Standard
State of Mind
von Michael Diezel
04.04.2013

Wer ist der dickste Mann im ganzen Standardformat?

Ihr ahnt es sicher, dies ist eine rhetorische Fangfrage, da hier doch in unterschiedlichen Szenarien verschiedene Antwortmöglichkeiten richtig sein können. Mein heutiger Kandidat etwa wächst durchaus auch mal in Bereiche, wo er sogar das Two-Headed-Giant-Team mit einem erfolgreichen Angriff besiegen könnte:


Das alleine zeigt das Potenzial, das in der Karte steckt. Natürlich braucht man gar nicht den 40/40-Dude, um ein Spiel zu gewinnen - zumindest nicht im Normalfall - und praktischerweise bewegt sich die Verzehrende Scheußlichkeit tatsächlich eher im Bereich von 20/20. Reicht auch.

Bevor man jedoch in den Genuss eines solchen Monsters kommt, muss man ein wenig Arbeit investieren, genauer gesagt, den Gegner mühlen. Über die Herkunft dieses Begriffs habe ich schon vor ein paar Wochen geschrieben und hinzugefügt, dass eine reine Mühlstrategie (also der Sieg über den möglichst schnellen Decktod des Gegners) aktuell nicht wirklich funktionieren kann, da die benötigten Karten zu langsam und ineffektiv sind.

Deswegen bedienen wir uns auch des Umwegs über Schaden, der von bestimmten Kreaturen in größeren Portionen verteilt wird, wenn der gegnerische Friedhof möglichst gefüllt ist. Neben der schon angesprochenen Consuming Aberration beinhaltet das insbesondere die folgenden Plagegeister:


Das Traumwesen ist dabei in vielerlei Hinsicht die beeindruckendere Alternative. Zunächst ist es billiger, wobei selbst der Unterschied von nur einem Mana relevant ist, und zudem hat es schon von Beginn an die überaus nützliche Flugfähigkeit. Anders als Scheußlichkeit und Starrer muss man sich somit nicht um jeden möglichen Blocker sorgen, denn, wie Ihr wisst, selbst ein 0/1-Ärger-Spielstein reicht aus, um die 40/40-Kreatur zumindest einen Zug lang davon abzuhalten, (tödlichen) Schaden an den Spieler zu bringen. Hinzu kommt, dass es Jace's Phantasm herzlich egal ist, welche Karten genau im feindlichen Friedhof landen - nur zehn müssen es sein.

Ganz anders Wight of Precinct Six. Theoretisch kommt er zwar auch in abenteuerliche Dimensionen mit seinen Kampfwerten (mein Rekord ist 23/23!), allerdings benötigt es dazu mindestens genauso viel hineingesteckte Arbeit wie beim Traumwesen und zusätzlich die Unterstützung des Gegners, der schon besser die eine oder andere Kreatur im Deck und damit über kurz oder lang auch im Friedhof haben sollte.

Das also ist unsere Kreaturenbasis, auf der wir alles andere aufbauen werden. Alles andere bedeutet zunächst Karten, die den Friedhof des Gegners füllen. Die Auswahl dafür ist durchaus vorhanden, wobei wir als Faustregel auf Folgendes achten sollten:

geringe Manakosten, schließlich wollen wir zeitig anfangen, zuzuschlagen
große Wirkung, immerhin müssen zeitnah zehn Karten geschafft sein
Unabhängigkeit, womit ich meine, dass ich keine Zusatzbedingungen erfüllt sehen möchte. Gerade zahlreiche Dimir-Karten aus Gatecrash verwenden etwa diese etwas sperrige Formel (… bis ein Land aufgedeckt wird) und das ist mir zu viel des Glücksspiels. Wenn ich schon mühle, dann möchte ich wenigstens Gewissheit darüber haben, was gemühlt wird.

Deshalb mein Favorit:


Für lediglich zwei Mana erreichen wir beinahe sofort die magische zehn und zwar ohne irgendwelche Umwege. Ebenfalls extrem gut ist Thought Scour. Zwar sind zwei Karten nicht gerade viel, aber sowohl die superniedrigen Manakosten als auch das Selbstersetzen dank Karteziehen nach Effekt lassen das ganz schnell vergessen.

Leider klafft nach diesen beiden eine ganz schöne Lücke. Jace, Memory Adept ist offensichtlich die Mühlmaschine schlechthin, allerdings bin ich versucht, das Budget nicht zu sprengen, das mit diesem Ansatz ansonsten extrem niedrig gehalten werden kann. Ein paar Rares benötigen wir trotzdem, da diese aber Nephalia Drownyard heißen und selbst im Vierersatz noch nicht einmal einen billigen Döner aufwiegen, dürfte das machbar sein. Spielerisch schätze ich das Unterwassergrab deswegen sehr hoch ein, weil man nicht extra eine wertvolle Karte für den Effekt ausgeben muss. Ihr erinnert Euch vielleicht, dass dies eins der größten Probleme der Mühlkarten ist, dass sie auf sich allein gestellt nichts machen, da dem Gegner im Normalfall völlig egal ist, ob er jetzt noch 40 oder vier Karten in der Bibliothek hat, solange es mehr als null sind. Drownyard als Land macht zunächst das, was Länder halt so machen: Mana produzieren. Zugegeben, es ist farblos und damit weniger nützlich als blaues oder schwarzes, für uns aber ein verschmerzbarer Nachteil. Gleichzeitig hält man sich die Option offen, statt damit Mana zu machen, eben den Gegner für drei zu mühlen. An sich natürlich kein überwältigender Effekt, aber als quasi geschenkte Option doch besser als nichts, oder?

Ähnliches gilt übrigens auch für Duskmantle Guildmage. Eine 2/2-Kreatur für zwei ist immer solide, wenn auch nicht mehr. Die Fähigkeiten sind als netter Bonus zu betrachten, der bei absoluter Alternativlosigkeit gern mitgenommen wird. Das klingt ziemlich hart, ist aber die bittere Wahrheit. Ein aggressiveres Anwenden dürfte kaum Erfolg nach sich ziehen, weil die jeweiligen Effekte zu schlecht sind.

Deswegen begeistert mich der Gildenmagier auch nicht sonderlich, ganz im Gegensatz zum folgenden völlig in Vergessenheit geratenen Tierchen, das zumindest theoretisch in Kampfwertdimensionen vordringen kann, die selbst die Aberration dominieren:


Die letzte Karte, die zumindest etwas den gegnerischen Friedhof füllt, ist Psychic Strike. Ein unspektakulärer Gegenzauber, aber besser werden diese heutzutage ja nicht mehr. Ähnlich wie bei Thought Scour gilt auch hier, dass eben auch Kleinvieh Mist macht und gerade nach Mind Sculpt ist so ein Ding ziemlich genau das, was benötigt wird, um die magische Zehn zu erreichen.

Der Rest des Decks wird dann aufgefüllt. Zunächst mit Vampire Nighthawk, der einfach ein extrem gutes Gesamtpaket abliefert und gleichzeitig genau die Art von Kreatur ist, die man noch benötigt. Fliegend, gut in Offensive und ganz besonders Defensive und passend in der Manakurve gelegen. Letzteres bedeutet, dass wir noch eine Karte gesucht haben, die wir im dritten Zug aufs Feld bringen können, denn offensichtlich sind Karten für drei Mana im Normalfall besser als die für zwei. In den späteren Zügen ist das längst nicht mehr so wichtig, da wir zum Beispiel kombinieren können (statt der 4-Mana-Karte legen wir einfach zwei für zwei Mana) oder überhaupt Probleme haben, sicher jeden Zug ein weiteres Land zu legen.

Abgerundet wird das Ganze jetzt noch mit ordentlich Kreaturenzerstörung. Kandidaten dafür gibt es viele, der interessanteste für dieses spezielle Deck ist vermutlich Death's Approach. Wenn das Deck nämlich halbwegs das macht, was wir geplant haben, erhält man mit dieser Aura einen recht zuverlässigen Kill für Kreaturen nahezu aller Größen und die lächerlichen Kosten von einem Mana. Da man trotzdem gern schon zu Beginn einer Partie mit dem Gegner interagieren möchte, empfehle ich darüber hinaus noch Sachen zu spielen, die weniger speziell funktionieren, etwa Ultimate Price, Tragic Slip oder Victim of Night. Wer da genau der Beste ist, das versuche ich schon seit Wochen zu ergründen, bislang ohne Ergebnis …

Meine Geheimwaffe ist übrigens Dimir Charm, der gerade zu Beginn einer Partie solide Kreaturenvernichtung darstellt, später das Mühlthema ein wenig unterstützt (und gleichzeitig extreme Filterung schafft) und zur Not auch mal eine wirklich störende Hexerei neutralisiert.

Das fertige Deck:


3 Evolving Wilds
4 Dimir Guildgate
7 Swamp
7 Island
3 Nephalia Drownyard

2 Ultimate Price
2 Dimir Charm
3 Death's Approach
3 Psychic Strike
4 Thought Scour
4 Mind Sculpt


4 Jace's Phantasm
3 Consuming Aberration
3 Mindshrieker
4 Vampire Nighthawk
4 Wight of Precinct Six

Sideboard:

3 Dead Weight
3 Duress
3 Tormod's Crypt
2 Sever the Bloodline
2 Negate
2 Human Frailty


Wie Ihr seht, habe ich auch bei den Ländern bewusst auf Watery Grave und Drowned Catacomb verzichtet, um die Kosten möglichst gering zu halten. Wer überschüssige Tauschkarten zur Verfügung hat, macht sicher nichts falsch, wenn er in diesem Bereich investiert. Nicht nur dieses spezielle Deck profitiert ungemein, sondern auch sämtliche folgende in der Farbkombination von Dimir.

Weitere Karten, über die man in diesem Fall länger nachdenken könnte, sind der schon mehrfach angesprochene Jace, Memory Adept und Snapcaster Mage, um sowohl die Kreaturenzerstörer als auch die meisten Mühlkarten recyceln zu können (und noch einen durchaus nützlichen Schläger zu erhalten).

Das Sideboard wiederum ist diesmal recht selbsterklärend. Mehr Zerstörer gegen Kreaturendecks, Tormod's Crypt gegen friedhofbasierte Strategien wie die um Unburial Rites, Duress gegen Decks mit wenigen Kreaturen und so weiter.

Bleibt nur noch, das Spielen selbst etwas näher zu betrachten. Dabei gilt zunächst, dass eigener Druck wichtiger ist, als gegnerischem zu begegnen, was wiederum wichtiger ist als Mühlkarten. Bedeutet, wenn Ihr in Zug 2 die Auswahl zwischen Wight of Precinct Six, Dimir Charm und Mind Sculpt habt, spielt Ihr im Normalfall den Starrer. Aber Ausnahmen gibt es ja bekanntlich immer, so also auch hier. Eine wäre beispielsweise eine gegnerische Kreatur, von der abzusehen ist, dass sie demnächst nicht mehr von Dimir Charm getroffen werden kann (etwa Quirion Dryad) oder aber einfach weg muss (Izzet Staticaster). Ich beschreibe das hier so ausführlich, damit nicht irgendeiner sagen kann, "Der Diezel hat doch aber gesagt …"

Mühlen wiederum ist mit Abstand am schlechtesten, da es - wie oben angedeutet - eigentlich gar nichts macht. Deswegen beinhalten die Ausnahmen normalerweise auch andere Karten. Mit Jace's Phantasm im ersten und Wight im zweiten Zug kann man dann durchaus überlegen, ob man im dritten Zug den Nighthawk noch hinterherspielt oder aber lieber mit Mind Sculpt plus Thought Scour die beiden Typen kräftig wachsen lässt. Hierfür gibt es übrigens keine pauschale Lösung, sondern die genauen Umstände müssen betrachtet werden, denn Magic ist als Spiel an dieser Stelle schon viel zu komplex.

Deswegen bleiben auch gar nicht so viele weitere Hinweise übrig, lediglich noch einer: Zwar ist unser Plan A ganz eindeutig, mittels Schaden zu gewinnen. Plan B kann aber durchaus auch das Mühlen selbst sein. Gerade gegen andere Decks, die mit wenigen Kreaturen auskommen, kann es durchaus legitim sein zu versuchen, nur zu überleben und dann entsprechend den Turbo-Mühl-Plan auszupacken. Entsprechend müssen dann zum Beispiel die Kreaturen mehr abgetauscht werden.

Zum Abschluss noch eine Warnung in Bildform und damit bis zum nächsten Mal!
Der MiDi

-------gggggggggggggggg--------------