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Kalenderblatt #21
von Torben Thies
31.08.2011

Heiliges Tohuwabohu, Batman! Gerade erst haben wir die Modern-Ankündigung so weit verdaut, dass sich langsam konstruktives Denken unter die anfängliche unbändige Panik/Euphorie/Apathie mischen kann, und schon werden wir wieder durch den Wolf gedreht. Beziehungsweise sollen wir in ein paar Wochen den Wolf drehen. Und wie soll überhaupt Gruselstimmung auf Hawaii aufkommen? Über das alles plus ein Paar amerikanische Städte, die mit „P“ beginnen, werdet ihr in diesem Artikel aufgeklärt.


A Wolf at the Door


Falls ihr meine allwöchentlichen Leseempfehlungen beherzigt, habt ihr sicherlich Mark Rosewaters State of Design 2011 gelesen. Am Ende des Artikels listet er Ziele für 2012 auf, von denen eines lautet: „Prove [Mechanic X] Works.“ Diese geheimnisumwitterte Mechanik wurde uns armen Ungeduldigen zum Glück nicht lange vorenthalten. Auf einer eigens für Innistrad eingerichteten Party zeigte sich der Twist des Sets:
Nein, das sind keine zwei Karten, das ist eine. Nein, die beiden Hälften befinden sich nicht auf einer Seite, sondern der Schäfer hat den Wolf auf dem Rücken. Richtig, das bedeutet, die Werwolfseite ersetzt den normalen Rücken einer Magic-Karte. Während der mechanische Teil von „doppelseitigen Karten“ (das ist der offizielle Terminus) an sich einfach zu verstehen ist und auf dem Spielfeld keine Probleme bereiten wird, wartet im größeren Umfeld schon ein ganzes Rudel an Komplikationen. Ich empfehle euch dringend, die beiden Artikel durchzulesen, die sich mit den regeltechnischen Aspekten dieses zweischneidigen Schwertes beschäftigen. So weit, so gut? Ich möchte mich mit drei Knackpunkten noch mal näher befassen:

Wie packe ich doppelseitige Karten in mein Deck? Hier habt ihr zwei Alternativen. Ihr könnt undurchsichtige Hüllen benutzen, um allen Karten in eurem Deck denselben Rücken zu geben. Dabei muss aber beachtet werden, dass die Hüllen wirklich undurchsichtig sind. Als Liebhaber der günstigen Ultra-Pro-Hüllen habe ich beispielsweise ein Problem. Die sind zwar farbig, aber man erkennt dennoch ohne Probleme die eigentliche Rückseite. Ein kurzer Feldversuch mit einer umgedrehten Karte ergab, dass man ohne viel Aufwand die Werwölfe im Düsterdeck finden kann. Fazit: Wollt ihr doppelseitige Karten auf Turnieren spielen und euch für diese Alternative entscheiden, stellt sicher, dass eure Hüllen über jeden Zweifel erhaben blickdicht sind. Ansonsten könnte es schnell zu unangenehmen Fragen von Schiedsrichtern kommen.

Wer allerdings an seinen durchsichtigen Hüllen hängt, beziehungsweise ganz ohne Hüllen spielt, kann sich aus einem handelsüblichen Innistrad-Booster folgende Checkliste beschaffen:


Diese Liste verfügt über den normalen Kartenrücken und ist eine Aufzählung aller doppelseitigen Karten in Innistrad. Mit ihr könnt ihr eine solche Karte in eurem Deck repräsentieren, indem ihr ein Kreuz bei dem Namen macht, den sie ersetzen soll. Betritt die doppelseitige Karte dann eine Zone, in der beide Spieler sie sehen können (in normalen Partien also das Spielfeld, den Stapel oder den Friedhof), wird die Checkliste durch die eigentliche Karte ersetzt. Beachtet, dass ihr die Checkliste für alle oder keine doppelseitigen Karten in eurem Deck benutzen müsst. Eine Mischung ist nicht möglich.

Ihr braucht euch übrigens keine Sorgen darüber machen, dass ihr nicht genügend Checklisten zusammenbekommt. In drei von vier Boostern sind sie nämlich anstelle eine Standardlands zu finden. Und wenn ihr auf dem Prerelease in Schwulitäten geratet, helfen euch eure Mitspieler oder der Turnierveranstalter sicherlich gern aus. Woran ihr denken solltet, ist ein wischfester Stift, der auf glatten Oberflächen schreibt.

Wie drafte ich überhaupt mit den doppelseitigen Karten? Auch hier wurde für die Kuriositäten eine Sonderregel eingeführt. Ihr dürft doppelseitige Karten beim Draften offen vorzeigen, müsst das aber nicht (normale Karten müssen weiterhin unter Verschluss gehalten werden). Wenn ihr beispielsweise einen grünen Werwolf als First Pick nehmt, könnt ihr das entweder klammheimlich tun und seine Doppelseitigkeit dann mit einem Standardland verdecken oder ihr zeigt euren Nachbarn offen, dass ihr in Grün seid.

Jetzt könnte man sich über die Umständlichkeit des ganzen Prozederes beklagen und eventuell sogar das Draftformat für ruiniert erklären. Zwei Strukturmerkmale des Sets machen die Sache aber weniger schlimm, als man zunächst denkt. Die doppelseitigen Karten haben mit den geshifteten Karten aus dem Time Spiral-Block nicht nur das (in meinen Augen tolle) Aussehen gemein (wie in Planar Chaos), sondern teilen sich auch die Verteilung auf die Booster (nämlich wie in Time Spiral).


In jedem Innistrad-Booster wird eine doppelseitige Karte enthalten sein, die eine Common ersetzt. Das bedeutet, dass euer Nachbar eh erfahren wird, ob eine solche Karte aus dem Booster genommen wurde. Zusätzlich sind, wie man auf der Checkliste sieht, 13 der 20 doppelseitigen Karten rot oder grün, weshalb es auch nicht so wild ist, dass man sie vorzeigen kann.

Interessant wird die ganze Sache auf Premier-Events wie der Pro Tour oder Grand Prix. Wenn dort gedraftet wird, müssen die Karten beim Weitergeben verdeckt hingefächert werden, damit man Zählen kann, dass die richtige Anzahl weitergegeben wurde. Eine doppelseitige Karte sticht da natürlich heraus wie ein Clown auf einer Beerdigung.

Das ganze Set wird sich doch wohl nicht nur um die doppelseitigen Karten drehen? Auch wenn naturgemäß gerade noch der Fokus der Aufmerksamkeit auf den Werwölfen und ihren transformierenden Freunden liegt, sollte man nicht vergessen, dass Innistrad viel mehr ist als ein weiterer Tabubruch. Es stellt vielmehr einen bisher vielversprechenden Ausflug ins klassische Horrorgenre dar. Morbid, ein kleines Juwel des Sets, oder verdammt verdammend aussehende Flüche drohen beispielsweise, komplett unterzugehen:


Ich jedenfalls freue mich aufs Prerelease und hoffe, ihr euch auch.


15 Step

Letzte Woche hatte ich schon angekündigt, dass ihr diesmal eure Terminplaner mitbringen solltet. Den schmalen Grat zwischen Deadline und Artikelveröffentlichung hat nämlich die Auflistung der Grand Prix im ersten Quartal 2012 gekreuzt. Allen, deren Computer keine Hyperlinkunterstützung hat, liste ich die Daten der 15 großen Preise aber gern noch mal nach Kontinent sortiert auf:

Europa
25.–26. Februar: Madrid, Spanien
3–4.März: Lille, Frankreich
31. März–1. April: Turin, Italien

Amerika
7.–8. Januar: Austin, USA
14–15. Januar: Orlando, USA
18.–19.Februar: Lincoln, USA
25.–26. Februar: Baltimore, USA
3.–4. März: Seattle, USA
10.–11.März: Indianapolis, USA
17.–18. März: Nashville, USA
24.–25.März: Mexiko-Stadt, Mexiko
31. März–1. April: Salt Lake City, USA

Asien & Australien
18.–19. Februar: Kobe, Japan
24.–25. März: Kuala Lumpur, Malaysia
31. März–1. April: Melbourne, Australien

Schaut man sich den Plan so an, fällt schnell die US-Zentriertheit der Liste auf. Es gibt im ersten Quartal mehr amerikanische Grand Prix als alle nicht-amerikanischen Grand Prix zusammengenommen. Zusätzlich findet zu jedem Turnier in Europa oder dem Pazifikraum deckungsgleich eines auf amerikanischem Boden statt. Ehemals weltenbummelnde US-Pros brauchen sich also nicht mehr um Reisepässe zu bemühen, während Propunktesammler, die an anderen Orten wohnen, deutlich weniger nah liegende Chancen bekommen. Das mag uns Europäern unfair erscheinen, hat aber seine Gründe. Mir kommen direkt zwei in den Sinn: Auf der einen Seite verkauft sich das Spiel im Moment besonders in den USA wie geschnitten Brot. Die größten Einnahmen und meisten registrierten Spieler sind nach wie vor dort zu verzeichnen.

Ein weiterer, nicht ganz so offensichtlicher Punkt ist die Privatisierung von Grand Prix. In den USA ist es nämlich seit Jahren so, dass private Veranstalter die Organisation übernehmen. Das ist wohl mit ein Grund, warum sie jetzt durchschnittlich drei Grand Prix pro Monat zustande bringen. Dass Wizards Premier-Events in Europa mittlerweile ebenfalls outsourcen, ist spätestens seit den Nationals kein Geheimnis mehr. Im Moment hinken wir diesbezüglich noch etwas hinterher. Wenn man aber bedenkt, dass 2011 insgesamt sechs europäische Grand Prix stattgefunden haben werden und in den ersten drei Monaten des neuen Jahres bereits drei, ist das gar kein schlechter Anfang.

Was mir hingegen schleierhaft bleibt, ist das Verhältnis von Wizards zur StarCityGames-Open-Series. Diese Serie ist im Moment ja der treibende Motor der US-amerikanischen Turnierszene. Warum damit in Konkurrenz treten, wenn das doch im Prinzip Gratiswerbung ist und das eigene Produkt gleichermaßen verkauft? Fürchten Wizards die Monopolisierung durch einen Drittanbieter, der irgendwann so stark ist, dass er Forderungen stellen kann? Ich gebe zu, keine Ahnung zu haben, und bin gespannt, wie sich dieses Verhältnis entwickelt …


Trotz der massiven Zunahme an Möglichkeiten zur Akkumulation von Pro-Punkten (das klang schwurbelig) wurden bisher keine Änderungen im Pro-Players' Club angekündigt. Abwarten und Tee trinken lautet hier die Devise.

Abwarten muss man auch, nach welchen Richtlinien das nun zwischen 10000 und 40000 Dollar fluktuierende Gesamtpreisgeld bestimmt wird. Wird es von vornherein festgelegt? Nach Teilnehmerzahlen bestimmt? Bisher waren 30000 Dollar die Norm und ich wäre nicht überrascht, wenn der Durchschnitt 2012 im Vergleich zu dieser Zahl sinkt.


The Tourist

In derselben Ankündigung war übrigens noch ein weiteres Schmankerl enthalten. Nach 2006 und 2009 wird auch die erste Pro Tour 2012 wieder in Honululu auf Hawaii stattfinden. Ein Schelm, wer ein Muster darin sieht. Beschweren wird sich sicherlich kein Pro, alle drei Jahre dahin zum Spielen zu fahren, wo andere Urlaub machen. Und es passt ja auch: Der Spitzname von O'ahu, der Insel auf der Honolulu liegt, ist „The Gathering Place“.


Dieses Turnier markiert außerdem eine neue Ära der Pro Tour. Es wird kein Brimborium wie Sideevents um das eigentliche Turnier geben. Stattdessen werden ausschließlich qualifizierte Spieler in die Halle gelassen. Okay, und natürlich Organisatoren, Schiedsrichter, ein paar Wizards-Mitarbeiter und die Coverage. Letztere soll als Ausgleich dafür, dass Sterbliche nicht in die heiligen Hallen dürfen, intensivert und ausgedehnt werden. Es lohnt sich also noch mehr, an Pro-Tour-Wochenenden mit dem Finger an der F5-Taste vorm Laptop zu hocken.

Business as usual

No Surprises

Na gut, diese Überschrift bezieht sich eigentlich nur auf die Person, die den Grand Prix Pittsburgh gewonnen hat. Dass Yuuya Watanabe diese Art von Turnier im Schlaf gewinnt, sollte mittlerweile bekannt sein. Er hat übrigens Caw-Blade gespielt. Mit ein paar Kreaturen mehr als üblich, aber trotzdem: keine Überraschung. Alle, die noch an Standard interessiert sind, können hier die Decklisten finden.

Zu einem besonderen Grand Prix wurde Pittsburgh nicht durch den Gewinner oder das gespielte Format, sondern die Dichte an internationalen Namen. Am kommenden Wochenende steht die Pro Tour Philadelphia an, weshalb sich eine Menge qualifizierter Leute (darunter fast das gesamte deutsche Bataillon) schon eine Woche früher in die USA begeben hat. Schaut euch bloß einmal die Final Standings an, euch werden vor lauter bekannten Gesichtern die Augen ausfallen. Wie ihr seht, sind eine Menge bekannte Gesichter auch deutschsprachig. Florian Pils hat es sogar in die Top 8 geschafft (ist aber leider im Viertelfinale eliminiert worden), während Helmut Summersberger (11. Platz), Jonas Köstler (18.) und Jörg Unfried (30.) allesamt mit Geld und Pro-Punkten in ihr USAbenteuer starten.

Ein bisschen Taschengeld auf so einem Grand Prix zu sammeln, ist ja immer eine feine Sache. Die richtig dicken Scheine gibt es aber nur auf der Pro Tour zu holen, die ab Freitag in Philadelphia stattfindet. Dort werden wir Modern das erste Mal in Aktion sehen. Bisher scheint niemand ein dominantes Deck gefunden zu haben, was ein diverses und verdammt interessantes Metagame verspricht. Schaut also am Wochenende mal auf dem Mutterschiff vorbei und drückt „unseren Jungs“ die Daumen!


Must Read


Ich gebe zu, diese Woche schummle ich ein wenig. Irgendwie bin ich nämlich kaum dazu gekommen, Artikel zu lesen, weshalb ich die folgenden drei Exemplare herausgefischt habe, indem ich die Liste nach interessant klingenden Titeln durchsucht und die Werke überflogen habe. Ihr könnt mir ja anschließend erzählen, ob ich eure Zeit gestohlen habe oder ob es doch Juwele waren.

How to Design Planeswalkers – Gregory Marques: Der Ex-Designer zeigt anhand seiner eigenen Erfahrungen und von Lesern zugeschickten Designs, worauf es beim Designen von Planeswalkern ankommt. Klingt vielversprechend.

Welcome to the Modern Era – Todd Anderson: Hier scheint sich ein guter letzter Überblick über das Pro-Tour-Format zu finden. In Snackgröße. Ich hoffe, ihr verschluckt euch nicht.

RGD Draft #1 – Luis Scott-Vargas: Ha, das habe ich doch tatsächlich bis zum Schluss geschaut! Vielleicht ist es der sentimentale Wert, aber dieses Ravnica-Guildpact-Dissension-Video hat echt Spaß gemacht. Sowieso scheint LSV immer dann am meisten Spaß zu haben, wenn er Sachen machen kann, die eher Casual sind, wie alte Draftformate zu erkunden oder Monorot im Cube zu spielen.

Nächste Woche schauen wir dann gemeinsam, was uns die Pro Tour für Erkenntnisse gebracht hat und wie weit sich Innistrad bis dahin entblättert hat.




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