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Tief im Westen - Oder: Am Anfang war das Chaos
...and justice for all
von Justus Rönnau
17.08.2004

Vorabbemerkung: Ich habe den ersten Teil dieses Artikels vor meinem letzten Artikel geschrieben. Ich dachte eigentlich, der GP Bochum Bericht wäre beim Rechnerwechsel flöten gegangen (ich hatte ihn grade fertig als PMtG ankündigte erstmal offline zu gehen), hab ihn dann aber doch noch wiedergefunden und will ihn euch natürlich nicht vorenthalten. Später hinzugefügt wurde die erste Zwischenbemerkung und der zweite Teil mit der Ergänzung zu den US Nationals.

Denn damit ging die Geschichte vom GP Bochum los. Es fing damit an, dass zwar recht früh bekannt war, dass im April ein GP in Deutschland stattfinden würde, aber mehr auch nicht – weder wo, noch wann genau. Die Spekulationen waren wild. Auf der PT Amsterdam (Mitte Januar) sprach ich dann Erwin Dielens von WotC Belgien an, was denn nun Sache sei. Er meinte, so ganz sicher sei das noch nicht, aber in spätestens zwei Wochen könnte er das sicher sagen... na ja, er meinte wohl eher Monate.

Sobald das dann endlich feststand (wenn ich mich recht erinnere war das Anfang Mai), kam über die deutsche Judgeliste auch schnell eine Sponsorship offer. Natürlich bewarb ich mich, denn einen GP zu dem ich 1,5 Stunden fahre wollte ich mir dann doch nicht entgehen lassen.
Eine Bestätigung, dass ich gesponsort werde kam aber nicht. Auch nicht nur an mich, es kam gar nichts. Auch auf der internationalen Judgeliste erschien noch nicht mal ein Sponsorship offer.
So Anfang April, also ca. 2 Wochen vor dem Event wurde dann auch der Headjudge des Turniers, Jaap Brouwer, etwas nervös und fragte mich über IRC, ob ich irgendeinen Plan hätte, was und wie viele Judges denn nun aus Deutschland kommen würde. Nun wußte ich ja auch nichts genaues, konnte aber aus Gesprächen und Erfahrung sagen, dass da wohl eine ganze Menge qualifizierte Judges kommen würden und empfahl ihm, sich an Bernd Keller zu wenden. Das tat er dann auch. Bernd konnte ihm zwar eine Liste der Bewerber zuschicken, mehr aber auch nicht, denn die Entscheidung, wer denn nun eingeladen wird liegt ja bei WotC Belgien. Von denen hatte aber auch Amigo wegen dieser Sache noch nichts gehört. Jaap was not amused.

Am 8. April schickte Peter Coenen von WotC Belgien dann die Liste der eingeladenen Schieris raus. Wenn man das an dem Tag nicht mehr mitbekam und dann über Karfreitag/Ostern nicht seine Mail las (was man ja nun nicht erwarten kann), bekam man die Bestätigung also 3 Tage vor dem Abreisetermin. Wäre der GP nicht so nah an meiner Wohnstätte gelegen und hätte ich nicht sowieso davon ausgehen können, dass ich eine partial sponsorship bekomme, hätte ich vermutlich genauso wie Guido Brandt gehandelt und einfach abgesagt, denn das ist IMO keine akzeptable Art mit Leuten, die für einen vergleichsweisen Hungerlohn ein Wochenende aufgeben, umzugehen.

Zwischenbemerkung: Zur Ehrenrettung von WotC Belgien sei gesagt, dass ich glaube, dass sie aus den Sachen gelernt haben. Ich hab mich in Zürich nochmal intensiv mit Erwin Dielens (dem Event Manager) unterhalten und meine Kritik, gekoppelt mit Verbesserungsvorschlägen, auch noch mal per Mail nach Belgien geschickt. Zu meiner Freude wurden alle meine Vorschläge – und mehr als das – für den GP Rimini umgesetzt, zumindest soweit man das bisher beurteilen kann. Mehr dazu werde ich sicher noch in meinem GP Zürich Bericht schreiben.

An Turniere mit Jaap als HJ hatte ich bis dahin nur grausige Erinnerungen (was aber in keiner Weise an Jaap lag). Beim ersten, einem GP in Amsterdam, haute eine Grippewelle einen nicht zu verachtenden Teil der Judges um. Jaap selber konnte den 2. Tag nicht judgen, so das Gis als HJ weitermachte. Mich selber hatte es nicht voll erwischt, aber doch so, dass ich bei den Side Events, wo ich war, nicht viel geregelt bekommen hab. Beim zweiten mal, dem Team GP in Amsterdam letztes Jahr, war ich am Sonntag als Side Events Koordinator eingesetzt. Eigentlich ein interessanter Job, denn sowas hatte ich noch nicht gemacht. Dummerweise hatte an dem Sonntag kaum jemand Bock auf Sideevents und wir waren völlig overstaffed – als offensichtlich wurde, dass es auch nicht mehr Spieler geben würde, schickte ich die Hälfte meiner Judges zum Draften, zuschauen, oder was auch immer, denn wir brauchten sie einfach nicht. Extreme Langweile herrschte also den ganzen Tag.

Auf der Fahrt nach Bochum fragte ich mich also, was mir diesmal wohl den Spaß verderben würde. Dort angekommen fand ich das auch recht schnell heraus: Ich wurde mit Lutz Hofmann auf ein Zimmer gelegt. Nichts gegen Lutz, das ist ein supernetter Typ, es gibt da nur ein Problem: Er schnarcht so laut, dass ein normaler Mensch auch im Nebenzimmer noch Probleme hat zu schlafen (ich hatte das schon einmal hinter mir und das war kein Spaß – ich hörte auch Geschichten von Leuten, die sich vor Verzweiflung im Bad ihr Bettlager eingerichtet hatten um wenigstens eine dünne Wand zwischen sich und Lutz zu haben). Aber das Glück war mir hold – ich fragte Matthias Nagy, ob er vielleicht Zimmer tauschen würde, denn er war auch sonst immer mit Lutz auf einem Zimmer und irgendwie schien ihn das nicht so zu stören. Dem ist wohl auch tatsächlich so, denn Matthias willigte ohne zu Zögern ein. Nochmal meinen Dank, Matthias, ich stehe tief in deiner Schuld!

Meine Glückssträhne ging weiter. Die Dauer des Judge Meetings hielt sich in Grenzen. Jaap ist super darin, anderen Schieris seine Erfahrungen weiterzugeben. Manchmal übertreibt er es aber meiner Einschätzung nach. Läßt man ihm alle Zeit, kann ein Judgemeeting mit Jaap mal locker vier Stunden dauern. Dabei will man a) noch was essen, b) noch was trinken und c) nicht zu spät ins Bett um morgens fit zu sein. Alles drei klappt dann leider manchmal nicht so ganz. Aber
grade, als die wichtigen Sachen besprochen waren und der gute Jaap so richtig in Fahrt kam, schaltete sich Bernd, das alte Schlitzohr, ein und sagte, dass wir bald aus der Site rausmüssten und wir doch zum Ende kommen sollten (nein, ich bin mir sicher, dass war wirklich so, es passte eben nur so genau). Das taten wir dann auch und konnten noch in Ruhe zusammen was essen und trinken. Yay!

Zwischenbemerkung: Denn das ist genau das, warum ich in erster Linie immer wieder zu GPs, PTs, etc. düse. Nein, nicht wegen dem Trinken, dass kann ich zuhause günstiger. Wegen den Leuten. Klar macht mir auch das Judgen an sich Spaß, aber alleine deswegen würde ich das wohl nicht machen.

Schiedsrichtermäßig war das Turnier dann aber trotz allem sehr gut besetzt. Nur die Spielerzahlen blieben ein wenig hinter den Erwartungen zurück. Nur ein paar mehr Teams als in Amsterdam letztes Jahr, so dass es auch dabei blieb, dass nur 20 Teams es in den zweiten Tag schaffen würden.
Dementsprechend war der erste Tag auch recht ruhig, besondere Vorkommnisse gab es eigentlich nicht. Am zweiten Tag hab ich dann die Judge Certification übernommen (ich mach das im Gegensatz zu einigen anderen Lvl 3ern immer recht gerne *winkzuphillipschulzrüber*). Mir zur Seite stand Philip Daferner, denn es gab die Überlegung, einigen erfahrenen Lvl 2ern die Möglichkeit zu geben, Lvl 1 Tests abnehmen zu können, wenn es in ihrer Umgebung keinen Lvl 3 Judge gibt. Na ja, wir hatten dann zumindest ausführlich Gelegenheit über die Sache (und andere Dinge) zu reden, denn es gab am ganzen Sonntag nur einen Kandidaten. Das ist bei einem GP in Bochum allerdings auch nicht so verwunderlich, denn in der Gegend hat man ja sowieso alle Nase lang die Möglichkeit einen Judgetest zu machen, so man denn will.
Das machte Philip aber sehr ordentlich und ich hoffe, dass er in unseren Gesprächen auch noch bischen was lernen konnte.
Nachzutragen ist, dass Philip mittlerweile die Lizenz zum Löten bekommen hat, was der österreichischen Judgecommunity sicher nur gut tun kann.


So, jetzt hüpfen wir zeitlich mal ein wenig weiter nach vorne.
Es gab da bei den US Nationals noch eine erwähnenswerte Situation, die ich in meinem letzten Artikel vergessen hatte.
In der vorletzten Swiss Runde streunte ich ein wenig auf dem Floor rum, als mir auffiel, dass einer der Spieler mit Clear Sleeves spielte. Ein Blick auf den Tisch offenbarte mir dann auch gleich einige Chronicles City of Brass und Unglued Länder.
Es mag erstmal erstaunlich klingen, dass das vorher noch niemandem aufgefallen ist, denn es war schon Mitte der Runde und er wird die Sleeves wohl zumindest auch schon letzte Runde gespielt haben. Hinzu kommt, dass der Typ direkt vor der Bühne saß – jeder Judge, der Result Slips nach vorne brachte kam zwangläufig an dem Tisch vorbei. Bei genauerer Überlegung wird das aber gleich weniger erstaunlich – Die Rückseiten von Magickarten irgendwo zu sehen ist nichts ungewöhnliches, und war sechs Runden lang (während des limited Teils) ja auch völlig in Ordnung.

Klar war, ein Match Loss für Marked Cards – Major würde das auf jeden Fall werden. Die Frage war nun: noch mehr?
Um das herauszufinden griff ich nicht direkt ein, sondern lies die beiden erstmal machen (der Gegner schien an der Sache auch nichts besonderes zu finden). Ich versuchte mich also möglichst unauffällig in der Nähe des schlechtbehüllten Spielers aufzuhalten und schaute ihm zu – nicht, was er so spielte, sondern wo er denn so hinschaute – speziell, ob er seine Library auffällig oft ansah. Glücklicherweise konnte ich mich dazu einfach auf die Bühne setzten – ganz normal und unauffällig und in perfekter Beobachtungsposition.
Nach einiger Zeit war ich dann auch zu dem Schluss gekommen, dass er tatsächlich nicht versuchte die Situation auszunutzen. Ich ging also zum Tisch und erzählte ihm, dass die Sache mit den Clear Sleeves nicht so eine großartige Idee war. Ich schnappte mir sein Deck und zeigte es Mike (Guptil, dem HJ des Turniers). Keine Frage, man konnte die Cities und anderen Länder klar unterscheiden. Aufgrund meiner Beobachtungen kam er dann aber mit einem ML davon.

Die Lehre, die man als Schieri aus der Sache ziehen kann ist wohl, dass es manchmal besser ist, nicht direkt einzugreifen, sondern erstmal zu beobachten.


So, das war's für diesen kleinen Zwischeneinschub.

Macht's gut,

Justus

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