Ich kann mich noch gut daran erinnern. Mit zarten zehn Jahren im Schnee zu stehen, hier mal ein Schneemann, dort mal ein bisschen Ball gespielt, ich hab's noch bildlich vor mir. Aber nicht, weil ich besonders gern im Schnee gespielt hätte, nein, ich musste mich beschäftigen, damit die Zeit schneller vergeht. Denn es war Weihnachten, weiße Weihnachten sogar, aber von den Geschenken, den Früchten meines artigen Kinderdaseins, trennten mich noch etwa fünf Stunden qualvolle Freizeit. Kennt ihr das? Ihr freut euch dermaßen auf etwas, dass ihr auf den Rest gar keinen Bock mehr habt?
Bei mir hat das etwas nachgelassen in den letzten Jahren, aber beim Release von
Vintage Masters auf
Magic Online wurden wieder ähnliche Gefühle in mir wach. Nennt mich einen in dieses Spiel vernarrten Nerd, aber es war tatsächlich so, dass ich gar keine Lust hatte, mich groß mit Leuten zu treffen in den Tagen der Prereleases, geschweige denn, arbeiten zu gehen. Okay, Sozialleben und Lohnschein in Ehren, ich habe beides nicht vernachlässigt und somit kam ich dann doch erst etwas später im Magical-Christmas-Land an. Dort verbrachte ich dann aber doch den einen oder anderen Moment, fest darauf bedacht, nach Öffnen sämtlicher Power 9 einen Tixspeicher à la Dagobert Duck eröffnen zu können, um danach in Frühpension zu gehen und von den Zinsen zu leben. Ganz so weit habe ich es zwar nicht gebracht, dennoch, nach zehn Tagen und wohl etwa 50 Drafts ist mein Account wieder um rund 500 Tix praller, primär durch das Öffnen dreier der Power 9, sekundär auch aufgrund einer guten Einschätzung des Formats. Und damit auch ihr fleißig Profit aus dem neuen Format schlagen könnt, hier eine Zusammenfassung meiner bisherigen Erfahrungen.
Zum Einstieg meine ersten 20
Vintage-Drafts. Ich führe gerne Buch, und Drafts eignen sich wunderbar dafür. Meine ersten zwanzig Drafts im Schnelldurchlauf:
UG-Ramp 2 : 0 : 1
GW-Auras 3 : 0
BUG-Storm 1 : 1
4-Color-Control 2 : 0 : 1
GW-Auras 2 : 1
UWR-
Slide 3 : 0
4-Color-Control 1 : 1
UWR-Slide 3 : 0
4-Color-Slide 1 : 1
UG-Madness 0 : 1
GWU 2 : 0 : 1
UBR 0 : 1
UWR-Slide 3 : 0
RB-Goblins 3 : 0
RB-Goblins 1 : 1
RB-Goblins 1 : 1
UWR-Slide 1 : 1
UW-Aggro 0 : 1
UGb-Madness 2 : 1
RW-Aggro 1 : 1
Unschwer erkennt man an dieser Aufstellung natürlich einige meiner Lieblingsdecks, aber ich denke doch, einen großen Teil der Decks, welche man in so einem Draft antrifft, einmal ausprobiert zu haben.
Im Allgemeinen haben wir es hier mit einem sehr schnellen und mächtigen Draftformat zu tun, welches zahlreiche Synergien bereithält. Mit spielstarken, schnellen Einzelkarten ist Manascrew noch einen Tick schlimmer als sonst, weswegen ich im Schnitt in solchen Formaten tendenziell mehr Länder im Deck und in den aggressiven Decks weniger Farben habe. Die
Cyclelands und
Landcycler finde ich sehr gut fürs Format, denn sie lassen einen gut und gerne 20 Manaquellen im Deck haben, wovon ein Viertel bis Drittel dann noch Alternativnutzen hat, was natürlich Manascew und zu einem gewissen Grad auch Manaflood im Zaum hält. Außerdem enthält
Vintage Masters keine unspielbare Karte (
City in a Bottle zählt nicht!), was bedeutet, dass man einerseits meist ohne Mühe ein Deck vollbekommt und andererseits spät noch Goodies abgreifen kann, was wiederum heißt, dass man im ersten Booster wunderbar surfen kann, um zu sehen, was offen ist, in Booster 2 und 3 dann Sideboardkarten über mittelmäßige Maindeckkarten picken sollte und auch mal einen fiesen Hatepick anbringen kann.
Matchups haben tatsächlich recht deutliche Tendenzen und es gibt gewisse Decks, welche übers Feld in der Regel einfach bessere Matchups haben, wenn sie durchschnittlich zusammengekommen sind. Die meisten Archetypen stehen und fallen mit den sie definierenden Uncommons und fizzeln auch gut und gerne mal (meint: sind bedeutend schlechter), wenn sie diese nicht enthalten. Es gibt aber auch Rares, welche gewisse Decks einfach nicht besiegen können.
Living Death im BG gegen White Weenie – na viel Spaß. Bei den folgenden Deck- und Matchupanalysen werde ich primär auf Commons/Uncommons eingehen und gehe davon aus, dass man die relevanten Uncommons auch hat. Es hat keinen Sinn, vom Stormdeck ohne
Tendrils of Agony und
Brain Freeze zu erzählen. Um ein bisschen Tiefgang zu erreichen, werde ich mich des Weiteren auf die in meinen Augen stärksten Decks (
Astral Slide, Goblins, White Weenie, UG-Madness, WG-Auras, Storm) beschränken, auch wenn mir klar ist, dass man in praktisch jeder Farbkombination ein starkes Aggrodeck und ein starkes Kontrolldeck bauen könnte, und es zudem zahlreiche Nischenstrategien gibt, welche bestens funktionieren können (Bgw-Reanimator, Control, Suicide Black, BW-Control, Counterburn et cetera)
Die meiner Meinung nach stärksten First-Pack-First-Pick-Uncommons/Commons:
Als stärkstes Deck hat sich für mich das Cyclingdeck, kurz: Slide, gezeigt. Neben Storm und Kontrolle basieren sämtlichen anderen Decks, welche im Schnitt wohl etwa sechs Drafter pro Tisch stellen, auf Tieren, von welchen die meisten eher schwach auf der Brust sind. Mit
Lightning Rift kommt man der frühen Kreaturenflut gut bei, mit
Astral Slide kann man einerseits sich vor Tokens, Auren oder einfach großen Angreifern schützen, andererseits bei sich selbst die zahlreichen Enter-the-Battlefield-Tiere wie
Teroh's Faithful oder
Beetleback Chief sliden, um aufs längere Spiel einen signifikanten Vorteil zu erwirtschaften.
Ich drafte Slide meistens als kontrolligen Dreifärber, am liebsten mit Blausplash, mit 19-20 Ländern. Fürs Sideboard sollte man am besten einige
Renewed Faith gegen die Decks mit viel Burn einsammeln sowie
Gilded Light und schwarzen Discard gegen die Stormdecks. Aktiv hatedraften kann man manchmal auch das grüne oder weiße Enchantmentremoval.
Insgesamt hat man gegen die Goblins ein gutes Matchup, weil die echte Probleme mit Rift und Slide haben. Gegen Auras kommt man mit Slide,
Exile,
Radiant's Judgment und
Man-o'-War auch prima klar, gegen White Weenie sollte man möglichst viel Removal, und sei es nur
Spark Spray, boarden, um sie vom Backflashen von
Battle Screech abzuhalten, und dann sollte man auch dagegen keine Probleme haben. Das Madness-Matchup kann schwierig sein, vor allem gegen einen raschen Start mit
Wild Mongrel,
Arrogant Wurm und Counterbackup oder ähnlich Unfaires, und gegen Storm oder harte Kontrolldecks wird man wohl das erste Spiel klar verlieren, dann mithilfe von Sideboardkarten aber gut mithalten können. Da boarde ich dann gerne Schwarz ins Deck aufgrund der zahlreichen Disruption. Schlimmster Gegner:
Sulfuric Vortex und in Situationen ohne Slide plus Kreatur auch
Blastoderm.
Als coolstes Synergiedeck habe ich Goblins empfunden. Man merkt oft schnell im ersten Booster, ob Gobbos offen sind, und wenn sie's sind, werden sie's auch noch in den Folgeboostern sein und die Sache lohnt sich. Mit Goblins gewinnt man normalerweise, indem man den Gegner swarmt, das heißt, unendlich viele Viecher auf den Tisch legt und dann alphastrikt. Zu dem Ziel gelangt man normalerweise auf zwei Arten – mit viel
Beetleback Chief und
Rites of Initiation oder aber mit
Goblin Warchief,
Goblin Matron und
Goblin General.
Goblin Warchief ist in der Regel die wichtigste Karte fürs Deck, da er eine schwer einschätzbare Situation für den Gegner erzeugt und unglaubliches explosives Potenzial birgt. Warchief into
Beetleback Chief und Rites können gut und gerne mal im vierten Zug töten und selbst mit Umwegen über
Goblin Ringleader oder Matronen geht's dann plötzlich schnell, wenn alles Haste hat und günstiger wird.
Um die Synergien auszureizen, drafte ich Goblins bevorzugt als Deck mit wenig Removal und maximaler Goblinanzahl, splashe gerne
Nightscape Familiar als Warchief-Ersatz oder
Goblin Trenches, bleibe aber prinzipiell am liebsten monorot. Mindestens 18 Länder sind in der Regel ein Muss, denn den Goblins gehen in der Regel nicht schnell das Gas aus – Matrone und Ringleader sei Dank –, wohingegen sie mit Screw auf drei Ländern einfach oft verlieren. Im Sideboard habe ich gerne etwas Removal (
Spark Spray,
Solar Blast,
Kindle) gegen die weißen Decks, im Maindeck spiele ich an Burn oftmals nur
Chain Lightning, weil man diesen auch defensiv gut anbringen kann und er die Kurve nicht stört. Die größte Stärke des Decks: Goblins sollten wohl am zuverlässigsten gegen ein Random Deck gewinnen, da sie erstaunlich selten komplett nichts machen, wahnsinnig konstant sind und mit der Goblin-Chain ein lang anhaltendes Late Game haben. On the play schier unbesiegbar. Schlimster Albtraum:
Lightning Rift und jegliche Art von Massremoval. Auch recht nervig:
Brindle Shoat.
Übrigens: Letztens durfte ich eine Diskussion führen, warum man
Armageddon nicht ins Gobbodeck splashen will. Das Problem der Goblins ist, dass man ständig einen halben Zug hinterherhinkt auf dem Board, bis man dann eben, zack, in einem Zug mit Rites oder eiligen Männchen gewinnt. Aber wann sollte man da
Armageddon anbringen wollen? Ähnliches gilt wohl für
Ankh of Mishra oder
Sulfuric Vortex – Goblins sind einfach kein Aggrodeck, eher ein Kombodeck. Und welches Kombodeck spielt schon Geddon, Ankh oder Vortex, bitteschön?
White Weenie ist das einzige Tier-1-Deck, welches nicht auf Synergien beruht, außer man nennt
Battle Screech plus weißes Tier Synergie. Des Weiteren nach Suicide Black (und natürlich Full-Powered Storm, versteht sich) das schnellste Aggrodeck des Formats. Oft verbirgt sich im WW ein kleines Tokenthema, welches man gut und gerne mit
Pianna, Nomad Captain oder gesplashten
Rites of Initiation maximieren kann. Weil beide Karten aber ohnehin schon gut in dem Deck sind, braucht man sich beim Picken keine großen Gedanken über deren Priorisierung zu machen oder darüber, ob man nun wirklich ein Tokendeck hat oder nicht. Die größte Stärke des Decks ist, dass es fast immer zustande kommt. Kleine weiße Männer gibt's wie Sand am Meer, und da es in jeder weiteren Farbe tolle Aggrodrops gibt, kann man es auch beliebig kombinieren. Dennoch, das beste weiße Aggrodeck ist in meinen Augen monoweiß – denn wie man es aus den „normalen“ Formaten so kennt, kämpft jedes zweifarbige Aggrodeck halt hin und wieder mal mit seiner Manabasis.
Gegen die richtig gut gelungenen Tier-1-Decks hat man selten ein gutes Matchup, man muss aber berücksichtigen, dass ein White-Weenie-Deck immer funktioniert, selbst wenn man es zu zweit am Tisch draftet, da es für seine Funktion nur Commons benötigt, also nicht wie andere Decks von den wichtigen Archetyp-Uncommons abhängt und mit deren Fehlen völlig auseinanderfällt. Ich lande oft und gerne in weißen Aggrodecks, wenn meine ersten Booster im Rare- und Uncommonslot leer sind oder wenn sich während des ersten Packs herausstellt, dass ich nicht der einzige Drafter in meinem Archetyp bin und angenehm switchen kann. Somit könnte man White Weenie wohl in meinen Augen das beste „Plan-B-Deck“ nennen. Größter Feind: Alle Karten, welche mit “… to all creatures“ enden oder Feuer im Artwork beinhalten. Oder beides.
Bei UG-Madness haben wir wieder ein absolutes Synergiedeck, welches mit dem Gleichgewicht seiner Enabler und Nutznießer steht und fällt.
Wild Mongrel into
Arrogant Wurm fällt wohl unter die stärksten Eröffnungen des Formats, aber Mongrel lässt sich beliebig mit zahlreichen Outlets ersetzen. Neben Mongrel und
Frantic Search sind wohl die meisten Madnesskarten ausschließlich im Madness spielbar (
Roar of the Wurm für sieben Mana? Spaßbremse!), dort aber sensationell gut.
Wenn also ein gutes Madnessdeck zusammenkommt, macht es unendlich unfaire Sachen; wenn man die Karten mit jemandem am Tisch teilen muss, erhält man bestenfalls ein moderates UG-Tempodeck. Was auch nicht zwingend schlecht sein muss, aber eben nicht ganz so wild daherkommt wie die gelungenen Tier-1-Decks. Staatsfeind Nummer 1? Decks, die noch unfairere Sachen machen als man selbst. Und rasche Tiere mit Shadow oder Flying.
WG-Auras bestehen aus der heiligen Dreieinigkeit von
Benevolent Bodyguard oder seinem Assistenten Agent
Shelter, einem 2-Drop nach Wahl, am liebsten aber
Dreampod Druid, und einer Verzauberung nach Wahl. Es gibt wenig Decks, die mit solch einem Start mithalten können, was das Deck auch dermaßen spielstark macht. Falls man ausnahmsweise einmal keine acht Bodyguards, acht Enchantments und acht 2-Drops draften kann, passen selbstredend auch Provoker wunderbar ins Deck, neben anderen universellen Raufbolden wie
Battle Screech.
Das Deck hält sich in der Regel auch ohne Gottdraw gegen andere Kreaturendeck ganz gut, da für solche
Armadillo Cloak,
Dreampod Druid und große Shadowtiere kaum zu schlagen sind. Gegen Kontrolldecks mit
Astral Slide,
Man-o'-War oder einer andersweitigen Removalflut sieht man nicht sonderlich gut aus. Dennoch, Bodyguard into Druid into
Elephant Guide wird auch gegen diese Decks eine Ansage bleiben, ist aber nicht ganz so unbesiegbar wie für den Rest der Welt. Wohl schlechtestes Matchup: Storm. Und auch immer wieder ganz fies: Tapper.
Last but not least hätten wir Storm. Ein Deck, welches man vergleichsweise selten sieht, in optimaler Zusammensetzung aber sämtliche anderen Decks komplett in den Schatten zu stellen vermag, zumindest im ersten Spiel. Das Problem an Storm ist: Wenn im Draft weder
Brain Freeze noch
Tendrils of Agony geöffnet werden, hat man ein Deck, welches nicht gewinnen kann. Klar, jedes andere Deck kann auch fizzeln, aber die meisten können dennoch irgendwie gewinnen, teilweise reicht eine gute Common wie
Wild Mongrel oder
Battle Screech schon dafür aus. Storm hingegen tut sich ohne Winoption wahnsinnig schwer. Man kann halt nicht in Zug 5 durchs Deck gehen, nur um damit einen
Dark Hatchling zu finden. Somit gilt für mich persönlich: Wenn ich in Booster 1 keinen
Brain Freeze oder von mir aus auch Plan B,
Tendrils of Agony, sehe, den ich angemessen mit meinen bereits gedrafteten Karten kombinieren kann, drafte ich kein Storm. Punkt, aus.
Das wäre mal Problem 1 des Stormdecks, das zweite Problem wären die Postboardspiele. Gegen Schwarz kriegt man schon mal eine Hand voll Discard ab – uncool –, gegen Weiß
Gilded Light, ebenfalls nur bedingt witzig, Blau hat oft zusätzliche Counter, Rot vielleicht Landdestruction und Grün … na ja, Grün … hat vielleicht eine Zweitfarbe. Deshalb: Selbst aktiv Problemkarten hatedraften, wenn möglich, und entweder einen Plan B im Sideboard haben (
Temporal Fissure klappt beispielsweise ganz gut – alle Länder bouncen, in den Attackstep wechseln, dann
Brain Freeze oder halt in response auf das
Gilded Light) oder selbst schwarze Disruption picken. Nun aber weg von den Problemen: Falls man doch mal an einen
Brain Freeze kommt, gibt es zwei Wege zum Erfolg. Erstens: Blau-Schwarz mit
High Tide,
Frantic Search,
Brainstorm,
Nightscape Familiar et cetera, et cetera oder aber mit Grün für
Tangle a. k. a. der grüne
Time Walk und
Nostalgic Dreams. Via
High Tide läuft das Abgehen nach meiner Erfahrung um einiges einfacher, mit Grün bekommt man das Deck aber immer voll und muss nicht jeder Playable nachrennen – vor allem
Tangle gibt's schön spät.
So, nach dem Schnelldurchlauf durchs Vintageland juckt's mich schon in den Fingern – ich sollte wohl von der Theorie zur Praxis gehen. Ich hoffe, ihr freut euch mit mir, wenn in den nächsten Wochen anstelle von Artikeln
Vintage Masters gedraftet wird. Auf dahin – gut grind und auf bald in der Queue!
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