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Sommer, Sonne, Nationals!
von Falko "paluschke" Görres
18.08.2009

Sommer, Sonne, Nationals! Während überall auf der Welt das neue Grundset M10 mit Prerelease-Turnieren und Release Launch-Parties gefeiert wurde (jedenfalls von denen, die nicht „mimimi, Magic ist tooooot!“ schrien), war ich im hohen Norden unterwegs, um die Nationalmeisterschaften von Island und Dänemark zu betreuen.


Für die Dänen war ich auch schon 2007 und 2008 Headjudge, so kam es nicht allzu sehr überraschend, dass im Februar die Distributor-Firma für Skandinavien, Enigma, bei mir anfragte, ob ich nicht dieses Jahr wieder Lust und Zeit dazu hätte. Island hingegen ergab sich etwas kurzfristiger: Eigentlich war Johanna Virtanen, L3 aus Finnland dafür eingeplant, doch nachdem der Termin für diese Meisterschaften verlegt wurde, musste sie leider absagen. Der Verantwortliche bei Enigma fragte, ob ich nicht auch noch Island als Head- (und einziger) Judge betreuen könne, und ich sagte gerne zu. Ich hatte gerade zu Silvester auf Island Urlaub gemacht und freute mich sehr, schon wieder dorthin reisen zu können, ganz besonders, da meine Verlobte spontan entschied, eine Woche Urlaub von ihrer Doktorarbeit zu nehmen und mich nach Reykjavík zu begleiten!

Island

In Island am Freitag angekommen wurde ich am Flughafen vom Ladenbesitzer abgeholt, der in der Ankunftshalle einen Displaykarton schwenkte – viel stilechter als so langweilige Namensschilder!

Die Isländische Meisterschaft ist ein offenes Turnier; es gibt also keine Qualifikationsturniere, und die Meisterschaft an sich dauert auch nur einen statt zwei Tage (sechs Runden). So konnte ich den Samstag damit verbringen, mit meiner Verlobten das Umland von Reykjavík zu erkunden und dort die zahlreichen Natursehenswürdigkeiten zu besichtigen: Gletscher, Wasserfälle, Geysire und Thingveillir, das Tal, das plattentektonisch die Grenze zwischen Amerika und Europa markiert.


Wunderschöne Landschaft, ich kann wirklich jedem empfehlen, dort mal Urlaub zu machen!

Sonntag früh um neun begann für mich das Turnier bzw. die Vorbereitung. Die Meisterschaft fand im „Nexus“ statt, dem einzigen Laden in Reykjavík (und wahrscheinlich auch von ganz Island), der Magic-Karten anbietet. Turnierort war eine ehemalige Garage, in dessen Dachgeschoss auch die wöchentlichen FNM-Drafts stattfinden und das für die erwarteten maximal 35 Spieler auch ausreichend Platz bot. Außergewöhnlich war, dass ich die Turniervorbereitungen quasi alleine machen musste: Der TO hatte mir schon vorher gesagt, dass er wohl frühestens gegen Nachmittag kommen könnte, und der Angestellte, der den Spielern das Eintrittgeld abnehmen sollte, kam auch erst kurz vor Turnierbeginn. Den Schlüssel zur besagten Garage hatte einer der Spieler, der mir auch zeigen konnte, wo die Draft-Booster, Decklisten etc. lagen.


Zu Turnierbeginn um 10:30 Uhr hatten sich letztendlich 23 Spieler eingefunden, die in sechs Runden – drei Standard, drei Draft – und den folgenden Top 8 – wieder Standard – um den Titel des Isländischen Meisters und um das Recht, zur WM nach Rom zu fliegen, kämpfen wollten; auf offenen Meisterschaften wie der isländischen qualifiziert sich nämlich nur der Gewinner und nicht ein ganzes Team. Mit 23 Spielern war die Atmosphäre natürlich eine ganz andere als auf größeren Turnieren, gerade weil sich hier wirklich jeder kannte – immerhin treffen sich die meisten der Spieler jede Woche beim Friday Night Magic

Schiedsrichtertechnisch war ich mir nach meinen Erfahrungen mit kleineren Meisterschaften nicht ganz sicher, was ich erwarten sollte. So konnte ich zum Beispiel nicht einschätzen, wie sehr die Spieler an Decklisten gewöhnt waren (hier erinnerte ich mich mit gemischten Gefühlen an die Irische Meisterschaft 2007), oder wie sehr die familiäre Atmosphäre sich in Fällen von Outside Assistance und Unterhaltungen während des Drafts niederschlagen würde.

Außerdem wusste ich nicht so recht, wie sehr die neuen Regeln, die mit M10 eingeführt worden waren und zum Zeitpunkt der Meisterschaft gerade zwei Tage jung waren, zu Problemen führen würden. Während meiner Intro-Rede vor dem Turnier ging ich deshalb auf diese Regeln ausführlich ein und hängte auch eine Zusammenfassung der Änderungen an mehren Stellen im Raum aus.

Was die Constructed-Decklisten anging, stellten sich meine Befürchtungen als unberechtigt heraus: Von den 23 Spielern hatte nur einer eine illegale Deckliste (14 Sideboard-Karten gelistet, 15 gespielt).

Ein für mich amüsanter Aspekt war die Namensliste der Teilnehmer. Die Tradition, keine Nachnamen, sondern Patronyme zu tragen, führt zu solchen Paarungen:

Hrafnkelsson, Atli Steinn vs. Búason, Haukur Þór
Ásgeirsson, Torfi vs. Jonasson, Jakob
Sverrisson, Jón Svan vs. Helgason, Egill
Björnsson, Sveinn B vs. Barkarson, Unnsteinn
Kjartansson, Halldór Sigurðu vs. Ólafsson, Guðni
Yngvason, Atli Stefán vs. Sigvaldason, Kristinn
Sigurdsson, Ragnar vs. Arnarsson, Ásgeir Már
Gislason, Alvin Orri vs. Fasth, Jón Kristófer
Areliusarson, Arelius Sveinn vs. Gunnarsson, David
Ingólfsson, Bjarki Már vs. Fridriksson, Marteinn
Kjartansson, Ragnar Mar vs. Gudbrandsson, Geir
Baldvinsson, Einar A vs. * BYE *

Man sieht, es gab also genau einen Nicht-„son“ – Einwanderer aus Schweden.

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, während der Runden ganz normal Deckchecks zu machen, wie es sich für größere Turniere gehört. Dabei wurde ich aber immer wieder durch Regelfragen und andere Kleinigkeiten unterbrochen. Ich wollte für die Checks auch nicht ewig Extrazeit vergeben, denn das hätte jede Runde für alle Beteiligten in die Länge gezogen. So verzichtete ich nach Runde 2 auf regelmäßige Deckchecks bzw. machte verkürzte Versionen, in denen ich nur die Hüllen der Spieler auf Markierungen überprüfte und sicher stellte, dass die Spieler ordentlich gemischt hatten. Der einzige Schiedsrichter auf einem Turnier zu sein, hat eben doch seine Nachteile – es wäre schön gewesen, einen zweiten zu haben, der während der Deckchecks aufkommende Regelfragen und andere Schiedsrichterrufe hätte entgegennehmen können.

Neben einigen Situationen, in denen Spieler Zaubersprüche illegal gewirkt hatten (illegales Ziel oder falsches Mana bezahlt etc.), gab es in den Constructed-Runden auch folgende Fragen:

Spieler 1 kontrolliert Ethersworn Canonist; Spieler 2 wirkt Bloodbraid Elf. Was passiert mit dem kaskadierten Volcanic Fallout?

Spieler 1 aktiviert die Fähigkeit seiner Dauntless Escort. Später wirkt Spieler 2 Snakeform auf eine der Kreaturen von Spieler 1. Ist diese jetzt noch unzerstörbar?


Der Booster-Draft war für mich der interessanteste Teil des Turniers. Bevor wir anfingen zu draften, machte ich eindringlich darauf aufmerksam, dass ich von jedem erwartete, sein Deck alleine zu draften und zu bauen. Die entsprechende Strafe für Outside Assistance (Match-Loss) war wohl auch Drohung genug, dass alle Spieler meiner „Bitte“ Folge leisteten. Jedenfalls war es während des Drafts und der Deckbauzeit angenehm ruhig. Der Draft war insofern ungewöhnlich, als dass ich gleichzeitig die verbleibenden Sekunden für die Picks ansagen als auch Decklisten drucken musste: Als ich nämlich kurz vor dem Draft die Decklisten in die Hand gedrückt bekam, die der Laden vorher schon gedruckt hatte, musste ich feststellen, dass die Seite mit der Conflux-/Reborn-Liste im Hoch- statt Querformat gedruckt und damit fast komplett unleserlich war. Da ich die Decklisten aber bei Ende des Booster-Drafts brauchte, blieb mir nichts anderes übrig, als sie während des Drafts schnell noch zu drucken. Ein Glück, dass ich nur 23 Decklisten benötigte, sonst hätte dies das ganze Turnier deutlich verzögert. Die Moral von der Geschichte: So etwas nicht erst vor dem Draft prüfen, sondern zu Beginn des Turniers oder am besten am Abend vorher!

Da für den Drafts ungeöffnete, ungestempelte Booster verwendet wurden, stellte sich noch eine zweite Frage: Standardländer mit verdraften oder nicht? Ich entschied mich dafür, die Standardländer als stinknormale Karten anzusehen und mit verdraften zu lassen. Immerhin schreibt mir keine Turnierregel vor, diese aus den Boostern zu entfernen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich das nächste Mal anders entscheiden werde: Entfernt man die Standardländer vor dem Draft aus den Boostern, nimmt man den Spielern zwar eine Möglichkeit, während des Drafts Signale zu geben, aber gleichzeitig macht es die Decklisten-Registrierung sehr viel einfacher. Ohne Standardländer weiß ich, dass auf jeder Deckliste 42 „richtige“ Karten auftauchen müssen. Mit Standardländern im Draft können es zwischen 37 und 45 sein. Beim Deckbau war dann auch tatsächlich die häufigste Frage: „Wie registrieren wir denn jetzt, welche Länder wir gepickt haben/spielen?“ Diese ganze Konfusion hätte sich vermeiden lassen.


Auch in den Draft-Runden gab es nicht sehr viel Bedarf für meine Schiedsrichterdienste: Zweimal musste ich erklären, wie Doppelblocks unter den neuen Kampfregeln funktionieren, und ein Spieler zog seine Starthand aus Versehen vom gegnerischen Deck (beide Spieler nutzten gleichfarbige Hüllen). Im Anschluss an das Warning, das ich in diesem Fall für „Looking at Extra Cards“ vergab, entspannte sich eine etwas längere Diskussion: Der Spieler, von dessen Deck versehentlich gezogen wurde, fragte sich, ob nicht der Vorteil, den der ziehende Spieler erhalten hatte, so groß sei, dass nicht ein Gameloss eher angebracht wäre. Ich erklärte ihm, dass ich diesen Vorteil nicht sinnvoll messen könne, und es quasi unmöglich ist, Grenzen zu ziehen: Wie viel mehr Vorteil hat ein Spieler, der zwei Karten sieht, gegenüber einem Spieler, der eine Karte sieht? Was, wenn dies die eine Karte der „Secret Tech“ nach dem Sideboarden ist? Genaue Maßstäbe dafür, wo die Grenze zwischen Warning und Gameloss liegt…? – Eher nicht.

Die Finalspiele der Meisterschaften wurden dieses Jahr erstmalig im Best-of-Five-Modus ausgespielt – das war bisher immer nur den dreitätigen Meisterschaften vorbehalten. Ein Spieler bedankte sich überschwänglich dafür bei mir: Sein Viertelfinalgegner spielte ein Deck, gegen das er im ersten Spiel ein sehr schlechtes Matchup hatte, das aber nach dem Boarden deutlich besser war. Durch den neuen Modus musste er nur eins von potenziellen fünf Spielen ohne Sideboard spielen. Ich versuchte dem Spieler zu erklären, dass das nicht meine Entscheidung sei, aber das war ihm zu diesem Zeitpunkt recht egal.

Überraschend war für mich der Ausgang des Finales: Nach den Halbfinalen gab ich den Spielern eine kleine Pause, und als sie aus dieser zurückkamen, meinte einer der Finalisten zu mir, dass er gerne das Finale aufgeben würde. Zu diesem Zeitpunkt löste mein Bribery-Sensor Alarm aus und ich nahm mir beide Spieler einzeln vor und fragte nach den Gründen für diese Aufgabe. Beide Spieler konnten mich aber davon überzeugen, dass der Spieler aufgegeben hatte – nicht weil er dafür etwas bekommen würde, sondern weil er es zeitlich eh nicht schaffen würde, nach Rom zu fliegen und er den Slot nicht vergeuden wollte: eine sehr faire Geste. Ich hatte mich eigentlich darauf gefreut, dass bei einer Meisterschaft das Finalspiel auch wirklich das wichtigste Spiel des Turniers ist (bei allen Meisterschaften, bei denen drei/vier Leute als Nationalteam zur WM fahren, sind ja eher die Viertelfinale relevant), aber so endeten die Isländischen Meisterschaften dann also etwas antiklimaktisch. Der Isländische Meister 2009 ist Halldór Sigurðu Kjartansson mit Mono-Green-Aggro.

Die Meisterschaften endeten um 21 Uhr. Nachdem wir noch etwas aufgeräumt hatten, war ich gegen zehn im Hotel, am Montag um sieben Uhr morgens ging mein Flieger nach Dänemark. Die folgende Woche verbrachte ich in Apartment meiner Verlobten in Dänemark.

Dänemark

Am Freitag ging es dann, wieder mit meiner Verlobten, nach Sölröd Strand, einem kleinen Ort 15 km südlich von Kopenhagen, wo die Dänischen Meisterschaften stattfinden sollten. Austragungsort war die Cafeteria der dortigen Berufsschule, ein gut belüfteter und erfreulich übersichtlicher Raum, in dem Platz genug für die Nationals sowie für Public Events war. Außerdem war gleich neben der Cafeteria eine kleine Sporthalle, in der Spieler übernachten konnten (die Schiedsrichter hatten einen eigenen abschließbaren Raum dafür, und meine Verlobte und ich schliefen bei einem der Veranstalter zu Hause). Am Freitagnachmittag gab es dort zwei Last-Chance-Qualifier im Swiss-System, mit 23 und 18 Spielern, von denen sich jeweils die Top 4 qualifizierten. Zusätzlich lief ein Grand Prix Trial für Prag und ein Friday Night Magic.

Schon am Freitag schwante mir Böses bezüglich der Organisation. Für die Dänische Meisterschaft gibt es zwei Veranstalter: Erstens die Firma, die in ganz Skandinavien den Magic-Vertrieb übernimmt (Enigma Bergsala), zweitens der Spieleladen „Fanatic“ aus Roskilde. Wie schon letztes Jahr gab es auch diesmal im Vorfeld ein paar Missverständnisse darüber, wer welche Teile der nötigen Ausrüstung mitbringen würde. So hatten wir noch nicht genügend Limited-Decklisten und der Drucker war auch nur ein alter Tintenstrahler, den ein Fanatic-Mitarbeiter vorsorglich als Backup mitgebracht hatte. Der Drucker brauchte dann auch noch Treiber aus dem Internet, und so verzögerten sich die Freitags-Turniere ein wenig. Ich möchte gerne mal wieder eine ausländische Meisterschaft als Headjudge erleben, bei der es keine Druckerprobleme gibt…

Die Meisterschaft in Dänemark hat annähernd die gleiche Struktur wie in Deutschland: Es werden über zwei Tage verteilt insgesamt zwölf Runden plus Top 8 gespielt: Zuerst drei Runden Standard, dann drei Runden Draft, dann noch mal drei Runden eines neuen Drafts, dann wieder drei Runden Standard und zum Abschluss die Top 8, wieder im Standard-Format. Am Samstag wurden die ersten sieben Runden gespielt, am Sonntag der Rest und die Top8. Da die Dänische Meisterschaft ebenfalls „invitation only“ ist, qualifizieren sich auch hier die besten vier Spieler zur Weltmeisterschaft nach Rom.


Bis Samstagmorgen meldeten sich 95 Spieler (bei 115 Qualifizierten) an – für Dänemark ein neuer Rekord, der den alten Rekord von 2008 um genau eins überbot. Um diese 95 Spieler und Public Events zu betreuen, hatte ich außer mir noch acht Schiedsrichter zur Verfügung: einmal Level 2, viermal Level 1 und dreimal Level 0. Bereits im Vorfeld hatten mir fünf von diesen acht Bescheid gegeben, dass sie gerne einen Schiedsrichtertest ablegen wollten. Der interessanteste Teil meiner Vorbereitung als Headjudge war diesmal also, diese ganzen Tests so in den Zeitplan einzubauen, dass trotzdem jederzeit genügend Schiedsrichter für das eigentliche Turnier zur Verfügung standen. Fast alle Schiedsrichter kannte ich schon von den Meisterschaften der letzten zwei Jahre.

Zu Beginn des Turniers gab es wiederum Verzögerungen: Der Drucker, den wir gestern mit Mühe an dem einen Laptop zum Laufen gebracht hatten, zickte wieder rum, als wir ihn an den Laptop anschließen wollten, auf dem letztendlich die Meisterschaft verwaltet werden sollte. Diese Verzögerung hätte natürlich vermieden werden können, indem wir den Drucker einfach schon am Freitagabend auch auf dem zweiten Rechner eingerichtet hätten. Mist. Das Turnier startete letztendlich mit 21 Minuten Verspätung um 10:31 Uhr, nachdem ich in meiner Eröffnungsrede die üblichen Dinge ansagte: Schiedsrichter rufen bei Problemen, Ergebniszettel auch an die Schiedsrichter geben, ordentlich mit dem Gegner kommunizieren, keinen Müll am Tisch lassen, etc.

Zu diesem Zeitpunkt wünschte ich mir erstmals ein Mikrophon, aber es gab leider keins. So hatte ich die Wahl zwischen einem batteriebetriebenen Megaphon oder meiner unverstärkten Stimme. Da ich die Verzerrungen, die Megaphone mit sich bringen, nicht leiden kann, machte ich also während der Meisterschaften alle meine Ansagen ohne technische Hilfe – nicht ideal, aber es geht irgendwie.

Eine schöne Überraschung meldeten mir die beiden Schiedsrichter, die in der ersten Runde alle Decklisten geprüft und sortiert hatten: Tatsächlich gab es genau NULL illegale Decklisten! So konnten die Schiedsrichter dann auch direkt in der zweiten Runde mit regulären Deckchecks anfangen. In der dritten Runde begann ich meinen ersten Schiedsrichtertest. Tina Dahl, die auch als Spieler zur D(än.)M qualifizert war, hatte es vorgezogen, als Schiedsrichter auszuhelfen und wollte die Gelegenheit nutzen, ihren Level-1-Test abzulegen. Nachdem ich sie etwa eine halbe Stunde über Spielregeln, Turnierregeln und Prozeduren ausgefragt hatte und mit ihren Antworten generell zufrieden war, ließ ich sie auf den schriftlichen Test los (den sie mit einer Quote von 90% bestand) und konnte mich wieder um das eigentliche Turnier kümmern. Nach der dritten Runde hatten wir eine kleine Pause von etwa fünf Minuten, in der die Schiedsrichter die Spieltische in Drafttische umfunktionierten. Natürlich wäre es schöner gewesen, verschiedene Tische zum Draften und zur Deckkonstruktion zu haben, das ließ der Raum aber dieses Jahr nicht zu.

Wie für größere Meisterschaften üblich, waren die Draft-Booster vorher geöffnet worden, Standardländer wurden entfernt (keine Probleme mit Decklisten wie in Island!), Foilkarten ersetzt und alle Karten mit einem Stempel markiert. Allerdings enthielten diverse Booster leider nur noch 13 Karten, andere hatten noch das Standardland und waren komplett ungestempelt. Die Verantwortlichen bei Enigma hatten beim Stempeln offenbar ordentlich geschlampt. Wir hatten aber genügend Ersatzbooster, so dass nach ein paar Minuten Verzögerung zu Beginn des Boosters jeder Spieler die korrekte Anzahl markierter Karten hatte. Zu diesem logistischen Problem kam dann noch mein Lieblings-Draft-Fehler: Ein Spieler hatte zuerst den Conflux-Booster geöffnet und daraus gedraftet. Das Ganze fiel erst auf, als der Booster schon zweimal weitergegeben worden war…

Nachdem die Spieler fertig gedraftet hatten, mussten also alle gleichzeitig aufstehen, ihre Tischnummer für die Deckkonstruktion in Erfahrung bringen und dann zu diesem neuen Tisch gehen. Wir ermahnten die Spieler eindringlich, während dieser Phase nicht miteinander zu reden, und das funktionierte auch mehr oder weniger gut. Natürlich können sechs Schiedsrichter 95 Spieler nicht vollständig überwachen und jedes gesprochene Wort verhindern, aber wir konnten wenigstens dafür sorgen, dass alle zügig ihren Platz einnahmen und sich nicht gegenseitig beim Deckbau halfen.

In der vierten Runde nahm ein Spieler das erste (und einzige) Mal in diesem Turnier sein Recht wahr, eine Regelentscheidung eines Schiedsrichters anzufechten: Spieler A hatte irgendeine Art von Bounce-Spell auf eine Kreatur von Spieler B gespielt.


Dieser hatte die Kreatur allerdings nicht auf die Hand genommen, sondern in den Friedhof gelegt. Dieser Spielfehler fiel beiden Spielern erst ein paar Minuten später auf, als das Spiel beendet war und beide ihre Karten für das nächste Spiel mischten. Spieler A (der das Spiel verloren hatte) beschwerte sich nun und meinte, dass er die ganze Zeit angenommen habe, B hätte die Kreatur noch auf seiner Hand, und deshalb habe er (A) bestimmte Spielentscheidungen getroffen, die sich nun als suboptimal herausstellten, wo die Kreatur doch im Friedhof gewesen sei. Kurz gesagt wollte er, dass der Schiedsrichter das Spiel annullieren müsse, er es jedenfalls nicht verlieren sollte. Das kam aber selbstverständlich nicht infrage. Erstens war das Spiel mittlerweile vorbei und es somit unmöglich geworden, den Spielfehler irgendwie noch zu korrigieren, zweitens hätten wir, selbst wenn das Spiel zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorbei gewesen wäre, die Spielsituation nicht mehr verändert, da seit dem Zeitpunkt des Spielfehlers zu viele Entscheidungen auf beiden Seiten des Tisches gemacht worden waren. Drittens liegt es sowieso in der Verantwortung beider Spieler, für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Spiels zu sorgen, und auch Spieler A selbst hätte bemerken können/müssen, dass die Kreatur in den Friedhof gelegt wurde anstatt auf Bs Hand. Im Endeffekt unterstützte ich die Regelentscheidung des Schiedsrichters und es gab für jeden Spieler eine Verwarnung für „Game Play Error“ bzw. „Failure to Maintain Game State“.

So etwa zur Halbzeit der fünften Runde bat ich meinen Scorekeeper darum, weitere Limited-Decklisten zu drucken, um für den zweiten Draft genügend zu haben. Das war passenderweise der Zeitpunkt, zu dem der Drucker „low on ink“ verlauten ließ. Großartig. Eine Ersatzpatrone hatte natürlich niemand mitgebracht, also schickte ich den Ladenbesitzer des Fanatic los, eine zu kaufen. Zugegeben, meine „Bitte“ hier hätte ich etwas diplomatischer formulieren können, aber die logistischen Probleme, die wir bis hierhin schon gehabt hatten, hatten meine Geduld schon arg strapaziert, besonders da es die gleichen Probleme waren, die wir schon letztes Jahr gehabt hatten und für die die Organisatoren Besserung gelobt hatten… Letztendlich fand der TO keine neue Druckerpatrone, brachte dafür aber den supermodernen Laserdrucker aus der Firma eines Bekannten mit. Den hätte ich mir direkt zu Beginn des Turniers schon gewünscht.

Der zweite Draft verlief ähnlich wie der erste, mit den gleichen Problemen wegen falsch gepackter Booster. Nach dem Draft wies ich die Schiedsrichter, die direkt anfangen wollten, Decklisten zu prüfen, an, damit zu warten. Nach der ersten Runde dieses Drafts würde der Turniertag eh beendet sein. Ich hielt es deshalb für eine gute Idee, die Decklisten von allen Schiedsrichtern zusammen nach Ende der Runde zu prüfen. Da Strafen für etwaige Decklistenprobleme sowieso erst zu Beginn von Runde 8 und damit am nächsten Morgen ausgeteilt werden würden, bedeutete dies für den Ablauf keinen Unterschied, gab mir aber für Runde 7 zwei zusätzliche Schiedsrichter, die für Regelfragen etc. zur Verfügung standen. Die beiden zählten also nur schnell durch, ob wir von jedem Spieler eine Liste hatten und machten dann normale Schiedsrichterarbeit.

Nachdem die siebte Runde beendet war (es war mittlerweile fast 21 Uhr), zählten wir also mit allen noch verbliebenen Schiedsrichtern die Decklisten; das war in 15 Minuten erledigt. Danach stand für die Schiedsrichter ein Booster-Draft an, den der Verantwortliche von Enigma vor dem Turnier vollmundig angekündigt hatte als „the fight for ultimate fame, glory and cool prizes“. Der Draft war ganz nett (mein Deck war RG mit zwei Bloodbraid Elf unf Splash für Wall of Reverence), aber die „cool prizes“ beschränkten sich letztendlich auf drei zusätzliche Booster, während gleichzeitig der Veranstalter am Tisch nebenan 12-Booster-Sealed mit ein paar Bekannten spielte. Der Abend endete für mich gegen Mitternacht.


Am Sonntagmorgen musste ich entscheiden, ob ich zur angegebenen Startzeit direkt mit der achten Runde starten sollte. Die Alternative war, erst alle Spieler alphabetisch geordnet sitzen zu lassen und so festzustellen, wer alles nicht mehr zum zweiten Tag antrat. Ich entschied mich für Letzteres. So ließ sich eine große Anzahl von Matchlosses für Nichtauftauchen vermeiden und die Turnierergebnisse nicht durch eine unnötig große Anzahl von Quasi-Freilosen verzerren, und das war mir die fünf Extraminuten, die das Seating kostete, wert.

Für den zweiten Tag stellte sich wie am Tag vorher das Problem, dass viele meiner Schiedsrichter in Tests verwickelt sein würden. Neben Tina hatten am ersten Tag noch zwei weitere Level-0-Schiedsrichter den Test zum Level 1 versucht, von denen ein weiterer auch bestand. Dabei hatte sich noch ein interessantes Problem ergeben: Einer dieser Level-0-Schiedsrichter konnte im Interview alle Fragen komplett und sofort beantworten, schaffte dann aber im schriftlichen Test nur knapp 50%, also deutlich zu wenig. Andreas (der dänische Level 2 vor Ort) und ich waren uns sicher, dass der Prüfling sehr viel mehr konnte als diese 50% und dass das Problem eher im Format des schriftlichen Tests begründet lag als in seinem Wissen. Was machen? Letzten Endes entschieden wir uns, den normalerweise schriftlichen Test zu „vermündlichen“, ihm also jede der Fragen und danach die Antwortoptionen vorzulesen. In diesem zweiten Anlauf schaffte er die erforderlichen 70% ohne Probleme. Ich war froh, ihn daraufhin zum Level-1-Schiedsrichter befördern zu können, denn letztlich soll der Test ja Regelwissen und nicht Textverständnis abfragen.

Zu Beginn der ersten Sonntagsrunde verteilten wir die Strafen für illegale Decklisten, die wir am vorigen Abend noch entdeckt hatten. Darunter war eine Deckliste, die nur 39 Karten für das Maindeck enthielt. Der gleiche Spieler hatte schon für den ersten Draft eine illegale Liste eingereicht. Für diese erste illegale Liste hatte er nur ein Warning statt des üblichen Gameloss bekommen: Er hatte in einer der „played“-Spalten null Karten gelistet, im „total“-Feld unter dieser Spalte jedoch eine „1“ markiert. Da ebendiese Spalte auch unter „im Pool“ nur eine einzige Karten enthielt und dadurch recht klar war, welche Karte denn mit der „1“ im Total-Feld gemeint war, hatte ich entschieden, die im Infraction Procedure Guide vorgesehene Möglichkeit für eine Herunterstufung der Strafe in Anspruch zu nehmen. So einfach war es bei der zweiten illegalen Deckliste nicht, und deshalb wollte ich hier die Strafe nicht herunterstufen, im Gegenteil: Für mehrere gleichartige Vergehen innerhalb eines Turniers sieht der Infraction Procedure Guide vor, die Strafe zu erhöhen. Die Frage, die sich stellte: Erhöhen wovon? Ein Matchloss verteilen, weil für das erste Vergehen die Grundstrafe ein Gameloss ist? Oder ein Gameloss verteilen, weil es beim ersten Mal ein Warning gab? Ersteres ist korrekt, was dazu führte, dass eines der Feature-Matches dieser Runde sehr kurz ausfiel.

Eine weitere Situation aus dem zweiten Draft: Spieler A spielt in seinem zweiten Zug einen Forest und hat damit einen Forest und einen Mountain im Spiel. Dann überlegt er ein Weilchen und will Grixis Grimblade spielen. Sein Gegner stellt recht schnell fest, dass das so nicht funktioniert. Spieler A meint, er wollte statt des Forest ein Island spielen. Der Schiedsrichter, der gerufen wird, meint (zu Recht), dass Spieler A den Forest nicht zurücknehmen kann – ihn auszuspielen war völlig legal und die Pause zwischendrin sei zu lang gewesen, um hier die Situation zurückzudrehen. Als der Schiedsrichter dann auch noch anmerkt, dass es mit Island ebenfalls nicht möglich ist, Grixis Grimblade auszuspielen, schaut sich der Spieler noch einmal genau an, was die Manakosten der Grimblade sind, und stellt fest, dass er diesen mit den Ländern in seinem Deck niemals wird ausspielen können.


Er nahm es mit Humor und meinte, dass das wenigstens seine Sideboard-Entscheidungen erleichtern würde…

Die letzten Runden verliefen sehr ereignisarm, jedoch gingen mir langsam, aber sicher die Schiedsrichter aus: Einer saß an seinem schriftlichen Test und zwei waren gezwungen, schon abzureisen, da sie am Montag arbeiten mussten. In der zwölften Runde, als die Spieler die üblichen Überlegungen bezüglich IDs, Concessions etc. anstellten, fragten mich einige Spieler, ob sie noch die Standings sehen dürften, obwohl die Runde schon angefangen hatte. Die Antwort war „nein“ – ich hatte vor Beginn der Runde schon ein paar Minuten extra dafür gegeben. Als die Spieler fragten, ob vielleicht einer der Zuschauer die Standings sehen und ihnen berichten könne, verbot ich dies ebenfalls. Diese Frage wurde mit den neuen Turnierregeln, die Anfang Juli veröffentlicht wurden, deutlich beantwortet:

-Zitat:
Players may not reach an agreement in conjunction with other matches. Players can make use of information regarding match or game scores of other tables. However, players are not allowed to leave their seats during their match nor are they allowed to ask spectators for such information.

Am Ende der letzten Runde, als zwei Spieler (beide in Reichweite der Top 8) auch nach dem Ablauf der fünf Extrazüge kein eindeutiges Ergebnis erspielt hatten, entspannte sich zwischen beiden eine recht lange Diskussion darüber, was sie nun mit dem Ergebnis anstellen sollten. Als sich die Spieler nach zwei Minuten noch nicht einig waren, ob und wer aufgeben sollte, gab ich ihnen einen letzten Schubs und meinte, sie müssten sich JETZT entscheiden. Beide blieben stur und wollten nicht zugunsten ihres Gegners aufgeben. Im Endeffekt fragte ich beide nacheinander ein letztes Mal, ob sie aufgeben wollen, und als das beide verneinten, beendete ich die Partie als 1-1 unentschieden. Damit waren beide nicht in den Top 8 und es gab einen lachenden Dritten.

Da die letzte Runde früher endete, als ich erwartet hatte, ließ ich den Spielern der Top 8 eine Dreiviertelstunde Zeit, bevor wir die KO-Runden begannen. Einige Spieler fragten mich, ob sie die Decklisten ihrer Gegner zu sehen bekämen, doch dies ist für Turniere, bei denen die Top 8 noch am selben Tag wie die letzte Runde ausgetragen wird (beispielsweise bei PTQs) und wenn es keine Live-Berichterstattung gibt, allgemein nicht mehr vorgesehen. Wir sammelten die Decks der Spieler ein und überprüften sie, bevor die Finalspiele begannen. Mit den Decks gab es keine Probleme.

Ich erinnerte die Spieler vor Beginn außerdem daran, dass auch die Top 8 ganz normaler Teil des Turniers seien und sie weiterhin für Fehler verantwortlich gemacht werden würden. Ich bat sie ganz besonders darauf zu achten, nach jedem ihrer Matches wieder zu ent-sideboarden und ihre Decks und Sideboards vor Beginn jedes Spiels durchzuzählen, denn ich wollte nicht, wie in den letzten zwei Jahren, ein Spiel durch ein Gameloss für Deck/Decklist-Mismatch entscheiden müssen. Dazu kam es dann auch tatsächlich nicht. Ein Spieler, der G/W-Tokens mit Soul Warden spielte, erhielt allerdings während des Viertelfinales zwei Verwarnungen, weil er die ausgelöste Fähigkeit des Soul Warden mehrmals vergaß. Beim zweiten Mal warnte ich ihn, dass das dritte Vergessen ein Gameloss bedeute. Daraufhin fragte er, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, dass ich auf Strafen einfach verzichten könne und die Spieler die Partien ausschließlich durch spielerische Fähigkeiten entscheiden dürften. Das musste ich natürlich ablehnen: Als Schiedsrichter bin ich dafür da, Regelverstöße entsprechend zu ahnden und kann nicht bei bestimmten Verstößen selektiv wegschauen. Außerdem ist die Fähigkeit, ein Spiel regelkonform zu beenden, durchaus eine Magic-relevante Fähigkeit. Wer mit der Komplexität seines Decks nicht klarkommt, sollte eventuell einfach ein anderes spielen. Der Spieler hatte eine unorthodoxe Lösung für sein Dilemma: Er sideboardete die Soul Warden raus.

Der Dänische Meister 2009 heißt Thomas Enevoldsen; er spielte UB-Faeries. Das Finale endete um 20 Uhr, danach übergab ich in einer kleinen Zeremonie die von Wizards verliehene Trophäe und einen weiteren Pokal, der in Dänemark als privat gesponsorter Wanderpokal seit zehn Jahren an den Dänischen Meister vergeben wird. Nachdem in den letzten zwei Jahren diese Zeremonie immer etwas mickrig ausgefallen war, war ich dieses Mal froh, dass sich eine größere Menge der Zuschauer dafür interessierte. Dieses Jahr hatte ich auch dafür gesorgt, dass beide Trophäen schon seit Freitag deutlich sichtbar in einer kleinen Vitrine ausgestellt waren, zusammen mit den Preisen für die restlichen Spieler der Top 8. – Es gab außer den Pro-Punkten und der Qualifikation zur WM zwar keine Booster, dafür aber „PTQ-Flatrates“ zu gewinnen: Alle Spieler der Top 8 bekommen ein Jahr lang freien Eintritt zu allen PTQs in Skandinavien.

Nach der Preisverleihung hielt ich noch eine kleine Abschlussbesprechung mit meinen Schiedsrichtern, beglückwünschte alle diejenigen, die einen Schiedsrichtertest zum nächsten Level bestanden hatten (zwei der Level 0 sind jetzt Level 1), danach war die Dänische Meisterschaft beendet und damit für mich die erste Hälfte der Nationals-Saison – die andere Hälfte besteht aus der DM in Aschaffenburg sowie der Türkischen Meisterschaft in Instanbul im September. Ich hoffe, der Bericht von dieser ersten Hälfte war nicht allzu langweilig; über Kommentare zu den beschriebenen Situationen freue ich mich natürlich!

Falko




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