Heute in der Schule musste ich einem Schüler den Unterschied zwischen Geraden, Strecken und Strahlen erklären. Nachdem ich in den letzten Winkeln meines Gedächtnisses anstelle von alten Mathekenntnissen nur Artworks von Tempest-Karten und Ideen für Remasuridecks fand (ja, etwa zu dieser Zeit habe ich begonnen, Magic zu spielen, was deutlich besser in meinen Hirnzellen hängengeblieben ist als der Schulstoff), musste ich wieder mal Onkel Internet konsultieren. Und siehe da: Gerade unendlich ohne Anfangs- und Endpunkt, Strahl unendlich mit entweder Anfangs- oder Endpunkt und Strecke begrenzt von Anfangs- und Endpunkt.
Warum ich euch das jetzt erzähle? Um euch mein Dilemma beim Schreiben dieses Artikels näherzubringen. Eigentlich wollte ich euch in meinen Online-Diarys einen Einblick in meinen Zeitvertreib auf Magic Online ermöglichen, in Form von zeitlich begrenzten Einträgen, also Strecken; der erste Artikel dieser Serie scheint mir aber eher ein Strahl zu sein, da ich schon unendlich lange Magic Online zocke.
Deshalb wird mein erster Tagebucheintrag etwas allgemeiner, obwohl ich dabei doch am Schluss auch noch auf die letzten paar Modo-Wochen eingehen werde.
Und um jetzt nicht zu viele Worte bei der Einführung zu verlieren, hier die Überleitung: Da wir nicht nur in einer Leistungsgesellschaft, sondern auch in der Spaßgesellschaft leben, hier Nicos Interpretation der Kinderüberraschung: Gewinn, Spaß und Lerneffekt.
Maximaler Spaß
Das Wichtigste beim Zocken ist in meinen Augen immer noch der Spaß. Wenn ich keinen Bock auf Magic Online habe, dann zocke ich nicht, Punkt. Oder zumindest nicht gut und konzentriert. Typisches Beispiel: Frustdrafts nach üblen Losses. Leider habe ich aber viel zu oft Bock auf Magic, was meinem Zeitmanagement teilweise etwas schadet, aber es hat halt alles seinen Preis. Hier ein paar Tipps, wie man lustiges Zocken zu wahnsinnig lustigem Zocken upgradet:
Gesellschaft
Das mag den meisten einleuchten. Zu zweit oder mehrt gewinnt und feiert es sich besser, hat man immer jemanden dabei, um sich über den Lucky Draw des Gegners zu beschweren und kann sich auch die Zeit zwischen den Runden sinnvoller um die Ohren schlagen als sich einsam auf YouTube Katzenvideos anzugucken. Denn das macht zu zweit ebenfalls mehr Spaß. Außerdem konzentriert man sich – meistens, je nach Unterstützung – besser und erzielt die besseren Ergebnisse.
Da man bei diesem miesen Winterwetter nur ungern vor die Türe geht, hat es sich in meinem Bekanntenkreis ergeben, dass wir oft gemeinsam via Skype und Teamviewer spielen – unser Grüppchen ist mittlerweile ziemlich groß und zählt begabte Mitglieder wie Valuél Bucher, ElStelzbocko, den schwarzen Dachs, MCNova und BaLuder Bär, und bietet immer wieder eine prima Grundlage für interessante Diskussionen über knifflige Boardstates und Draftpicks, gute Unterhaltung zwischen den Runden, lustige Katzenvideos und entledigt einen immer mal wieder des Gefühls, ein einsamer Nerd vor dem Bildschirm zu sein. Empfehlenswert!
Gestaltung
Magic Online ist ein simpel programmiertes Tool, das wissen wir alle und haben uns deswegen schon oft die Haare gerauft. So wie Frodo und seine Gefährten wegem des Rings, der ihnen in ihren Augen auch nur schlechte Erfahrungen bescherte. Bis Onkel Boromir dann die Idee hatte, den Ring für eine gute Sache zu gebrauchen. Und so kann man auch die Einfachheit von Modo für lustige Taten missbrauchen – es lassen sich nämlich ganz simpel sämtliche Artworks, die im Spiel vorkommen, nach Gutdünken abändern. Und das macht einen Heidenspaß. Dir gefällt das neue Bild von
Trygon Predator in Modern Masters nicht? Mir auch nicht – ändern wir's doch zum alten zurück. Du hast es satt, bei all deinen Niederlagen gegen Mono-Rot in das hämisch lachende Gesicht von
Firedrinker Satyr zu gucken? Ersetz es durch eine Dattelpalme.
Ich habe einiges an Artworks auf dem Gewissen, aber um euch nur eine kleine Kostprobe zu geben:
Wie das geht? Ganz einfach. Zuerst besorgt man sich ein einfaches Bildbearbeitungsprogramm (es muss nicht gleich Photoshop sein – ich habe es mit dem kostenlosen GIMP gemacht). Dann öffnet man in
Magic Online/Graphics/Cards/Pics das Bild, welches man gerne ändern würde, bearbeitet es im Bildprogramm und setzt ein x-beliebiges Bild ein, welches man dann auf dieselbe Größe des Orginalbildes dehnt/streckt (selbst das ist unkompliziert – das Programm macht es meist automatisch) und damit das Originalbild überschreibt.
Dasselbe ist natürlich bei den Playmats möglich, denn wer will denn immer auf derselben öden, grünen Matte spielen. Die Mats befinden sich in
Magic Online/Graphics/UI/backgrounds/gamemats.
Challenges
Ich kann mich nur wiederholen – wer den Alltag satt hat, soll's mal mit einer Challenge versuchen. Zwar bin ich nur im Thema 10-Rare-Challenge ein Experte, aber ich kann mir vorstellen, dass auch andere Challenges Spaß machen. In unserer Gruppe wird beispielsweise oft 6-Drop Momir gespielt – eine Partie Momir Basic, bei der man Momir nur bis zum 6-Drop aktivieren darf – der Gewinner erhält jeweils ein Bier. Andere Challenges habe ich schon in diversen Streams gesehen und sind natürlich am besten, wenn man mit jemandem um einen Einsatz spielen beziehungsweise wetten kann. Beispiel: Nico, wetten, dass du dich nicht traust, in der nächsten WMCQ-Runde im ersten Zug ein offenes Ravnica-Dual zu spielen, ohne was mit dem Mana zu casten? Top, die Wette gilt. Und der Gegner war durch das Play während des ganzen Spiels so verunsichert, dass es die zwei Schadenspunkte sicherlich wert war.
Maximaler Gewinn
Zu diesem Thema gibt es bestimmt schon gefühlte hundert Hitchhiker's Guides to Infinity. Ich versuche euch trotzdem, ein paar neue Tipps zu geben.
Value-Queues
Das Erste sollte allen klar sein und wird auch in all den Modo-Ratgebern erwähnt – spielt Queues, welche die bestmöglichen Preise ausschütten. Es ist viel einfacher, im Momir oder in einem anderen Constructedformat (falls man schon Karten besitzt) gewinnbringend zu spielen als in normalen Drafts. Des Weiteren gab's/wird's wieder Daily Events geben, welche in der Tendenz ebenfalls einen guten Value versprechen.
Um den Draftqueues nicht nur den schwarzen Peter zuzuschieben: Wenn ihr in einem Format klar besser seid als der Durchschnitt, dann könnt ihr dieses Format auch grinden und perfektionieren, bis euch die Ohren wackeln. Und wenn ihr tatsächlich um einiges besser als der Schnitt seid, macht ihr in jedem Format guten Value, einschließlich Drafts. Aber Vorsicht vor Selbstüberschätzung. Und um Drafts zu üben, wenn man sich noch unsicher ist, gibt's ja immer noch Swiss-Queues und Phantom-Queues.
Börse spielen
Wenn man sich ein kleines Modo-Imperium erarbeitet oder auch erkauft hat, lässt sich mit ein bisschen Erfahrung ganz gut spekulieren. Beispiele:
| Nach dem ganzen Crash von PTQ und Daily Events waren Modern- und Legacykarten im Wert gesunken. Wer sich immer schon eine Anschaffung eines solchen Decks überlegt hatte – jetzt war die perfekte Gelegenheit! Handkehrum: Wer alte Karten verkaufen möchte, wartet am besten noch, bis die Modern-Pro-Tour naht.
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| Karten des aktuellen Draftformats sollte man in der Regel nicht verkaufen, sondern einkaufen. Durch das Riesenangebot und die nur durchschnittliche Nachfrage sind die Kartenpreise tendenziell tiefer als ein Jahr später. Das heißt, Theros- und selbst noch Ravnica-Karten noch nicht verkaufen, sondern Ravnica erst gegen Frühling und Theros ein Jahr später. Dann ist das Angebot am kleinsten und die Nachfrage immer noch durchschnittlich. Und wer sich gerne etwas Value gönnt: Sämtliche Theros-Tempel, die für weniger als ein Ticket zu haben sind, einkaufen und dann ein Jahr später für mindestens das Doppelte wieder verkaufen. Ich habe auch noch rund hundert Ravnica-Duals, die bisher zwar nicht unendlich viel Value generiert haben, aber in der Tendenz in ein paar Monaten sicher mehr Wert haben werden als jetzt. Wenn die Welt hoffentlich von diesen doofen Devotion-Decks wegkommt …
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| Vor dem Rotieren eines Blocks früh genug verkaufen – die meisten Karten verlieren ihren Wert vor der Rotation rasend schnell. Huntmaster of the Fells ging innerhalb zweier Wochen von etwa 15 auf fünf Tickets.
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| Booster, welche wahrscheinlich in großer Zahl benötigt werden (vor allem aufgrund Queue-Payouts) und zu tiefem Preis einzukaufen sind, kann man getrost in Mengen horten. Innistrad-Booster wurden zu über vier Tickets gehandelt, weil die Innistrad/Dark Ascension-Queues zu wenige Innistrad-Packs im Payout hatten. Ich habe vor etwas weniger als einem Jahr 200 Booster Return to Ravnica eingekauft, als sie für drei angeboten wurden. In den gegenwärtigen Queues werden nun zu wenige solche Booster ausgeschüttet, was damals schon absehbar war (siehe Innistrad), deshalb werden die Packs ebenfalls um die vier wert sein (momentan sind sie bei 3,8).
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Bugs
Wenn einem unser Lieblingsprogramm schon Anhaltspunkte gibt, uns zu beschweren, dann sollte man das auch tun. Folgendes hat sich in einem meiner ersten Theros-Sealeds ergeben: Ich wehre mich wacker gegen
Nessian Asp und
Celestial Archon und muss beide via
Triad of Fates vom Spiel entfernen. Die vier Extrakarten stecke ich irgendwie weg und schaffe es, das Spiel zu stabilisieren. Als ich dann meinen
Gray Merchant of Asphodel flickern will – oh weh! - da sind die Monster des Gegners wieder. Ich habe das Spiel trotzdem gewonnen …
… und von Wizards trotzdem einen Refund (Wiedergutmachung in Höhe des Starteinsatzes) erhalten. Seitdem habe ich oft
Triad of Fates gedraftet, weitere Refunds verlangt und meine Kreaturen exiliert und dann per Flicker zurückgeholt. Auspressen wie eine Orange muss man diese Fehler in der Matrix, jawohl!
Es gab übrigens einmal eine Zeit, zu der
Fatespinner so gebuggt war, dass der Gegner jeweils beim Trigger keine Wahl treffen konnte und somit entweder ins Zeitaus ging oder aufgeben musste. Stellt euch mal vor, wie die Standarddecks ausgesehen haben, als der Bug bekannt wurde. Blaue
Fatespinner-Kontrolle! Und ja, es werden wahrscheinlich auch da viele Refunds vergeben worden sein.
Maximaler Lerneffekt
Nach jedem GP oder jeder PT, die ich spiele, habe ich das Gefühl, dass ich etwas gelernt habe. Online eher selten. Das kommt auch daher, dass man bei solchen Turnieren viel mehr mit Leuten diskutiert und auch guten Spielern zuschauen beziehungsweise gegen sie spielen kann. Nach einer Online-Partie tauscht man sich nicht noch kurz über ein Spiel aus, wie teilweise bei großen Turnieren oder schildert den Mitstreitern die eine oder andere spannende Entscheidung zwischen den Runden, sondern lenkt sich anderweitig ab. Dennoch gibt es auch auf Magic Online Momente, in denen man ganz gut dazulernen kann.
Replays
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich das nicht mehr so häufig mache, aber früher habe ich Partien, bei denen ich denke, dass ich sie hätte gewinnen können, nochmals im Replay durchgeschaut und ein bisschen gepuzzelt, was man hätte besser machen können. Oft hilft hier natürlich auch der Austausch, was ohnehin den besten Lerneffekt ergibt. Ich hatte beispielsweise online letztens eine Situation, in welcher mein Gegner auf fünf Leben ist, einen random 2/2er kontrolliert und den Zug mit vollem Mana abgibt. Ich kontrolliere einen 5/7-großen
Wingsteed Rider und habe sonst außer Ländern nichts auf dem Tisch. Ich habe im vorigen Spiel
Divine Verdict gesehen, habe noch zweimal
Gods Willing im Deck und mein Gegner, der nicht sonderlich gut gespielt hat bis zu dem Punkt, hat ansonsten noch keine Solution für den Rider gezeigt. Erstens würde mein Gegner meiner Einschätzung nach oft aufgeben, wenn er keine Antwort hielte, und zweitens hat er bei seinem Scry letzten Zug seine Karte oben gelassen. Ich greife also nicht an, mein Gegner greift mit seinem 2/2er an, was ich wiederum als Bestätigung fürs Verdict auffasse, da ich den Gegner wie gesagt nicht als wahnsinnig gut einschätze. Ich ziehe abermals ein Land, sage go und werde von
Elspeth, Sun's Champion von oben verhauen. Nach dem Spiel sehe ich seine Hand: Kein Verdict. Richtig gespielt? Gegner unterschätzt? Diese Situation habe ich oft diskutiert und bin noch immer auf keinen sauberen Schluss gekommen – dennoch, ich glaube ich würde die Situation ähnlich spielen. Klar, im Nachhinein ist man immer schlauer, aber das bedeutet nicht (immer), dass der eigene Spielzug schlecht war.
MOCS
Für diejenigen, denen MOCS nichts sagt: Während eines Monats kann man sich auf Magic Online mit Siegen in Drafts oder Turnieren „Qualifier Points“ erspielen, mit 35 von denen man sich direkt für das monatliche MOCS-Turnier qualifiziert oder mit 15 an einem Qualiturnier dafür teilnehmen kann. MOCS haben für mich immer einen großen Lerneffekt – einerseits konzentriere ich mich richtig für das Turnier und spiele nichts parallel, andererseits trifft man da im Schnitt auf die besten Gegner und lernt häufig was dazu. 15 QPs zu ergrinden, braucht schon einiges an Nerven und Geduld, aber ich finde, dass sich der Aufwand generell lohnt: Oft gibt's eine tolle (paraphrasiert: wertvolle) Promokarte, die Spiele sind anspruchsvoller und man kann sich auch was dazuverdienen, wenn man ein gutes Turnier spielt. In einer der letzten Seasons gab's ein
Scrubland als Promo, welches man ab 15 QPs erhielt.
Zum Abschluss des Artikels möchte ich euch eine Bildfolge meiner wohl unglücklichsten Niederlagen auf der Jagd nach meinem fünfzehnten QP für das
Scrubland zeigen – frei nach dem Motto: mal verliert man und mal gewinnen die anderen.
Ausgangslage war folgende: Ich hatte bereits 14 QPs und noch eine Woche Zeit, um einen 15. zu erspielen. Nach vier Daily Events und acht Drafts ohne Erfolg waren wir schon beim vorletzten Tag vor der Downtime angekommen. Meine Spiele verlor ich mit meinen eher guten Decks immer ähnlich – Mulligan auf fünf oder sechs und dann halt zerstört worden. Und damit man mir auch glaubt, wenn ich mich über schlechte Draws beklage, habe ich danach angefangen, meine Hände, die mir Freund Shuffler zugeteilt hat, am Ende des dritten Tages, festzuhalten.
Angefangen beim Ende des dritten Tages. Motivation schon etwa bei 5% angelangt.
Spiel unter Kontrolle? Na? Na? Ich würde sagen: Ja.
Okay, sicherlich eine der besseren Karten im Augenblick, aber was will schon passieren?
Angriff? Block!
Dann Blowout!
Die Karten auf meiner Library: 5-Drop, 5-Drop, 4-Drop? Er zieht noch ein Tier und haut mich um.
Okay, kann halt passieren. Passiert aber gefühlt zum X. Mal in den letzten Tagen. Das war der vierte Draft des Tages mit Niederlage in Runde 1 oder 2.
Also: Neuer Tag, neues Glück:
Deck ist schwer in Ordnung, mal schauen was passiert?
Nein, so doch lieber nicht. Verliere dann Spiel 1. Nächster Versuch:
Danke, dann eben auf 6.
Hmmmm, dann halt keep. Wie das Spiel ausgeht? Seht selbst:
Nächster Versuch.
Okay, lucky die Elspeth geöffnet. Das Deck ist zugegebenermaßen ein Haufen. Ihr denkt, ich verliere die Spiele wegen Colorscrew? Weit gefehlt:
Na dann Mulligan:
So kann's gehen. Zum Glück hatte ich ohnehin kein gutes Deck. Zurück in die Queue!
Gutes Deck. Und wieder lucky die Else. Ich beschwere mich ja gar nicht über mein Glück beim Päckchen-Öffnen. Aber der liebe Shuffler!
Parallel dazu noch einen Draft gemacht. Man kommt ja langsam in Zeitnot:
Ich kann mich nicht beklagen. Und tatsächlich, der Shuffler scheint Feierabend zu haben und ich gewinne beide Drafts.
Ich will jetzt gar nichts sagen von wegen: Einer hätte mir gereicht oder hätte man das Glück nicht aufteilen können? Aber gedacht habe ich's schon.
Das war's für heute – ich hoffe, euch hat der Artikel mindestens maximal Spaß gemacht und maximalen Lernzuwachs gebracht und ich sammle schon fleißig für das nächste, dann streckenförmige Tagebuch, welches sich vor allem um Flashback-Drafts drehen wird.
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