Ithaka
Die Irrfahrt beginnt zu Hause vor dem großen Schrank. Ungleich der Teleportvariante in Narnia befindet sich hier meine Sammlung an
Magic-Karten, zusammen mit vielen Errungenschaften wie
Magic-Pens und -Pins, die man zwar niemals wieder brauchen wird, die man aber auch nicht weggeben mag. Viel wichtiger als die Karten, die ich tatsächlich besitze, ist aber vor der Pro Tour jeweils die Liste an Karten, die ich nicht besitze, und so wird die große Box mit den Rares an den Schreibtisch gezerrt und mit bereits einer Prise schlechtem Gewissen etwa folgende Nachricht verfasst:
Travel Preparations für Honolulu, Nico braucht noch …
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Magic 2012:
3 Drowned Catacomb
2 Glacial Fortress
3 Dragonskull Summit
4 Rootbound Crag
1 Solemn Simulacrum
3 Primeval Titan
4 Garruk, Primal Hunter
1 Sun Titan
4 Grand Abolisher
1 Honor of the Pure
1 Gideon Jura
4 Angelic Destiny
3 Phantasmal Image
2 Frost Titan
4 Jace, Memory Adept
2 Chandra's Phoenix
3 Grim Lavamancer
2 Inferno Titan
3 Grave Titan
2 Sorin Markov
Scars of Mirrodin:
2 Mox Opal
2 Wurmcoil Engine
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Mirrodin Besieged:
1 Inkmoth Nexus
1 Contested War Zone
2 Sword of Feast and Famine
2 Tezzeret, Agent of Bolas
2 Glissa, the Traitor
2 White Sun's Zenith
3 Hero of Bladehold
3 Consecrated Sphinx
2 Black Sun's Zenith
2 Phyrexian Crusader
1 Slagstorm
1 Green Sun's Zenith
1 Thrun, the Last Troll
New Phyrexia:
2 Lashwrithe
1 Sword of War and Peace
2 Karn Liberated
1 Birthing Pod
3 Phyrexian Metamorph
4 Spellskite
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3 Torpor Orb 2 Surgical Extraction 3 Phyrexian Obliterator
1 Puresteel Paladin
2 Elesh Norn, Grand Cenobite
Innistrad:
2 Moorland Haunt
3 Nephalia Drownyard
3 Kessig Wolf Run
3 Gavony Township
1 Woodland Cemetery
3 Clifftop Retreat
4 Hinterland Harbor
4 Isolated Chapel
2 Geist of Saint Traft
2 Runechanter's Pike
2 Champion of the Parish
2 Mikaeus, the Lunarch
4 Garruk Relentless
3 Tree of Redemption
4 Liliana of the Veil
3 Curse of Death's Hold
3 Snapcaster Mage
2 Devil's Play
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… und alles Mögliche aus
Dark Ascension.
Es verblüfft mich immer wieder, warum sich die Leute hier in Basel nicht mehr mit mir freuen, wenn ich mal wieder zur Pro Tour fahren darf. Echt nicht. Auf jeden Fall bin ich nach zwei gutmütigen
Opfern Kartenlieferanten fast schon am Ziel angelangt und habe meine Reisetasche mit wertvollem Papp gefüllt. Wie ein Bankräuber komme ich mir vor, nach einem gelungenen Coup. Viel mehr Vorbereitung liegt leider nicht mehr drin. Die Arbeit ruft, respektive die vielen Kinder, die sie beinhaltet, für den Planeten wird auch noch einiges an wilden Theorien verfasst, und dann geht die Reise auch schon los. Statt mit zahlreicher Besatzung und Schiff verschwinde ich im Nebel- und Schneemeer am Flughafen in Zürich, was mir nicht weniger das Gefühl gibt, mich auf einer Irrfahrt ins Ungewisse zu befinden.
Polyphem
Es war eine lange, lange Reise. Etwas benommen blinzle ich aus meinen verschlafenen Augen und bemerke, dass ich jetzt wohl im verheißenen Land angekommen bin. Da es aber schon fast Mitternacht ist, erkenne ich dies nur an der Temperatur und an den Blumenketten, die hier nach wie vor Mode zu sein scheinen. Ich setze mich in ein Shuttle zu sechs weiteren Leuten, gebe dem Fahrer ein paar Dollar und meine Adresse und lege mich zwischen Sitzgurt und Fensterscheibe in den Halbschlaf. Nach etlichen Kurven werde ich wachgerüttelt, in die Dunkelheit der Nacht entlassen, mit dem guten Wegbeschrieb im Stil von: Noch ein paar Schritte nach vorne und dann rechts, da isses. Dankend genickt und dem guten Kerl noch etwas Trinkgeld gegeben, dann nach vorne und dann nach rechts gewankt – gähnende Leere. Kein Hostel weit und breit. Ich frage einen ebenfalls schon nicht mehr besonders wach aussehenden Cop nach der Adresse, der lacht und meint, mein Hostel sei am anderen Ende der Stadt. Was für eine prächtige Aussicht um ein Uhr nachts, im Nimmerleinsland. Irgendwo finde ich dann doch noch ein Hotel, erbettle mir mit ausgereiftem Hundeblick ein Taxi, das mich abholt und dann gegen zwei Uhr nachts im richtigen Hostel absetzt. Dort schleiche ich leise, auf Samtpfoten, wie ein als Schaf getarnter Grieche, in mein 8er-Zimmer, wo mich schlafende Ungeheuer wie der schnarchende Japaner und die zwei österreichischen Partyschnecken schon erwarten. Ohrenpfropfen und Augenbinde equippt, und in den Mondmodus geflippt.
Am Morgen weckt mich, wie eigentlich zu erwarten gewesen war, weder eine die beiden Damen noch der Japaner, sondern mein treuer Begleiter, der Jetlag. Fünf Uhr morgens, herzlichen Dank, innere Uhr. Der Morgenspaziergang bekommt mir trotzdem ganz gut und nach einem ausgiebigen Frühstück baue ich mir aus meinem Kartenpool mal das erste Deck zusammen – UB-Control. Vor
Dark Ascension hat mir das Deck schon sehr zugesagt, und obwohl ich die neuen unsterbenden Probleme sehe, die sich mit
Dark Ascension dem Kontrollmagier stellen, bin ich doch guten Mutes, dass man die Herausforderungen in den Griff kriegen kann. Ich treffe beim Deckbau auf zwei Slowenen, die im selben Dorm verweilen wie ich und ebenfalls für die Pro Tour nach Hawaii geflogen sind. Wie klein die Welt doch ist! Sie haben sich schwarz-grüne Fatties gebaut; die Fatties beziehen sich natürlich auf die Titanen im Deck und nicht auf den Deckbuilder. Die Spiele gehen etwa unentschieden aus, aber ich habe das Gefühl, dass das Matchup nicht so gut ist, wie ich es von einem Rampmatchup eigentlich erhofft hätte. Um das Kontrolldeck etwas zu optimieren, erstelle ich eine Liste an Decks, die ich bei der Pro Tour erwarte:
Tier 1:
Tier 2:
BW-Tokens
Gx-
Wolf-Ramp
UB-Control
Esper-Control
Mono-Red Aggro
Mono-Green Aggro
Tier 3:
Nach einem Seitendeck zum UB-Control und einem Blick zurück auf mein Brainstorming unterlasse ich die Angleichungen des Decks ans Metagame und lege mich stattdessen, unter einer ordentlichen Schicht Sonnencreme, an den Strand. Es ist Samstagnachmittag, der Rest der Testingcrew kommt erst am Sonntagabend an. Ich musste meinen Flug bereits am Freitag antreten, weil Wizards mir diesen organisierten und ein Wochenendflug zu teuer geworden wäre. Zwei Zusatztage in Hawaii für mich, es gibt doch durchaus Schlimmeres. So liege ich also in der Sonne, bereits eine halbe Stunde, und schon ist mir langweilig. Zwar lässt sich mein Bewegungsdrang nicht mit wahren Messlatten wie Kibler vergleichen, aber es muss was unternommen werden. Also suche ich den Waikiki-Zoo auf, erfreue mich an Tiger, Waran und Krokodilen, und merke, wie ich langsam den grauen Schleier des Alltages abstreife und im Urlaub ankomme. Zoo sei Dank. Ein paar Stunden friedlichen Treibens später geht's dann früh ins Bett, der Schlafrhythmus polt sich um, Mission accomplished.
Kirke
Sonntagabend, wie verabredet stehe ich um 20:00 Uhr am Flughafen beim Autohändler und warte auf meine fünfzehn Gefährten. Um 21:00 Uhr kommen die ersten an, mit der Hiobsbotschaft, dass einige Flüge Verspätung haben, andere sogar gecancelt und verschoben worden sind. Das kann ja heiter werden. Gegen 24:00 Uhr entscheiden wird uns dann doch, nicht mehr länger zu warten und zum Haus zu fahren. Wo wir dann auch irgendwie ankommen, uns zuerst noch um die Zimmerverteilung Gedanken machen wollen, dann aber einfach irgendwo hinlegen und schlafen.
Am nächsten Morgen ist die Crew vollständig – zwölf Männer, vier Frauen. Obwohl die Damen keinerlei Zauberkräfte anzuwenden wissen, werden die Herren schnell zu Tieren, fressen, saufen und spielen, ohne sich den Bedürfnissen der Mädels anzupassen. Stimmt zwar nicht ganz, wird aber der Zwischenüberschrift gerecht. Nein, mal ganz ehrlich, einige der mitgereisten Männer wissen sich sogar sehr charmant zu verhalten und werden durch leopardenähnliche Muster am Hals belohnt. Trotz etwaiger Ablenkung steht aber Testen im Vordergrund – wir schnappen uns elf verschiedene Decks und prügeln damit aufeinander ein. Da ich die Liste führe und somit als Letzter ein Deck aussuche, sind alle coolen Decks schon vergeben und ich schmeiß mir kurzerhand ein Reanimator zusammen, das ungefähr so ausschaut:
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4 Faithless Looting
4 Galvanic Blast
4 Slagstorm
2 Whipflare
2 Timely Reinforcements
4 Desperate Ravings
4 Forbidden Alchemy
1 Ancient Grudge
1 Ray of Revelation
3 Unburial Rites
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3 Elesh Norn, Grand Cenobite
2 Jin-Gitaxias, Core Augur
und eine bunte Manabasis
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Ich gewinne zuerst gegen Delver, dann gegen Humans, dann gegen RU-Aggro und verliere zuletzt dank eines Misplays knapp 1
:
2 gegen Tokens. Das Format ist gebrochen, die Freude groß.
Elesh Norn, Grand Cenobite ist ein unglaublicher All-Star gegen sämtliche Kreaturendecks, und da wir primär solche erwarten, begeistert mich das Deck von Spiel zu Spiel mehr. Auch das Matchup gegen Ramp sieht sehr solide aus, nur gegen Kontrolldecks jeglicher Art hat man gefühlte null Prozent.
Die nächsten Tage verbringe ich damit, zwischen den Drafts fleißig am Deck zu basteln. Zwar scheint mir das Kontrollmatchup immer aussichtsloser, aber die anderen Matchups verbessern sich konstant.
Jin-Gitaxias, Core Augur muss
Wurmcoil Engine seinen Platz vermachen, da diese eine wunderbare Waffe gegen Titanen, Schwerter,
Dungrove Elder,
Doom Blade,
Bellowing Tanglewurm und alles andere darstellt, was Elesh Norn nicht alleine erdrosseln kann.
Oblivion Ring wandert zuerst vereinzelt, dann im ganzen Playset ins Deck, da man im Maindeck genügend Antworten auf Problemkarten wie jegliche
Anthem-Effekte, fremde Ringe, Schwerter, Titanen,
Hero of Bladehold und so weiter haben will.
Desperate Ravings dienen dem Deck zwar als unermüdliche Kartenquelle, sind aber sehr oft zu random in ihrer Anwendungsweise. Es gibt einfach zu viele Situationen, in denen man die Ravings nicht spielen darf, da man sonst Gefahr läuft, das wichtige Massremoval oder den Ring abwerfen zu müssen.
Think Twice wäre tatsächlich besser, ist als Karte aber zu schwach fürs Deck. Auch am Removal wird fleißig geschraubt – für
Galvanic Blast kommt zeitweise
Geistflame ins Deck, statt
Slagstorm darf
Day of Judgment hin und wieder mal mitspielen. Am Schluss ist die beste Lösung ein Split aus der gesamten Removalsuite.
Die schlechte Nachricht lautet nach wie vor, dass das Deck keine Chance gegen Kontrolle hat, die gute Nachricht jedoch, dass man neben dreimal
Ancient Grudge, zweimal
Ray of Revelation und ein paar
Timely Reinforcements wirklich viel Platz im Sideboard hat. Wir probieren einiges, von
Stromkirk Noble mit
Geist of Saint Traft über
Chandra's Phoenix über Counter über zusätzliche Win-Options und so weiter. Das Lategame ist aufgrund der Counterunterzahl kaum zu gewinnen, also drücken wir temporär zwei
Mana Leak ins Maindeck und probieren vier Nobles, zwei Geists und zweimal
Negate im Sideboard. Das ist schon mal kein schlechter Ansatz – man kann den Gegner auf die Art früh unter Druck setzen, zwingt ihn, sich mal auszutappen, was man mit
Geist of Saint Traft mit Counterbackup oder
Wurmcoil Engine bestrafen kann. Karten wie
Karn Liberated oder
Consecrated Sphinx sind immer noch nahezu unbesiegbar, aber man gewinnt mit dem Sideboardplan doch einige Spiele nach dem Boarden. Am Mittwochabend vor der Pro Tour sieht das Deck folgendermaßen aus:
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4 Faithless Looting
3 Galvanic Blast
1 Geistflame
2 Slagstorm
1 Day of Judgment
1 Timely Reinforcements
2 Whipflare
4 Oblivion Ring
4 Forbidden Alchemy
1 Negate
1 Ancient Grudge
1 Ray of Revelation
3 Unburial Rites
4 Blackcleave Cliffs
4 Seachrome Coast
4 Clifftop Retreat
3 Copperline Gorge
3 Shimmering Grotto
2 Darkslick Shores
1 Glacial Fortress
3 Mountain
2 Plains
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3 Elesh Norn, Grand Cenobite
3 Wurmcoil Engine
Sideboard:
3 Ancient Grudge
2 Ray of Revelation
2 Timely Reinforcements
4 Stromkirk Noble
3 Geist of Saint Traft
1 Negate
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Nebst dem schlechten Matchup gegen reinrassige Kontrolldecks hat das Deck zwei weitere Probleme: Es verliert gegen Graveyardhate, primär
Surgical Extraction, und es fabriziert zu oft nur mäßige Draws ohne
Faithless Looting, das im Übrigen mit Abstand die beste Karte des Decks ist. Trotzdem ist das Deck gegen Delver, Steel, Humans, Tokens, Ramp, Monogrün, Monorot vor dem Boarden etwa ebenbürtig bis positiv, nach dem Boarden aber klar vorne.
An diesem Punkt hätte ich wohl aufhören sollen, das Deck zu spielen, und mich mit anderem beschäftigen sollen. Tue ich aber natürlich nicht, sondern teste den gesamten Abend verbissen weiter. Und so kommt es, dass ich nach einem schlechten Abend, an dem ich etwa gefühlte 75
% meiner Hände mulliganen muss und die anderen 25
% der Spiele colorscrewed bin, das Deck gegen eine Wand knalle und mich nach einer Alternative umsehe. Und schon bin ich nach einer Woche Testen wieder mal in mein altes Muster zurückgefallen und darf bei null starten, gute 34 Stunden vor Beginn der Pro Tour.
Fortsetzung folgt …