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Gedanken zum Gabentisch: M11
von Tobias Henke
11.07.2010



Ein wenig Smalltalk zum Einstieg. Übers Wetter, klar doch. Dieser Tage meckern ja viele über „Temperaturen jenseits der 35 Grad“. Nicht so ich. Ich gedenke des Sprachlapsus von letzter Woche, habe noch etwas gutzumachen und meckere deshalb lieber über Temperaturen diesseits der 35 Grad. Sollte die Tagesdurchschnittstemperatur endlich einmal in den Bereich jenseits der 35 Grad sinken, wäre ich hingegen sogar glücklich. Das aktuelle Sommerwetter mag meinetwegen nominell gut sein, praktisch jedoch ist es... einfach gar nicht. Vielmehr höchst unpraktisch. Die Hitze zwingt mich nämlich dazu, mehrere Stunden pro Tag in meiner Badewanne zu verbringen, weil das der kälteste Ort meiner Wohnung ist. Mit Ausnahme des Kühlschranks. Nur während die Badewanne schon klein ist, ist der Kühlschrank tatsächlich eine No-go-Area. Habe ich ausprobiert. Entsprechend komme ich kaum dazu, Magic-Artikel zu lesen. Stattdessen lese ich derzeit so viel bedrucktes Papier wie seit Jahren nicht mehr. Die Kombination Buch und Wasser ist eben weitaus verträglicher als der gut hydrierte Computer. Da ich dort bereits mehrfach eingenickt bin, herrschte ansonsten auch akute Gefahr für Leib und Lebtop.

Worauf ich hinauswill, ist Folgendes: Im Prinzip hat warmes Essen etliche Vorteile, als Heimatstadt lässt es indes einiges zu wünschen übrig. Mir wurde gemäßigtes Klima versprochen und Mäßigung verlange ich auch.

Ach nein. In Wahrheit: Ich habe wenig bis nichts gelesen und kann schlecht einschätzen, ob der Senf, den ich euch heute aufs Brot schmieren möchte, schon anderswo im Netz in den grob geschätzt 137 bisher erschienenen M11-Reviews durchgekaut wurde. Allerdings habe ich versucht, mich ausschließlich auf die interessanten Neuzugänge zu beschränken, solche, die ich für stärker halte, als sie aussehen. Oder umgekehrt halt. Darüber hinaus ist der Gabentisch selbstverständlich reich gedeckt mit allen möglichen weiteren Leckereien. Doch dass Mana Leak oder Obstinate Baloth gute Karten sind, muss ich sicher niemandem mehr erzählen. Obendrein gibt's zwischendurch ein paar Deckentwürfe, für die allesamt gilt, dass sie bislang noch zu viele oder zu wenige sowie garantiert ein paar falsche Karten enthalten. Ihr seid gewarnt.

Auf los geht's los.

Und los!

Ajani's Pridemate: Liegt Soul Warden oder Soul's Attendant, löst das Kätzchen beim Betreten des Spielfelds quasi sich selbst aus und kann so bereits in Turn 2 zum 3/3er werden und in Turn 3 rein theoretisch für bis zu neun Schaden angreifen. Wenn man allerdings so viel Aufhebens um eine einzelne Kreatur macht, sollte heutzutage wohl mehr dabei herausspringen. Falls es jedoch ausreichend andere Gründe gibt, die Soul-Sisters zu verwenden, dann bitte.


Condemn: Nicht nur schwächer als Path to Exile, sondern auch noch schwächer als Condemn! Zumindest schwächer als Condemn bei seinem letzten Auftritt. Schon mal von Kozilek angegriffen worden? Bisher aber bestimmt noch nie von einem Titan. Titan, Titan... Vier davon sind mindestens spielbar und der grüne und schwarze sind sogar richtig stark. Falls man in drei Monaten wirklich auf Condemn zurückgreift, wird man sich das bisschen Kartennachteil, das Path to Exile darstellt, sehnlichst zurückwünschen.

Serra Ascendant: Wenn Wizards unbedingt wollen, können sie selbst die absonderlichsten Konzepte spielbar machen. Etwa ein Lifegain-White-Weenie. Bei mir fliegt jedenfalls gerade so ein Zettel herum, auf dem die folgende Kritzelei steht.



4 Soul Warden
4 Soul's Attendant
4 Serra Ascendant
4 Ajani's Pridemate
4 Kor Firewalker
4 Squadron Hawk
4 Ranger of Eos
4 Honor of the Pure
4 Survival Cache
4 Eldrazi Monument

...




Squadron Hawk: Meiner Meinung nach die interessanteste Karte des gesamten Sets. Sie hat zweifellos Potenzial und schon bis zu fünf denkbare Anwendungsgebiete. Da wäre einmal Jace, the Mind Sculptor. Hawk spielen, drei Karten ziehen, zwei Hawks zurücklegen und so weiter. Auf die Art bekommt man nicht vier Karten zum Preis von einer, sondern sieben. Dass vier davon 1/1er sind, ist zugegebenermaßen ein wenig traurig, aber es ist quasi eine ganze Starthand extra! Das Überfluss-Plus zum Schluss: Selbst beim vierten Falken noch einmal mischen können für improved mind sculpting.


Des Weiteren wäre da Vengevine. Wenn man bis zum zweiten Zug sonst nichts macht, insbesondere auch keine Mulligans nimmt, sorgt ein Hawk selbst on the play dafür, dass man Vengevine abwerfen kann, und Futter, um es aus dem Friedhof zurück ins Spiel zu locken, hat man so ebenfalls zur Genüge. Turn 3 einen weiteren Hawk und Noble Hierarch nachzulegen und dann gleich mit dem 5/4-Schwein anzugreifen, scheint mir auf alle Fälle ziemlich broken.


Der Vogel kann natürlich nicht nur abwerfen, sondern auch prima abgeworfen werden. Die Quad-Squad bringt aus den vorgenannten Gründen Bant demnächst schon aufs übernächste Level und vielleicht darf sogar Fauna Shaman mitspielen. Vielleicht auch nicht, Sphinx of Lost Truths hat man sowieso.


Außerdem gibt es Eldrazi Monument. Grüne Decks greifen bisweilen auf Elvish Visionary zurück, und falls es tatsächlich ein entsprechendes weißes oder grün-weißes Deck geben sollte – experimentiert wurde ja bereits... also, Squadron Hawk ist sicher stärker als der Visionär.


Zu guter Letzt interagiert das Falkengeschwader interessant mit Mass Polymorph. Normalerweise kann man sich keine Kreaturenkarten leisten, die man nicht auch aufdecken wollen würde, doch sobald man einen hat, hat man sie eben alle.


Foresee: Ich liebe diese Karte. Beim letzten Mal, als es sie gab, konkurrierte sie im selben Manaslot mit Mystical Teachings und Careful Consideration, beides Spontanzauber. Währenddessen wurde es weit weniger wichtig, Mana offenzuhalten, und Mana Leak alleine ändert das noch lange nicht. Deshalb sehe ich nicht, wie Jace's Ingenuity hier dazwischenfunken sollte. Der Effekt von Foresee ist jedenfalls bedeutend stärker.


Viel eher halte ich den Vergleich mit Mind Spring für angebracht. Es stimmt, in einem Deck mit recht hohem Manaanteil zieht Mind Spring des Öfteren mehr Karten. Aber: Rein numerischer Kartenvorteil ist wertlos; gerade in einem Deck mit hohem Manaanteil und in einer Situation, in der bereits vier oder mehr betragen könnte, ist Scry 4 einfach sensationell. Dass Scry mit Jace, the Mind Sculptor zusammenarbeitet, ist der Gipfel des i-Tüpfelchens auf dem Sahnehäubchen. Oder so. Es entbehrt keineswegs einer gewissen Ironie, dass dagegen ausgerechnet Jace's Ingenuity so überhaupt nicht mit dem Planeswalker interagiert. Jaces Findigkeit besteht offenbar vor allem darin, auf „Jaces Findigkeit“ zu verzichten.

Mass Polymorph: Nicht ohne Reiz – und Tücken. Die Vorzüge gegenüber dem Mass-losen Gegenstück liegen einerseits selbstverständlich in der Massentauglichkeit, andererseits in der Unanfälligkeit für Spotremoval. Schon um nur eins von beidem vernünftig auszunutzen, sollte man jedoch besser mehr Tokens produzieren als das alte Polymorph-Deck. Ob Khalni Garden, Growth Spasm und Awakening Zone dafür ausreichen, ist fraglich und selbst zusammen mit Garruk Wildspeaker bleibt es knapp. Eine weitere Frage, die man beantworten muss, ist die der Kreaturenauswahl. Angesichts dessen, dass ein Gegner in seinem Zug theoretisch alles zunichte machen kann, sind Iona, Shield of Emeria und Emrakul, the Aeons Torn möglicherweise einfach schlechter als ganz viele Hellkite Overlord. Andererseits steht zu vermuten, dass man den Sorgerechtsstreit um Jace genauso wie bisher ohnehin immer gewinnen muss, bevor man ordentlich polymorphen kann. Und dann kümmert sich Iona zumindest um das allermeiste andere.


Preordain: Schneidet im Schnitt schlechter ab als Ponder. Das Allernervigste ist allerdings, dass die vermeintlich gepimpte Version von Serum Visions gegen Goblin Guide auf einmal richtig abstinkt. Trotzdem natürlich schön, wieder auf acht solcher Manipulatoren zurückgreifen zu können. Im Standard wird es bis Oktober deutlich wahrscheinlicher, im zweiten Zug Pyromancer Ascension zu sehen, und im Extended haben mögliche Kombobestrebungen noch länger etwas vom Ponder-Preordain-Paket.

Dark Tutelage: Keine Kreatur zu sein, ist zwar eigentlich immer Vor- und Nachteil zugleich, aber da durchschnittliche Manakosten seit Dark Confidant ständig höher geklettert sind, in diesem Fall leider mehr Nachteil.


Captivating Vampire: Keine andere Karte verdeutlicht so sehr eins meiner Probleme mit dem neuen Rotationszyklus. M11 macht unter Umständen jetzt Decks gut, die schon in drei Monaten herausrotieren. Um eine aggressive Vampirliste zu pilotieren, benötigt man nun mal diesen Lord und Vampire Nocturnus.

Viscera Seer: Vampire Nocturnus funktioniert zu unzuverlässig, wird mitunter ausgespielt und gleich vom Blitz erschlagen; das Vampirdeck hat mit Bloodghast bessere Opfer als Opferstellen; und ihm fehlt ein sinnvoller 1-Drop. Ja, Viscera Seer löst alle diese Probleme auf einmal.



4 Viscera Seer
4 Bloodghast
4 Vampire Hexmage
4 Kalastria Highborn
4 Gatekeeper of Malakir
4 Vampire Nighthawk
4 Captivating Vampire
4 Vampire Nocturnus

...




Chandra's Spitfire: Insbesondere die burnlastige Variante von Mono-Rot erhält einen würdigen Nachfolger für Hell's Thunder. Bei Kiln Fiend muss man nicht auf den Gegner schießen, bei dieser Kreatur muss man hingegen nicht auf (Boden-) Blocker schießen! Dreimal darf man raten, was dem roten Deck besser zupassekommt. Ärgerlich ist bloß, dass die weiße Leyline einen noch mehr fertigmacht.


Destructive Force: Sieben Mana ist das neue sechs Mana und 5/5er sind die neuen 4/4er. Insofern ein wunderbares Update. Wildfire hat früher aber alles abgeräumt, während man sich heutzutage mit allerlei Planeswalkern herumschlagen muss. Für die Force bedeutet das gleichzeitig Krise und Chance sowie eine automatische Testfahrt im Planeswalker-Control.

Cultivate: Nach heutigen Maßstäben ist die Beschleunigung alles andere als phänomenal, aber ein Deck, was wirklich hoch hinauswill, benötigt eben mehr noch als Beschleunigung echte Manamultiplikatoren! Eldrazi-Ramp und Valakut, the Molten Pinnacle freuen sich besonders.


Primeval Titan: Er könnte es im Alleingang schaffen, die beiden vorgenannten Decktypen aus ihrem Nischendasein ins Rampenlicht zu hieven. Wenn man ihn ausspielt, hat man im nächsten Zug zum Beispiel zwangsläufig Kozilek-Mana, und falls er angreifen kann, dann im nächsten sogar genug für Emrakul.



4 Ancient Stirrings
4 Everflowing Chalice
4 Explore
4 Cultivate
4 Primeval Titan
4 Summoning Trap
4 All Is Dust
4 Kozilek, Butcher of Truth
4 Emrakul, the Aeons Torn
4 Eldrazi Temple
1 Eye of Ugin
19 Forest




Maximale Redundanz: Turn 2 gibt es Everflowing Chalice oder Explore, Turn 3 Everflowing Chalice oder Cultivate. Auf die Art sind sechs Mana für den vierten Zug einigermaßen sichergestellt. Es folgt Primeval Titan oder am Ende des Zugs Summoning Trap. Geht einem ein Titan in die Falle, ist ein erfolgreicher Angriff und über kurz oder lang ein Emrakul natürlich gleich um ein Vielfaches wahrscheinlicher. Bekommt man bloß einen dicken Eldrazi, spielt man halt All Is Dust hinterher und annihilatet den Gegner so. Klingt stark.

Auf beiden Seiten des Spektrums kann freilich etwas schiefgehen, indem man entweder ausgebrannt oder auskontrolliert wird. Gegen Rot boardet man aber bestimmt Obstinate Baloth, gegen die bösen, bösen Counter ein paar Gaea's Revenge und danach gucken wir erst mal weiter.

Elixir of Immortality: Emrakul, the Aeons Torn wird im Turbo-Fog mitunter tatsächlich ausgespielt, doch zum Töten reicht im Zweifel auch Jace Beleren. So kann man ein paar Slots, die gegenwärtig auf Emrakul und Rest for the Weary entfallen, mit dem Elixir konsolidieren. Sobald man einmal so weit ist, unendlich Time Warp aneinanderzureihen, stören einen nämlich selbst gegnerische Eldrazi nicht mehr. Da muss man einfach mit der +2-Fähigkeit des Planeswalkers gewinnen. Und mit Temple Bell.


Temple Bell: Hier gibt es einiges, was man nicht unterschätzen sollte. Zum Beispiel welch gewaltigen Unterschied es macht, ob der Gegner die (erste) Extrakarte in seinem Draw- oder seinem End-Step erhält. Oder dass man die Glocke in jedem Fall ersetzt bekommt, auch wenn sie sofort einem Oblivion Ring oder Maelstrom Pulse zum Opfer fällt. Dass sich der Gegenspieler totziehen kann, obwohl er niemals mehr drankommt. Insgesamt etwas weniger Gerangel mit dem Discard-Step, vor allem in der Anfangsphase. Ferner dass man nicht etwa nur für jeden Zug, sondern auch für jedes Open the Vaults extra zieht. Zudem die Synergie mit Voltaic Key oder Tezzeret the Seeker.

Die Möglichkeit eines nicht-blauen Howling Mine-Decks ist zwar faszinierend, beispielsweise mit Ancient Stirrings und dem Original-Fog höchstpersönlich sowie Acceleration für ein beschleunigtes Emrakul, aber lang, lang ist's her, dass ein solches Deck ohne Time Warp oder Time Sieve auskommen konnte. Entsprechende Bemühungen führen höchstens zu einer Liste, die sowohl dem normalen UW-Turbo-Fog als auch dem aufgewerteten Open the Vaults unterlegen sein dürfte. Was allerdings die Anwesenheit von Mana Leak mit beiden diesen Decks anstellt, ist schwer zu sagen.


Mehr Einsichten gibt's sicher irgendwann demnächst. Was die Aussichten angeht, waren das fürs Erste aber alle meine Gedanken zum Gabentisch.




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