu zweit in einem Duell à la Two-Headed Giant antritt. Das auszuprobieren, dazu bin ich bisher noch überhaupt nicht gekommen, weil ich ohnehin schon viel zu viel Zeit in Duels of the Planeswalkers gesteckt habe. Denn trotz aller Unterschiede handelt es sich natürlich um Magic, und das macht bekanntermaßen süchtig.
Ach ja, die KI der Computergegner stellt alles in den Schatten, was es jemals in diesem Bereich gegeben hat, wobei das letzte Magic-Computerspiel zugegebenermaßen aus den Neunzigern stammt. Im Gegensatz zum alten Shandalar, wo der Feind mehr oder weniger zufällig agierte, kann er heutzutage aber ordentlich angreifen, blocken und sogar doppelblocken, Pumpeffekte, Regeneration und Removal sinnvoll einsetzen und scheint zumindest Kartenvorteil höher als Lebenspunkte zu bewerten. Da kann sich manch ein Anfänger gleich noch etwas Strategie abgucken.
Bei der Steuerung wird mit einer Mischung aus Phasenbasiertheit und einem Timer sowie allerlei „Hints & Tips“ und Voreinstellungen etwas erreicht, was tatsächlich dem Real Life sehr nahe kommt. Es ist zum Beispiel fast unmöglich, seinen Zug zu skippen, nur weil man einmal zu oft ungeduldig auf OK geklickt hat. Dafür macht das Programm automatisch weiter, sobald man nichts mehr ausspielen kann. Außerdem kann Natural Spring nicht aus Versehen den Gegner anzielen oder Giant Growth dessen Kreaturen. Erst neulich hat sich auf Magic Online wieder mein Cunning Sparkmage hinterlistig selbst abgeschossen, und auch das ginge bei Duels nur, wenn man die Zielhilfe extra ausschaltete. Das System hat freilich andere Nachteile. So ist das Zeitfenster für Spells und Abilities im Kampf etwas arg klein geraten. Wenn man da nicht auf zack ist, dann ist der Troll Ascetic schon mal tot statt regeneriert.
Der Preis
Neulich hatte ich ein ziemlich witziges Gespräch mit niemand Geringerem als Volker O. a.k.a. „Der Frisör“. Der hatte nämlich bei einem Kollegen Duels of the Planeswalkers entdeckt, ausgiebig gespielt und anschließend prompt seinen Magic Online-Account nach jahrelanger Abstinenz reaktiviert. Und dann hat er sich bei mir, wie das nun mal seine Art ist, ausführlich über Duels beschwert. Welche Frechheit es doch sei, ihm einfach so Wurm's Tooth ins Deck zu stecken, und wie er es mit seinen Wurstfingern (hat er gesagt!) niemals geschafft habe, Giant Growth im Kampf zu wirken, und so weiter. Zum Schluss meinte er allerdings:
„Na gut. Ich weiß auch gar nicht, wie viel das eigentlich kostet. Wenn's nur 20 oder 30 Euro sind, dann ist das schon okay so. Dann kann man kaum mehr erwarten.“
„Es kostet neun.“
„Ernsthaft?!“
„Ernsthaft.“
„Oh.“
Wenn selbst Der Frisör sagt, das sei billig, dann muss es stimmen. Er kennt sich da aus...
Aber Spaß beiseite – bei einem Preis von 8,99 Euro ist es im Grunde völlig ausgeschlossen, dass man die Investition bereut. Ungefähr so viel kostet ein Boosterdraft! Und einen äquivalenten Zeitvertreib darzustellen, das ist nun wirklich keine sonderlich harte Anforderung. Wizards kommen dabei ebenfalls auf ihre Kosten, einerseits weil das Spiel nach allem, was man so hört, ja ein echter Verkaufschlager ist, andererseits weil es natürlich dazu da ist, neue Spieler (oder alte Spieler neu) mit „richtigem“ Magic anzufixen. Das klappt auch, siehe Frisör.
Das Fazit
Wer x-mal pro Woche draftet oder sonst irgendwie voll in den Magic-Zirkus eingebunden ist, der ist womöglich besser bedient, wenn er sein Budget weiter so ausgibt wie bisher. Das Spiel bietet nicht die „full Magic experience“, weil eben der wichtige Teil des Deckbaus nahezu komplett ausgeklammert wurde. Trotzdem kann man damit eigentlich gar nichts verkehrt machen.
Wer aber in seinem Leben etwas mehr Magie gebrauchen könnte, wer einfach nur zocken will und im stressigen Alltag zu selten dazu kommt, der ist bei Duels of the Planeswalkers genau richtig. Man muss sich weder um Decks noch um Gegner kümmern – das ultimativ unkomplizierte Plug & Play. Des Weiteren eignet es sich wunderbar für Anfänger, beispielsweise Geschwister und Freunde, denen man Magic schon immer einmal beibringen wollte, für die man aber nie den richtigen Einstieg gefunden hat.