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Limited
Double Take
von Nico Bohny
16.03.2012


Vorfreude ist die schönste aller Freuden. Naiv, gutgläubig und optimistisch. Weihnachten und Geburtstag in einem ist, wenn man am Freitagabend auf dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause fährt, die Sonne noch ein wenig am Himmel steht und man sich auf die zwei Wochen Ferien, die einem bevorstehen, und die beiden Grand Prix, die sie beinhalten, freut.

Dass man sich auf Ferien freut, ist ja eigentlich sehr nachvollziehbar. Dass man sich aber derart auf Grand Prix freut, finde ich im Nachhinein immer irgendwie fragwürdig – warum sollte man sich auf zwei Tage freuen, die wenig Schlaf, schlechte Luft, unendlich viel Wartezeit und meistens auch ernüchternde Bad Beats beinhalten? Weil man halt vernarrt in dieses komische Spiel mit den Pappkärtchen ist, weil Mann die Competition liebt und weil die Hoffnung immer zuletzt stirbt, dass man endlich mal die verdammte Trophäe mit nach Hause nehmen darf und dafür lebenslänglich von seinem Umfeld vergöttert wird. Oder so ähnlich.


Nun ja, da sind wir also, Sven und ich, am Flughafen Basel und erwarten sehnlichst unseren Flug nach Madrid. Der Flipperkasten, der mit einem noch vorhandenen Credit frohlockt, zockt uns die restlichen Schweizer Franken aus der Tasche, bietet uns im fairen Tauschhandel aber einen kurzweilige Zeitvertreib. In Madrid wird zuerst das Hotel gesucht und auch schnell gefunden, das Gepäck deponiert und zielstrebig das nächstbeste Chinarestaurant aufgesucht. So sitzen wir also mit vollem Bauch am Donnerstagabend unter bunten Lampions und zwischen kitschigen, ebenso bunten Zeichnungen von fröhlich arbeitenden Hausfrauen und trillernden Vögeln und gönnen uns ein paar Gläser eisgekühlten Baileys, der zwar nicht wirklich in ein Chinarestaurant passt, worauf der Besitzer aber so stolz ist, dass es uns immer wieder eine wahre Freude ist, uns nachschenken zu lassen. Ein durchaus gelungener erster Tag.

Die erste Nacht ist etwas unerfreulicher. Sven, vom fiesen Schnupfen heimgesucht, erfüllt das schlummernde, nächtliche Ambiente mit lautem Schnarchen. Nachdem ich ihn zuerst liebevoll anstoße, dann anpfeife, dann piesacke, schlage und malträtiere, aber trotzdem keinen langfristigen Erfolg erzielen kann, probiere ich, mir sämtliche Gegenstände aus dem Zimmer ins Ohr zu stopfen.


Aber selbst der feuchte Toilettenpapierpfropfen schützt mich nicht vom aufreibenden Lärm. Zeit, zum Werwolf zu mutieren, aus dem Fenster oder durch die Türe zu springen und das nächtliche Treiben Madrids aufzumischen. Nach etlichen ähnlichen Gedanken schlummere ich dann irgendwann aber doch weg und genieße die letzten paar zerquetschten Stunden der Nacht im Halbschlaf. Mental Note: Am nächsten Tag entweder Ohrenpfropfen, Schlaftabletten, ein zweites Zimmer oder dickes Klebeband besorgen.

Der Freitag startet etwas verzögert. Trotzdem gelingt es uns dann irgendwann mal gegen Nachmittag, halbtot aus dem Hotel zu schlurfen und in Richtung Site zu wandern. Der Weg ist schön und grün, die Stimmung erhellt sich und ich komme langsam in die Gänge. Nach einer Partie Pantomimenraten in der Apotheke – eine Geste hat mir zum Erklären schon gereicht – sind wir mit Ohrenpfropfen (und ich mit großer Vorfreude auf eine schlaferfüllte Nacht) im Schlepptau an der Site angekommen. Sven hat noch keine drei Byes und ich habe Lust auf Sealed, also rein in den Grand Prix Trial. Neben mir werden Money-Rares hin- und hergeschoben, ich erhalte wenigstens einen flotten Pool und hoffe insgeheim schon, am Folgetag ein ähnliches Deck mein Eigen nennen zu dürfen.


Doomed Traveler
Unruly Mob
Loyal Cathar
(Unhallowed Cathar)
Thraben Heretic
Niblis of the Mist
Spectral Rider
Midnight Guard
Chapel Geist
Elder Cathar
Village Cannibals
2 Falkenrath Torturer
Mausoleum Guard
Angel of Flight Alabaster
Fiend of the Shadows
Farbog Boneflinger
Geistcatcher's Rig


Blazing Torch
Lingering Souls
Gather the Townsfolk
Tragic Slip
Death's Caress
Dead Weight

10 Plains
7 Swamp


Synergie, Synergie! Soll ja was Gutes sein und garniert mit ein paar guten Rares kann man sich damit sicherlich ein paar Booster verdienen. Runde 1 geht's dann schon gegen eine Dame, in meiner Erinnerung lokaler Natur. Um das noch kurz anzumerken: Ich persönlich spiele nicht sonderlich gerne gegen Frauen, oder zumindest gegen die meisten. Man darf sie nicht schlagen. Und ich fühle mich immer unglaublich fies, wenn ich dann einen gemeinen Combat-Trick auspacke, den sie nicht kommen sieht, und sie ganz traurig ist, dass gerade ihre Lieblingskreatur, die süße 1/2-Katze, gestorben ist. Und dann müsste man sie ja instinktiv trösten. Und das sähe dann der Freund, dem zuliebe sie überhaupt an dem Turnier mitgespielt hat, gar nicht gerne und alles würde in einem riesigen Massaker enden. Und um all dem entgegenzuwirken, spiele ich in solchen Situationen immer sehr geduldig, erkläre meine Karten und ihre Fähigkeiten ordentlich und verliere einfach mal, weil ich schlicht zu nett bin. Und dann lachen mich alle aus, weil ich schon wieder gegen eine Frau verloren habe.


So ähnlich ist's dann auch. Sie spielt Zug 1 Equipment, Zug 2 Invisible Stalker und ich muss sie noch nicht einmal freundlich darauf hinweisen, dass ich den unsichtbaren Mann ja nicht blocken könne und sie den trotz Hexproof equippen dürfe – nein, sie kapiert's ganz alleine und schlägt mich in ein paar Zügen tot. Synergie, Synergie! Im zweiten Spiel nehme ich Mulligan auf fünf, screwe auf zwei Ländern rum und lasse mich von zweimal Murder of Crows verprügeln. Da bin ich jetzt aber etwas sauer und erkläre ihr extra nicht, dass sie mit den Krähen Karten ziehen dürfte, wenn meine mageren Tierchen chumpblocken – nein, den Tipp gibt's dann doch nicht gratis dazu. Na ja, in Wirklichkeit hat sie sonst gar nicht schlecht gespielt und eigentlich war sie auch ganz nett. Man kann eben nicht immer gewinnen.

Sven geht's auf jeden Fall nicht besser. Sein Plan, gegen das grün-weiße Aggrodeck Dissipate einzuboarden, geht dann doch nicht ganz auf und so sind wir auch schon wieder auf dem Weg nach China. Nach Schlummertrunk (Baileys hatten wir schon am Abend zuvor ausgetrunken, drum müssen wir uns mit „Jarra de Cerveca“ zufriedengeben) ab ins Bett, Ohrenpfropfen montiert, leider zu wenig Lärm absorbiert, wieder halb schlaflose Nacht, rinse & repeat. Vor dem Grand Prix dann unter die kalte Dusche, denn das warme Wasser ist wohl rar bis mythic an diesem Morgen und ab in die Höhle des Löwen.


Leider überzeugt mich mein Pool nur mäßig, was aber auch daran liegen könnte, dass ich am Vortag mit feinster Qualität verwöhnt worden bin.


Avacyn's Pilgrim
Young Wolf
Darkthicket Wolf
Strangleroot Geist
Invisible Stalker
Stitcher's Apprentice
Armored Skaab
Ulvenwald Bear
Daybreak Ranger
(Nightfall Predator)
Villagers of Estwald
(Howlpack of Estwald)
Lambholt Elder
(Silverpelt Werewolf)
Festerhide Boar
Galvanic Juggernaut
Nephalia Seakite
Relentless Skaabs
Geralf's Mindcrusher
Ghoultree


Wild Hunger
Hunger of the Howlpack
Prey Upon
Cackling Counterpart
Thought Scour
Silver-Inlaid Dagger

8 Forest
7 Island
Mountain
Evolving Wilds

Sideboard:

Crushing Vines


Auf jeden Fall habe ich von meiner Gegnerin am Vortag etwas gelernt:

Stalker und Messer –
macht das Deck besser.


Auch sonst zeichnen sich ein paar hübsche Synergien ab in dem Deck und es spielt sich tatsächlich viel besser, als es aussieht. Zumindest bis in Runde 5, denn da – ich traue meinen Augen kaum – lost mich mein Schicksal mal wieder gegen einen weiblichen Gegner. Das schlechte Matchup für den Ladies' Knight. Und wie könnte es anders sein …? Das Spiel verliere ich natürlich. Wieder etwas unglücklich – ich gewinne die erste Partie, verliere dann aber die nächsten beiden, nachdem ich insgesamt drei Mulligans nehmen muss. Über mein Glück beschweren will ich mich aber trotzdem nicht, meine anderen Runden am ersten Tag sehen nämlich folgendermaßen aus:

Runde 4: 2:0 (Gegner nimmt zweimal Mulligan auf fünf.)
Runde 6: 2:1 (Ich nehme Mulligan auf sechs, mein Gegner einmal auf sechs und einmal auf fünf.)
Runde 7: 2:1 (Ich bin in einem Spiel manascrewed, mein Gegner nach Mulligan zweimal.)
Runde 8: 2:0 (Gegner nimmt einmal Mulligan auf sechs.)
Runde 9: 2:1 (Reguläre, interessante Spiele – ich konnte es kaum fassen!)

So stehe ich also am Ende des ersten Tages 8:1; irgendwie mit relativ wenig Eigenverdienst. Ich habe zwar in meinen Augen ziemlich fehlerlos gespielt, aber welche Fehler kann man denn schon machen, wenn entweder man selbst oder der Gegner seine Sprüche nicht wirken kann? Magic vom Feinsten! Auf jeden Fall bin ich undefeated gegen Männer an diesem Wochenende, und da ich relativ viele Männer im zweiten Tag erwarte, rechne ich mit guten Chancen dort.

Aber nur, bis ich mein Draftdeck in den Händen halte:


Avacyn's Pilgrim
Wolfbitten Captive
(Krallenhorde Killer)
Diregraf Ghoul
Darkthicket Wolf
Gatstaf Shepherd
(Gatstaf Howler)
Scorned Villager
(Moonscarred Werewolf)
Markov Patrician
Village Cannibals
Falkenrath Aristocrat
Ulvenwald Mystics
(Ulvenwald Primordials)
Festerhide Boar
Rotting Fensnake
Farbog Boneflinger
2 Vengeful Vampire
2 Geistcatcher's Rig


Traveler's Amulet
Prey Upon
Crushing Vines
Tragic Slip
Moan of the Unhallowed
Death's Caress

8 Swamp
8 Forest
1 Mountain


Der Draft ist irgendwie misslungen. Nach dem prima Start in den Draft mit Falkenrath Aristocrat habe ich keine rote Karte mehr gesehen, muss mich also mit Grün begnügen, was von der Kartenqualität nicht unbedingt schlimm ist, aber am Ende ein eher seltsames Deck ergibt. Mit einer katastrophalen Manakurve.



Mit anständigen Draws und ein paar echt guten Spielzügen kann ich aber ein 2:1 schaukeln und habe somit auch im zweiten Draft noch Chancen auf die Top 8. Das Deck – wie soll ich sagen – wird leider wieder etwas suboptimal. Die Booster sind zugegebenermaßen auch einfach echt leer – mein Draft beginnt mit Elgaud Inquisitor und zweimal Thraben Heretic – hurra, hurra! Nicht, dass ich dann kein gutes Weiss mehr erhalte … Aber die gesplashte Rotting Fensnake lässt halt schon erahnen, dass in den anderen Farben nicht unendlich viel los war.


3 Avacynian Priest
2 Thraben Heretic
2 Chapel Geist
Spectral Rider
Midnight Guard
Wakedancer
Rotting Fensnake
Elgaud Inquisitor
Slayer of the Wicked
Abbey Griffin
Galvanic Juggernaut
Silverclaw Griffin
Gallows Warden


Moment of Heroism
Skillful Lunge
Burden of Guilt
Harrowing Journey
Heavy Mattock
Mask of Avacyn

4 Swamp
13 Plains


Runde 1 kann ich knapp und mühsam noch gewinnen. In der zweiten Runde verliere ich das Spiel um die Top 8 gegen meinen Landskollegen Ivo Grossholz, welcher einfach das meilenweit überlegene Deck sein Eigen nennen darf und am Ende auch den Grand Prix mit einem wahrscheinlich noch besseren Deck gewinnen wird. Und die letzte Runde verliere ich gegen zwei echt unfaire Draws eines grün-weißen Decks, welchen ich immer hinterherhinke und die ich nur mit Ach und Krach einhole, nur um dann jeweils von zwei bis drei dicht aufeinander folgenden Topdecks richtig übel hergerichtet zu werden.

Platz 40 ist der Dank für meine Bemühungen und eigentlich bin ich damit gar nicht mal so unzufrieden. Schließlich beschert mir das einen wichtigen Pro-Punkt im Kampf um den Rang des besten Schweizers, der ja dann stolzen Mutes unser Vaterland bei der neuen Team-WM als Captain vertreten darf. Was momentan bei uns Schweizern echt spannend ist, denn Matthias Künzler (21), Andy Ganz (20) und ich (20) befinden uns doch in einem ziemlichen Kopf-an-Kopf-Rennen.


Eigentlich sollte es ja dann am nächsten Wochenende in Lille weitergehen mit der Punktejagd. Die Karten waren schon organisiert, für einen entscheidungsunfreudigen Typen wie mich natürlich in doppelter Ausführung: einmal BW-Tokens – dazu hätte mir Helmut Summersberger noch seinen Segen geben müssen, denn getestet hatten wir das Deck zwar schon in Hawaii, aber gegen das neue Metagame habe ich es noch nie ins Feld geführt – und als Plan B das Reanimatordeck von Lévy – das wohl gegen alles ein ziemlich gutes Game 1 hat, nach dem Boarden aber gegen den Hate verliert. Dredge, anyone?

Nun, die Vorbereitungen waren auf jeden Fall zum größten Teil gemacht, Hotel gebucht, Hinreise organisiert. Diesmal scheiterte der Grand Prix leider nicht an weiblichen Gegnern, nein, diesmal hatte ich es mit einem weitaus fieseren Gegner zu tun – der Magendarmgrippe. Und weil ich nicht wirklich motiviert war, halbtot jeweils sechs Stunden Hin- und Rückreise in einem Auto zu hängen, um ein Wochenende in einer unterkühlten Halle zu verbringen, entschied ich mich lieber fürs warme Bett und die Championships auf Magic Online. An die MOCS kann ich mich herzlich wenig erinnern, im Endeffekt sogar nur an einen mittelmäßigen Pool, den Drop vor der ersten Runde und die heiße Tasse Tee danach. Aber halb so wild, der nächste Grand Prix kommt bestimmt. Und an Turin habe ich ja noch gute Erinnerungen …




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