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Community Alea iacta est, Teil 3 von Nico Bohny |
17.12.2009 |
Es war einmal vor langer, langer Zeit, als es in der Schweiz noch nicht schneite, so wie heute, in Rom die Weltmeisterschaft. Nach dem Motto „Die letzten werden die ersten sein“ kämpften da die Schweizer Heerscharen am dritten Tag um Ruhm und Stolz und ein paar Punkte, auf dass sich ihr Team vielleicht noch an die Spitze des Wettbewerbs und vor allem vor die Habsburger mogele. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Es war einmal, vor sogar noch etwas längerer Zeit, ein Planet voller Maschinen. Beherrscht von einer Schnecke namens Agent Molder und seiner Gehilfin Scully Clamp, welche aufgrund irrer Brokenness jedoch bald aus dem Lande verbannt wurde. Außerdem bald auch aus allen anderen Ländern, sogar Extended. Da war was faul im Staate Mirrodin!
Doch ihre Anhängerschaft hat Scully behalten, dunkle, metallverschlingende, modulare Gestalten, und ich wette, hätte der Trygon Predator in solcher Dimension schon existiert, wäre er als eisenfressender Gott verehrt worden. Tja, und so regierte diese farblose Sippe bis an ihr Lebensende, und weil sie nicht gestorben sind, regieren sie dort noch heute.
Und weil sie nicht rausrotiert sind, spielt man sie auch noch heute.
Da ist was faul im Staate Mirrodin:
| | | | 3 Arcbound Worker
4 Arcbound Ravager
4 Master of Etherium
4 Frogmite
3 Ornithopter
4 Thoughtcast
3 Springleaf Drum
4 Chromatic Star
4 Cranial Plating
4 Thopter Foundry
2 Sword of the Meek
3 Blinkmoth Nexus
1 Glimmervoid
1 Island
4 Darksteel Citadel
4 Seat of the Synod
4 Ancient Den
4 Vault of Whispers
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4 Thoughtseize
4 Path to Exile
3 Tormod's Crypt
2 Pithing Needle
2 Meddling Mage
| —Diese und weitere Karten gibt's bei:
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Warum gerade dieses Deck?
Ich spielte in Austin gegen Job Martens und sein sehr ähnliches Deck, mit dem kleinen Unterschied, dass er Myr Enforcer statt der Thopter Foundry-Kombo spielte – zwei Foundrys hatte er aber dennoch. In der Theorie gefiel mir das Deck auf Anhieb, man hatte ein prächtiges Matchup gegen jegliche Feen, All-in Red und Dredge, und mit der Kombo konnte man das eher schlechte Zoo-Matchup etwas geradebiegen. Außerdem, und das war wohl der wichtigste Faktor, hatten wir schlichtweg keine Lust, groß für Extended zu testen, da uns Standard vollends in Anspruch nahm. Affinity sah nach einem guten Deck aus, das momentan nicht so schrecklich gehatet würde (bis alle sahen, wie viel Thopter-Kombo gespielt wurde), das nicht unendlich schwer zu spielen war und das eigentlich immer schön viel Spaß machte beim Spielen.
Von der Theorie zur Praxis:
Runde 1 – Kopec, Mateusz [POL] – Thopter-Kombo
Mein Gegner gewinnt den Würfelwurf, beginnt mit Land und Chrome Mox. Meinen Chromatic Star will er dann aber doch nicht countern, legt sein zweites Land und spielt Thirst for Knowledge am Ende meines Zuges. Am Ende meines nächsten Zuges ebenfalls, nach vorheriger Spell Snare, und in meinem nächsten Zug gleich wieder, diesmal nach Mana Leak. Dann zufrieden die Kombo ausgespielt, eine Zillion Leben samt Flieger gebastelt, guter Junge.
Im zweiten Spiel nehme ich seine Hand auseinander mit drei Thoughtseize, zwischen welchen er aber jeweils schön einen Threat respektive eine Solution nachzieht. Für Master of Etherium ein Mana Leak, für den nächsten Master Cryptic Command, und so weiter und so fort. Auf drei Leben findet er dann auch die Kombo und gewinnt.
Runde 2 – Estratti, Samuele [ITA] – All-in Red
An Samuele kann ich mich noch gut erinnern – er war in Austin so überzeugt von seinem All-in Red, dass ich schwer annahm, er würde es wieder spielen. Und auch schon da habe ich mit Dredge ein wunderbares Matchup verloren…
Tja, was soll ich das Spiel groß schönreden – er beginnt mit Turn 1 Deus of Calamity, ich komme mit Frogmite, Springleaf Drum, Chromatic Star und Arcbound Ravager immer noch knapp nicht ins Spiel. Spiel 2 beginnt er mit zehn Goblin-Spielsteinen, ich habe aber Chromatic Star, Ravager und Frogmite. Im nächsten Zug spiele ich einen weiteren Ravager, dem eines meiner Ländern das Überleben gegen rote Männchen sichert. Emanuele macht vier weitere Tokens mit seinen zwei nachgezogenen Karten. Ich habe meinen dritten Ravager, und auch er kriegt ein Land zum Verzehr, sodass er im nächsten Zug, falls nötig, blocken könnte. Ich gehe auf zwei Leben, habe aber nun vier Tiere gegen seine fünf Goblins, und spiele in meinem Zug mit meinen verbleibenden zwei Mana die rettende Thopter Foundry.
Rettend? Denkste! Auch Sam, der Fuchs, hat ja inzwischen wieder zwei Karten gezogen, und wie unrepräsentativ fürs Deck wäre es denn, wenn's nicht Seething Song und Demigod of Revenge gewesen wären. Wer braucht schon Länder im Late Game?
Er lächelt verschmitzt und entschuldigt sich für den Draw. Und wie schlecht doch das Matchup sei. „Ma cha cazzo, porcodio, testa di merda, stronzo, figlio di…” Hätte ich wohl als Italiener in einer solchen Sitaution gesagt. Als brav erzogener Schweizer komme ich nur auf: „Yes, yes, how lucky…“
Nach der Runde sitzen wir zum Plaudern ein wenig herum und kommen beim Diskutieren zu dem Schluss, dass unser Matchup gegen Thopter-Kombo ja ausgezeichnet sein müsse, denn dank Master of Etherium produzieren wir ständig 2/2-Tokens statt nur 1/1er. Auf das Argument, dass das Schwert ja gar nicht mehr ausgelöst wird, wenn ein Master liegt, wären wir ohne außenstehende Hilfe wohl nicht gekommen. Wenn man solche Kleinigkeiten doch schon vor der Deckwahl bemerken würde…
Runde 3 – Monetto, Marco [ITA] – Rubin-Zoo
Über das Matchup bin ich mir noch nicht ganz im Klaren, aber ich denke, dass die Kombo auch ohne Master hier schon einiges tut. In Spiel 1 reicht's auf jeden Fall, um den Gegner praktisch ohne Gegenwehr zu knicken, zumal mit zwei Master of Etherium, die das Ganze etwas beschleunigen. (Und ja, mit dem Master auf dem Tisch habe ich dann tatsächlich auch keine Tokens mehr gemacht…) Spiel 2 halte ich nach Mulligan die schöne Worker-Ravager-Frogmite-Master-Kurve und stampfe den eher langsamen Gegner in den Boden.
Runde 4 – Hedbäck, Tore [SWE] – Bant
Irgendwie macht mein Gegner nicht den Eindruck, als wäre er gut vorbereitet aufs Format. Er macht komische Fehler, wie zum Beispiel in Spiel 2 einen Path to Exile nicht zu spielen, der ihm 21 Schaden erspart hätte, nur weil sein Baneslayer Angel ihn auf unerreichbare Höhen von 22 Leben gebracht hat. Und als er dann im nächsten Zug mit dem Engel angreift und in meinem Angriff zwei Paths spielt, leider aber drei Flieger angreifen, und man Cranial Plating ja bekanntlich instantmäßig equippen kann, ist's aus. Das erste Spiel gewann ich im Übrigen mit der Kombo…
Runde 5 – Gurov, Igor [UKR] – Landfall-Zoo
Mein Gegner plärrt mir die Ohren voll, wie unlucky er die ganze Zeit gezogen habe und was für ein armer Tropf er doch sei. Ich frage ihn, ob er sich eine weitere Blamage nicht ersparen und zum Wohle des Schweizer Teams conceden will, aber dafür ist er doch zu stolz. Er gewinnt den Würfelwurf, beginnt mit Steppe Lynx, Fetchie, Plated Geopede, Fetchie, Tribal Flames und Lightning Bolt und tötet mich im dritten Zug. Ich überlege, ob ich ihn nun wegen seiner schlechten Draws weiter trösten soll, entscheide mich dann aber dagegen.
Im zweiten Spiel zieht er nicht minder unglücklich – Lynx, Fetchie, Geopede, Fetchie, Geopede, Path auf meinen Master, Fetchie. Irgendwie ist Magic nicht mehr das, was es mal war. Magic ist tot. Und ich bin es auch!
Runde 6 – van Lamoen, Tom [NLD] – Rubin-Zoo
Einer der wenigen Spieler, die in weiblicher Begleitung zum Turnier erschienen sind. Zwar ist's nicht die Mutter wie beim Paolo, dafür aber eine junge Dame, die scheinbar interessiert dem Spiel folgt. Zwar hat sie keinen großen Ausschnitt, der mich ablenken könnte, aber ihre bemitleidenswerte Mimik, die sie zeigt, wann immer ihr Freund angegriffen wird, lenkt mich dann doch ein wenig ab. Ihn im Übrigen auch, denn er spielt langsamer, als man das als Judge wohl erlauben würde. Da ich jedoch wunderbar von der Dame zu seiner Linken und ihren verzerrten Gesichtsausdrücken abgelenkt bin, bemerke ich erst am Ende von Spiel 2, wie schnell die Zeit vorangeschritten ist. Auch wenn ich seit einigen Zügen die Kombo am Laufen habe, überlegt er dennoch eine halbe Ewigkeit lang, ob er jetzt doch mit dem Nacatl noch angreifen soll und den Path auf einen Token spielen muss. Was nichts weiter bewirkt als sinnlos verstrichene Minuten und wohl einige Falten mehr im Gesicht seiner Begleiterin – wie kann man das seiner Freundin bloß antun? Auf jeden Fall bringe ich ihn dazu, noch einmal so richtig schnell zu spielen, nehme Mulligan auf fünf und verliere, weil ich auf einem Land screwe.
Juhui! Der perfekte Abschluss. Irgendwie gibt's die Tage eben, da macht Magic überhaupt keinen Spaß, selbst wenn man gewinnt. Froh, über die Magic-Pause, die mir bevorsteht, und sogar sichtlich erheitert ob der coolen Top 8, gibt's dann das obligate, gute Nachtessen, diesmal im köstlichen Inder. Bier und Tarantella heben die Laune wieder, und auch diese Worlds bleiben trotz Cascade in guter Erinnerung.
Des Artikels spielerischer Abschluss: Dass wir Affinity nicht getestet haben, ist leider nur die halbe Wahrheit. Getestet haben wir nämlich durchaus, und zwar das Mirrormatch. Und zwar mit einer kleinen Abänderung. Ähnlich wie im guten alten Shalandar hatten beide Spieler zu Beginn der Partie eine Karte im Spiel; ich jeweils ein Oracle of Mul Daya, Matthias jeweils einen Master of Etherium. Um die 20 Spiele haben wir gespielt, beide Spieler haben das Spiel je zehnmal begonnen. Zu gewinnen gibt's Ruhm und Ehre. Schätzungen…?
Gerade passend dazu, meine heutige Top 5. Ich wuchs zu Beginn meiner Karriere in einer kleinen Magic-Community auf, die weder Ahnung von FNMs noch von Nationals hatte, weder von Magic im Internet noch von Regelnachschlagewerken. Damals gab's außerdem noch die kleinen Regelheftchen in den Grundeditions-Startern; das war unser Regelwerk. Nette Nebenerscheinung davon: Hausregeln. Wenn man halt mal nicht wusste, wie etwas funktionierte, wurde kurzum eine neue Regel dafür gebastelt. Darüber könnte ich eigentlich einen ganzen Artikel samt Analysen schreiben, nun aber die Kurzform.
Top 5 der Hausregeln und Spielabänderungen
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5. | |
Regeneration: Eine Kreatur konnte man bei uns früher auch direkt aus dem Friedhof wiederbeleben, sogar als Instant. Regerationsmana offenlassen war völlig unsinnig, denn es reichte ja, die Kreatur dann im nächsten Zug wieder ins Spiel zurückzuholen. Als ich dann mal mit meinem Sich-selbst-mill-und-alles-regenerier-Deck ankam, wurde das Metagame zum ersten Mal etwas instabil.
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4. | |
Extraleben: Da die großen 7/6-Würmer ja „everybody's darling“ waren, musste man die Leben etwas anpassen, damit die Spiele lange genug dauerten, um die dicken Spoiler auch auspacken zu können. 40 Leben waren gang und gäbe, manchmal waren es auch deren 60. Und wehe dem, der Terror und Counter in seinem Deck spielte…
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3. | |
Länder als Einwegprodukt: Zwei Brüder, die ich bei meinem ersten FNM kennenlernte, hatten mit einer absolut coolen Hausregel begonnen, Magic zu spielen. Und zwar dass man Länder opfern musste, wenn man sie tappte. Was zunächst einen 70-prozentigen Gehalt an Ländern im Deck ausmachte, darüber hinaus Stone Rain und Craddraw als unplayable deklassierte und schließlich Savannah Lions zum größten Spoiler machte. Selbst gespielt habe ich nie mit der Regel, aber ich hätte wohl Threshold oder etwas mit Terravore gegriffen…
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2. | |
Colorless Mana: Farbloses Mana war bei uns gleichbedeutend mit Mana irgendeiner Farbe. Was Nonbasics wie Ancient Tomb oder Crystal Vein gleich ungemein unfair machte, und 5-Color-Decks so was von gut fixte, dass jeder ausgelacht wurde, der sich mit vier Farben zufriedengab.
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1. | |
Mogg Fanatic-Graceful Reprieve-Kombo: Ich war mal als Judge bei einem National Qualifier tätig und nach etwa drei Minuten in meiner Tätigkeit verlangt. Ein Spieler hatte mit Graceful Reprieve seinen Mogg Fanatic angezielt und diesen dann zwanzigmal geopfert, um 20 Schaden zu machen, denn der Fanatic kehrt ja jedes Mal wieder zurück. Ich musste dem jungen Herrn erklären, dass diese Kombo so nicht funktionieren würde, und er meinte enttäuscht: „Schade, wir haben uns das Deck zu viert überlegt und dachten, wir würden uns heute alle damit qualifizieren.“ Die Judge-Calls in den nächsten Minuten folgten wie Popcorn – und nach etwa zehn Minuten war die dubiose Kombo den halben Teilnehmern des Turniers erklärt…
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