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Wir bauen ein Rogue Deck
von Ferdinand "McJoka" Reinsch
07.01.2004

Dieser Artikel soll das „Phänomen Rogue-Deck“ näher beleuchten sowie Tipps zum Bauen solcher Decks geben.

Jeder halb-Scrub, der sich einen länger aktiven Turnierspieler nennt, kennt es: ein wichtiges constructed-Turnier steht an, das Metagame steht mehr oder minder fest. Was dann kommt ist auch Routine: Testen, Tier1 a) gegen Tier1 b), Tier1 b) gegen Tier1 c), der kurze Blick: gibt es irgendein vielversprechendes Rogue-Deck im Netz? Hmm, die sehn alle wie ziemliche Haufen aus, nee, bevor man etwas riskiert lieber die zementierten Tier1-Listen kopieren, noch 4-8 Karten variieren nach Metagame-Erwartungen und
Los geht's. Auch das kann eine Menge Arbeit machen. Helfen tun zum Glück die vielen Artikel der Pros, die sich natürlich hauptsächlich um die Tier1-Decks drehen. Wenn dann mal ein verrückteres Deck erscheint, kommt oft gleich der Blick auf den Autor: „Klaus Klitzekleinski??! Deckliste noch nie gesehen? Nächster bitte!“

Das ist genau das richtige Verhalten, wenn man, sagen wir, noch 2-3 Wochen Vorbereitungszeit bis zum Turnier hat und bis dahin noch um die 4 oder 5 Teststunden mit Freunden/Teamkollegen hat, um sich vorzubereiten. Bisher sah meine Vorbereitung für Constructed Turniere sogar meist noch schlechter aus. Letztes Jahr fing ich ca. 2 Wochen vor den Regionals an, mein Deck zu testen, was an sich nicht übel war, ich konnte auch zufrieden 5-2 gehen und verpasste die T8 nur knapp. Auf dem offenen Qualifier in Bremen 2 Wochen später spielte ich Slide, das ich genau einmal auf einem FNM vor dem Turnier gespielt hatte. Mein Ergebnis? 1-2-3(?!?). Von solchen Aktionen nach dem Motto „ich greif mir am Abend vor dem Turnier ein Deck, das ich noch nie in den Händen gehalten habe und schau mal, was draus wird“ kann ich nur abraten, auch wenn man ab und zu mal in Reports ließt, dass sich jemand mit dieser Taktik T8s erspielt hat, aber meist kannte dann so jemand das Deck schon und hat sich nur im letzten Moment dafür entschieden. (Ich habe noch mehr Erfahrungen dieser Art gemacht, aber ich möchte sie euch ersparen). So. Zurück zum Thema.

Nun gibt es ja auch Leute, denen bereits früher als 14 Tage vor dem Turnier auffällt, dass ja ein solches ansteht. Diesen bietet sich nun der Luxus, das Metagame etwas genauer zu studieren. Manchmal ist es wirklich ratsam, sich einen kleinen „Terminkalender anzufertigen, welche Formate denn nun anstehen. Da die Tier1- und Tier2-Decks und deren Matchup-Studien einen nach einer Zeit anöden, kann man sich mit gutem Gewissen dem Widmen, was sich für Viele wie Zeitverschwendung anhört: dem Testen von Rogue Decks. Diese muss man zunächst auch nicht selber bauen, das Internet kocht geradezu über von verrückten, total bekloppten Deckideen. Aber halt, war das eben eine 2-Karten-Combo, die das Spiel gewinnt?? War das gerade eine Karte, die Weiße Control-Decks SCHLACHTET?? Natürlich kann man nicht jeden Scheiß bauen, der einem so im Netz präsentiert wird. Hierzu gehört eine Portion Intuition (ich spiele Intuition auf White Weenie, Mono-G-Beats und UB-Control, was kommt in meine Hand?), die aber ein etwas erfahrenerer Turnierspieler haben sollte. Nun kann es ja sein, das ein Deck gegen Goblins nicht gewinnen KANN, aber Control und Affinity gleichermaßen solide aufspielt. Nur weil hier ein schlechtes Matchup gegen ein Tier1-Deck (man hat evtl gemerkt, ich rede über T2) besteht, muss man jetzt das Deck nicht gleich in die Tonne treten. Immer muss man sich vor Augen halten, dass das Deck vielleicht von einem schlechten Spieler gebaut wurde, der einige unnütze Karten spielt, die man getrost austauschen kann. Oftmals erzielt man mit einem solchen Deck erstaunlich gute Ergebnisse, und wenn es dann auch nicht unbedingt spielbar ist, so hat man wenigstens eine neue Combo oder neue Silver Bullets gegen Tier1-Decks gefunden.

Einen Schritt weiter kann man mit viel Zeit gehen, wenn man ein eigenes Deck bauen möchte. Meistens beginnt so etwas mit einer ganz bestimmten Idee oder, (auch wenn es etwas geschwollen klingt,) mit einer Vision. Ich werde zum Beispiel ständig von Visonen mono-grüner Kreaturen Decks heimgesucht, auch wenn das auf Standard mit 50% des Metagames mit 8-12 Massenremoval-Sprüchen im Mainboard total absurd erscheint;-).
Es gibt tausend Möglichkeiten für neue Innovationen in jedem Format, auch wenn das Metagame noch so festgefahren erscheinen mag. Gerade dann kann man oft einige Matchups vernachlässigen, wenn man das dominante Deck schlagen kann. Viele berühmte Archetypen sind so entstanden, so z.B. das beliebte Fish- oder Meervolk-Deck.
Wenn einem Nichts auf anhieb einfällt, so hat man immer noch die Gelegenheit, auf die beliebte Brainstorming-Methode zurückzugreifen . Bleiben wir bei meinem Beispiel, ich habe eine Vision von einem Grünen Kreaturendeck (nur ein Beispiel).
Nun ist es wirklich ratsam, ein wenig zu brainstormen und sich dabei einen möglichen Kartenpool zurechtzuschustern und z.B. auf einen Zettel zu schreiben. Die Farbe, Grün, ist klar, Kreaturen führen automatisch zu Ravenous Baloth und Troll Ascetic. Weitere Möglichkeiten wären Molder Slug, Birds of Paradise und Vine Trellis sowie mein secret-tech Trained Armodon als 3-er drop. Chrome Mox wäre in so einem Deck sicher gut, genau wie Plow Under und Creeping Mold und Revive, Might of Oaks, Giant Growth, Hunted Wumpus, Silvos, Rogue Elemental… Die Liste lässt sich sehr weit fortführen. Als nächstes muss man sehen, was einem das Metagame für Probleme stellt. Hier ist sehr wichtig, dass man sich vorher bereits ein Bild vom Metagame gemacht hat, sonst hat das Tüfteln keinen Zweck. Für mein grünes Deck wäre das eindeutig Wrath of God, Akroma's Vengeance, Oblivion Stone. Eine Lösung bietet sich z.B. in der Möglichkeit, Wirewood Heralds mit Caller of the Claw zu spielen. Mit Wirewood Herald könnte man auch gleich Viridian Shaman und Elf Replica hereinnehmen, oder sogar Glissa Sunseeker? Einen fetten Elfen wie Ambush Commander? Es bieten sich wieder tausend Möglichkeiten, die Idee umzusetzen. Ob jetzt ein grünes Kreaturendeck wirklich gut wäre (na ja, 1st Chrome Mox, Forest, BoP, 2nd Land, Hunted Wumpus, 3rd Might of Oaks/Plow Under..?) sei mal dahin gestellt, wie gesagt, es ist nur ein Beispiel, wie man eine Idee oder Vision umsetzen kann. Als nächstes muss man das Deck dann gegen die Tier1-Decks testen und tunen, aber da wohl jeder damit schon etwas vertraut ist, möchte ich dies nicht weiter erläutern. Erwähnt sei aber noch, wie viel Spaß es oft macht, mit den eigenen Rogue-Decks gegen „vernünftige“ Decks zu spielen (und sie zu besiegen… ich erinnere mich an Oddyssey-Block, als ich viele WG-Beats Decks mit meinem UGW-Control Deck mit Living Wish und
Aboshan vernichtete… später ist auf einem Grand Prix dann ein ähnliches Deck, nur noch mit Wake und Mirari aufgetaucht, der Vorläufer vom Wake Deck. Aber als ich mein UGW-Control ausgepackt hatte, hatte mich noch jeder ausgelacht…).

Rogue Decks sind toll. Man kann mit Karten spielen, die sonst irgendwo verschimmeln. Wenn man auf einem Turnier gut steht, ist man sich der Gunst der Zuschauer sicher. Man hat jede Menge Spaß. Trotzdem darf man solche Decks nicht überschätzen. Wenn man irgendwo eine komische Deckliste hoch in den Standings sieht, so ist das fast immer Ergebnis langwieriger Arbeit und gründlicher Metagame-Analysen. Aber hier liegt auch oft die Stärke eines Rogue-Decks: wenn man das Metagame gut voraussagt und ein Deck hat, das die dominanten Decks schlägt und dafür andere Matchups vernachlässigt, ist es oft trotzdem die richtige Wahl.

In diesem Sinne wünsche ich euch kreatives Schaffen, auf dass euer Deck am Ende ganz oben steht. Ich hoffe ich habe euch ein Bisschen für das Bauen innovativer Decks begeistert, auch wenn der Artikel kein Roman war. Für Feedback jeder Art bin ich dankbar, meine Email-Adrese lautet The_Joka@web.de.

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[13.06.2005]Die Regionals S-H 2005
[15.03.2003]Regionals Schleswig Holstein 2003


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