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Very Bad Things
von Michael Diezel
26.05.2011

Wie einige von euch sicher schon mitbekommen haben, wird mein Prag-Report diese Woche recht kurz ausfallen. Pünktlich in der Nacht von Donnerstag zu Freitag durfte ich mich stolzer Besitzer des Norovirus nennen. Das ist zunächst unangenehm und unappetitlich und zudem ungeheuer schlecht getimt. Schließlich war Prag nach dem Ausfall von Hamburg der einzige Grand Prix in meiner Reichweite.

Trotzdem sollt ihr auf – hoffentlich – Lesenswertes von mir natürlich nicht verzichten müssen. Da wir gerade beim Thema Unfälle sind, dachte ich mir, dass es ganz passend wäre, euch einmal ein paar meiner fehlgeschlagenen Deckbauversuche mit New Phyrexia vorzustellen. Anders als man manchmal meinen möchte, siebe ich nämlich doch ganz ordentlich, damit nicht jeder Schund eine ganze Woche besetzt.

Allerdings glaube ich, dass man nie so gut lernt wie aus Fehlern, und insofern müsste das heute ungemein lehrreich sein. Wenn nicht, sollte es doch ganz unterhaltsam sein; stellt euch einfach vor, wie ich die jeweiligen Kreationen ernsthaft gegen motivierte Gegner anlaufen lasse …


1. Suizid nach Plan

Die Idee

Wie euch sicher schon aufgefallen ist, spielt phyrexianisches Mana wunderbar mit Death's Shadow zusammen. Gerade kontrolliert einsetzbare aktivierte Fähigkeiten wie zum Beispiel die von Immolating Souleater sorgen rasend schnell für einen eigenen Lebenspunkteverlust. Dadurch wird der Schatten zum billigeren, dickeren Tarmogoyf. Dieser Gedanke hat mich derart begeistert, dass ich mir direkt das Playset Death's Shadow für circa 25 Cent das Stück geordert habe.


Die Umsetzung

Meine erste Idee war, einfach alle Karten, die irgendwie aggro sind und dem Spieler selbst Schaden in ein Deck zu werfen, sie mit einigen Gratis-Spells des neuen Sets zu garnieren und den Gegner damit kräftig in den Hintern zu treten. Recht schnell kam jedoch die Erkenntnis, dass es so nicht funktionieren kann. So muss man sich schon sehr anstrengen, um schnell genug ausreichend Lebenspunkte zu verlieren, um die geringen Manakosten des Schattens auszunutzen. Legt man ihn erst Zug 7, ist es nämlich fast egal, ob er ein oder fünf Mana kostet. Selbst dann ist er nichts anderes als ein tumber Schläger, der vom kleinsten Blocker aufgehalten und von einer Menge Removal umgeschossen wird. Sich dafür das halbe Deck zu versauen, ist die Mühe nicht wert.

Nein, um das Ganze richtig auszunutzen, musste ein komboartiger Ansatz her, der dafür sorgen sollte, dass Death's Shadow möglichst schon ungefähr im dritten Zug mitmachen darf.


4 Kiln Fiend
4 Spellskite
4 Death's Shadow
4 Immolating Souleater
2 Apostle's Blessing
2 Fling
4 Inquisition of Kozilek
3 Gut Shot
4 Assault Strobe
4 Lightning Bolt
4 Mutagenic Growth
2 Postmortem Lunge


2 Marsh Flats
4 Dragonskull Summit
4 Swamp
4 Blackcleave Cliffs
2 Mountain
2 Verdant Catacombs
1 Scalding Tarn

Sideboard:

2 Duress
4 Combust
4 Mental Misstep
3 Dark Tutelage
2 Act of Aggression


Das Deck baut sich fast von selbst: Immolating Souleater und Spellskite sind die eindeutig besten Karten, um die eigenen Lebenspunkte rasend schnell in den roten Bereich zu bringen. Beide übernehmen dabei noch durchaus wichtige Zusatzfunktionen. Spellskite beschützt mal wieder unsere relevanten Jungs und der Souleater ist schon für sich selbst eine Bedrohung, besonders wenn er mit Assault Strobe oder Fling kombiniert wird. Kiln Fiend ist dann der dritte Schläger, der möglichst ungeblockt durchkommen sollte, um in kürzester Zeit den benötigten Schaden auszuteilen. Er arbeitet zwar nicht so gut mit Death's Shadow zusammen, dafür aber umso besser mit den ganzen Sprüchen des Decks. Unter diesen finden sich die beste Disruption (Inquisition of Kozilek) und das beste Removal (Lightning Bolt) der beiden Farben, Kombokarten und ein paar Sprüche, für die man kräftig bluten muss.

Im Idealfall gewinnt man Turn 3 über irgendeinen Mann mit zweistelligen Angriffswerten, der entweder doppelt zuschlägt oder geflingt wird.


Die Praxis

Während die Theorie ausschließlich Synergien zeigt, die zu völlig albernen Starts führen, fühlte ich mich in der Praxis eher ans Lottospielen erinnert. Nicht nur, dass man selbst eine ziemlich eindeutig definierte Starthand haben muss, um überhaupt ausreichend schnell in die Gänge zu kommen, der Gegner darf sich auch nur bedingt wehren. Hier mal eine kleine Auswahl an Karten, mit denen man nur sehr bedingt zurechtkommt: Inquisition of Kozilek, sämtliches billiges Removal und nahezu jede rote Karte, jeder Blocker. Fällt euch was auf? Richtig! Das deckt so ziemlich jede Magic-Karte ab, die momentan auf Standardturnieren gespielt wird. Dadurch fühlt sich das Spielen mit diesem Deck nicht bloß wie Lotto an, die Wahrscheinlichkeit, mal etwas zu gewinnen, dürfte auch ähnlich hoch sein.


Die Aussicht

Death's Shadow wird gespielt werden, wenn … Manabrand zurückkehrt. Wobei, selbst dann könnte es nicht reichen. Immerhin hat sich auch ein namhafterer Spieler um den Schatten bemüht. Petr Brozeks Ergebnis ist noch mehr auf Kombo ausgelegt, unter anderem darf das Playset Chancellor of the Tangle ran. Der Knabe ist schon jetzt ein absoluter Liebling von mir, da ich das Gefühl habe, ihn zu circa 35% als ersten Draw zu produzieren … Ansonsten ist das Deck potenziell noch explosiver, verzichtet dafür auf Konstanz. Da diese sowieso schon nicht vorhanden ist, dürfte das sogar der richtige Weg sein. Zwar klappt es vielleicht nicht jedes Spiel mit dem Turn-2-Kill, wenn es dann aber mal so weit ist, fühlt es sich um so besser an.


2. Black Stories

Die Idee

Obwohl ein weiser Mann mir sagte, dass ich die Finger von dunkelschwarzen Karten lassen sollte, konnte ich es mir nicht verkneifen, diesen Rat in den Wind zu schlagen. Grund dafür ist meine ganz eigene Preview-Karte aus M11, die wohl demnächst ganz still und leise und ohne jemals irgendwo mitgemacht zu haben, wieder aus dem Format verschwinden wird. Zusammen mit Lashwrithe und natürlich Phyrexian Obliterator müsste sich doch da etwas zaubern lassen, welches zumindest den Rekord an schwarzen Manasymbolen bricht.


Die Umsetzung

Option #1 im Zusammenhang mit Phylactery Lich ist natürlich immer das unzerstörbare Artefakt mit guter Fähigkeit für möglichst wenig Mana. Klingt anspruchsvoll, ist es auch, da sämtliche Kandidaten für weniger als drei Mana (um in der Kurve zu bleiben) wenig (Darksteel Axe) bis absolut überhaupt gar nichts (Darksteel Relic) machen. Wie wir bereits erkannt haben, ist das zu viel Mühe für einen random dicken Mann.

Ohne Unzerstörbarkeit läuft man jedoch immer Gefahr, in den 1:2-Abtausch zu geraten, wenn der Feind einfach das Artefakt zerstört … Immer? Nein, zum Glück gibt es kleine Wellsprings, die nur darauf warten, kaputt gemacht zu werden. Okay, wenn sie gerade stolzer Träger des Phylactery-Counters sind, vielleicht nicht unbedingt, aber zumindest macht man so keinen Kartennachteil. Die Wellsprings sind zudem durchaus anständige Karten, wie ich bei meinen ersten Gehversuchen im Block feststellen konnte, insbesondere mit Phyrexia's Core. Das wiederum beißt sich ein bisschen mit der wohl sicher benötigten Tectonic Edge und den geschmeidigen Manakosten von Lich, Obliterator und Co., aber was ist schon perfekt?

Der weitere Deckplan sah dann vor, einfach in die Manakurve hinein superstarke Männer zu legen, also Turn 1 Hex Parasite, Turn 2 Vampire Hexmage, Turn 3 Phylactery Lich, Gatekeeper of Malakir, Turn 4 Phyrexian Obliterator, Lashwrithe, Turn 5 nix, Turn 6 Grave Titan, Turn 7 Sheoldred, Whispering One. Wenn das so klappte, war es auch tatsächlich gar nicht schlecht, da diese schwarzen Männer heutzutage tatsächlich völlig albern sind. Aus Platzgründen kann man sie aber logischerweise nicht alle im Playset spielen und je mehr man kürzt, umso unwahrscheinlicher wird genau dieser Draw. Davon abgesehen macht man auch genau nichts anderes als zuschlagen. Gegen ein paar ausgewählte Karten wie das Schwert von Gedeih und Verderb, Tumble Magnet oder Jace, the Mind Sculptor müssen schon passgenau die wenigen Antworten auftauchen.

Um zumindest ein wenig die Genialität des Decks anzuziehen, wurde der Obliterator verbannt, der eigentlich immer eine Enttäuschung war. 5/5, unblockbar in einem nur mittelmäßig aggressiven Deck ist einfach nicht die Leuchte und muss sich somit den unspektakulären Alternativen Lashwrithe und einer weiteren Entdeckung aus dem Block-Constructed – Entomber Exarch – unterordnen.


3 Gatekeeper of Malakir
2 Grave Titan
1 Sheoldred, Whispering One
4 Phylactery Lich
3 Entomber Exarch
3 Vampire Hexmage
2 Go for the Throat
4 Mycosynth Wellspring
4 Inquisition of Kozilek
4 Ichor Wellspring
2 Lashwrithe
1 Doom Blade
1 Corrupt
2 Mimic Vat


3 Tectonic Edge
18 Swamp
3 Phyrexia's Core

Sideboard:

1 Gatekeeper of Malakir
1 Sheoldred, Whispering One
4 Phyrexian Revoker
2 Black Sun's Zenith
2 Memoricide
2 Surgical Extraction
1 Vampire Hexmage
2 Duress


Fairerweise muss man sagen, dass dieses Deck zumindest nicht furchtbar schlecht ist. Um Mimic Vat, die Wellsprings und den Exarch herum macht man mehr als genug Katenvorteil, während ausreichend Kreaturen zur Verfügung stehen, die das Spiel in wenigen Angriffen beenden.


Die Praxis

Wie schon angedeutet, gewinnt man mit diesem Deck tatsächlich das eine oder andere Spiel. Immerhin.

Verlieren wird man meist wegen der geringen Kartenqualität mehrerer Einzelkarten (die ganze Wellspring-Lich-Schiene ist im Vergleich zu Jace etwa ein wenig überfordert) beziehungsweise wegen der Unfähigkeit, bestimmte Sachen zu entfernen. Ich empfehle zum Beispiel das Schwert mit Protection from this Deck.


Die Aussicht

Wahrscheinlich könnte man an einigen dieser Punkte noch arbeiten, allerdings sehe ich nicht, warum. Die einzige Karte, die einen wirklich dafür belohnt, viele Sümpfe zu spielen – Lashwrithe – ist zwar gut, aber längst nicht so albern, dass sie den Verzicht auf eine andere Farbe rechtfertigen würde. Der Lich selbst ist wohl tatsächlich einfach Mist, die Wellsprings reine Block-Karten und Corrupt spielen wir lieber weiter im Urza-Limited.


3. Giftblau

Die Idee

Billige Giftkreatur plus Pump.

Dass dies mit monogrünen Karten nicht so richtig funktioniert, habe ich ja schon eingesehen. Ein Splash muss also her. Rot bietet Assault Strobe und random Removal, Blau Distortion Strike. Jeder, der mal Rise of the Eldrazi gedraftet hat, weiß, dass Strike > Stobe ist, so auch im Standard, wo einem in jedem Zug ein Vogel und/oder Stoneforge Mystic vorgesetzt wird. Zudem kommt man so an Blighted Agent heran, ein Keim mit eingebautem Distortion Strike.


Die Umsetzung

Das recht zielstrebige Deckprinzip verhindert ein wenig die absolute Kreativität. Man wird wohl die besten (da billigsten) Infect-Männer spielen und diese mit viel Pump, Distortion Strike und Mana Leak garnieren. Mana Leak ist übrigens genau die Karte, die man in dieser Art von Deck will, beschützt sie doch gleichzeitig den tödlichen Alpha-Strike und mehrere Jungs vor Massremoval.


3 Terramorphic Expanse
4 Island
8 Forest
4 Inkmoth Nexus
4 Misty Rainforest

4 Blighted Agent
4 Viridian Corrupter
4 Ichorclaw Myr
4 Glistener Elf
4 Mana Leak
2 Livewire Lash
3 Distortion Strike
4 Vines of Vastwood
4 Mutagenic Growth
4 Groundswell


Sideboard:

3 Spell Pierce
3 Nature's Claim
3 Corrupted Resolve
4 Spellskite
2 Mental Misstep


Diese Zusammenstellung erlaubt sowohl den Turn-2-Kill (Glistener Elf, Groundswell mal zwei, Mutagenic Growth – klappt vielleicht nur in jedem zweiten Spiel ) als auch ein gewisses Maß an Reach, zumindest soweit das für diesen Decktyp möglich ist. Viridian Corrupter als Playset im Maindeck hilft besonders gegen Magneten und Kelche, während natürlich auch diverses Equipment vernichtet werden kann, was aber aufgrund der offensiven Grundausrichtung meist keine Priorität besitzt. (Randnotiz: Dies ist ein Aggrodeck, dass nicht von Batterskull dominiert wird!)

Die mit Abstand schlechteste Karte ist Ichorclaw Myr, allerdings würde ohne ihn die Zahl der billigen Infect-Männer auf unschöne zwölf schrumpfen und die berüchtigte Starthand aus Forst, Island, Terramorphic Expanse, Mana Leak, Groundswell, Vines of Vastwood, Distortion Strike oder so ähnlich noch wahrscheinlicher machen.


Die Praxis

Auch dieses Deck ist nicht wirklich schlecht und kann an einem guten Tag sogar an den oberen Tischen anzutreffen sein. Leider fehlt völlig die Konstanz, da jeder Turn-2-Kill mit rund zehn Mulligans aufgewogen wird. Die Starthand ist wiederum extrem entscheidend, wodurch gerade diese Mulligans meist zu richtig schlechten Händen führen. So verliert man gern mal die eine oder andere Partie.

Hinzu kommt die schlechte Qualität der Einzelkarten. Wenn das Deck aus einem großen Haufen Commons besteht, die selbst im Draft als fünfter bis zehnter Pick weggehen, kann man in der heutigen Zeit nicht zu viel erwarten. Auf der Gegenseite ist das vielleicht das größte Gut dieses Decks. Abgesehen von den Ländern ist es materiell kaum so viel wert wie die Marken auf dem Jace des Gegners. Das verbunden mit dem überaus geradlinigen Plan macht es zu einem hervorragendem Kandidaten, wenn es mal wieder daran geht, dem random Altstar bei einem Gastauftritt ein Deck in die Hand zu drücken.


Die Aussicht

Habe ich gerade schon halbwegs beschrieben. Ansonsten glaube ich nicht, dass man das Deck noch wahnsinnig viel besser und/oder konstanter bauen kann. Schneller wäre beispielsweise über Chancellor of the Tangle möglich – über mein Verhältnis zu diesem Knaben (besonders ohne Fauna Shaman) wisst ihr ja Bescheid. Konstanz gäbe es durch ein Mehr an Glistener Elfen zu gewinnen, die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte aber gegen null tendieren.


4. RDW 7000

Die Idee

Das letzte Deck basiert auf einer Karte, die so viele rote Manasymbole in ihrem Text hat, dass einige Leute bei der Erstbewertung Probleme hatten, diese in Zahlen zu fassen.


Sieben ist die magische Zahl und entsprechend habe ich mich auf die Suche nach Dingen begeben, die sieben kosten und möglichst das Spiel gewinnen. Ach ja, die farbtechnisch durchaus anspruchsvollen Kosten schließen direkt alle nicht-roten, nicht-farblosen Sachen aus. Da bleibt nicht mehr viel übrig, ja eigentlich gibt es da nur den fetten Karn Liberated. Der ist allerdings in Zug 3–4 durchaus eine Ansage, da mögliche Loyalität 10 selbst von massiven Angriffen kaum gestoppt werden kann.


Die Umsetzung

Grundlage bildet das Artefakt-Red, das schon von vielen beschrieben, aber noch an kaum einen Turniertisch vorne erblickt worden ist. Stellt euch also eins dieser Decks vor, bei denen ein paar Karten durch Karn und Geosurge ersetzt wurden.


Die Praxis

Durchaus vielversprechend bis zu folgendem Satz:

„LOL, you know, you can't pay for Karn with Geosurge mana?“

Read. The. Fucking. Card.


Die Aussicht

Auch solche Dinge passieren. Besonders schön ist es, wenn man eine Menge Zeit und Mühe investiert, bevor es jemandem auffällt. Statt Karn Liberated müsste demnach in beträchtlich schlechtere Karten gerampt werden. Myr Battlesphere zum Beispiel. Das kann natürlich kein guter Plan sein, aber ich würde die Augen in den nächsten Editionen offen halten. Bis dahin spielt man wohl lieber die ruhigere Rampe aus Everflowing Chalice und Proliferate, vielleicht kann so ja auch ein Karn mal das Spielfeld sehen.


So, dies war also ein Ausschnitt aus meinem Magic-Alltag. Nächste Woche gibt es dann einen erfolgreicheren Versuch zu bestaunen, zumindest wenn ich die Manabasis des Grauens noch aufgemöbelt bekomme …

Bis dahin
Der MiDi
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