Sechs Jahre lang habe ich kaum an
Magic gedacht. Im September 2004 hatte ich mich dafür entschieden, die gut 2000 US-Dollar für meinen 22. Platz bei den Worlds in San Francisco nicht in eine Reise zur nächsten Pro Tour in Columbus zu investieren, sondern mich (unsinnigerweise!
) lieber auf mein Studium zu konzentrieren. „Professionelles
Magic“ war für mich damit erledigt und der wahnsinnig tolle
Kamigawa-Block vergraulte mir sehr schnell auch noch
Magic Online.
Hin und wieder gucke ich aber noch auf
PlanetMTG und erfahre zufällig, dass der nächste Block „
Scars of Mirrodin“ heißt. Das reizt mich irgendwie – den
Mirrodin-Block habe ich in guter Erinnerung und auf meinem alten
Magic Online-Account sind noch Tix von früher. Also gebe ich dem Format einfach mal eine Chance, nur so zum Spaß. Meine Freundin bekommt mit, dass ich wieder ein bisschen spiele.
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Bea:
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„Warst du in diesem Magic nich früher mal voll gut?“
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Chris:
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„Na ja, 7000 Dollar ingesamt gewonnen oder so was.“
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Bea:
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„Aber du bist doch dauernd umsonst irgendwo hingeflogen, Japan und so.“
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Chris:
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„Ja, Pro Tour war das. Die nächste ist, glaub ich, in Paris.“
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Bea:
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„Ui, da will ich hin!“
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Also „verspreche“ ich ihr, den PTQ in München zu spielen. Dann aber muss ich genau diesen einen Samstag arbeiten, um
für Galileo einen Beitrag zu drehen. (Dafür kann ich jetzt super mit
Magic-Karten werfen!) Paris ist also gestorben … bis mich Bernhard Breit Ende November auf Facebook als Freund hinzufügt. Auf einmal macht es klick: Vom Jahresendevent habe ich schon gelesen, frei habe ich in dem Zeitraum sowieso und mit Bernhard bin ich da 2001 schon mal hingefahren und habe gleich den ersten PTQ mit der guten
Quirion Dryad gewonnen. Einen Anruf bei Bernhard später ist alles organisiert und am 27. fahren wir um 5:30 Uhr von Rosenheim los Richtung Hanau.
Bernhard Breit, Andre Delere, Benny Paulmeier
Unterwegs sammeln wir noch Benny Paulmeier und Andre Delere ein und ich nerve auf der Fahrt alle mit großen Sprüchen, dass sie sich den ersten PTQ eigentlich schenken können, weil ich den sowieso wieder gewinne.
Um kurz nach zehn checken wir in die Villa Stockum ein (Kudos an JensK für den lächerlich guten
Magic-Spieler Rabatt) und sind kurz vor elf an der Site. Ich freue mich sehr darauf, mit Leuten, die ich seit Jahren nicht gesehen habe, über die guten alten Zeiten zu reden. Aber ich muss mich zwangsläufig vollständig auf den PTQ konzentrieren, denn außer ein paar Judges und JensK sehe ich erst mal nur unbekannte Gesichter.
Von Engeln und anderen Spoiler – Sealed Deck
Ich registriere einen ordentlichen, aber bombenarmen Pool, während alle am Tisch über den Spoilerhaufen zwei Sitze rechts von mir staunen. Vier On-Color-Bomben, darunter
Sunblast Angel,
Molten-Tail Masticore und
Hoard-Smelter Dragon, dazu so Filler wie
Oxidda Scrapmelter,
Arc Trail, drei
Galvanic Blast … Dementsprechend weiß ich schon genau, was ich mir wünsche: „Gebt euren Pool nach links, und dann noch mal nach links!“
So kommt es dann auch.
Das kann ja nur ein Durchmarsch in die Top 8 werden!
„So, und jetzt gebt die Kartenpools noch ein letztes Mal nach links weiter!“
Traurig schaue ich dem Traumpool nach, beobachte meinen Nebenmann, wie er die Karten glücklich auslegt, und blättere lustlos durch meine 84 Karten. Aber okay, Rot hat immerhin
Kuldotha Phoenix, bei den Artefakten finde ich
Strata Scythe und
Wurmcoil Engine … und unter den weißen Karten hat sich auch für mich ein
Sunblast Angel versteckt. Akzeptabel!
Der Start ist allerdings sehr holprig. In der ersten Runde verliere ich nach Mulligan und anfänglichen Mana-Problemen ein langes erstes Spiel, und als ich ausgleiche, sind nur noch drei Minuten auf der Uhr. Ich nehme im dritten Spiel einen aggressiven Mulligan und erwische im zweiten Versuch eine Starthand mit
Kemba's Skyguard und
Strata Scythe. Zwei Removal später aber steht das Unentschieden fest.
Die nächsten zwei Runden gewinne ich problemlos, in der vierten Runde habe ich erneut nach Mulligan anfangs zu wenig Länder. Es kommt zu folgender Situation:
Ich habe vier Leben,
Kuldotha Phoenix,
Tumble Magnet und
Trigon of Corruption mit drei Mana offen. Mein Gegner spielt Rot/Weiß und hat
Razor Hippogriff,
Sylvok Replica,
Copper Myr und vier Myr-Tokens. Wenn er mit allem angreift, bin ich tot, außer ich zeige ihm noch
Galvanic Blast (oder
Soul Parry). Im Beginning of Combat tappe ich mit dem Magneten seinen
Copper Myr, er überlegt und tappt wie von mir erhofft den Myr für Mana, um mit der Replica das Trigon abzuschießen, und greift nicht an. Ich ziehe endlich mein sechstes Land, spiele
Wurmcoil Engine, lege im Zug darauf
Strata Scythe dazu und hole mir 14 Leben zurück.
In der fünften Runde gewinne ich das erste Spiel wieder ganz locker. Im zweiten Spiel legt mein Gegner
Mindslaver, den ich mit
Rust Tick unter Kontrolle halte. Aber als noch
Argentum Armor dazukommt, muss ich meinen
Sunblast Angel für nichts legen, damit er mich nicht selbst wratht, und mit
Rust Tick die equippte Kreatur in Schach halten. Gedankenversklavt „topdecke“ ich
Strata Scythe, equippe es zusammen mit
Sylvok Lifestaff auf den Engel und bekomme alle drei von
Turn to Slag abgeräumt. Die Armor beseitigt dann mit der Zeit noch mein restliches Board. Im dritten Spiel bleibt mein Gegner dann auf vier
Mountain stehen.
Die sechste Runde ist dann noch einmal ein bombengetragenes, lockeres 2
:
0, womit ich mich in die Top 8 drawen kann.
Bombige Lebensretter – Die Top 8
Alle Spieler in den Top 8 wirken relativ unerfahren, daher sehe ich mich selbst schon als recht deutlichen Favoriten. Schließlich habe ich über 20 Drafts auf
Magic Online gemacht und zwei davon gewonnen – mindestens! Mein größtes Problem ist eigentlich auch weniger der Draft an sich, sondern das Booster-Aufmachen; die sechs beim Deck registrieren waren die ersten seit 2004:
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Judge:
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„Entfernt bitte zuerst die Tokenkarte und das Basic Land, ohne die Karten im Booster anzuschauen.“
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Chris:
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„Uhm… Welche zwei sind das denn?“
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Judge:
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„Die letzten zwei halt.“
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Selbstbewusst lege ich dann auch beim zweiten Pack die letzten zwei Karten weg, ein Basic Land ist trotzdem noch im Booster. Schon fies, diese
Foils …
Dazwischen drafte ich aber auch noch Karten. (
Siehe Draftviewer.) Los geht's dabei sehr unspektakulär mit
Livewire Lash hauchdünn über Myr; ich halte es für wahrscheinlich, dass Poison an diesem Tisch unterdraftet ist und da habe ich lieber das Equipment. Danach nehme ich
Tumble Magnet und schiebe meinem Nachbarn eigentlich nur weiße Karten zu. Beim dritten Pack habe ich die Auswahl zwischen
Darksteel Axe,
Tangle Angler und
Corpse Cur. Da zwei Commons fehlen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die beiden rechts von mir nicht Infect sind, und nach links habe ich auch nichts weitergegeben. Also nehme ich ganz happy den
Tangle Angler, der zur Not aber auch im rot-grünen Non-Infect super ist. Danach kommt zwar nicht viel für Infect, aber eigentlich sollte mein Seat gut genug sein, um mich später zu belohnen.
Im zweiten Booster lacht mich dann der
Hoard-Smelter Dragon sehr verführerisch an. B/G-Infect ist nach dem Pick das unwahrscheinlichste Endergebnis für mein Deck, am wahrscheinlichsten ist R/G-Infect + Removal + Drache, oder einfach R/G-Dinosaurs. Das Pack danach ist erschreckend leer, ich sollte aber einfach die
Panic Spellbomb statt dem
Contagious Nim nehmen.
Im Anschluss gibt's viel zu viele 5-plus-Mana-Karten und viel zu wenig Infect/Myr. Immerhin entscheide ich mich mit
Engulfing Slagwurm über
Tel-Jilad Fallen korrekterweise endgültig für Fatties statt Infect; für ein Poison-Deck habe ich bis dahin einfach viel zu wenig Karten gesehen.
Mein größtes Problem vor dem letzten Booster ist aber die Kurve, First Pick
Turn to Slag und Second Pick
Contagion Engine (!) machen die nicht besser … mit so einer Engine lässt sich aber schon was anfangen.
Danach bin ich überglücklich über meinen zweiten Myr, der zweite
Barrage Ogre dagegen landet nicht mal im Deck. Dafür bekomme ich spät noch
Shatter,
Galvanic Blast und
Darksteel Sentinel geschoben; auch dank Letzterem entscheide ich mich guten Gewissens für 18 Länder und zwei Myr.
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Iron Myr
Gold Myr
3 Vulshok Replica
Tangle Angler
Blade-Tribe Berserkers
Barrage Ogre
2 Bellowing Tanglewurm
2 Saberclaw Golem
Darksteel Sentinel
Hoard-Smelter Dragon
Engulfing Slagwurm
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Galvanic Blast
Shatter
Bladed Pinions
Livewire Lash
Tumble Magnet
Turn to Slag
Contagion Engine
10 Forest
8 Mountain
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Ich habe Angst vor einem schnellen Infectdeck oder vielen frühen Fliegern, aber gegen alles andere sollte es sich gewinnen lassen. Rares waren schließlich im Sealed auch schon gut!
Viertelfinale gegen Martin Baumert, 2:0
Martin ist zwar Infect, aber zum Glück ist sein Deck nicht sonderlich schnell und hat eine für mich sehr gesunde Mischung aus Infect- und Non-Infect-Kreaturen; die Packs ließen anscheinend nichts anderes zu. In beiden Spielen kann ich ihn nach ein paar Runden mit großen Kreaturen noch rechtzeitig ausbremsen und gewinne am Ende jeweils mit
Hoard-Smelter Dragon.
Mein Viertelfinale ist nach gerade mal 20 Minuten vorbei, Pierre Liebsch und Kaloyan Kirilov dagegen duellieren sich noch eine Stunde lang. Am Ende gewinnt Kaloyans Proliferate-Deck zweimal durch Poison, während Pierre mit seinem sehr soliden und für mich äußerst gefährlichen U/W-Deck (zwei
Arrest, zwei
Volition Reins,
True Conviction und
Trinket Mage auf
Chimeric Mass) ausscheidet.
Halbfinale gegen Kaloyan Kirilov, 2:0
Ich habe den großen Vorteil, das komplette Deck meines Gegners zu kennen. Mit
Corpse Cur,
Ichorclaw Myr oder
Ichor Rats macht er die ersten Poison-Counter und stallt dann mit weißem, blauem und schwarzem Trigon sowie
Throne of Geth,
Contagion Clasp und
Golem Foundry bis der Gegner schwarz wird.
Im ersten Spiel halte ich
Galvanic Blast,
Turn to Slag,
Contagion Engine und vier Länder. Kaloyan legt
Ichor Rats, ich blaste sie, mache danach Engine auf
Corpse Cur, spiele noch
Turn to Slag auf die zurückgeholten Rats und proliferate ihn in vier Zügen raus.
Fürs zweite Spiel boarde ich
Blight Mamba und
Trigon of Infestation gegen seine Infectkreaturen und vielen Golems. Ich lege dann tatsächlich im zweiten Zug die Mamba hin, stalle danach mit
Tumble Magnet und
Trigon of Infestation, bis ich mein sechstes Land ziehe, die Engine meine Artefakte wieder auflädt und Kaloyan vergiftet.
Finale gegen Holger Grimm, 2:0
Holger spielt seinen ersten PTQ und ist super nett … und das sage ich nicht nur wegen der geschobenen Engine! Die Atmosphäre im Match ist trotz der Wichtigkeit sehr locker und freundschaftlich. Ich habe sogar fast das Gefühl, dass Holger auch für mich ist, weil er gemerkt hat, dass mir die Pro Tour wichtiger ist als ihm. Im ersten Spiel haue ich ihn mit zwei
Vulshok Replica und
Bladed Pinions sehr schnell auf neun, dann aber stallt er mit
Tumble Magnet und
Accorder's Shield auf
Snapsail Glider meinen Flieger und beschwört einen rasant anwachsenden
Darksteel Juggernaut. Immerhin macht sein
Painful Quandary nicht viel, weil ich sowieso doppelt so viele Länder wie Spells habe.
Mein Plan allerdings steht schon. Bis der Magnet endlich leer ist, chumpe ich seinen Jugg
ernaut erst mit
Iron Myr, dann mit
Vulshok Replica, die Holger auf sechs schießt. Dann räume ich den Glider mit
Turn to Slag aus dem Weg und die zweite Replica schießt und schießt ihn auf null.
Ich boarde wieder
Blight Mamba und Trigon für
Blade-Tribe Berserkers und
Livewire Lash. Anders kann ich seinen Jugg
ernaut nicht aufhalten und ich will schließlich Zeit, um meine Bomben zu ziehen.
Ich mache wieder ein paar schnelle Schaden mit
Vulshok Replica und
Bladed Pinions, dann stellt mir Holger die Pinions mit Revoke ab, stallt den Boden mit
Wall of Tanglecord und fängt an mich mit
Necrogen Scudder und
Chrome Steed anzugreifen. Mit
Hoard-Smelter Dragon laufe ich zwar in
Grasp of Darkness, tausche aber 3
:
1, da der Drache noch Scudder und
Chrome Steed mitreißt. In der nächsten Runde ziehe ich
Barrage Ogre und rechne kurz nach:
Galvanic Blast auf der Hand,
Vulshok Replica und
Iron Myr im Spiel,
Saberclaw Golem auf der Hand, macht genau elf Schaden. Also lege ich erst den Oger, in der Runde darauf den Golem, blaste Holger End of Turn und werfe ihm noch den Myr an den Kopf. In meiner Runde ballern ihn Oger und Replica dann genau auf null.
Nice.
Damit bestätigt sich das Gefühl, das ich schon seit Stunden habe: Heute kann einfach nichts schiefgehen. Die nächsten zwei Tage verbringe ich mit Two-Headed Giant, Team-Drafts (Bayern > BaWü!) und Highlander, während Bea zu Hause schon unsere Flüge nach Paris bucht und uns ein Hotel organisiert.
In Paris werde ich den Grand Prix skippen, damit wir Samstag und Montag (Valentinstag!) Zeit zum Sightseeing haben, Sonntag habe ich hoffentlich Besseres zu tun *hust*. Meine Vorbereitung für Paris beginnt aber schon jetzt; ich werde mir mal in aller Ruhe die Spoiler von
M11 und des
Zendikar-Blocks durchlesen.
Wir sehen uns in Frankreich!
Chris