...hmmm, hatte ich gesagt, der nächste Teil soll noch in diesem Jahr erscheinen? Dann muss ich mich ja wohl beeilen
An dieser Stelle gleich NOCH ein Nachtrag zum Kapitel First Pick (Diesmal ist mir alleine aufgefallen, dass ich da etwas vergessen habe ): Wenn man mehrere ungefähr gleich starke Optionen zur Verfügung hat, und eine davon ist ein ARTEFAKT (um genau zu sein - denn darauf kommt es an - eine Karte, die einen noch auf keine Farbe oder Draftstrategie festlegt!), dann ist es sicherlich sinnvoll, diese zu nehmen: Man verschenkt in keinem Fall seinen First Pick und kann in aller Ruhe abwarten, wie sich die nächsten Booster darstellen. Zu späteren Zeitpunkten allerdings sollte man sich bei einer vergleichbaren Situation genau überlegen, ob man seine Entscheidungen noch weiter hinauszögert, oder ob es nicht an der Zeit wäre, im wahrsten Sinne des Wortes Farbe zu bekennen!
Zeit für Signale
Nachdem ich nun die ersten beiden Bosster eines Drafts besprochen habe, kommen wir nun zur entscheidenden Phase des Drafts: Dem dritten bis ca. sechsten Booster. Hier nämlich befinden wir uns in der Phase, in der die meisten wirklichen Signale gegeben und empfangen werden können!
Wie bereits angesprochen, ist zum Beispiel ein 2nd Pick Centaur Glade vielleicht ein Signal, vielleicht aber auch nicht. Ein 3rd Pick Glade hingegen ist es bereits mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit! Dem dritten Booster kommt daher nochmals eine besondere Bedeutung zu, als die erste Gelegenheit für einigermaßen klare Signale. Solche Signale kann man allerdings nur erwarten, wenn der Vordermann sich bereits entschieden hat, eine bestimmte Farbe NICHT zu nehmen - eine Entscheidung die, wie wir gesehen haben, zu diesem Zeitpunkt äußerst früh und auf der Basis nur weniger verfügbarer Informationen getroffen worden wäre - ein Risiko, das man eben nur eingeht, wenn man bereits zwei starke Picks in einer Farbe hat (und vermutlich hofft, dass der zweite Pick bereits ein Signal war). Gerade WEIL aber ein solches Signal bereits im dritten Pick für den Vordermann eine erhebliche Investition darstellt, sollte man sich dann auch darauf verlassen können, dass er es beachtet - welchen Sinn hat es denn, einen Centaur Glade als zweiten Pick zu verschmähen und den Hintermann damit unmissverständlich auf Grün zu schicken, wenn man dann doch noch in diese Farbe wechselt, in der man in der gesamten zweiten Boosterrunde nur zweitklassige Picks erhalten wird?
Wer also das Glück hat, ein klares Signal als dritten Pick zu erhalten, der sollte es auch beherzigen! Es ist schließlich sehr unwahrscheinlich, dass man sich selbst bereits GEGEN diese Farbe entschieden hat (obwohl es möglich ist, z.B. weil man sie SELBST signalisiert hat, oder weil man sich bereits bombenfest für eine Farbe entschieden hat, die nicht dazu passt - das ist dann Pech!)
Wie immer steht und fällt auch in dieser Situation das gesamte System der Signalgebung damit, ob man mit seinen Nachbarn einigermaßen genau in der Einschätzung der Kartenstärken übereinstimmt! Da im nunmehr bereits vierten Teil dieser Artikelserie möglicherweise in Vergessenheit geraten ist, warum diese den etwas abschreckenden Titel "Booster-Draft für FORTGESCHRITTENE" trägt, hier noch einmal der Hinweis: Die Fähigkeit, die relative Spielstärke der Karten einigermaßen richtig einzuschätzen, ist Grundvoraussetzung für alle hier beschriebenen Überlegungen. Wer die hier benutzten Vergleiche zwischen Karten nicht nachvollziehen kann oder gar noch die Namen einiger Commons nachschlagen muss, der wird mit dieser Artikelreihe leider nicht allzu viel anfangen können.
Entscheidungen
Wenn der vierte bis sechste Booster eintrifft, dann ist man endgültig in der "heißen" Phase des Drafts. Bei gelungenen Drafts stellt man hier bereits alle Weichen für den restlichen Draftverlauf, so dass die restlichen Picks nur noch aus dem Herauspicken der besten bzw. nützlichsten Karte für das eigene Deck besteht, sowie vielleicht dem gelegentlichen Hatepick. Leider gelingen auch den besten Draftern bei weitem nicht alle Drafts, so dass oft Entscheidungen verschoben oder sogar umgestoßen werden müssen, aber im "Normalfall" legt man sich bei diesen Picks fest.
Dabei geht es darum, seine beiden Farben endgültig zu festigen, indem man eben Karten aus diesen Farben draftet und Karten aus anderen Farben durchlässt! Was in der Theorie so einfach klingt, kann in der Praxis manchmal heikel werden: Wenn z.B. eine Farbe, die man gerade als für sich frei eingestuft hat, in einem Booster nur noch schwach vorhanden ist - ist dies einfach nur das Resultat eines unausgewogenen Boosters oder ein Warnsignal, dass diese Farbe vor einem doch stärker gedraftet wird, als man vermutet hat? Und wenn man zu der Auffassung gelangt, das Letzteres der Fall ist - wie reagiert man? Kann man die Farbe noch verlassen? MUSS man es? Welche Farbe nimmt man stattdessen? Welche Konsequenzen hat das für die Hinterleute, denen man ja auch bereits Farben signalisiert hat?
Hier helfen nur viel Drafterfahrung und schlicht und einfach auch manchmal Intuition, den Draft zu lesen. Man kann an dieser Stelle zwei Kardinalfehler begehen (und der Versuch, den einen zu vermeiden, kann einen in den anderen treiben!):
Erstens halten viele Drafter zu lange und zu beharrlich an einer Farbe fest, in der sie ein oder zwei gute frühe Picks bekommen haben, auch wenn diese Farbe schnell versiegt. Es zahlt sich meistens nicht aus, seine beiden First Picks spielen zu können, wenn man dafür in Kauf nimmt, in zwei von drei Boosterrunden hinter einer Ansammlung von Draftern dieser Farbe zu sitzen und keine ordentlichen Picks mehr zu erhalten.
Zweitens wechseln viele Drafter viel zu schnell und panikartig die Farbe, wenn einmal in einem etwas schwächeren Booster nichts Besonderes für sie vorhanden ist, oder eine herausstechende Karte in einer bislang verschmähten Farbe lockt...
Damned if you do and damned if you don't Hey, niemand hat behauptet, dass Draften EINFACH sei!
Strategien
Einfache Faustregeln für die riesige Vielzahl von Draftsituationen kann man nicht geben - da hilft nur Üben, Üben, Üben (und NACHDENKEN über die Entscheidungen, die man trifft!). Zwei mögliche Strategien will ich allerdings trotzdem beschreiben:
1. Man nimmt früh Karten aus einer Farbe und schneidet diese Farbe kompromisslos ab, auch wenn man in den mittleren Picks der ersten Boosterrunde dafür auf etwas bessere Karten in anderen Farben verzichten mus (die nutzt man dann gleich als Signale an den Hintermann, um die Chance zu erhöhen, dass man in der zweiten Boosterrunde mehr Karten in den eigenen Farben erhält). Ab ca. der Mitte des ersten Picks stellt man fest, welche Farbe von vorne am ehesten als frei signalisiert worden ist, und entscheidet sich für diese als Zweitfarbe (möglichst keine, die man allzu klar nach hinten signalisiert hat...). Auf diese Art erhält man in der ersten Farbe gute Karten in der zweiten Boosterrunde und kann seine frühen Picks spielen, während man in der dritten Runde hoffentlich Nutznießer der unterdrafteten Farbe von vorne ist.
Diese aktive Strategie greift dann am besten, wenn man wirklich sehr starke frühe Picks hat (wie z.B. die berüchtigte Visara), wenn die zuerst gewählte Farbe von vorne nicht allzu früh versiegt (im Idealfall gibt es immer genau einen ordentlichen Pick in dieser Farbe, so dass man sie nach hinten komplett abschneiden kann), wenn die Erstfarbe von links besonders stark ist (Schwarz in Torment ist ein Extrem-Beispiel, aber auch in anderen Editionen hat es schon unterschiedlich starke Farben gegeben), und wenn die Zweitfarbe von rechts besonders stark ist (Grün in Judgment z.B.). Alles auf einmal ist natürlich ein bisschen viel verlangt, aber an diesen Punkten muss man sich orientieren, wenn man sich für diese Strategie entscheidet.
2. Man nimmt aus den ersten drei, vier Boostern jeweils die beste Karte, auch in der Hoffnung, dass da bereits Signale darunter sind (wobei man trotzdem nach Möglichkeit bereits auf Blockbildung achtet, um die Anzahl der verschenkten Picks zu minimieren), und entscheidet sich dann während der nächsten Booster, welche Farben denn nun am ehesten unterdraftet sind und konzentriert sich auf diese. Ab dem Punkt, an dem man diese Entscheidungen getroffen hat - und es gilt natürlich, je früher, desto besser! - nimmt man dann kompromisslos diese beiden Farben, um den Hintermann, dem man ja keine klaren Siganle geben konnte, sanft in die übriggebliebenen Farben zu geleiten. Meistens wird es bei dieser Strategie nicht gelingen, nach hinten eine Farbe zuzumachen, so dass die zweite Boosterrunde nicht übermäßig günstig ausfällt, aber dafür wird man hoffentlich in der dritten Boosterrunde dafür belohnt, dass man erkannt hat, welche beiden Farben vor einem am wenigsten gedraftet werden.
Diese passive Strategie ist der "Default", wenn die ersten Booster keine klaren Entscheidungen präsentiert haben und funktioniert am besten in Editionen mit relativ "tiefem" Kartenpool (das heißt, einem hohen Anteil an spielbaren Karten), in denen man auch noch bei etwas späteren Picks ordentliche Karten erwarten kann
Wenn Ihr jetzt mit Strategie 1) oder 2) in einen Draft geht......dann habt Ihr nix verstanden In einen Rochester Draft kann man vielleicht mit der Intention gehen, aktiv oder passiv aufzutreten - im Booster-Draft hingegen muss man flexibel auf die Gegebenheiten der Packs reagieren. Außerdem sind diese beiden Strategien Modelle, mehr nicht. Reale Drafts werden oft irgendwo dazwischen fallen.
Nachzügler
Sowohl bei Strategie 1) als auch Strategie 2) (und natürlich auch allen Fällen dazwischen) kann es passieren, dass man am Ende des ersten Boosters erst eine Farbe eindeutig festgelegt hat (wenn man nicht einmal eine Farbe hat, dann sollte man vielleicht besser unter irgendeinem Vorwand panikartig den Draft verlassen ): Man ist mit dem Abschneiden der Erstfarbe so lange beschäftigt, dass man gar nicht nehr dazu kommt, ordentliche Picks in einer zweiten Farbe zu erhalten (bzw. man musste, um die Erstfarbe kompromisslos abzuschneiden eine signalisierte Farbe so lange durchlassen, dass man sie selbst zu klar nach hinten signalisiert hat), oder man hat mit Erfolg eine Farbe als unterdraftet erkannt und die überdurchschnittlich guten Picks darin abgeerntet, hat aber noch mehrere Optionen, was die Zweitfarbe angeht.
Wie man diese Zweitfarbe ermittelt, ist eigentlich klar: Wenn man in der zweiten Booterrunde eine zweite Farbe auf dem Präentierteller bekommt (und das ist ja möglich, da man ja jetzt ganz andere Drafter vor sich hat), dann nimmt man sie halt. Wenn nicht, muss man eben gegebenenfalls in zwei in Frage kommenden Farben ergänzende Picks zur Erstfarbe machen und die endgültige Entscheidung bis zur dritten Boosterrunde vertagen, in der eigentlich einigermaßen klare Signale gegeben werden sollten, da ja die anderen Drafter vermutlich ihre Farben bereits haben. Das ist keine optimale Sitaution, wenn man aber in seiner Erstfarbe das Glück hat, sowohl von vorne als auch von hinten keine starke Konkurrenz zu haben, dann kann das immer noch ein sehr gutes Deck werden.
Ich will hier aber weniger auf den Fall eingehen, dass man selbst in so einer Situation ist - da geriete ich schnell vom Hundertsten ins Tausendste (Gerade im Odyssey-Block mit seiner unausgewogenen Farbverteilung sind solche Situationen sehr häufig gewesen...) Viel wichtiger ist es mir hier einfach darauf hinzuweisen, dass Eure NACHBARN (insbesondere Euer Hintermann) in so einer Situation sein könnten! Die Konsequenz scheint vielen Draftern nicht klar zu sein: Wenn man gegen Ende des ersten Drafts in einem Pack keine spielbare Karte mehr für die eigenen Farben findet, aber noch eine in einer anderen Farbe, DANN LÄSST MAN SIE DARIN UND MACHT KEINEN HATEPICK! Würden diese Birthlore Rangers in einem gegnerischen Deck denn wirklich so schlimm sein, oder dieser Nosy Goblin? Und
selbst WENN sie tatsächlich dem gegnerischen Deck noch helfen (z.B. für sein Tribal Theme), dann muss man auf diesen Gegner überhaupt erst einmal treffen! Demgegenüber steht die durchaus realistische Möglichkeit, dass der Hintermann sich noch nicht für eine zweite Farbe entschieden hat, und für jede Orientierungshilfe dankbar ist. Ihm dann einen 12. Pick Birthlore Rangers und eine 13. Pick Crown of Vigor durchzulassen (keine starken, aber spielbare Karten, die sooo spät eigentlich auch nicht mehr zu erwarten sind) ist sicherlich eine sinnvolle Investition, damit er nicht aus Versehen in der zweiten Boosterrunde auf eine unserer Farben als Zweitfarbe geht! Da heißt natürlich nicht, dass man nicht den Fever Charm herausnimmt, wenn man selbst Wizards draftet. Aber wenn die Karte einem nicht allzusehr schadet, FINGER WEG!
Spätestens gegen Ende des dritten Boosters natürlich gibt es keinerlei Grund mehr, NICHT einen sinnvollen Hatepick zu machen, aber im ersten Booster handelt man oft gegen seine eigenen Interessen.
Und die Tribes wieder
Ich habe in dem einen oder anderen Kommentar gelesen, dass ich nicht genügend auf das Tribal Theme als Entscheidungshilfe im Onslaught-Draft eingegangen sei. Leute, dazu war es noch VIEL zu früh! Die bisherigen Teile befassten sich mit Überlegungen zum ersten und zweiten Pick - wie soll man denn da bereits Stämme draften? Selbst in diesem Artikel haben die Tribes noch nichts zu suchen, da es immer noch um das grundlegende Thema Farbwahl ging, das absoluten Vorrang vor der Wahl eines Stammes hat! Eigentlich will ich Tribes in dieser Reihe auch gar nicht weiter behandeln - klar, dass man auf Synergie zwischen verschiedenen Tribal-Karten in seinem Deck achtet. Das ist aber im Prinzip nichts anderes als dass, was ich im ersten Teil bereits angesprochen hatte: Man draftet nicht notwendigerweise die absolut "stärkste" Karte, sondern diejenige, die am besten ins Deck passt. Damit stehen Erwägungen zu Stämmen neben Überlegungen wie Manakurve, Manafarbverteilung, Defensive, Gewinnbedingungen, kleinen Kombos etc...
Diese Artikelserie wird auch so lang genug, also will ich diese Themen nicht noch einmal aufgreifen und vertiefen (ich wüsste jetzt auf Anhieb auch nicht, wie ich das machen könnte ohne mich in Einzelfallbeschreibungen zu verlieren). Der nächste Teil ist auch als der LETZTE geplant (wenn ich nicht feststelle, dass er doch wieder zu lang wird ), und wird sich mit den Themen Trouble-Shooting und Hatepicks befassen.
Bis dahin guten Rutsch!
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