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Zwischen den Runden
Tichu für Magic-Spieler
von Nico Bohny
10.12.2008

Magic-Turniere und die Rekrutenschule der Schweizer Armee haben so mancherlei gemeinsam:

Frauen haben hier nichts verloren. Falls sich doch mal eine hierher verirrt, dann ist sie höchst wahrscheinlich… na, lassen wir das mal…

Es gibt bei beiderlei Veranstaltung Übermotivierte und -Interessierte, von denen man besser die Finger lässt. Und am besten wegläuft, wenn sie anfangen, von ihren Interessen zu berichten.

Das Essen ist meist in höchstem Grade ungenießbar.

uuuuuuuuuuuuuund: der Grund dieser fragwürdigen Einleitung, meine Überleitung zum nächsten Abschnitt und gleichzeitig das mühsamste beider oben genannten Events: Man wartet, wartet, wartet. Und manchmal ruht man sich dann vom vielen Warten aus.

Nun denn, damit ihr die ganze Wartezeit nicht mit Essen verbringt und mal endet wie ein Fleshbag Marauder oder amerikanischer Pro: Die perfekte Beschäftigung für zwischen den Runden:

Man nehme:

die Sleeves eures alten Constructeddecks (nein, es müssen nicht die vom Battle of Wits-Deck sein)
52 handelsübliche Spielkarten (die hat ja sicherlich jeder noch wo rumliegen)
die vier Spezialkarten, oder halt äquivalente Ersatzkarten oder Proxies
drei Mitspieler

Und dann ab in den Backofen…

Das Deck:

1 Jeweled Bird
1 Predator Dragon
1 Shivan Phoenix
1 Zodiac Dog
4x Zwei
4x Drei
4x Vier
4x Fünf
4x Sechs
4x Sieben
4x Acht
4x Neun
4x Zehn
4x Elf… nein, falsch… ich hasse Elfen… wir nehmen lieber Buben
4x Damen (da dürft ihr ausnahmsweise auch die nackten aus eurem Lieblingspokerset nehmen)
4x Könige (da lieber nicht)
4x Ass (da findet ihr in Unhinged bestimmt welche)

Diese und weitere Karten gibt's bei:



Das Deckkonzept:

Dieses Deck – wir nennen es mal der Einfachheit halber „Tichu Control“ – ist konzeptioniert für Two-Headed Giant – man spielt es also zu zwei-mal-zweit. Nur sitzt man nicht nebeneinander, sondern über Kreuz gegenüber von seinem Spielpartner. Das Deck wird dann an die vier Riesenhälften verteilt, und weil man ja ein Riese ist, kriegt man statt den sieben Startkarten derer 14. Dass die Library dann auf null schrumpft, ist nicht so tragisch, da man bei diesem Constructedformat jeweils den Draw-Step skippt.

Das Deck ist ein Kombodeck. Wer zuerst abgeht, d.h. alle Karten aus der Hand ablegen kann, gewinnt. Wer als Letztes übrig bleibt, ist gefizzlet. Außerdem braucht man – wie so üblich im Kombo-Mirror – keine Lebenspunkte zu zählen, stattdessen zählt man Punkte. Das Two-Headed-Team, das zuerst 1000 Punkte erreicht, wird zum Sunrise Sovereign gekrönt – die anderen beiden gehen als Elvish Handservants aus.

Cheaten wie im Sealed:

Wie oft würde man doch im Sealed gerne ein paar Karten aus dem eigenen Pool zum Nachbarn schieben, um sich dafür ein paar gute Commons in den richtigen Farben zu ergattern? Im Tichu ist dieser Frevel tatsächlich erlaubt, wenn auch nur mit gewissen Einschränkungen genießbar. Man „schupft“, nachdem man seine 14 Karten angeschaut hat, den Gegnern und dem Partner je einen Morph (soll ja nicht offensichtlich sein, was drunter ist). Vorteilhaft ist es natürlich, dem Partner eher eine gute Karte zu schupfen, und den Gegnern jeweils eine eher tiefe Karte, die nicht ins Blatt passt.

This is Round 1, you may begin!

Das Spiel beginnt der Spieler, der den süßen Juwelenvogel in der Hand hält. Dieser erhält Priorität und eröffnet mit einer der folgenden Kartenkombinationen:

Einzelkarte (z.B. Fünf, Acht,... was erklär ich das überhaupt, ihr seid ja nicht bekloppt oder so)
Paar
Drilling
Full House (für alle Nicht-Mau-Mauer: ein Drilling und ein Paar, z.B. 5,5,5, Bube, Bube. Beim Stechen ist die Höhe des Drillings relevant)
Treppenpaare (beliebig viele, aufeinander folgene Paare, also z.B. 5,5,6,6; oder 9,9,10,10, Bube, Bube, Dame, Dame)
Straße (mindestens fünf aufeinander folgende Einzelkarten, z.B. 7,8,9,10, Bube)

Danach geht das Spiel im Uhrzeigersinn weiter. Jeder Spieler erhält Priorität und darf die Kombination auf dem Stack mit einer höheren Instanz dieser Kombination überbieten, sozusagen in Response. Wer nicht überbieten kann oder will, passt (für Magic Online-Spieler äquivalent zu F6). Sobald drei Spieler nacheinander passen, sackt der Spieler, der die höchste Kombination gelegt hat, seinen Stich ein und beginnt wieder mit einer neuen Kombination seiner Wahl.

Kartenanalyse

Die Commons

Zweier, Dreier, Vierer, Sechsen, Siebner, Achten, Neune, Buben, Damen und Asse sind Commons. Die interessieren niemanden, die sind auch nix wert.

Die Uncommons

Fünfer, Zehner, Könige sind die Uncommons dieses Decks. Wie ihr wisst, sind Uncommons nicht automatisch bessere Karten als Commons, aber sie sind meistens ein bisschen mehr wert. So auch hier – Könige und Zehner zählen jeweils zehn Punkte, die Fünfer jeweils fünf.

Die Rares

Jeweled Bird: Auch liebevoll der Einer oder der Spatz genannt. Wer den in seiner Starthand hat, darf beginnen – muss dies aber nicht zwingend mit dem Einer selbst tun. Der Bird hat nicht nur eine Casting Cost, sondern auch einen Ausspielwert von eins, und kann somit nur an eine Straße angehängt werden oder als Einzelkarte gespielt werden. Beim Ausspielen kann sich der aktive Spieler außerdem eine beliebige Non-Rare-Karte wünschen. Der nächste Spieler, der den Wunsch erfüllen kann und am Ausspielen ist, muss diesen regelkonform erfüllen, d.h. in der Kombination, die gerade liegt. Wenn also Spieler A eine Straße 1,2,3,4,5 legt und sich ein Ass wünscht, muss Spieler B nicht sein einzelnes Ass legen. Nur wenn er 10, Bube, Dame, König, Ass hält, kann und muss er den Wunsch auch erfüllen. Ein Wunsch bleibt bestehen, bis er irgendwie erfüllt werden kann – und wenn's erst beim Ausspielen einer neuen Kombination passiert.

Predator Dragon: Die höchste Einzelkarte, aber auch nur als solche spielbar. Devourt alle Karten auf dem Stack, und kann nur von einer Bombe besiegt werden. Da der Drache ursprünglich ein faires Tier ist und ihm sein Powerlevel durchaus bewusst ist, verschenkt er sich und seinen Stich (nicht aber das Ausspielrecht) an einen Gegner. Das edle Tier selbst zählt 25 Pluspunkte.

Shivan Phoenix: Wohl die stärkste Rare des Decks. Der veränderbare Feuervogel fungiert als Joker – sehr solide beispielsweise im Straßenbau einsetzbar. Wenn als Einzelkarte gespielt nimmt der 'Nix den Ausspielwert der unter ihm liegenden Karte plus ein Halbes an. Ein Phönix auf einer Acht ist also ein Achteinhalber und kann zum Beispiel von einer Neun gestochen werden. Ein nackt ausgespielter Phönix hat einen Wert von 1,5. Ein Phönix auf einem Ass kann nur noch von einer Bombe oder dem Drachen devourt werden. Umgekehrt kann ein Phönix niemals den Drachen überbieten. Da der Phönix so unglaublich ends powerful ist, gibt er am Ende einer Runde 25 Minuspunkte.

Zodiac Dog: Er kann nur ausgespielt werden, wenn man am Zug ist, da er ja eigentlich keinen Kartenwert hat. Der Hund hat Shroud und Split Second – kann also nicht abgebombt werden – und überbringt dem Spielpartner mit Haste das Ausspielrecht.

Spoileralarm

Wie im Magic gibt's auch im Tichu Spoiler – und auch hier nennt man sie Bomben. Eine Bombe ist ein Quartett (z.B. vier Sechsen) oder eine Straße derselben Farbe (auch lieblich: Straight Flush genannt). Bomben können als Instants gespielt werden, also auch, wenn man gar nicht am Zug ist, und besiegen jegliche Kombinationen und Spezialkarten. Eine Bombe kann nur mit einer höheren Bombe gestochen werden. Reichlich unfair, fast wie Visara.

Absahnen

Am Ende einer Runde werden Stiche und somit Punkte gezählt und gutgeschrieben, insgesamt 100 pro Runde (vier Fünfer, vier Zehner, vier Könige, Phönix und Drache). Um das Ganze für die Gewinner etwas lohnenswerter zu machen, muss der Spieler, der als Letzter übrig geblieben ist, seine Handkarten den Gegnern schenken, und seine Stiche demjenigen, der als Erster fertig geworden ist (das kann auch mal der Partner sein). Beendet ein Team eine Runde auf dem ersten und zweiten Rang, wird nicht ausgezählt, sondern den Doppelsiegern 200 Punkte gutgeschrieben.

Selbstbewusst und zielsicher

Um dem Spiel die Gier nach Punkten zusätzlich stillen zu können, kann man bei einer guten bis sehr guten Hand ein Tichu ansagen. Dies muss vor dem Ausspielen der eigenen, ersten Karte geschehen (kann auch mal passieren, dass alle anderen schon einige Karten losgeworden sind) und bedeutet, dass man mit dieser Ansage beabsichtigt, das Spiel als erster zu beenden. Ein Tichu ist immer persönlich gemeint und kann nicht vom Partner übernommen werden. Wenn ein Tichu gelingt, kriegt man dafür 100 Extrapunkte gutgeschrieben – falls nicht, gibt's die Punkte im Minus. Wer sich schon nach acht (von 14) angeschauten Karten ein Tichu zutraut, kann zu diesem Zeitpunkt auch ein großes Tichu ansagen, welches dann 200 Plus- bzw. Minuspunkte bedeutet.

Tipps, Tricks und Track

Es ist wichtig, kleine Einzelkarten und Kombinationen möglichst früh im Spiel loszuwerden. Denn wer – auch nach einem wunderschönen Solo an Ass-Päärchen und hohen Straßen – mit einer Zwei und einer Vier sitzen bleibt, wird höchstwahrscheinlich Letzter und darf seine achso mühsam erworbenen Stiche gleich weitergeben.

Tichu ist ein Partnerspiel. Man sollte also probieren, den Partner möglichst zu unterstützen, indem man zum Beispiel meistens keine seiner Kombinationen absticht und ihn somit aus dem Stich bringt.

Da ein Tichu so unglaublich viele Punkte zählt, probiert man im Team, falls möglich auch eines pro Runde zu machen. Dies wirkt sich vor allem aufs Schupfen aus: Hat man eine bombastische Hand, schupft man dem Partner entweder den Hund oder eine mittelmässige Karte. Hat man jedoch eine eher schlechte Hand, gibt man die beste Karte dem Partner, um ihm die Chancen auf ein Tichu zu erhöhen.

Der Wunsch des Birds kann unglaublich vernichtend sein. Einerseits kann man damit (fast so gut wie mit Cabal Therapy) Bomben ziehen (eine Bombe kann ja immer gelegt werden, muss deshalb auch nicht kombinationskonform sein), oder man stelle sich vor, man erwischt aus einer Straße 5-6-7-8-9-10 die Sieben und lässt den armen Hund mit fünf Einzelkarten zurück.

Wenn man den Drachenstich verschenkt, überlegt man sich stets, welcher Gegner wohl die schlechteren Karten hat und schenkt diesem dann den Stich. Denn falls dieser wiederum Letzter wird, kriegt ja der erste seinen Stich und sahnt somit die Drachenpunkte wieder ab.

Gegentichus anzusagen, erscheint zwar auf den ersten Blick sehr mutig, gibt aber bei Gelingen einen doppelten Umschwung an Punkten.

Übung macht den Yamabushi-Meister!

Fazit

Tichu ist ein Spiel, das bei Magic-Turnieren unbedingt kultiviert werden muss – es macht unendlich Spaß und ist trotz der an sich simplen Regeln extrem vielseitig und skillintensiv. Wer sich die Spielregeln nochmals ohne all die nerdigen Anglizismen und mauen Wortspiele kurz und knackig durchlesen möchte, findet auf Wikipedia eine nette Zusammenstellung. Wer vor dem nächsten PTQ oder GP noch ein wenig üben möchte, kann dies auf www.brettspielwelt.de in digitaler Form tun.

Möge der Phönix mit euch sein, ich schließe mit einem Zitat unseres Bombermans vom letzten Tichuabend:

Tichu ist wie Sex. Hat man einen schlechten Partner, braucht man eine gute Hand.





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