Casual
Casualthies
von Torben Thies
27.03.2012

Tobi im November 2011: „Ich bräuchte einen Casualartikel. Kannst du so was?“ Ich: „Klar, setze mich sofort dran!“ Und hier, nur vier Monate später, ist er! Manche Menschen sind eben zum Beamten geboren.

Angehende Schreiber lernen, dass ein guter Weg, die Leser in ihr Werk zu ziehen, eine schockierende und kontroverse Aussage am Anfang ist. Hier ist meine: Die meisten Menschen spielen Magic zum Spaß. Und die meisten davon scheren sich nicht um sanktionierte Turniere, Planeswalkerpunkte, Grind-Orgien oder Tiebreaker. Ich selbst bin Teil einer solchen Casualrunde, die mich daran erinnert, worum es in Magic eigentlich geht: gemütliches Beisammensein und Spaß am gemeinsamen Hobby.


In diesem Artikel werde ich euch zeigen, was man mit Casualdecks so alles anstellen kann, denn der Deckbau an sich gestaltet sich auf diesem Gebiet schon komplett anders als in sanktionierten Formaten. Der Unterschied zwischen Turnier- und Funspielern ist nämlich nicht, wie so oft behauptet, dass die einen sich gerne aneinander messen und die anderen nicht. Auch Casuals haben Ehrgeiz und spielen gerne starke Decks. Der entscheidende Punkt ist nur, dass das gemeinsame Erlebnis einen leicht höheren Stellenwert als der Wettbewerb hat. Die Konsequenz daraus ist, dass man beim Deckbau in Casualgefilden auf zwei Punkte achten sollte:

1)

Interaktion: Spiele ich dieses Deck alleine oder können meine Gegner sinnvoll mit mir interagieren? Ein unangreifbares Deck, das anderen das Gefühl gibt, nicht am Geschehen teilzunehmen, macht sowohl dem Piloten als auch Leidtragenden keinen Spaß. Okay, der Sieger freut sich vielleicht ein Mal über das Gelingen seiner Kreation, wird danach aber schnell ein fades Gefühl im Mund bekommen. Die erste Regel lautet also: Spielt miteinander!

2)

Anpassung der Deckstärke: Dieser Punkt ist ein wenig trickreicher und man braucht ein bisschen Versuch und Irrtum, um an die richtige Stelle zu gelangen. Je nachdem, an welchem Punkt sich eine Gruppe befindet, können freundliche Spiele eine komplett andere Form annehmen. Zwei extreme Enden des Spektrums wären der Vintagespieler, der sein komplett moxiertes Painter's Servant/Grindstone-Deck spielt (Anmerkung: Ich habe keine Ahnung, was im Vintage gut ist, also ersetzt es gegebenenfalls durch eine bessere Idee) und der blutige Anfänger, der vom Ladenbesitzer 100 Commons und ein paar Standardländer geschenkt bekommen hat. Jetzt stellt euch vor, dass diese beiden Welten aufeinandertreffen. Wer gewinnt, ist klar. Aber wer hat Spaß? Am wahrscheinlichsten: Keiner von beiden. Der erfahrene Spieler hat keine Herausforderung bekommen und der Anfänger weiß überhaupt nicht, was ihn da überhaupt getroffen hat. Die Realität kennt natürlich nicht solche Extreme, also ist es ein bisschen schwerer, herauszufinden, wo denn nun der perfekte Punkt für ein Deck ist. Ihn aber anzupeilen, ist für Casual eine wichtige Sache.

Sollte diese Casualschreiberei zur Regelmäßigkeit werden, könnt ihr hier immer interessante Decks erwarten, die ich in meiner Runde ins Feld zu Ruhm und Ehre führe. In 90% der Fälle werden es Highlanderdecks auf geringem Budget sein, was meiner derzeitigen Situation am besten entspricht. Beides ist aber eher ein Vorteil als ein Nachteil für euch, denn so können einerseits die 4-of-Spezis unter euch sehen, was für Möglichkeiten man mit so einem Archetyp hat und die Geldsäcke Perlen entdecken, deren Existenz sie vor lauter „Staples“ schon längst vergessen haben. Kopieren und Einfügen ist also nicht der allerbeste Plan an dieser Stelle. Zurücklehnen und sich inspirieren lassen schon eher. Die Frage, „Warum spielst du die und die Karte nicht, du Idiot?!“, erübrigt sich damit übrigens auch. Die Antwort ist nämlich meist, dass ich die Karte einfach nicht besitze, weil ich entweder kein Geld für sie habe oder sie noch nicht auftreiben konnte. Kommen mir beim Schreiben Karten in den Sinn, die nicht in der Liste sind, aber gut passen würden, erwähne ich sie dennoch.

Diese Woche geht es um ein Deck, das stark vom aktuellen Block inspiriert wurde:


Shriekmaw
Venser, Shaper Savant
Splinterfright
Kessig Cagebreakers
Acidic Slime
Eternal Witness
Wall of Blossoms
Mirror-Mad Phantasm
Deranged Assistant
Spore Frog
Phyrexian Ingester
Viridian Emissary
Psychatog
Werebear
Snapcaster Mage
Wickerbough Elder
Mulldrifter
Thought Courier
Yavimaya Elder
Stinkweed Imp
Spike Weaver
Mystic Snake
Indrik Stomphowler
Man-o'-War
Raven Familiar
Carven Caryatid
Obstinate Baloth
Laboratory Maniac
Coiling Oracle
Sphinx of Lost Truths
Elvish Visionary


Wall of Roots
Yavimaya Granger
Genesis
Solemn Simulacrum
Krosan Tusker
Sakura-Tribe Elder


Terramorphic Expanse
Grand Coliseum
Nephalia Drownyard
Evolving Wilds
Rath's Edge
Vivid Grove
Vivid Creek
Vivid Marsh
Temple of the False God
Hinterland Harbor
Homeward Path
Strip Mine
Dryad Arbor
8 Forest
3 Swamp
8 Island


Visions of Beyond
Deep Analysis
Skullclamp
Compulsive Research
Forbidden Alchemy
Vampiric Tutor
Dismember
Careful Consideration
Putrefy
Thirst for Knowledge
Mulch
Gnaw to the Bone
Fact or Fiction
Gifts Ungiven
Diabolic Intent
Preordain
Negate
Thought Scour
Tracker's Instincts
Sol Ring
Counterspell
Think Twice
Brainstorm
Mystical Tutor
Spider Spawning
Traumatize
Pernicious Deed
Read the Runes
Perilous Research
Windfall
Memory's Journey
Runic Repetition


Wer Innistrad gedraftet hat, kennt es und liebt es oder hasst es, ein Dazwischen gibt es in diesem Fall nicht. Die Rede ist natürlich vom Spider Spawning-Deck, das sich schnell den Friedhof füllen und dann mit der namensgebenden Karte eine Menge Krabbeltiere oder mit dem fünften Teil der Twilight-Reihe (Bis auf die Knochen abnagen) ganz viele Leben generieren konnte. Eine Unendlichkombo gibt's sogar noch oben drauf, denn ohne Bibliothek lassen sich Memory's Journey und Runic Repetition plus eine das Spiel gewinnende Karte zu endlos Bibliothekskarten, Leben und Spinnen kombinieren. Das klingt erst mal nicht nach einem Deck, das anderen Spaß macht, oder? Kann es aber!


Der Trick dabei ist nämlich, dass bei der Erweiterung auf 100 Karten der Plan leicht verändert wird. Die Kombo ist lediglich das wirkliche Endspiel und kein möglichst schnell zu erreichendes Ziel. Bis dahin helfen Kreaturen mit nützlichen Fähigkeiten, am Leben zu bleiben und nach und nach den Friedhof zu füllen. Das Deck kann durchaus auch dadurch gewinnen, dass es einfach ein paarmal angreift. Und das ist so gewollt, denn ein pures Kombodeck ist nicht nur unspaßig für die Mitspieler, sondern auch gefährlich für das eigene Wohlbefinden, wenn man beispielsweise von einem gut getimten Bojuka Bog aus dem Spiel geworfen wird. Die Möglichkeit, wie ein „normales“ kartenvorteilerwirtschaftendes Deck agieren zu können, ist wirklich wichtig.

Das Deck spielt übrigens in mehreren Kategorien am Limit. 37 Kreaturen sind mir eigentlich ein bisschen zu wenig, ich hätte gerne ungefähr 40 bis 44. Außerdem spielt es nur 32 Länder, was unglaublich gierig und wahrscheinlich nicht sehr weise ist. Die hohe Anzahl an Kartenziehern und Landsuchern hat mich bisher immer gut unterstützt, aber ein paar mehr würden hier echt gut tun.

Ein paar Karten in der Liste seht ihr vielleicht heute zum ersten Mal oder denkt zumindest nach Jahren der Vernachlässigung wieder an sie. Das sind die Perlen des Decks:


Spore Frog: Der süße, kleine, unschuldige Frosch kann zu einer echt üblen Nebelmaschine werden, wenn man ihn mit Genesis paart. Wenn er gerade nicht im unfairen Modus agiert, kann er einem fast ohne Tempoverlust einen weiteren Zug gewährleisten, egal unter wie viel Druck man steht. Und ein weiterer Zug bedeutet hier eine weitere Chance auf Gnaw to the Bone und ähnliche Lebensretter.


Mirror-Mad Phantasm/Traumatize: In einem 100-Karten-Deck stellt sich natürlich die Frage, wie man möglichst schnell den Friedhof vollbekommt. Diese beiden 5-Mana-Ungeheuer sorgen sehr kreativ dafür, dass ein dicker Batzen ohne viel Brimborium und aufwändiges Begräbnis direkt in die kalte Erde befördert wird. Und bei dem Satz „Traumatisierung auf mich“ bleibt wirklich kein Auge trocken.


Read the Runes: Würdet ihr diesen Spontanzauber spielen? „, ziehe X Karten.“ Und wie ihr den spielen würdet! Und jetzt kommt der Kracher: In diesem Deck ist Read the Runes oft sogar besser als das, weil es die entscheidenden Karten ohne Mittelsmann ins Grab befördert. Auch im Nichtfriedhofsdeck ist es eine echt gute Option, weil es je nach Spielsituation und -zeitpunkt flexibel einsetzbar ist. Probiert den Spruch mal in irgendeinem blauen Deck aus und ihr werdet überrascht sein, wie stark er ist.


Diabolic Intent/Perilous Research: Hey, du! Ja, genau du! Hast du eine Menge Kreaturen rumliegen und weißt nicht, was du damit anfangen sollst? Steigere jetzt ihren Wert durch diese beiden einfach einzusetzenden Sprüche! Viridische Gesandte bekommen Extrarabatt!


Thought Courier plus Stinkweed Imp: Ein (nicht in absehbarer Zeit in den Duden aufnehmbares) Wort: Drrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr. Das ist das Geräusch der eigenen Bibliothek bei diesen beiden Karten. Oh, und ich spiele übrigens keinen Merfolk Looter, weil der von Avacynian Priest getappt und von Bonds of Faith pazifiert werden kann. In anderen Worten: Es ist total egal.

Wenn meine Ressourcen unbegrenzt wären, würde ich natürlich die Manabasis mit etlichen Doppelländern ausschmücken (ihr kennt die üblichen Verdächtigen) und einige Karten addieren, die wie für das Deck gemacht sind. Golgari Grave-Troll wäre zum Beispiel ein Kandidat, der in der Friedhofsfüllkategorie extrem potent ist. Increasing Confusion würde ich auch gern ausprobieren, da bin mir aber nicht sicher, ob das nicht zu langsam ist. Eine Tutortrifekta aus Worldly Tutor, Demonic Tutor und Survival of the Fittest machte das Deck definitiv stabiler, aber vielleicht sogar schon zu stark (in die „zu stark“-Kategorie fällt wahrscheinlich auch Recurring Nightmare). Höchstwahrscheinlich sinnvoll hingegen ist die Inklusion von Trickbind und/oder Stifle, die meine Anfälligkeit gegenüber Bojuka Bog und Relic of Progenitus erheblich reduzierten. Umwandlungsländer wie Tranquil Thicket gepaart mit Life from the Loam wären zwar äußerst stark, lenken mir aber zu sehr vom Kreaturenthema ab.

Ihr seht, „das Beste“ muss nicht immer das beste für das eigene Deck sein. Achtet im Casual darauf, dass ihr Sachen spielt, die nicht nur euch, sondern auch allen anderen Spaß machen. Dann habt ihr selbst nämlich auch mehr von der Sache!

Schreibt mir in den Kommentaren, was ihr von einer Artikelreihe haltet, die jedes Mal ein anderes Deck in den Vordergrund stellt. Sagt mir auch, was ihr gerne mal in einem Casualartikel sehen würdet. Dann sehen wir uns vielleicht bald wieder!
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