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Limited
Wer nicht fragt
von Tobias Henke
04.10.2010

Eigentlich wollte ich diese Woche, und damit meine ich selbstverständlich letzte Woche, einen ganz anderen Artikel schreiben. Eigentlich wollte ich diesen hier aufsparen, bis ich Antworten habe. Wie es sich nun ergeben hat, müssen Fragen aber vorerst reichen.


Spielt man wieder 14 Länder?

Okay, zugegeben, das ist mutwillig provokativ gefragt. Meines Wissens nach wurden nur ein einziges Mal 14 Länder in einem Top-8-Deck einer Draft-Pro-Tour gespielt, wenngleich von einem der besten Limitedspieler aller Zeiten. 15 Länder allerdings gab es auch schon mal in drei Top-8-Decks desselben Grand Prix. Was haben die beiden Links gemeinsam? Sie führen in die wunderbare Draftwelt des alten Mirrodin-Blocks.

Anecdotal evidence aside, kann ich euch versichern, dass in dem Format 16 Länder der absolute Normalfall war. Das ist eins weniger als in den meisten Limitedumgebungen mit Ausnahme von Ravnica. Warum kam man damals mit weniger aus? Und lässt sich irgendetwas davon auf Scars of Mirrodin übertragen?


Affinity for artifacts: Die Bedeutung fürs Limited ist wahrscheinlich leicht überschätzt. So viele Affinity-Commons gab es einfach nicht, dass jeder etwas vom Kuchen abhaben konnte. Wenn, dann lieferte Affinity aber gleich zwei Argumente, bei den Ländern zu knapsen. Einerseits erhielt man Spells zum Vorzugspreis, andererseits wollte man deshalb natürlich möglichst viele Artefakte im Deck unterbringen. Idealerweise so viele, dass der Platz an sich bereits eng wurde.

Spellbombs: Die alten Spruchbomben kosteten alle zum Ausspielen und zum Cyceln. Affinity und Artefaktfresser wie Krark-Clan Grunt taten ihr Übriges und für farbiges Mana bekam man schließlich noch einen mehr oder weniger nützlichen anderen Effekt. Überwiegend war dieser aber tatsächlich Sekundärzweck. Nichtsdestotrotz spielten die Spruchbomben eine vergleichsweise kleine Rolle dabei, die Landzahl zu senken. In den wilderen Experimenten waren sie zentral; und als die Idee zum ersten Mal aufkam, war sie ziemlich innovativ und kreierte einen gewissen Hype. Doch längst nicht alle Decks wussten mehr mit ihnen anzufangen, als sie schnellstmöglich in echte Draws umzuwandeln, und allein dafür lohnte sich das erhöhte Screw-Risiko dann doch nicht.


Manamyr: Es wird definitiv wärmer. Die Allgegenwart dieser Extraquellen, ergänzt um die Talismane, die allesamt beliebiges Mana kosteten und farbiges produzierten, war sicherlich einer der zwei wichtigsten Faktoren, die die Länderanzahl beeinflussten. Und der andere ist hier bereits angeklungen.

Verdammt viele Artefakte! Das Verhältnis 18/40 entspricht 27/60. Nun lassen sich Limiteddecks aus vielerlei Gründen nicht mit Constructeddecks vergleichen. Unter anderem spielt man im Constructed ja schon 5-Mana-Sprüche niemals ohne Carddraw oder Beschleunigung. Trotzdem ist 27 eine Menge. Mehr noch als in der höheren Manakurve liegt diese massive Diskrepanz jedoch in den Farbanforderungen begründet. und im selben Deck? Heißen diese Karten Cancel und Day of Judgment, also im Standard, würde man Leute für vollkommen verrückt erklären, die sie mit weniger als acht Doppelländern auszuspielen versuchen. Dasselbe mit null Doppelländern ist aber genau das, was wir unserer Manabasis im Draft regelmäßig zumuten, bloß weil die Karten dort zufälligerweise Aether Adept und Inspired Charge heißen. Deshalb gehen wir selbst bei guter Kurve fast nie unter 17 und noch seltener unter 16. Wenn allerdings auf einmal ein großer Teil des Decks farblich überhaupt keine Ansprüche mehr stellt, gehört das übliche Vorgehen auf den Prüfstand. 22–23 Länder sind für ein 60-Karten-Deck keineswegs undenkbar. Warum sollten also 15 auf 40?

Und heutzutage? Heutzutage gibt es mehr Metalcraft als damals Affinity, zugegebenermaßen farblich besser verteilt. Wir haben bereits gehört, dass man 14–16 Artefakte einpacken sollte, um diese Boni zuverlässig abgreifen zu können, und das ist durchaus vergleichbar. Die Manamyr sind zurück, aber die Talismane sind es nicht. Zudem enthalten Booster von Scars of Mirrodin eine Common weniger als Mirrodin-Packs, zehn anstelle von elf. Da Mirrodin jedoch 110 statt 101 Commons hatte, gleicht sich zumindest dieser Faktor wieder aus. Manamyr sind genauso häufig wie damals.


Die neuen Spruchbomben sind kompliziert. Mit Ausnahme der grünen will man wohl keine davon als Off-Color-Spellbomb spielen. Die weiße ist immerhin für Metalcraft so förderlich, dass man sie sogar mitnimmt, wenn sie nur meistens eine Karte zieht. Die grüne allerdings hat es in sich und erlaubt doppelt so gut, bei der Landmenge zu schummeln, indem sie für garantiert ins dritte Land cycelt. Nebenbei ist es keine große Sache, aber auch nicht völlig unproblematisch, dass die rote und blaue jeweils ein Ziel oder eine alternative Opferstätte benötigen, um überhaupt umgewandelt werden zu können. Ansonsten orientieren sich jene beiden und die schwarze recht nah an dem alten Cycle-Prinzip, mit dem wesentlich Unterschied, dass sie leider farbiges Mana benötigen und insofern etwas nutzloser dabei sind, Manascrew abzuwenden. Mit einer klaren Hauptfarbe erfüllen sie diese Aufgabe trotzdem und können ebenso gut für andere Effekte geopfert werden.

Wo es kritisch wird, ist bei der Zahl der Artefakte. Beanspruchten diese früher knapp 45% der Commons und 52% der Uncommons, sind es heute bloß noch 35%, respektive 42%. Das ist bestimmt der fiese phyrexianische Einfluss, der sich hier Geltung verschafft. Ironischerweise sind die Phyrexianer im Vergleich zu allen anderen Welten des Multiversums geradezu artefaktversessen, auf Mirrodin hingegen ein ausgesprochen organischer Störenfried. Mir scheint jedoch, dass Scars bei den Artefaktsynergien ohne Keyword die Nase knapp vorn hat. Was beim alten Mirrodin noch von speziellen Equipmentkombos (Spikeshot Goblin, Auriok Bladewarden, Leonin Den-Guard, Skyhunter Cub) eingenommen wurde – schließlich war es die Premiere von Ausrüstungen –, geht jetzt wenigstens zum Teil an Karten wie Glint Hawk Idol, Golem Artisan, Glint Hawk, Abuna Acolyte, Ferrovore, Barrage Ogre, die drei guten Schmiede (Myrsmith, Riddlesmith, Embersmith) etc. Das sorgt vermutlich dafür, dass man nicht so wählerisch mit seinen Artefakten sein muss.

Was bedeutet all das für die eingangs gestellte Frage? Spielt man wieder 14 oder 15 Länder? Wie immer im Limited lautet die korrekte Antwort: „Hängt vom Deck ab.“ Möglich ist es sicher. Ich habe im Draft bereits gegen ein aggressives Metalcraft-Deck mit 15 Ländern verloren. Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr schon diesbezügliche Erfahrungen gemacht?


„Hast du was gesplasht?“


14–16 Artefakte in einem Deck? Da bleibt für farbige Zauber nicht mehr allzu viel Platz, nicht wahr? In normalen Formaten wären zwei Shatter und ein Galvanic Blast ein Splash. Legt man noch eine Karte dazu, hat man in diesem Format eine regelrechte Hauptfarbe.

Abgesehen davon, dass es natürlich Blödsinn ist, so zu denken! Die Regeln, nach denen man üblicherweise die benötigten Quellen für einen Splash bestimmt, verlieren ja nicht auf einmal ihre Gültigkeit, nur weil die meisten Karten überhaupt keine Farbe haben.

Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten der Mehrfarbigkeit, sowohl im Draft als auch im Sealed, die man auf jeden Fall erforschen sollte. Wenn man ein wenig darauf achtet, keine doppelfarbigen Sprüche zu nehmen, stellt sich die Frage zwischen Zweitfarbe 1 und 2 vielleicht gar nicht. Ich habe einen Sealed Pool gesehen, dessen Besitzer sich nicht entscheiden konnte: Für Rot sprachen vor allem Galvanic Blast und Oxidda Scrapmelter, für Weiß Arrest und Revoke Existence. Hätte er Slice in Twain rausgeworfen, hätte er beides haben können.


Hinzu kommt das Phänomen der Off-Color-Myr. Die sammelt man wohl ein und benutzt sie auch, aber ihr volles Potenzial schöpft man erst aus, wenn man sie nicht voreilig als solche abstempelt. Am Ende ist man sich gar nicht bewusst, einen Myr der entsprechenden Farbe zu haben, und schließt daraufhin einen Splash aus, den man sonst vielleicht erwogen hätte.

Also, Forum, hast du was gesplasht?


Wie viel Kombo ist sinnvoll?

Ich rede gar nicht davon, Metalcraft mit Artefakten oder Infect-Kreaturen mit mehr Infect-Kreaturen zu kombinieren. Das ist ja viel zu einfach.

Nehmen wir stattdessen das folgende Beispiel: Spieler A macht sich mit Trigon of Infestation einen Spielstein und opfert diesen für Culling Dais, was seine Furnace Celebration auslöst, macht dann ein Land, was er nicht mehr braucht, per Liquimetal Coating zum Artefakt und opfert es für Throne of Geth, was das Trigon wieder auflädt, außerdem eine weitere Marke aufs Dais legt und natürlich wieder die Celebration auslöst. Ist das schon zu abstrus? Oder muss ich noch ein Trigon of Corruption dazuerfinden, das zusammen mit Throne of Geth die letzten Reste der gegnerischen Armee meuchelt, sowie eine Golem Foundry, die vom Thron ebenso profitiert wie von den ganzen Spruchbomben im Furnace Celebration-Deck? Ja …?


Nein, ernsthaft! In diesem Format gibt es dermaßen viele Kombomöglichkeiten, da bleibt einem manchmal die Spucke weg und manchmal sabbert man in freudiger Erwartung.

In meinem ersten Draftdeck habe ich zwei Golem Foundry ausprobiert. Nicht, dass mir nicht klar gewesen wäre, dass die Karte extrem umständlich ist, aber ich hatte nun einmal 18 Artefakte im Deck, darunter drei Corpse Cur, die zwischen Hand, Spielfeld und Friedhof Saltos schlagen und bei Bedarf, beispielsweise bei Kontakt mit Arrest oder Revoke Existence, oder wenn einfach sonst nichts zu tun war, für Culling Dais geopfert werden sollten. Außerdem hatte ich mit Steady Progress, Contagion Clasp, Contagion Engine und Inexorable Tide abartig viel Proliferate, wodurch die Foundry und das Dais noch einmal aufgewertet wurden. Damit sich das auch lohnt, gab es zudem je ein Trigon of Thought und ein Trigon of Infestation. Die restlichen farbigen Sprüche waren übrigens zwei Arrest und zwei Revoke Existence, völlig wehrlos war das Deck während all dem also nicht.

In einem Spiel habe ich mich in all dem Wahnsinn schlicht verheddert und hätte wohl gewonnen, wenn ich vernünftig gespielt hätte. In einem anderen Match … nun, da wurde ich von einem anderen Kombodeck mit Furnace Celebration und Spellbombs verhauen.


Ihr kennt den Ninja-Schwertkünstler von Indiana Jones? Den, der superkrasse Moves präsentiert und im Nahkampf niemals zu besiegen wäre? So, dass Jones mitleidig seufzt, seine Pistole zückt und ihn abknallt? Ich hege den starken Verdacht, dass Golem Foundry eine solche Karte ist. Möglicherweise irre ich mich aber und man muss nur das Deck mit sechs Spellbombs und zwölf anderen Artefakten haben und schon ist die Foundry gut. Keine Ahnung.

Wie stark ist Furnace Celebration? Wie hoch pickt man sie? Ist Proliferate meist doch zu „clunky“? Sind fokussierte Aggrostrategien wilden Kombobestrebungen vorzuziehen? Hat jemand Erfahrungen mit Culling Dais gemacht? Werden Kombokarten zu häufig zerstört? Wie normal oder anomal ist das Format denn nun wirklich?

Auf diese letzte Frage läuft im Grunde alles hinaus, egal ob Manabasis, Mehrfarbigkeit oder Kombolastigkeit. Wer die entsprechenden Antworten schneller findet als der Rest, der ist bei den kommenden PTQs und beim Grand Prix in Bochum jedenfalls klar im Vorteil. Heute ging es mir in erster Linie darum, Bereiche aufzuzeigen, in welchen man einen derartigen Vorsprung herausholen könnte.

Nächste Woche spielen wir dann stille Post. Bis dahin denkt immer daran: Es gibt dumme Antworten und es gibt durchaus dumme Fragen, gute Fragen sind aber oft wertvoller als gute Antworten.




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