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Community #5: Die feine Trennlinie zwischen Trash-Talk und unsportlichem Verhalten von Jörg "Llan" Rings |
26.11.2002 |
Was impliziert die Überschrift? Zunächst, und am wichtigsten finde ich doch das Wort „Trennlinie“.
Was ist eine Trennlinie? Nun, ein Unterscheidungskriterium das es eindeutig erlaubt zwei Bereiche voneinander zu trennen. Was sind diese beiden Bereiche? Auf der einen Seite Trash-Talk und auf der anderen Seite unsportliches Verhalten? Ich denke nicht.
Meiner Meinung nach gibt es die beiden Bereiche „unsportliches Verhalten“ und „sarkastische Bemerkungen“. Trash-Talk schneidet beide Bereiche, vielleicht sogar mit einer Schnittmenge und einem deutlichen Überhang ins Unsportliche.
Man stelle sich vor: Schachweltmeisterschaft, Anand – Kasparow. Runde 4. Anand versucht sich in ein Remis zu retten. Kasparow guckt in an und sagt: „Das ist ja mal oberbillig du Feigling!“. Ist das vorstellbar?
Fußballbundesliga. Olli Kahn, Held aller Deutschen unter IQ 100 und auch vieler über, rastet mal wieder aus und kackt einen Stürmer an der es wagt ihm nahe zu kommen. Beim Fußball passiert so was. Hohe Konzentration ist gefragt. Trotzdem ist körperlicher Einsatz auf höchstem Niveau gefragt, ständige Anspannung kann sich schon mal entladen. Wenns zu toll wird kommt der Schiedsrichter mit bunten Pappkärtchen...
...die bei „uns“ ja schon die Spieler dabei haben...
Welche dieser beiden Situationen trifft eher auf ein Magicspiel zu? Körperlicher Einsatz oder der Denkeinsatz? Wohl zweifelsohne das zweite. Kann es also sein dass sich aufgebaute körperliche Spannung in unsportlichen Kommentaren entlädt? Nein, wohl kaum...
Wir sollten uns wohl auch den Begriff „unsportlich“ näher ansehen. Zerlegen wir ihn einmal: „sportlich“. Was ist sportlich? Nun, erinnern wir uns an den Olympischen Gedanken: Dabei sein ist alles! Stimmt so natürlich nicht, oder wie Kamahl sagt, we don't come to play we come to win! Aber das was ganz unten steht, das steckt in diesem Gedanken. Im Grunde ist Sport, und ja, Magic zählt hier für mich als Sport in der Grundidee eines anspruchsvollen Spiels, nur eine erweiterte Form der gemeinsamen Beschäftigung, die durch zusätzliche Anreize wie Gewinne zur intensiveren Beschäftigung einlädt. Aber es bleibt eine gemeinsame Beschäftigung. Hat jemand „A Beautiful Mind“ gesehen? Nicht? Dann schnell tun. Für die die es nicht mehr genau wissen, das hat der Mathematiker John Nash entwickelt:
Es geht um das sogenannte „Nash-Gleichgewicht“. Nash sucht nach einer Beschreibung, die ausdrückt was der optimale Gewinn für eine Gruppe in einem nichtkooperativen Spiel ist. Im Film erhält er seine Inspiration in einer genialen Szene: Nash und einige Freunde, alle Studenten, sitzen in einer Bar. Seine Freunde trinken, er sitzt über Stapeln von Papier. Plötzlich betritt eine Gruppe ansprechender Frauen die Kneipe, allen voran eine wunderschöne Blondine. Und seine Freunde (die alten Trashtalker...) fangen sofort an, etwas von Adam Smith (Wirtschaftspionier aus der Industrialisierung ) zu zitieren: Auf geht's, jeder macht das was für ihn am besten ist. Da hat Nash seine Eingebung. Er widerspricht seinen Freunden. Smith hat Unrecht. Wenn er jetzt aufstünde, und sich die Blondine schnappe, dann gingen seine Freunde wohl leer aus, denn wenn sie die übrigen Damen ansprechen lehnen diese ab. Sie wollen nicht die zweite Wahl sein. Wenn sie jetzt aber alle hingingen, und sich jeder Frau außer der Blondine widmen würden, dann würde jeder eine abbekommen. Keiner hätte die vermeintliche beste Frau bekommen, aber für die Gruppe sei der Gewinn maximal.
Ist das nicht auch der Sinn eines Spiel? Den Gewinn für die Gruppe maximieren? Dem widerspricht das individuelle Streben natürlich etwas, aber nichtsdestotrotz kann man beide verbinden. Man kann fair gewinnen. Man kann seinen Gegner fair besiegen. Man braucht keine Kommentare abzulassen, die die Luft verdicken...
Oh, es gibt Leute die haben mehr Glück als andere, aber ehrlich muss man sagen dass wir doch alle statistisch gesehen uns immer ausmitteln. Leider freuen wir uns weniger wenn der Gegner screwed ist als wir uns ärgern wenn wir es sind...aber müssen wir auch noch unserm Gegner sein bisschen Freude vergällen?
Überlegen wir uns den Rest des Wortes. „un“. Verneinend. Das Gegenteil dessen, was wir uns bei sportlich gesammelt haben. Man kann auch sagen, alles was ein Ungleichgewicht bringt zwischen gesammeltem Glück und Pech. Oder zwischen Können und Unvermögen. Oder zwischen Gewinn und Verlust.
„Verhalten“. Wir verhalten uns. Man kann sich nur verhalten. Verhalten ist immer aktiv. Man kann nicht „verhalten werden“. Einer muss es also Schuld sein. Einer, der das Gleichgewicht stört.
Wir wollen also eine Trennlinie, also gut, die Trennlinie ist da wo wir den Sarkasmus verlassen und in die Schnittmenge hineingehen.
Ich verwende bewusst „Sarkasmus“. Es sind mitunter witzige Sprüche. Ich muss immer grinsen, wenn ich Rene Kraft (verzeihe mir fehlende accents, Rene) beim Spielen zusehe. Da kommen ständig Sprüche geflogen wie „Das ist ja oberbillig!“ aber sie sind witzig. Und jeder merkt dass sie witzig gemeint sind. Rene ist ein Sarkast, pur, nicht unsportlich. Aber wenn ich so eine Bemerkung mache, weiß ich dann dass mein Gegner sie kapiert? Sicher ist es nicht, bestimmt nicht. „Die besten Absichten haben die schlimmsten Folgen“ Auch so ein Zitat, Terry Goodkind, irgendsoein Gesetz der Magie aus der Buchreihe mit dem Schwert der Wahrheit oder so...
Jeder Kommentar, jede Andeutung, die als lustig gemeint war, kann plötzlich umschlagen. Und – das macht sie unsportlich – das Gleichgewicht umkippen.
Schlimmer noch, leere Worthülsen, dahingeworfen weil irgendein Kölner (oder Münchner oder Hamburger) jetzt auch immer den Spruch lässt, können oft viel schlimmer sein. Magic-Lingua ist zwar so, und nach zwei Turniertagen rede ich auch immer seltsam, aber doch nur mit den Leuten die ich kenne.
Und da sind wir am Brennpunkt angelangt. Leute die mich kennen, die wissen was ich meine. Hier kann ich meine doofen Sprüche lassen, das steigert als Wohlbefinden der Gruppe, und wir nähern uns dem Gleichgewicht. Aber Fremde, da sollte ich vorsichtig sein. Sportliches Verhalten ist es, sich fair zurückzuhalten und erst einmal herauszufinden, auf welcher Frequenz man denn miteinander umgehen will. Aus irgendwelchen Gründen, wahrscheinlich weil wir alle sehr jung sind und wir Jungen uns heute eh kaum noch Gedanken machen, ist beim Magic der Gedanke der Sportlichkeit verloren gegangen.
Wenn wir Magicspieler irgendwann einmal als „Sportler“ oder „Leistungsspieler“ angesehen werden wollen, sollten wir uns auch vielleicht einmal dessen bewusst werden, dass wir uns auch als solche verhalten müssen.
Meine Damen und Herren, ich danke ihnen höflich für ihre geschätzte Aufmerksamkeit. Und jetzt gayT was schaffen, ihr Fritten!
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