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Six Pack
von Michael Diezel
13.07.2013

Wenn wir in Kürze zum ersten Mal das Knistern dutzender gleichzeitig geöffneter M14-Boosterpackungen hören, stellt sich ganz automatisch die Frage, was wir denn dort an interessanten Neuheiten rausziehen können. Nun beschäftigt sich nahezu jeder damit, was die guten Karten sind, sodass sich das nicht auch noch tun muss. Stattdessen werfen wir heute einen Blick auf die interessanten, also all jene, die vermutlich nie zu den ganz Großen im Geschäft gehören werden, aber doch das Potenzial haben, dass man bei eingehender Beschäftigung ein durchaus anständiges Deck mit und um sie auf die Beine gestellt bekommt.

1. Angelic Accord


Beginnen wir wenig überraschend bei Weiß und dort mit einer Karte, die zunächst einmal gar nichts macht. Das ist natürlich schon ein ziemliches Handicap, wenn man das Spiel ein wenig ernst nimmt. Schließlich muss die Karte selbst erst einmal die in sie gesteckte Investition wieder hereinspielen und die beschränkt sich eben nicht nur auf die Manakosten. Nehmen wir als Beispiel an, wir spielen für vier Mana Angelic Accord und unser Gegner einen Hellrider, der auch gleich angreift. Das bedeutet fairerweise, wir haben beide vier Mana bezahlt. An der Stelle, wo wir im nächsten Zug beginnen können, tatsächlich etwas mit der Verzauberung anzustellen, müssen wir nicht nur die vier Schadenspunkte ausgleichen, die der Hellrider mit seinem Angriff hinbekommen hat, sondern auch noch die Kreatur selbst in den Griff bekommen. Keine leichte Aufgabe (und das ist ja nur ein Beispiel), aber durchaus nicht unmöglich.

Interessanterweise sorgt die Auslösehandlung des Lebenspunktegewinns ja schon selbst dafür, dass gerade den besonders schnellen Decks entgegengewirkt wird. Bedeutet, wenn wir Engel bekommen wollen, brauchen wir Lebenspunkte. Das passt doch. Spätestens ab Engel #2 sollte dann auch das Mana wieder drin sein und jeder weitere Engel ist ein netter Bonus.

Doch hier sind wir schon beim nächsten Problem. Lebenspunkte. Bäh! Einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zum erfolgreichen Magic-Spieler ist der, an dem man erkennt, dass Karten, die lediglich zusätzliches Leben erzeugen, meist viel, richtig viel schlechter sind, als man gemeinhin annimmt. Die Gründe dafür sind vielfältig und an anderen Stellen ausführlich diskutiert, deshalb wollen wir uns auch eher dem logischen nächsten Schritt zuwenden: Sämtliche Effekte, die Lebenspunkte addieren, werden unterschätzt. Klar, wenn man einmal erkannt hat, wo man falsch gedacht hat, neigt man dazu, allen anderen diesen Fehler ebenfalls nachweisen zu wollen. Aber auch das ist so nicht richtig. Es gibt nämlich durchaus eine Daseinsberechtigung für Lebenspunktegewinner im ernsthaften Turniergeschehen. Denkt nur mal an unseren Liebling den guten Thragtusk. Gut, der hat noch ein, zwei andere beachtliche Merkmale, aber seine fünf Bonusleben sind trotzdem wichtig.

Nachdem wir jetzt also die Basics geklärt hätten, bauen wir doch einfach mal das Deck:

Dies ist meine erste Liste an potenziellen Karten, die mehr oder weniger im Alleingang für die notwendigen vier Lebenspunkte sorgen können. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, ein paar Sachen zu kombinieren und dann kommen beispielsweise noch folgende hinzu:

Wenn man das jetzt kombiniert, sieht alles nach den Farben Grün und Weiß aus, wozu dann noch etwas Schwarz (hauptsächlich für den Blutbaron, Disciple of Bolas und Vault of the Archangel) oder Rot (Huntmaster of the Fells und natürlich Warleader's Helix) gesplasht wird. Selbst Blau böte einige Optionen, allerdings benötigt die vermutlich beste (Sphinx's Revelation) kaum noch zusätzliche Hilfe, wenn man einmal an dem Punkt angelangt ist, um sie für vier zu spielen.

Im Detail dürften Thragtusk und Trostani den Kern bilden, auf den man vermutlich ein bisschen schneller kommen will, was den Einsatz von Manaelfen vermuten lässt.


Eine andere, M14-lastigere Option könnte ein Token-Subthema sein. Trostani ist davon aus naheliegenden Gründen schnell zu begeistern und auch ansonsten gibt es mehrere Karten, die hier gut funktionieren könnten, Blood Artist mit Path of Bravery etwa.

Insgesamt würde man also ein Deck voll guter Karten bauen (was immer ein guter Ansatz ist …), die hervorragend gegen richtig schnelle Decks aufgestellt sind und somit auch einen Nichtsnutz wie Angelic Accord verkraften lassen. Der Accord wiederum wäre unglaublich gut gegen die langsameren Gegner, zumal eine Verzauberung heutzutage oft nur mit viel Mühe beseitigt werden kann.


2. Warden of Evos Isle


Schon seit längerer Zeit warten Favorable Winds auf einen Einsatz. Dank dieses Wächters könnte die Zeit endlich gekommen sein. Gegenargument könnte die Gestalt der anderen Flieger sein, die bisher hier im Einsatz waren. Diese hießen nämlich meist recht unspektakulär „Geist-Spielstein“ und entsprangen Midnight Haunting oder Lingering Souls, die vom Warden leider nicht billiger gemacht werden und darüber hinaus sogar im selben Manabereich angesiedelt sind.

Alternativ kann man auf die Masse verzichten und lieber auf Klasse setzen, soll heißen, wenn man teurere Flieger damit auf den Tisch bekommt, braucht es vermutlich kaum noch den Bonus der Winde. Den eigentlichen Vorteil bekommt man aber auch mit günstigeren Flugzeugen: Weniger Mana für sie ausgeben zu müssen, heißt auch mehr Mana offenhalten zu können. Gerade für die Blaumagier ist das dann eine schöne Sache, da Disruption in Form von Gegenzaubern oder Unsummon-Effekten doch sehr reaktiv ist und man eigentlich ständig Mana offenhaben will.


3. Dark Prophecy


Okay, das war zu offensichtlich.

Deshalb …


… das noch Offensichtlichere. Ich bin bei der Hexe ein wenig im Zwiespalt mit mir selbst. So mag ich es nicht, wenn mir mit der Holzhammermethode lustige Kombinationen vorgeschrieben werden. In diesem Fall sogar wortwörtlich. Auf der anderen Seite sind es in diesem Fall eben eine Hexe, ihr Zaubertopf und ein Tierchen, was in ebenjenen soll.


Interessanterweise halte ich zumindest zwei dieser drei Sachen tatsächlich für begrenzt spielbar, in erster Linie die Eidechse. Festering Newt blockt nämlich recht gut und stellt dadurch auf jeden Fall eine solide Karte gegen offensive Decks dar. Deren Spieler wiederum haben heutzutage erschreckend wenig Kreaturenvernichtung, besonders nach dem Sideboarden, wenn sie in Spiel 1 kaum Ziele dafür gesehen haben.

Und dann könnte auf einmal auch die Hexe ganz erfolgreich sein. Zugegeben ungefähr drei Kopien von ihr, die vier Eidechsen und ein Kessel – weil man es kann – machen schon die Hälfte des Sideboards voll, aber ist eben auch durchaus stark. Selbst einen Maindeckeinsatz möchte ich deshalb nicht ausschließen. Ja, die putzigen Tierchen sind viel schlechter, wenn man nicht angegriffen wird, dafür ist die Hexe umso stärker. Vermutlich immer noch nicht gut genug, aber Mann, drücke ich mir die Daumen, dass ich sie mal als ersten Pick im Draft haben werde …


4. Young Pyromance


Den werden wir mit Sicherheit des Öfteren sehen, aber eher selten in diesem Deck:


1 Izzet Guildgate
12 Mountain
4 Steam Vents
4 Sulfur Falls

4 Goblin Electromancer
4 Young Pyromancer


4 Battle Hymn
3 Desperate Ravings
2 Burn at the Stake
4 Thatcher Revolt
3 Reforge the Soul
2 Past in Flames
4 Krenko's Command
3 Infernal Plunge
4 Faithless Looting
2 Molten Birth


Die Idee ist, einen Haufen Idioten-Spielsteine zu erzeugen, die mit Hymne und Plunge Extramana bereitstellen. Dieses wirft man in Reforge the Soul oder Past in Flames, um noch viel mehr solcher Idioten zu bauen. Dann wieder Mana gemacht, Karten gezogen und so weiter, bis man schließlich in einer großen Scheiterhaufenverbrennung den Gegner von größeren Lebenspunktezahlen aus umpustet.

Das Deck ist jetzt schon nicht so schlecht, da es ein paar einzigartige Sachen macht. Ein Kombodeck zu sein, etwa. Gerade die diversen Decks, die eigentlich nur aus guten Karten bestehen und ansonsten keinen stringenten Plan verfolgen, sind oft nicht schnell genug, spielen gleichzeitig aber auch nicht ausreichend Disruption. Mit dem jungen Pyromantiker wird das Ganze jetzt in eine neue Dimension gehoben, weil er im Alleingang für ausreichend Tokens sorgen kann. Eventuell sogar so überzeugend, dass man diese an anderer Stelle einsparen kann, was Platz für stabilisierende Karten (etwa mehr Ravings oder Augur of Bolas) oder eigene Komboabsicherung (Dispel?) lassen würde. Für den Moment habe ich aber sogar noch einen zusätzlichen Tokenproduzenten neu integriert. Molten Birth hat immerhin zu 50% Buyback und das kann so schlecht ja nicht sein.


5. Predatory Sliver

Ja, die guten alten Sliver. Ich habe ja nie so richtig verstanden, was an denen so toll sein soll (siehe oben, Stichwort: Holzhammermethode), aber gerade im Limited fand ich es doch ziemlich spannend, dass auch die des Gegners mit Beachtung fanden. Das ist jetzt vorbei, jeder Remasuri arbeitet nur noch für seinen Meister, was sie sicher nicht schlechter macht. Der wichtigste – damals, wie heute – wird dabei natürlich der sein, der alle Kollegen verbessert und zwar für den günstigen Preis.


Die nächstbesten dürften dann der Manaweft Sliver sowie Mutavault sein. Noch sind wir hier in Monogrün, allerdings wird es wohl nicht dabei bleiben. Zwischen dem angesprochenen Manaweft Sliver, Cavern of Souls und den (noch) vorhandenen Doppelländern können wir fast alles machen, worauf wir so Lust haben. Bei mir bedeutet das hauptsächlich Domri Rade und Garruk Relentless als Planeswalker des Vertrauens, da diese mit Kreaturen interagieren. Garruk sucht uns in der geflippten Form den benötigten Sliver und Domri freut sich einfach, dass wir insgesamt viele spielen.


Ansonsten hat es sich bei solchen Decks immer bewährt, eine Kombination aus soliden und spektakulären zu spielen. Erstere sollen ohne größere Synergien funktionieren und somit das Rückgrat des Decks bilden, während Letztere beim Funktionieren des Schwarms besonders auftrumpfen. Offensichtlich geht das nur in der Naya-Farbkombination, obwohl ich nicht ausschließen will, dass so ein Galerider Sliver gut genug ist, um noch irgendwie ins Deck zu kommen.


4 Bonescythe Sliver
4 Sentinel Sliver
1 Battle Sliver
4 Blur Sliver
4 Striking Sliver
1 Thorncaster Sliver
1 Megantic Sliver
4 Predatory Sliver
4 Manaweft Sliver

3 Garruk Relentless
(Garruk, the veil-cursed)
4 Domri Rade


4 Mutavault
4 Cavern of Souls
4 Stomping Ground
4 Sacred Foundry
4 Temple Garden
2 Rootbound Crag


Das lässt jetzt noch Platz für vier weitere Karten. Erste Option wäre wohl Hive Stirrings, allerdings denke ich, dass ein schnöder Manaelf vielleicht am Ende doch mehr wert sein könnte. Zumal diese auch besser mit dem guten Domri zusammenarbeiten würden und das Mana eben sowohl stabilisieren, als auch beschleunigen könnten.


6. Trading Post

Dass es Trading Post als Reprint auf diese Liste schafft, zeigt schon, was diese Karte ist: Der wahrgewordene feuchte Traum eines jeden übereifrigen Deckbauers. Ihre Turniertauglichkeit hat sie beim ersten Auftritt ja schon nachgewiesen. Leider fehlen momentan vermutlich so ein wenig die passenden Artefakte, aber das kann ja in den kommenden Monaten noch kommen.

Deshalb hier noch kurz ein anderes Artefakt:


Dieses ist zunächst einmal superbillig, was immer der richtige Ansatz ist. Dann hier mal eine Auswahl an Karten, die damit harmonieren:

Deadbridge Chant
Oblivion Ring
Blood Artist
.
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jede verdammte Kreatur mit einem Enter- oder Leaves-the-Battlefield-Trigger …

Also: Thragtusk, Prime Speaker Zegana, Elvish Visionary, Borderland Ranger, Zealous Conscripts, Augur of Bolas, Acidic Slime, Centaur Healer … and the list goes on.

Wo habe ich nur all meine Conjurer's Closets …?

An dieser Stelle hört es noch lange nicht auf, besonders wenn man in die älteren Editionen schaut. Ich befürchte beinahe, da gibt es noch die eine oder andere Kombination, die richtig gefährlich wird. Aber auch so ist das Potenzial gewaltig. Und das alles für nur zwei Mana. Dafür nimmt man es doch gern in Kauf, dass auch diese Karte zunächst einmal … nichts macht.

In diesem Sinne,
viel Freude beim Prerelease!
Der MiDi
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