Jede Spoiler-Saison müssen Wizards of the Coast einen ziemlichen Spagat hinlegen. Kartenvorschauen sollen möglichst jedem Teil der Spielerschaft den Mund für die neue Edition wässrig machen. Turnierspieler wollen möglichst effektive Karten sehen und Commander-Aficionados interessieren für die großen globalen Effekte (und nicht – wie oft ein wenig abfällig behauptet wird – für alles, was zu schlecht für Standard ist). Drafter saugen die Commons auf wie Schwämme und bauen schon Pickreihenfolgen, wenn nur zwei von ihnen bekannt sind. Und ich? Bin von allem ein bisschen. Aber am heftigsten fängt mein Herz an zu pochen, wenn die mittlerweile obligatorischen Multicolor-Uncommons eines Sets veröffentlicht werden. Der Grund dafür heißt Pauper-Commander und ist ein Format, das mir über die letzten Jahre an besagtes pochendes Herz gewachsen ist. (Notiz an mich selbst: Vielleicht sollte ich mal meine Cholesterinwerte checken lassen.)
Bei Pauper-Commander handelt es sich um eine im Powerlevel stark unter 9000 geschraubte Variante des klassischen, von Wizards offiziell unterstützten Formats. Wer es nach Erklärung der Unterschiede allerdings Billigversion nennt, wird von mir sofort seines japanischen, gefoilten, aus Kaladeshs Meisterwerken gebauten Platzes verwiesen. Das Gründgerüst bleibt gleich: Man baut sich ein Deck aus 99 Karten und hat in der Kommandozone eine Kreatur als General an seiner Seite, die man spielen kann, als ob sie sich auf der Hand befände. Stirbt der General, kann man ihn zurück in seine Zone schicken und beim nächsten Mal um zwei Mana verteuert wirken. Die Farben des Generals bestimmen außerdem, welche Farben das Deck haben kann. Im Pauper-Commander ist der General allerdings keine weltenbezwingende, planesweit bekannte Legende (ihr wisst schon,
wie Norin oder so), sondern eine Uncommon-Kreatur. Keine Uncommon-Legende, sondern irgendeine Kreatur mit silbernem Raritätssymbol. Wobei ein Format, in dem
Hunding Gjornersen,
Chandler und
Nagao, Bound by Honor epische Schlachten ausfechten, einen nicht von der Hand zu weisenden Charme hat. Stattdessen könnt ihr
Restoration Gearsmith,
Gelectrode oder
Ignoble Soldier in Ränge befördern, an deren Verantwortung sie wachsen sollen.
Der General ist also eine Uncommon. Das Deck selbst legt noch eine Schippe drunter und darf nur aus Commons bestehen. Die Definition einer Common ist allerdings ein bisschen durchwachsen. Unsere Gruppe hat die stille Vereinbarung getroffen, dass alles, was in physischer Form als Common gedruckt wurde, spielbar ist. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, den Commonstatus zu handhaben. Beispielsweise kann man digitale Sets miteinbeziehen, was zum Beispiel
Battle Screech zum gemeinen Pöbel gehören ließe. Gehören eurer Gruppe Spieler an, die noch nicht so lange
Magic spielen und über kein arkanes Wissen über die lang vergangene Zeit verfügen, als Karten noch keinen farbigen Raritätsindikator hatten, empfiehlt es sich, erst Editionen ab
Exodus zuzulassen. So muss man nicht bei jedem einzelnen zweifelhaften Fall nachschlagen und Leute davon überzeugen, dass
Rolling Thunder und
Capsize tatsächlich mal Commons waren.
Okay, alles wurde also raritätsmäßig heruntergeschraubt. Lasst euch aber dadurch nicht zu der Annahme verleiten, dass ihr hier ein Format vorgesetzt bekommt, dem es beim Deckbau und Spielen an strategischer Tiefe mangelt. Stimmt, die großen Effekte, die den kompletten Tisch wegfegen, fehlen hier. Die Götter sind allgemein weniger zornig und beschränken sich auf
Evincar's Justice oder den eben schon erwähnten
Rolling Thunder. Dafür findet ihr im normalen Spielverlauf auch eher selten Bedrohungen, die euch mit einem Schlag das Licht auspusten. (
Ulamog's Crusher ist so ziemlich der größte Brecher, der euch begegnen wird.) Siege in Pauper-Commander geschehen eher schleichend, kumulativ und selten mit einer einzelnen großen Geste. Nichtsdestotrotz verfügen einige Generäle durchaus über die Fähigkeit, unbeantwortet das Spiel fast so eindeutig zu dominieren wie ihre großen Brüder und Schwestern. Auch sie können abstruse Situationen herbeiführen, wenn man sie nur vor sich hinwerkeln lässt. Eventuell zeige ich euch in einem späteren Artikel mal ein paar Decks mit diesen Anführern. Generäle müssen auch nicht immer mehrfarbig sein, obwohl mich meine Gier selten davon abbringt. Ich muss gestehen, dass unsere Runde durchaus schon von
Phalanx Leader im Alleingang bezwungen wurde.
Ein weiterer großer Vorteil von Pauper-Commander ist die niedrige, niedrige, niedrige Einstiegsbarriere. So gut wie jeder Spieler, der von dem Format hört, kann sich schnell ein Deck zusammenbauen und selbst bei einem nicht so tiefen Kartenpool gut mitspielen. Klar, auch in Pauper-Commander gibt es All-Stars und Karten, die einfach besser sind als andere. Aber der Unterschied zwischen den besten und schlechtesten ist einfach viel geringer als in Formaten, in denen mit voller Wumme gebrummt wird. Der simple Weg, schnell einen ganzen Laden mit dem Pauper-Commander-Virus anzustecken, ist, immer mehrere Decks dabeizuhaben und anderen eines zu leihen. Und in kaum einem Format ist es so leicht, mehrere gute Decks zu bauen.
Als Beispiel zeige ich euch einfach mal meinen von
Sultai Soothsayer kommandierten Haufen, der demonstriert, wie vielschichtig dieses Format ist. Die Liste ist leider nicht eins zu eins das, was sich gerade eingehüllt in meiner Deckbox befindet, weil ich diesen Artikel aus dem Weihnachtsurlaub schreibe und kartenlos reise. Aber ich bin ja wie ein Elefant. Und ein gutes Gedächtnis habe ich auch. Und das Ziel dieser Lektion soll ja eh nicht sein, eine genau zu kopierende Deckliste vorzulegen, sondern euch das Format schmackhaft zu machen.
Commander: Sultai Soothsayer
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| Æthersnipe Mulldrifter Krosan Tusker Gravedigger Pit Keeper Spore Frog Yavimaya Elder Cartographer Tilling Treefolk Ulamog's Crusher Civic Wayfinder Gurmag Angler Blastoderm Undertaker Sakura-Tribe Elder Liliana's Specter Stinkweed Imp Twisted Abomination Wickerbough Elder Wretched Gryff Merfolk Looter Thought Courier Heartstabber Mosquito Cadaver Imp Undergrowth Scavenger Archaeomancer Mnemonic Wall Coiling Oracle Jungle Weaver Eldrazi Skyspawner Dimir House Guard Golgari Rotwurm Kozilek's Predator Bloodbriar Primal Druid
| | Altar's Reap Bone Splinters Deep Analysis Dark Banishing Grim Harvest Grisly Salvage Counterspell Death Denied Doom Blade Murder Mystical Teachings Dimir Signet Simic Signet Golgari Signet Vessel of Nascency Soul Manipulation Treasure Cruise Forbidden Alchemy Ghostly Flicker Urborg Uprising Naturalize Repulse Macabre Waltz Grapple with the Past Pulse of Murasa Mulch
| | Command Tower Ash Barrens Barren Moor Lonely Sandbar Polluted Mire Remote Isle Slippery Karst Tranquil Thicket Bojuka Bog Dimir Aqueduct Dimir Guildgate Dismal Backwater Evolving Wilds Terramorphic Expanse Golgari Guildgate Golgari Rot Farm Jungle Hollow Khalni Garden Simic Growth Chamber Simic Guildgate Thornwood Falls 5 Swamp 6 Forest 5 Island
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Auch wenn ich bestimmt die Hälfte der Karten vergessen habe, sollte klar sein, wohin die Reise mit dem Herzblatthaubschruber geht: Ihr werdet unendlich viel Zeit im wunderschönen Durdlehausen verbringen und euch auf dem Weg ins Nirgendwo einfach mal treiben lassen. Sehenswürdigkeiten sind der große Friedhof und das effektivste Recycling-Center der Region.
Die Liste macht ganz gut von dem Umstand Gebrauch, dass die durchschnittliche Common-Kreatur keine große Bedrohung darstellt und man sich im Spielaufbau in der Regel etwas mehr Zeit lassen kann als in Formaten, die von effektivem Manaramp und riesigen Heudreschern (das ist die Übersetzung von Haymaker, richtig?) geprägt sind. Das Spiel, das meine Liebe zu diesem Deck gefestigt hat, beinhaltete das siebzehnfache Umwandeln von
Krosan Tusker. Hätte ich jeweils auch etwas Substanzielleres mit meinem Zug anstellen können? Bestimmt. Aber warum? (Anmerkung: Diese Runde hat übrigens
Phalanx Leader gewonnen.)
Mangelerscheinungen hat das Deck dann allerdings im Bereich des aktiven Gewinnens. Meistens hoffe ich, das große Mehrspielerscharmützel zu überleben und dann den anderen letzten stehenden Spieler unter einem Berg an Kartenvorteil zu begraben. Wollt ihr euer Schicksal selbst in der Hand haben, baut euch ein Deck, welches gegnerische Defensiven mit Fliegern oder anderweitig schwer bis unblockbaren Kreaturen umgeht oder wiederholt Gesichter an- und letztendlich wegbrennt. Anregungen aus meiner und der Waffenkammer meiner Freunde:
| Sigil Captain macht kleine Leute groß und kann besonders mit Sprout Swarm schnell eskalieren.
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| Rhox War Monk wirbelt nicht nur liebend gern mit Pfannkuchen, sondern auch diversen Auren durch die Gegend.
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| Spellheart Chimera ziegt euren Gegnern, wo der Vogel die Hörner hat. Irgendwann ist das Spiel an dem Punkt angelangt, wo die Chimäre andere mit einem Schlag erledigt und niemand mehr Removal übrig hat.
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| Gilder Bairn knirpst auch zügig anderen das Licht aus, wenn alles gut läuft. Wizards haben mittlerweile auch auf Common-Ebene genug +1/+1-Marken-Karten gedruckt (Graft und Evolve zum Beispiel), dass ihr mehr als genug Spielzeuge für ein Deck finden solltet.
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| Vizkopa Guildmage ist ein General, an dem ich schon öfter gescheitert bin und am Ende nie so richtig verstanden habe, wie die Situation so eskalieren konnte. Seine zweite Fähigkeit, die natürlich auch noch so formuliert ist, dass sie alle Mitspieler betrifft, kann zu maximal tödlichen Spielzügen führen.
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Wenn ich euer Interesse geweckt habe, freut mich das ungemein. Probiert Pauper-Commander einfach mal ungezwungen aus. Die Investition ist niedrig und der mögliche Spielspaß-Profit winkt mit exorbitanten Renditen!