Ich will mir einmal etwas Auszeit vom schlimmen Geranke und Geflame nehmen, um Euch ein Bissel was über die Magicszene zu erzählen, wie sie momentan auf mich wirkt. Es ist also kein High-Tech Artikel, eher die philosophische Variante, die in aller Regel nicht auf die Site sollte. Das haben schon viele versucht und auf die Nase bekommen. Evtl. liest es doch jemand und vielleicht kann ich jemanden mit meinen Gedanken erreichen. Ich schreibe das hier als Flip-Kreatur:
Hobby Gamer – 1G
Creature - Human Nerd
T: Play a game of MtG with target opponent, if not concentrated or the game is lost, flip Hobby Gamer.
1/1
//Flip//
Andreas, Schwermetall-Trommler
Legendary creature - Human Drummer
4BB, T: Force target opponent to listen to Opeth, or force target location to reveal a gig. If gig is played, flip Andreas, Schwermetall-Trommler.
307/306
Rare
Dazu darf ich kurz, wie so oft, etwas weiter ausholen: Meine ersten Turniere fanden in einer Zeit statt, als es kein für alle zugängliches Internet gab. Das allererste war auf der Spielemesse, Mitte der 90'er, kurz nach dem Release von Alliances. Ich zockte einen grün-weißen Beatdownhaufen, mit reichlich Bärchen und Pumpern. Natürlich wurde ich zerlegt. Der Mann spielte ein U/G/W-Winter Orb/Icy Manipulator build, das mich erst lockte und dann irgendwann mit Serra Angel zerlegte. Er spielte sämtliche tollen Karten, die ich aus Gründen der Konsistenz dachte, nicht gebrauchen zu können, also Balance, Regrowth, etc. In den Lock hat er mich notfalls über Power Sink bekommen und dass eine Mishra's Factory sich selbst pumpen kann, wusste ich auch nicht. Allerdings hat sie damals, nach den alten Regeln, dann keinen Schaden mehr gemacht, also der 0/3 Blocker. Ich musste mich schwer wundern, warum er mich mit Karten, die ich Noob total doof fand, so killen konnte. Aber er besaß danach die Freundlichkeit, mir alles in Ruhe zu erklären und mir sein Deck zu zeigen, das etwa so aussah:
Wenn man das aus heutiger Sicht betrachtet, kann das eigentlich gar nichts. Aber das will ich ja auch nicht. Worum es geht ist, dass er es erklärte und sich freute, das zu tun. Obwohl ich in keiner Hinsicht ein Match für ihn war.
Ich baute es dann nach, zerlegte die Kids in meiner Nachbarschaft und begann, deren 100+ Haufen zu tunen, während andere, bessere Spieler aus Darmstadt mir halfen, weiterzukommen.
Flip:
Im gleichen Jahr zockte ich mit meiner damaligen Band unseren zweiten Gig in Darmstadt. Also den zweiten überhaupt. Wir waren mit einer um Klassen besseren Band unterwegs und haben natürlich gut verloren, wir waren schließlich auch Noobs, ohne den Ausdruck gekannt zu haben. Aber die Männer haben uns mitgenommen, uns freundlich erklärt, was anders und besser geht. So kamen wir auch hier weiter, durch die Erfahrung der Älteren und Besseren im friedlichen Austausch.
Flip:
Das Zweite Turnier, an dem ich teilnahm, war im Paladin's Place in Darmstadt. Es war ein T2 Turnier und durch den reichlichen Konsum solch preiswerter Magazine
wie dem Duelist oder dem Inquest, kannte man langsam Konzepte wie Beatdown, Kontrolle oder Kombo, sowie einige spielbare Decks. Ich selbst entschied mich für Stompy, ohne Testen, mit sehr seltsamem Sideboard, wenn ich darüber nachdenke. Runde eins kam ich gegen den U/W-Millstone Magier, der einfach nie einen Wrath fand, um den ich allerdings auch nur bedingt herumspielte. Danach haben wir über das Spiel gesprochen und auch hier wieder die Decks komplett begutachtet. Die nächste Runde ging gegen einen vollbärtigen Mann des Typs Sozialpädagoge, der eine Art U/G Aggro-Control spielte. Also gute grüne Männer und etwas Gefummel wie Impulse oder Countermagic. Allerdings konnte er meine besseren Critter nicht handlen, so dass er ins Gras biss. Im Anschluss hat mir ein Amerikaner gezeigt, was ein Sligh ist. Ich dachte erst, es sei totaler Schrott, bis es mir ähnlich ging, wie bestimmt vielen Menschen dieser Zeit und er mich 2x mal in 7 Minuten umrannte. Wir diskutierten danach noch viel, wir hatten ja auch reichlich Zeit. Er sagte mir, warum ich suboptimal geboarded hatte und was er wiederum tat, etc. In der nächsten Runde passierte etwas Seltsames, weil für mich bisher völlig Unbekanntes: da saß mir ein Männlein gegenüber, das wesentlich älter und grimmiger aussah. Und er sagte kein Wort. Im Gegenteil, er sagte, ich solle still sein. Er hatte eine Art Skyfire-Deck am Start, mit reichlich Massremoval und Sandstalkern, das mich völlig zerlegte. Aber er sprach nicht mit mir, er erklärte nicht, warum das so war, wie es war und wo ich Grütze gemacht hatte, z.B. Runde eins bis drei alles auf den Tisch zu knallen und voll in den Wrath zu stolpern. Es hat ihn einfach angekotzt, gegen so ein Kid zu kommen und offensichtlich ebenfalls die Runde zuvor vergeigt zu haben. War ein schönes Spiel, doch.
Flip:
Ebenfalls zu dieser Zeit war ich mit meiner zweiten Band am Start. Wir hatten mittlerweile ein paar ernstzunehmende Musiker dabei und produzierten schönen, tighten Lärm. Der erste und letzte Gig mit den Mannen, mein dritter absolut, wurde bald daraufhin gespielt. Aber das war es auch schon. In Darmstadt und Umgebung konnten wir nicht Fuß fassen und die etablierten Kombos wollten uns einfach nicht dabei haben. Nur sagte keiner, warum das so war. Was sollte denn das? Kurz daraufhin lösten wir uns auf und ich ließ erstmal die Finger von der Mucke und kehrte zu meinem heißgeliebten Kartenspiel zurück.
Flip:
Wir befinden uns in der Nähe der Jahrtausendwende. Ich hatte großes Interesse am Zocken, nur leider hatte ich niemanden, der Zocken wollte. Also beschäftigte ich mich allein mit solchen tollen Sachen wie Draw-Go, oder Recurring Survival, versuchte in stundenlanger Lektüre von Sideboard (Papier) und Inquest-Spoilerlisten zu verstehen, was dort, leider ohne mich, passierte.
Flip:
Neue Band, neues Glück. Jetzt wurde auch die Flipkreatur errated, man konnte jetzt mehrere Shows spielen, bevor es begann, zu nerven. Allerdings hatte sich auch hier der Underground sehr verändert. Überall gab es semi-professionelle Bands, die überhaupt nicht mehr bereit waren, sich gegenseitig zu helfen. Kein Mensch wollte Gigs tauschen, oder konstruktive Kritik äußern. Alles war entweder supergut, oder schwul. Eine andere Differenzierung gab es nicht und was man nicht selbst hochzog, klappte auch nicht.
Flip:
Ich fand einen Laden in Darmstadt, die Spielkunst seinerzeit. Dort konnte ich FNM zocken und lernte erstmal die neuen Regeln auf die harte Tour. „Damage auf demStack?“ sollte die schlimmste Frage aller Zeiten werden. In der Regel waren die Leute dort freundlich und nahmen sich Zeit, mit Noobies zu sprechen und ihnen zu erklären, was warum schief lief. Ende des Jahres zockte ich dann meine ersten PTQ's im Invasion-Block. Den ersten mit einem Counterburn build, mit Skizziks, Familiars, Fact or Fiction etc., den zweiten mit Deed-Go, dem
Kontrollhaufen, der ebenfalls stapelweise Karten zog, das Board regelmäßig mit Deed abräumte und dann versuchte über Spiritmonger zu killen. Die Decks wurden jeweils im Laden von allen gemeinsam, manche mehr, andere weniger, konstruiert. Auf den PTQ's selbst war es dann etwas gemischt, dort waren sowohl sehr freundliche Menschen, die auch redeten und über Sideboards diskutierten, allerdings waren dort auch ausreichend Rockstars vorhanden, denen es überhaupt nicht in den Kram passte, gegen solche Kiddies zu spielen und am Ende möglicherweise noch zu verlieren. Die Spielkunst zerbrach ein paar Jahre später und die Community löste sich sozusagen auf. In der Central-Magic-Alliance, einem Verein in Darmstadt, haben sich einige Alte und viele Neulinge wieder zusammen gefunden. Allerdings ist es nicht mehr so wie damals, auch hier viele Rockstars, perfekte Spieler und nicht kritisierbare Menschen. Darum zocken wir eher in kleiner Runde hinter verschlossener Tür, das ist nun mal die Form wie es momentan am meisten Spaß macht. Oder besser ausgedrückt: erträglich ist.
Auf Planetmtg geht es momentan ähnlich zu. Der Community-Gedanke will sich nicht durchsetzen. Wir halten nicht zusammen und hacken nur auf den anderen herum. Es ist sicherlich durchaus schwer auf Internet-Basis zu kommunizieren, zumal es manchmal aus sportlichen Interessen heraus auch wirklich nicht sinnvoll sein kann, die dollen Ideen öffentlich preis zu geben. Ich erinnere an den Krawall nach der letzten Constructed-Serie von Trash und Tobi H, als hunderte meckerten, Team Mir würde falsche Ergebnisse ins Netz stellen, um sich Vorteile zu verschaffen. Das war so lächerlich, allein die Idee. Ich meine, klar bastelt ein Team im Hintergrund und arbeitet an ihren Decks, aber falsche Propaganda um das Killerdeck zu verstecken? Wer glaubt so was denn wirklich?
Die Frage ist: braucht es diesen Ton, diese Arroganz und dieses Hochziehen an einem Spiel, das im Zweifelsfall trotz perfektem Abhandeln dennoch verloren geht, weil das Quentchen Glück fehlt? Müssen wir auf Turnieren den Killer-Instinkt freisetzen und ohne Spaß und Freundlichkeit auf dem fiesen Gegner herumkloppen? Es ist eine Art Sport, aber sicher nicht in dem Sinne, wie Schwimmen oder Fußball ein Sport ist.
Primär ist es ein Spiel, das als solches Spaß machen soll. Und wie kann es das, wenn, egal was man tut, immer einer nörgelt, meckert, schlecht gewinnt oder verliert? So kann man doch nicht mit den Leuten umgehen und es verleidet bestimmt einigen den Tag. Und ebenfalls dadurch, dass es ein Spiel ist sehe ich nicht, warum man sich so aufplustern muss. Stellt euch folgende Situation vor:
Ihr seid auf einer Party und werdet von einem bezaubernden Mädchen angesprochen, was Nerds ja eigentlich nicht passieren sollte. Sei's drum. Neben dem Mädchen steht ein anderer Mann, der ihr gerade davon erzählt hat, dass er in der Auswahl eines Landeskaders irgendeiner beliebigen Ballsportart steht. Ihr redet ebenfalls ein wenig mit der Lady und erwähnt, nach euren Interessen gefragt: „Yeah, ich habe ein 1850 Composite-Rating, Baby!“ Ob das gut geht? Angeben ist nie gut, aber wenn, darf es ruhig etwas Spektakuläres sein, oder zumindest ein gesellschaftlich relevantes Gebiet. Ich würde es eigentlich selbst dann nicht tun, aber vielleicht bekomme ich dann wenigstens die Dame rum.
Sicherlich hat das Spiel große Präsenz im Leben des einen oder anderen, mich begleitet es ja offensichtlich auch lange genug. Aber je verbissener ich es sehe, desto schlechter läuft es. Was nicht heißt, dass nicht ordentlich getestet wird. Aber wenn der Spaß fehlt oder ich merke, dass ich es zu eng sehe, bleibe ich eben daheim und versaue mir und anderen nicht den Tag. Das ist lediglich mein Weg, aber ich versuche dennoch, wie im echten Leben auch, mich zu verbessern, ein guter Gewinner und vor allem ein guter Verlierer zu sein. Nehmt es einfach nicht so ernst, dann gewinnt die ganze Szene davon, dessen bin ich mir sicher. Seid nett zueinander, denkt nach, bevor ihr redet und niemals, niemals Bier auf Wein.
Jetzt remove ich mich mal selbst from game. Ich hoffe wirklich, dass ihr mich versteht und ich den einen oder anderen zum Nachdenken anregen konnte. Danke fürs Zuhören!
Flip:
Klammheimlicher Versuch, Eigenwerbung auf Planet zu platzieren: http://www.downscape.com
Da der Underground eben dicht ist, die Labels voll sind und die Platte sauteuer war, will jeder Strohhalm gegriffen werden. Außerdem muss ich auch noch ein bisschen angeben, falls hier doch mal Frauen reinschneien „Yeah, ich habe eine Cradle of Filth Tour eröffnet, Baby!“
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