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Geschmackssachen
von Andreas "Zeromant" Pischner
08.07.2009

„Blau interessiert mich nun das 14. Jahr in Folge nicht…“
Christopher Eucken, in einem Kommentar auf GerMagic


Ich finde, es ist wieder einmal an der Zeit, über die Farbe Blau, und insbesondere über Counter zu reden. Warum? Wegen M10 natürlich, oder genauer: Wegen der Entwicklungen, die zu M10 geführt haben, und wegen der Entwicklungen, die von diesem Set und den damit einhergehenden Regeländerungen ausgehen.

Obwohl der eine oder andere danach gefragt hat, habe ich mich dagegen entschieden, eine Art Review zu M10 zu verfassen – das werden genügend andere tun, beziehungsweise haben es längst getan, denn als ich diesen Text hier schreibe, sind es ja nur noch acht Tage bis zum Erscheinen des Sets, und das ist heutzutage natürlich viiiiel zu spät, um noch eine Review zu verfassen. Vielleicht schreibe ich ja nächste Woche eines zu Zendikar – wer weiß?

Was ich aber tun werde ist, über das eine oder andere Thema zu räsonieren, welches mir bei meiner häufigen gedanklichen Beschäftigung mit meinem zweitliebsten Hobby immer wieder durch den Kopf geht, und es in eine mehr oder weniger lose Beziehung zu M10 zu stellen. Heute ist dieses Thema wieder einmal die irrationale Abneigung vieler Spieler gegenüber Countern.

Es ist ja nun bekannt: In M10 bekommt Rot Lighnting Bolt zurück! Grün darf – natürlich – seine Llanowar Elves behalten, übrigens zusätzlich zu Birds of Paradise (und Noble Hierarch wird auch noch eine ganze Weile standardlegal bleiben). Schwarz erhält eine neue Terror-Variante, die zwar aufgrund der Möglichkeit, die angezielte Kreatur mittels Regeneration zu retten, nicht als „strictly superior“ angesehen werden kann, aber insgesamt wohl als Upgrade einzustufen ist, insbesondere, seit mit Esper die Zeit der farbigen Artefaktkreaturen angebrochen ist. Ach ja, und Duress! In Weiß taucht aus dem Nichts Harm's Way auf, dessen Stärke meiner Ansicht nach zur Zeit noch massiv unterschätzt wird – aber selbst, wenn ich hier Unrecht haben sollte, ist da ja immer noch der doppelt verbesserte Crusade Honor of the Pure, in Begleitung der neuen Savannah Lions mit nützlicherem Kreaturentyp. Und Blau kriegt endlich seinen Counterspell zurück!

...NOT.

Nein – Blau kriegt... äh... ach ja, richtig, Ponder – so gut, dass er in Vintage restricted werden musste!

Klar doch.

Hier ist ein krasses Missverhältnis zu beobachten: Während alle anderen Farben ihre Lieblingsspielzeuge aus der GUTEN ALTEN ZEIT zur Verfügung haben (selbst Swords to Plowshares ist ja kürzlich immerhin als Path to Exile wieder aufgetaucht), wird Blau mit Cancel anstatt Counterspell abgespeist. Und wisst Ihr was, ich werde hier gar nicht erst eine Diskussion darüber starten, ob Cancel angemessen stark und Counterspell im Gegensatz dazu overpowered sei! Diese Diskussion konnte man noch führen, als Counterspell damals das Grundset verließ. Heute, im Zeitalter der unglaublich manaeffizienten Kreaturen, gibt es da gar nichts mehr zu diskutieren. Wenn andere Farben ihre besten Utility-Karten zurückbekommen, dann müsste auch Blau seinen selbstverständlichen 4-of-Counter wieder zur Verfügung haben.


MÜSSTE. Hat es aber nicht. Warum?

Weil Wizards Geld verdienen wollen, darum.

Eine kleine Tangente: Warum scheinen eigentlich viele Leute der Ansicht zu sein, dass die Motivation einer Firma, Gewinn zu machen, alle ihre Entscheidungen rechtfertigt? Klar ist Gewinnmaximierung ein legitimes Interesse – aber haben nicht auch wir als Kunden ein legitimes Interesse an einer Qualitätsmaximierung? Ja, Wizards muss Geld verdienen, aber das kann doch kein Grund sein, ihre Entscheidungen deswegen nicht zu kritisieren! Ist doch logisch, dass die Zigarettenindustrie (hoffentlich nur) früher ihren Produkten gezielt suchterzeugende Stoffe beigemischt hat – die wollen schließlich Geld verdienen! Ist doch klar, dass ein Waschmaschinenhersteller Modelle anbietet, von denen er weiß, dass sie keine fünf Jahre halten, so dass ein neues Gerät gekauft werden muss – der will doch schließlich Geld verdienen! (Ich weiß auch gar nicht, was die Leute immer gegen Kinderpornografie und Zwangsprostitution haben – damit wird doch auch nur Geld verdient!)

Die berechtigten Interessen eines Anbieters stehen nicht einsam im Raum – ihnen stehen die ebenso berechtigten Interessen der Konsumenten gegenüber, und manchmal stehen ihnen auch noch Interessen Dritter entgegen (Ihr wisst schon, so'n Zeug wie Menschenrechte, Umweltschutz oder lauterer Wettbewerb).

Deswegen muss ich immer wieder den Kopf schütteln, wenn ich Sätze wie „Wizards werden schon wissen, was am besten für ihr Spiel ist“ als Totschlagargument lese! Gewiss: Die Tatsache, dass hier Entscheidungen von Leuten getroffen werden, die sich professionell damit beschäftigen, darf man nicht unberücksichtigt lassen. Aber selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass Wizards tatsächlich am besten weiß, was am besten FÜR SIE ist (und auch dafür gibt es durchaus Gegenbeispiele, aber das wird das Thema eines weiteren Artikels sein), bedeutet das noch lange nicht, dass diese Entscheidungen deswegen das beste FÜR UNS, die Spieler, wären! Unsere Interessen als Spieler decken sich nämlich NICHT mit denen des Herstellers: Wir wollen an diesem Spiel möglichst viel Spaß haben, und wir wollen diesen Spaß möglichst billig haben. Wizards hingegen wollen möglichst viel von ihrem Zeugs verkaufen und dabei möglichst viel Gewinn machen. Klar gibt es da eine Menge Berührungspunkte (so kaufen wir zum Beispiel natürlich mehr, wenn das Spiel uns mehr Spaß macht) – ansonsten würde dieses Geschäft ja nicht funktionieren! Es gibt aber auch einige handfeste Interessenkonflikte. Beim Thema Verkaufspreis sind diese offensichtlich: Wizards will höhere Preise, wir wollen niedrigere. Hier muss sich also zwangsläufig eine Art Kompromiss einpendeln.


Bei der Qualität des Spiels hingegen scheint vielen Leuten nicht klar zu sein, dass dort ebenfalls Interessenkonflikte bestehen! Deswegen ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich: Nehmen wir Lebensmittel. Ihr wisst doch, was Glutamate sind? Richtig, Geschmacksverstärker. Das Zeug ist nicht gerade besonders gesund. Auf jeden Fall aber ist es eine für den Hersteller billigere Möglichkeit, seinen Produkten Geschmack zu verleihen, als dies mithilfe von qualitativ hochwertigen Zutaten und schonenden Herstellungsprozessen zu tun.

Der springende Punkt ist jedoch, dass Geschmacksverstärker FUNKTIONIEREN. Deswegen sind sie so erfolgreich! Bei übermaßigem Konsum und auf lange Sicht verderben sie zwar den meisten Leuten den Geschmack, aber damit haben sie ihren Zweck längst erfüllt. Mit Speck fängt man Mäuse; mit Glutamaten ködert man Konsumenten.

Und genau das machen Wizards mit manchen ihrer Entscheidungen, und in letzter Zeit immer häufiger. Die Qualität ihres Produktes kann man eben NICHT aus ihrer Professionalität ableiten, denn es ist nun einmal nicht ihr primäres Interesse, ein qualitativ hochwertiges Produkt anzubieten. Und man kann sie ebenfalls nicht an der aktuellen Beliebtheit des Produktes ableiten, denn Konsumenten lassen sich von Glutamaten ködern.

Die Überbetonung von Tribalsynergien in Lorwyn und die völlig aus dem Ruder gelaufene Buntheit des Alara-Blocks waren Glutamate. Den Leuten hat das Zeug größtenteils geschmeckt, aber es besaß nicht wirklich allzu viel Substanz – vor allem aber verdarb es ihnen den Geschmack. Nachdem Wizards ihre beiden beliebtesten Blockmechaniken unmittelbar hintereinander eingestezt haben, sollten sie sich dringend etwas einfallen lassen, wenn sie verhindern wollen, dass ihre Kundschaft Zendikar als fad empfindet! „Coolness Creep“ habe ich dieses Problem genannt, denn natürlich habe ich auch darüber schon einmal irgendwo geschrieben.

Heute geht es mir aber nicht um die Glutamate, sondern um das Gemüse – Ihr wisst schon, dieses Grünzeug, das manche Leute anstelle von richtigem Essen wie Pommes oder Steaks in sich hineinstopfen! Es soll ja angeblich gesund sein, aber welcher richtige Mann fasst denn freiwillig diesen vegetarischen Frauenfraß an? (Und Magic-Spieler sind ja bekanntlich Männer, oder zumindest Jungs – abgesehen selbstverständlich von jener gewissen Weltklassespielerin aus Egling bei Wolfratshausen.)

Was ist bei Magic das gesunde Gemüse? Es sind diejenigen Effekte, welche die Balance des Spiels garantieren. Die verhindern, dass starke, teure Sprüche billigere Sprüche unspielbar machen; die verhindern, dass ein Deck einfach aus den besten Sprüchen aller fünf Farben besteht; die verhindern, dass eine Partie Magic dadurch entschieden wird, wer als Erstes seine siegbringende Kombination aus zwei oder drei Karten zusammengesucht hat.

Aus der Sicht von Magic-Spielern sind das diejenigen Karten, die ihre Träume zerplatzen lassen, weil sie ihre ach-so-tollen Gewinnpläne vereiteln, bei denen sie leider vergessen haben zu berücksichtigen, dass ihr Gegner sie dabei stören könnte. Es handelt sich dabei (in aufsteigender Folge ihrer Verhasstheit) um billiges Spotremoval, Massenremoval, Discard, Counterspells und Landzerstörung. Sie sind für einen ausgeglichenen Nährstoffhaushalt im System des Spiels Magic verantwortlich, weil sie den Spielern eine Möglichkeit geben, die gegnerische Strategie zu durchkreuzen. Damit sorgen sie für Interaktion und verhindern, dass Magic zu einem Spiel degeneriert, in dem beide Spieler um die Wette eine bestimmte Strategie verfolgen, tragen also dazu bei, dass aus dem nebeneinander ein gegeneinander wird. Ob aktive oder reaktive Strategien, ob Creature-Rush oder Ramp – es gibt immer ein Gegenmittel.

Genauso aber, wie echte Kerle kein Gemüse essen, mögen viele Spieler auch diese Karten nicht. Warum das so ist, darüber habe ich ja schon in „Warum schlechte Spieler Blau hassen“ einiges geschrieben. In der Zwischenzeit ist das nicht besser geworden, im Gegenteil: Der Hass auf Counter ist in weiten Spielerkreisen zur vorherrschenden Stimmung geworden. Wie oft passiert es mir auf Magic Online immer noch, dass mein Gegner sofort concedet oder die Verbindung verliert, sobald ich Counterspell, Cancel oder Condescend auf den Stapel lege! Manchmal gibt es noch einen Kommentar nach dem Motto „Ich dachte, wir spielen hier Casual!“ dazu. Oder lest Euch einmal in einem großen amerikanischen Magic-Forum fest! (Vorsicht: Gefahr durch Nackenkrämpfe vom ewigen Kopfschütteln.)

Der Hass auf Blau (denn da wird immer noch kaum ein Unterschied gemacht) ist allgegenwärtiger als je zuvor. Das alleine wäre kein Grund für mich, dieses Thema noch einmal zu einem Artikel zu verarbeiten, wohl aber diese Erkenntnis hier: Sie haben gewonnen! Der Mythos von der unfairen, overpowerten Countermagie ist so stark geworden, dass er die Politik von Wizards durchdringt, und M10 legt davon deutlichst Zeugnis ab. Lightning Bolt, Llanowar Elves, Duress, Savannah Lions – und Cancel? Das ist lächerlich. Shock, Wirewood Elf, Coercion, und Tundra Wolves – in DIESE Reihe passt Cancel hinein!

Aber was macht eine Fastfood-Kette, wenn die Kundschaft nur Fleisch und Fritten will? Sie bietet nur noch Fleisch und Fritten an, klar! (Und an dieser Stelle hält der Vergleich nicht ganz dicht, denn ein Restaurant zwingt seine Kunden ja nicht, alle Gerichte zu essen, die es anbietet, während man als Magic-Spieler immer mit dem gesamtem Kartenspektrum in Berührung kommt – zumindest wenn man sich seine Gegner nicht gezielt aussucht. Deswegen kann McDonalds natürlich zusätzlich gesunde Salate anbieten!) Was das bedeutet, und in welche Richtung Wizards Magic damit steuern, das will ich heute untersuchen.

Die Niederhaltung von Blau im Grundset ist keine isolierte Entwicklung. M10 ist das erste Grundset überhaupt, welches keinen Wrath of God mehr enthält – das ist in gewisser Weise eine Revolution! Ebenfalls bemerkenswert ist auch, dass aus dem ehemaligen Core-Set-Staple Stone Rain in der Zehnten Edition Demolish wurde und in M10 das absolut unglaubliche Yawning Fissure. Und in diesem Zusammenhang möchte ich auch die Umbenennung der In-Play-Zone in das pubertär-martialische „Battlefield“ erwähnen.

Hier findet eine Entwicklung statt, die schon seit langer Zeit im Gange ist. Erinnert sich jemand noch daran, wie Savannah Lions, Serra Angel und Mahamoti Djinn zur Fünften hin das Grundset verlassen mussten, weil sie „zu stark“ seien? Um das einmal in den richtigen Kontext zu rücken: Das war dasselbe Set, welches Stasis, Necropotence und Mana Vault enthielt!


Damals war der absolute Tiefpunkt für Kreaturen in Magic erreicht, und von dort aus konnte (und musste) es natürlich nur noch aufwärts gehen. Wer sich das Standard-Metagame der letzten Jahre ansieht, der wird erkennen, dass Kreaturen noch nie zuvor dermaßen allgegenwärtig waren.

Wer nun aber dachte, dass der Höhepunkt dieser Entwicklung bereits erreicht sei und das Pendel nun wieder zurückschwingen müsste, der wird durch M10 eines Besseren belehrt! Ganz offensichtlich wollen Wizards den Fokus des Spiels NOCH stärker auf Kreaturen legen.

Die Motivation dafür ist durchaus nachvollziehbar. Einmal stehen Kreaturen im Mittelpunkt der Magic-Regeln: Sie nutzen sämtliche Zonen und sämtliche Phasen des Spiels, insbesondere die Combat-Phase. Dementsprechend bieten sie besonders viele Ansätze für das Design interessanter Fähigkeiten, und daher findet sich auch der Löwenanteil der Magic-Mechaniken auf ihnen. Da ist es natürlich sinnvoll, diesem Kartentyp auch entsprechend Raum zu geben.

Zum zweiten sind Kreaturen auch der beliebteste Kartentyp. Das ist das Geheimnis hinter dem Erfolg der Tribal-Mechanik: Sie stiften Identität. Eine Horde Zombies zu befehligen, Engel oder Drachen herbeizurufen – das kann man visualisieren. Tatsächlich ist der Kreaturenkampf der einzige Aspekt des Spiels Magic, der sich nicht sofort in Abstraktion verliert oder in Widersprüchlichkeit verstrickt, wenn man sich seinen Ablauf vorstellt. Nicht von ungefähr beruhen die bei jüngeren Spielern beliebtetsten Sammelkartenspiele auf dem Prinzip, Monster gegeneinander kämpfen zu lassen, und nicht von ungefähr orientieren sich die Macher von Magic auf ihrer Suche nach Nachwuchs an diesen Vorbildern. „Industry Standards“, erinnert Ihr Euch? Spielsituationen, bei denen zahlreiche Kreaturen im Mittelpunkt stehen, sind besser geeignet, um junges Publikum anzulocken, und es ist auch kein Zufall, dass ikonische Karten (zum Beispiel Prerelease-Karten oder die Karten der Invitational-Sieger) größtenteils Power und Toughness aufweisen.

Es gibt aber auch noch einen weiteren Grund, und der hängt mit der Abneigung der Spielerschaft gegenüber Gemüse zusammen. Das ist eigentlich gar kein selbstverständlicher Zusammenhang: Auch deftiges Essen kann mit Gemüse zusammen durchaus gut schmecken, und genau so gibt es eigentlich keinen wirklichen Widerspruch zwischen der Existenz von starken Countern und einem Schwerpunkt auf Kreaturen! Faeries, Fish, Reveillark... oder, wenn man weiter in der Zeit zurück geht, UG-Madness oder gar „Monkey, May I“ – alle diese Decks beweisen, dass Counter und Kreaturen sich vertragen. Darüber hinaus sind schnelle, aggressive Kreaturendecks schon immer besonders problematische Matchups für counterbasierende Decks gewesen (am stärksten zugegebenermaßen, wenn sie zusätzlich auch noch über Direct-Damage verfügen). Es gibt nur einen Decktyp, der gegen reaktive Kontrolle noch stärker ist, und das ist Aggrokontrolle, die typischerweise aus einer Mischung von kreaturenbasierendem Beatdown und Kontrollelementen (Discard, Counter oder Mana-Denial) besteht.

Wenn Counter sich also sowohl mit Kreaturen vertragen, als auch von kreaturenbasierenden Strategien besiegt werden können – warum sehen Wizards dann also die Notwendigkeit, sie zu schwächen? Weil es eben Kreaturen und KREATUREN gibt! Jackal Pup, Savannah Lions, Wild Mongrel oder Meddling Mage – das sind alles Kreaturen, aber Oversoul of Dusk, Two-Headed Dragon oder Kokusho, the Evening Star – das sind KREATUREN. FETTE Kreaturen. Sie sind das Fett, welches Magic-Spieler – und insbsondere die jüngeren unter ihnen – so sehr lieben. Kleine, manaeffiziente Kreaturen, welche Kontollstrategien überrennen, das sind bloß die Kohlenhydrate. Klar, die sollten den größten Teil unserer Nahrung bilden, wenn wir uns gesund ernährten, aber wir wissen doch alle: Fett ist der Geschmacksträger Nummer 1! Dann noch Glutamate drüber geschmiert, und wir schlingen den Fraß bereitwillig in uns hinein.


Nur: Fette Kreaturen reagieren allergisch auf Counter. Und auf Landzerstörung. Und Discard. Und effizientes Removal. Große Kreaturen sind eigentlich nur gegen eine Strategie wirklich gut (das ist aber ziemlich entscheidend): Kleine Kreaturen! Deswegen gilt das Stein-Schere-Papier-Prinzip: Aggro schlägt Kontrolle schlägt Midrange schlägt Aggro. Das ist eigentlich ein schönes, stabiles System, aber offensichtlich zu ausgewogen für den Publikumsgeschmack. Wir wollen mehr Fett, immer mehr Fett! Landzerstörung, Counter, Wrath of God – all das steht im Weg. Insbesondere Wrath of God ist in Casual-Kreisen und bei schlechten Spielern fast schon so verhasst wie Counterspell... (Pyroclasm, Infest, Volcanic Fallout etc... hingegen scheinen kein Problem zu sein.) Wir sollen dicke Kreaturen in uns hineinfressen, bis wir übersättigt sind und sie uns im Hals stecken bleiben! Aber ob das jemals passieren wird?

Ein bisschen tue ich Wizards hier aber auch Unrecht, denn gar so krass haben sie sich das Ganze vermutlich gar nicht vorgestellt. Teilweise erinnert mich die Situation auch ein wenig an „Die Geister, die ich rief“... Als damals Counterspell aus dem Grundset herausgenommen wurde (und Tobi wird gewiss noch den Artikel finden, in dem ich diese Entscheidung kritisiert habe), geschah das, weil die Spielerschaft zum damaligen Zeitpunkt blaue Decks einfach SATT hatte: Standard bestand damals im Wesentlichen aus Psychatog-Decks und Squirrel-Opposition-Decks. Zwar spielten Letztere Counterspell gar nicht, und im Ersteren war das eigentliche Problem nicht der Neutralisierungszauber, sondern Fact or Fiction (dass einige Decks die vierte Kopie dieser Karte im Sideboard hatten, lag nur daran, dass sie sie dann mit Cunning Wish finden konnten!), aber zum Buhmann wurde die verhasste Karte gemacht, die einfach NEIN! sagen konnte – die meisten Spieler begreifen eben nicht, dass sie das Spiel nicht in demjenigen Moment verlieren, in denen ihnen ihr toller Spruch gecountert wird, sondern wenn ihr Gegner sich seine Hand mit Karten füllt.

Nun sollte man annehmen, dass sich mit dem Verschwinden von Counterspell die Wogen mit der Zeit geglättet hätten, aber gekommen ist es leider ganz anders! Die Spielerschaft interpretierte die Herausnahme der grundlegende blauen Utility-Karte als ein Anrecht darauf, nie mehr gegen Counter spielen zu müssen und jammerte einfach weiter über jedes blaue Deck, welches in Standard stark war. Wie willfährig Wizards hierbei solchem Gejammer nachgibt, kann man ganz aktuell hieran sehen. Waren Fairies nach Volcanic Fallout wirklich noch so stark, dass es notwendig war, für dieses Deck einen ausdrücklichen Hoser zu drucken? (Man beachte, dass diese Karte ZUSÄTZLICH zu Mold Adder, dem etatmäßigen grünen Colorhoser, in M10 aufgenommen wurde!)


Sicher, sie sind gut mit dabei – aber doch keineswegs unangefochten dominant! Ich kann mich nicht erinnern, dass gegen Windbrisk Heights, selbst als sich diese Karte auf dem Höhepunkt ihrer Allgegenwärtigkeit befand, eine Kreatur mit dem Text „Shroud. Creature tokens get -1/-1. Players can't attack with more than one creature.“ gedruckt wurde. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass gegen die immer wieder erfolgreichen schwarz-grünen, auf Elfen basierenden Decks extra ein Cantrip namens „Exiling the Immortals“ gedruckt wurde, der alle Elfen im Spiel, auf der gegnerischen Hand und in seinem Friedhof gen Westen segeln ließ... äh, natürlich ins Exil schickte! Nein, es ist wieder einmal das blaubasierte Deck, welches mit besonderem Hate bedacht wird, und zwar ausschließlich deswegen, weil die Spieler Blau hassen. (Man beachte übrigens auch, dass Great Sable Stag unsymmetrischerweise zwar „can't be countered“ aufweist, aber nicht etwa so „can't be discarded“ oder Ähnliches wie Quagnoth. Counter sind der Staatsfeind Nummer eins.)

Teilweise wird diese Abneigung gegen Blau aber auch aus einer ganz anderen Quelle gespeist, und zwar aus den Eternal-Formaten. Natürlich, in Vintage und Legacy ist Blau allgegenwärtig! Sicherlich bestehen da ganz andere Voraussetzungen – es ist ja nicht so, dass im Standard jemals wieder ein Counter zur Verfügung gestanden hätte, der mit Force of Will vergleichbar wäre, oder gar mit Mana Drain, aber da Standard eben schon lange nicht mehr das wahre „Standard“-Format ist, nehmen diese älteren Formate enormen Einfluss auf die Wahrnehmung der Spieler. Dabei tut es nichts zur Sache, dass Vintage ohne Force of Will seinen letzten Anschein der Ausgeglichenheit verlöre: Drei der Power Nine sind blau, und Counter, die kein Mana kosten, sind die Grundlage für die im Legacy dominierenden Aggrocontrol-Decks. Dieser Eindruck wird unreflektiert auf moderne Formate übertragen.

Der Hauptgrund jedoch, warum Counter so verhasst sind, bleibt derjenige, dass so viele Spieler dagegen verlieren, ohne zu verstehen, wieso eigentlich (und wenn sie dann versuchen, damit zu gewinnen, klappt das auch nicht). Platt ausgedrückt, sind die meisten Spieler schlicht zu dumm für reaktive Strategien. Nur – das können Wizards natürlich nicht so sagen! Dass Counter zu stark seien, damit konnten sie zu Zeiten der Sechsten Edition noch einigermaßen überzeugend argumentieren. Heute, wenn Tattermunge Maniac größtenteils ungespielt bleibt, man für drei Mana bereits 5/4er erhält und jüngst sogar Lightning Bolt reprinted wurde, machen sie sich natürlich lächerlich, wenn sie uns Cancel als angemessen ausgepreisten Counterspell-Ersatz präsentieren. Die dumme Karte wird ja praktisch gar nicht gespielt – selbst in Faeries nicht! Nein, da muss eine andere Argumentation her, die zwar ebenso wenig zutreffend ist, aber nicht so leicht als falsch zu entlarven: Spiele gegen counterbasierende Decks seien nicht abwechslungsreich genug und deswegen unspaßig, und darum müssten Counter geschwächt werden. Ich habe sogar schon gelesen, dass Spiele gegen Counter „non-interactive“ seien, und habe angesichts dieses Schwachsinns wieder einmal mit meinem Kopf neue Löcher in die Wand neben meinem Computer geschlagen – welch eine komplette Umkehrung des tatsächlichen Sachverhaltes!

Nun ist natürlich nicht anzuzweifeln ist, dass viele Spieler Partien gegen Counter tatsächlich als unspaßig empfinden. Das ist ein Fakt. Aber wie kommt dieser Eindruck zustande? Lasst mich Euch eine andere Frage stellen: Habt Ihr schon einmal online Schachturniere gespielt? Ihr wisst schon – diese ganzen Turniere, bei denen man um virtuelle Einsätze spielt, die man sich mit realem Geld erkauft hat, und bei denen man, wenn man gut genug ist, richtig Kohle machen kann! Na kommt schon, die müsst Ihr doch kennen – es nimmt doch gefühlt die halbe Magic-Community daran teil, und auch im Fernsehen laufen ständig Werbespots dafür, mit Boris Becker und so!


Ach so – das ist gar nicht Schach? Das ist Poker? Ja, aber wieso gibt es das denn nicht für Schach? Das spielen doch auch eine Menge Leute?

Stimmt. Aber wisst Ihr was? Bei Schach finden sich einfach nicht genügend Idioten, die glauben, sie wären gut genug, um mit den Topspielern mithalten zu können, und die denen auf diese Weise deren Gewinne finanzieren. Bei Poker hingegen schon! Nur, wieso ist das so?

Der Unterschied liegt im Spielverständnis begründet. Bei Schach liegt die Spielsituation jederzeit offen. Klar gibt es schwer durchschaubare Situationen, in denen nicht offensichtlich ist, wer sich im Vorteil befindet, aber selbst ein Anfänger bemerkt natürlich, wenn er eine Figur weniger auf dem Feld hat, und wenn er auf Bedrohungen des Gegners immer nur reagiert und sich in die Enge treiben lässt. Schach ist ein Spiel, welches sich auf übergroße Egos höchst brutal auswirkt: Wer schlecht Schach spielt, der weiß das auch und kann sich auch nichts anderes einreden, wenn er nicht gerade ein Fall für die Klapse ist. Wer bei Magic auf den Tisch schlägt und so laut NUR LÄNDER! brüllt, dass bei den Autos vor dem Laden die Alarmsirenen angehen (okay, das ist jetzt natürlich eine Übertreibung, aber wer dabei war, weiß, wovon ich rede!), der kann sich bei Schach nicht herausreden: Er verliert, weil er schlecht spielt und damit basta!

Bei Poker hingegen liegt der Fall anders: Ein großer Teil der existierenden Informationen ist dem Spieler verborgen! Die bloßen Pokerregeln sind nicht schwieriger als die von Schach, und die strategische Tiefe ist vermutlich vergleichbar (Disclaimer: Ich kenne mich mit Poker nicht gut genug aus, um das mit Sicherheit sagen zu können), aber die Informationen, auf deren Basis man seine Strategie entwickelt, liegen anders als beim Schach nicht alle offen zutage. Das Ergebnis ist, dass viele Spieler verlieren ohne genau zu verstehen, warum eigentlich! Als Sündenbock muss oft Lady Luck herhalten, und in Einzelfällen mag das auch zutreffen (genau wie bei Magic), aber tatsächlich gewinnen gute Spieler deswegen regelmäßig, weil sie ein tieferes strategisches Verständnis besitzen als ihre Gegner, und diese bemerken diesen Umstand nicht einmal, weil ihnen der Einblick in diese strategischen Ebenen abgeht. Sie werden immer wieder abgezockt, weil sie nicht bemerken oder nicht wahrhaben wollen, dass sie schlecht spielen.

Nun lassen sich diese Beispiele nicht eins zu eins auf Magic übertragen, denn im Gegensatz zu Schach besitzt Magic immer einen bedeutenden und deutlich wahrnehmbaren Glücksfaktor, und das ist auch gut so, denn Spiele, in denen schlechte Spieler sich nicht einreden können, dass sie nur aufgrund von Pech verlieren (und in denen gelegentliche zufällige Gewinne diese Illusion nicht bestärken), sind naturgemäß nicht allzu populär. Nichtsdestotrotz jedoch besitzt Magic sowohl Aspekte von Schach als auch von Poker!

Bei Magic gibt es nämlich offen zutage liegende Informationen und versteckte Informationen, auch bekannt als „public information“ und „hidden information“. Spielsituationen, welche hauptsächlich auf „public information“ beruhen, finden im Wesentlichen in der In-Play-Zone (oder eben neuerdings dem „battlefield“) statt. Es gibt aber auch Spielsituationen, die stärker durch „hidden information“ geprägt sind, insbesondere durch die Handkarten der Spieler und den Inhalt ihrer Bibliotheken.

Und hier gilt: Das Battlefield (ich muss mich ja wohl eh an diesen furchtbaren Begriff gewöhnen) ist bequem überschaubar. Das bedeutet nicht, dass diese Zone betreffende Entscheidungen trivial wären – Schach beweist ja, dass dies keineswegs der Fall sein muss! Entscheidend aber ist, dass die Interaktionen zwischen Permanents offensichtlich sind. Wenn zwei Kreaturendecks gegeneinander spielen und alle ihre Handkarten auf den Tisch rotzen, dann findet offensichtlich ganz voll fett krass viel Interaktion statt!

Was aber passiert, wenn das kreaturenbasierende Aggro gegen counterbasierende Kontrolle spielt? Aggro spielt eine Karte und Kontrolle countert sie – wo ist denn da die Interaktion?

Nun ja, wer auch nur die Grundzüge von Magic-Strategie verstanden hat, der weiß, dass GENAU DAS Interaktion darstellt! Spieler A tut etwas. Spieler B hat mehrere Optionen, darauf zu reagieren und entscheidet sich für eine davon. Das ist die Definition von Interaktion! Ob das, was A und B tun, dazu führt, dass eine Karte auf das Schlachtfeld (hrrrgg...) gelangt, ist dabei irrelevant. Wenn ein aus Plains und Tundra Wolves bestehendes Deck auf ein aus Swamp und Nightshade Stinger bestehendes Deck trifft, dann findet überhaupt keine Interaktion statt, auch wenn das Battlefield (...) garantiert sehr voll wird und sich viele Karten im Spiel befinden!


Interaktion besteht aus Optionen, die sich als Reaktion auf Aktionen eines anderen Spielers ergeben. Stellen wir uns einmal eine Partie Aggro (am Beispiel G/R-Madness) gegen Kontrolle (Psychatog) vor. Sagen wir, dass der Aggrospieler in der zweiten Runde einen Basking Rootwalla spielt, und dass der Kontrollspieler einen Counterspell in der Hand hat, aber nur einen, und ansonsten außer Ländern nur zwei Accumulated Knowledge. Jetzt kann er countern oder es sein lassen. Warum er countern wollte, ist offensichtlich: Der Rootwalla kann in relativ kurzer Zeit ziemlich viel Schaden machen. Außerdem spielt der RG-Spieler noch ein paar Urza's Rage, so dass es für den Tog-Spieler gefährlich ist, auf zu wenige Leben zu gehen.

Nun nenne ich Euch ein paar Gründe, warum der Tog-Spieler NICHT countern möchte: Er hat eben zur Zeit nur einen Counterspell in der Hand und weiß, dass sein Gegner noch gefährlichere Karten spielt, unter anderem Wild Mongrel, vor allem aber Phantom Centaur, auf den er sonst keine Antworten im Deck hat (um des Beispiels Willen nehemen wir einmal an, dass er anstelle von Chainer's Edict und Co. Terror im Deck hat). Den Rootwalla wird er in absehbarer Zeit aller Wahrscheinlichkeit nach mit seinem Removal entsorgen oder mit einem Psychatog blocken können, aber wenn er es seinem Gegner gestattet, einen frühen Phantom Centaur aufs Board zu bringen, kann ihn nur noch ein Wunder retten. Allerdings spielt sein Gegner vermutlich nur zwei Stück von dem Schutz-vor-Schwarz-Critter.


Nein, natürlich sollt Ihr jetzt nicht entscheiden, was hier das richtige Play wäre – um Euch dafür genügend Informationen zu geben, müsste ich ja einen eigenständigen Artikel schreiben! Es geht mir um etwas anderes: Stellt Euch einmal vor, wie sich das Spiel entwickeln könnte, wenn der Rootwalla gecountert wird – und dann einmal, was passieren könnte, wenn er es nicht wird.

Gar nicht so einfach, oder? (Wenn ihr jetzt „doch“ denkt, habt Ihr nicht genügend nachgedacht!) Tatsächlich unterscheiden sich die sich aus dieser Entscheidung ergebenden Spiele zwar grundlegend, sind aber deswegen in keiner Weise vorhersagbar, denn schließlich fehlen einem jede Menge Informationen – die Handkarten des Gegners, was dieser nachzieht, was man selbst nachzieht... Allerdings kann man versuchen, diese verborgenen Daten, und damit die Wahrscheinlichkeit verschiedener Szenarien abzuschätzen. Wie sieht das eigene Deck genau aus? Wie sieht vermutlich die Deckliste des Gegners aus? Was hat er vermutlich auf der Hand?

Die Komplexität solcher Überlegungen stellt die Komplexität jeder bloßen Boardsituation weit in den Schatten! (Aber natürlich gibt es normalerweise keine „bloßen“ Boardsituationen, denn Handkarten und Karten in der Bibliothek spiele ja auch bei solchen Überlegungen eine Rolle.) Und diese Gedanken muss sich selbstverständlich nicht nur der Blauspieler machen: Vielleicht hatte der Aggrospieler die Wahl zwischen Basking Rootwalla oder Wild Mongrel und hat sich entscheiden, erst den Rootwalla vorzuspielen, um eventuell einen Counter zu ziehen?

Genauso wenig wie der kompetente Kontrollspieler blind alles countert, was er countern kann, spielt der kompetente Aggrospieler blind alles aus, was er ausspielen kann. Dabei nehmen die ausgespielten oder auch gecounterten Karten aufgrund ihrer speziellen Identität genauso eine bestimmte Funktion wahr, wie sie es in einem Aggormirror tun würden. So, wie man einen Wild Mongrel möglicherweise blocken würde, aber einen Basking Rootwalla nicht, so countert man möglicherweise den Rootwalla nicht, wohl aber den Mongrel (und zwar möglicherweise gerade deswegen, DAMIT man ihn später nicht blocken muss)!

Wenn man gegen Counter spielt, ist also alles gegeben, was eine Partie Magic vom strategischen Standpunkt aus interessant macht: Interaktion, Komplexität und Subtilität. Karten brauchen das Spielfeld nicht zu betreten, um Einfluss auf das Spielgeschehen zu haben, und potenzielle Spielsituationen sind genauso relevante Entscheidungsgrundlagen wie aktuelle.

Wie also kommt es, dass so viele Spieler diese strategische Ebene als wenig abwechslungsreich oder gar als nicht interaktiv wahrnehmen? Einfach deswegen, weil die meisten Leute gar nicht verstehen, welche Optionen sie genau haben, und welche Konsequenzen sich daraus ergeben! So, wie viele Pokerspieler nicht begreifen, dass es nicht nur darum geht, die eigene Hand zu bewerten und darauf basierend zu bieten, sondern auch das Verhalten der anderen Spieler einzuschätzen, fehlt der Mehrheit der Magic-Spieler das Verständnis, um die nicht offen zutage liegenden Informationen in ihre Entscheidungen einzubeziehen. Nur so (und natürlich in Verbindung mit dem Umstand, dass sie in dieser Situation überfordert sind) ist dieses Gefühl fehlender Abwechslung zu erklären.

Zum Abschluss will ich einen der gelungensten Flavortexte überhaupt zitieren, nämlich den von Negate:

„Masters of the arcane savor a delicious irony. Their study of deep and complex arcana leads to such a simple end: the ability to say merely yes or no.“

Ja, das ist wirklich eine köstliche Ironie (man beachte die Feinschmecker-Metapher): Ein kompetenter Magic-Spieler weiß zwar, wie tiefgründig und komplex die Überlegungen sind, welche in die Entscheidung einfließen, einen Spruch zu countern oder auch nicht, doch die Mehrheit sieht nur das banale Ende dieses Gedankenganges. Es ist so, als wenn man einem Spezialisten zur Entschärfung von Bomben vorwerfen würde: „Alles, was Du tust, ist einen Draht durchschneiden, also gib nicht so an!“

Die immer stärkere Verlagerung des Spielgeschehens auf das BATTLEFIELD bedeutet einen deutlichen Verlust an strategischer Tiefe. Der dadurch entstehende Zuwachs an strategischer Breite aufgrund komplexerer Boardsituationen mag diesen Verlust ausgleichen oder nicht, er verändert aber auf jeden Fall den Charakter des Spiels zu Ungunsten derjenigen Spieler, deren Stärke die Antizipation des sich entwickelnden Spielgeschehens ist.

Ich jedenfalls vermisse echte Kontrolle, nicht nur wegen ihrer heilsamen Auswirkung auf das Metagame (stärkt Aggro, schwächt Midrange, hält Kombo im Zaum), sondern auch wegen der Faszination des klassischen Duells zwischen Aggro und Kontrolle. In den beiden Jahren, in denen ich mich über NQs für die Deutschen Meisterschaften qualifiziert habe, hatte ich jeweils Beatdown gespielt und mich dabei ohne besondere Mühe durch eher reaktive Kontrolle (UB-Teachings, Faeries, 5CC) durchgefräst. Deswegen weiß ich, dass viele Aggrospieler die Stärke jener Decks überschätzen: Tatsächlich haben sie deutlich mehr schlechte Matchups, als ihre Ergebnisse vermuten lassen, aber ihre Gegner in diesen Matchups sind sich dessen oft einfach nicht bewusst, weil sie die Interaktion zwischen den beiden Decks nicht erfassen! Wenn ich nun immer wieder lese, dass die Existenz dieser komplexen und subtilen Interaktion geleugnet wird, und dass Wizards willfährig die Ansichten dieser überforderten Spielerschaft unterstützen, dann kommt mir das Kotzen. Womit wir wieder beim Thema Nahrungsaufnahme wären. Guten Appetit!

Ein Nachtrag

Beim Recherchieren habe ich diesen Artikel hier gefunden. Ist das nicht aufschlussreich? Da argumentierte Buehler damals bereits größtenteils genauso wie ich hier, und zum Abschluss gibt es eine Umfrage. Was glaubt Ihr, wie die ausgegangen ist? Zwei Drittel der Befragten votierten dafür, dass Counterspell bleiben sollte!


Daraufhin hat Buehler eine Woche später ungläubig die Frage noch einmal anders formuliert, nämlich, was die korrekten Manakosten für Counterspell seien – und wieder haben zwei Drittel der Befragten für gestimmt!


Ich nehme aber an, dass ihm dann gedämmert ist, warum er nicht die Unfrageergebnisse bekommen hat, die er erwartet und erhofft hat: Die Leser der Development-Kolumne waren natürlich kein repräsentativer Anteil der Spielerschaft, sondern Spieler mit überdurchschnittlich viel Interesse an und Ahnung von Magic-Strategie! Im Casual-Room bei Magic Online hätte er da gewiss ganz andere Ergebnisse zu sehen bekommen... Und möglicherweise war es auch tatsächlich gerade MOL, welches zu diesem Zeitpunkt gerade seine ersten Schritte hinter sich hatte, welches Wizards die Augen darüber geöffnet hat, wie die Mehrheit der Spieler über Counterspells denkt und somit diese Entwicklung in Gang gesetzt hat. War doch klar: Magic Online ist an allem schuld!




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