Limited
An Tagen wie diesen, Teil 2
von Nico Bohny
18.08.2010

An Tagen wie diesen braucht man einiges an Selbstbeherrschung, um nicht komplett unterzugehen...

1-2 bin ich also im Standardteil der diesjährigen Nationals gestartet, der Draft steht bevor, und in solchen Momenten tendiere ich dazu, jede spaßige Rare aus den Boostern zu nehmen und dann ein solides 0-3 hinzulegen. Reiß dich zusammen, Nico, schreit mich mein innerer Planeswalker an, während ich mich daran erinnere, dass der Weg zu meiner einzigen Pro-Tour-Top-8, Hollywood war das, auch mit einem 0-2 angefangen hatte.


Wie gesagt, das Dümmste, was man in derartigen Situationen machen kann, ist, sich selbst aufzugeben und aus Trotz ein anderes Magic zu spielen als gewohnt. Bei mir äußert sich das meist, wie erwähnt, im sinnlosen Raredraften oder in stupiden Herausforderungen des Glücks, indem ich 1-Land-Hände oder Ähnliches halte, um mich danach noch etwas mehr im Selbstmitleid (ja, Mensch, so unlucky, und dann screw ich einfach auf drei Ländern ab, das ganze Spiel) suhlen zu können.

Als ich dann sah, wie übel die Judges unsere Booster hergerichtet hatten – pro Karte ein dicker schwarzer Punkt oder Strich, der irgendwie so unliebevoll aufgetragen war, und die Karte wieder im Booster verstaut, dass an der Farbe jeweils die Hälfte der Hinterseite der Vorkarte klebte – kam ich auch tatsächlich von der Idee ab, mich auf Rares zu spezialisieren. (Na gut, Garruk Wildspeaker musste ich einfach picken, aber der zählt nicht.)

Doch bevor ich mich jetzt direkt in den Draft der Nationals stürze, vielleicht ein kurzes Vorwort über meine Einschätzung des M11-Draftformats:

Zuerst muss ich einmal loswerden, dass mir das Format richtig gut gefällt. M10 mochte ich nicht so besonders, da die Spiele zu oft von Spoilern entschieden wurden. Die beste Strategie gegen Spoiler war, möglichst aggressiv zu spielen, denn Fireball, Planeswalker und zu teure Karten waren in der Defensive nicht einmal halb so gut wie in der Offensive. M11 ist von Natur aus schon schneller als M10, was die Übermacht der Rares etwas kompensiert.


Des Weiteren sind die seltenen Karten nicht ganz so stark wie in M10. Man vergleiche Mythics; klar, die Titans sind gut, doch dann – Xathrid Demon versus Demon of Death's Gate, Sphinx Ambassador versus Time Reversal, Master of the Wild Hunt versus Gaea's Revenge. Die Rares sehen auf den ersten Blick ganz nett aus, aber im Endeffekt ist ein Nantuko Shade auch nur ein knappes Upgrade von Looming Shade, und Angelegenheiten wie Dark Tutelage versprechen zwar Kartenvorteil, aber ziemlich synchron dazu auch den Tod. Die Uncommons sind um Overrun ärmer geworden, und die Commons verlieren mit Tendrils of Corruption und Weakness Karten, die vor allem gegen Aggro glänzten. Außerdem kommen etliche Kreaturen mit Evasion dazu, eine Eigenschaft, die bekanntlich in der Defensive nicht viel zu suchen hat. Gelungen? Ich denke ja. Lange nicht so aggressiv wie Zendikar, aber dennoch gut reguliert.

In meinen Augen kann man die Farben in M11 ganz klar aufteilen in gut und schlecht; Blau, Weiß und Schwarz sind Grün und Rot so weit überlegen, dass ich schon mittelmäßige blaue Karten wie zum Beispiel Cloud Elemental über gute rote Karten wie Chandra's Outrage picke.


Weshalb? Schauen wir uns die drei Guten doch mal an. Jede der Farben besitzt einiges an Commons mit dem Qualitätssiegel First Pick: Doom Blade, Liliana's Specter, von mir aus noch Quag Sickness in Schwarz, Blinding Mage, Pacifism, Assault Griffin und je nach Deck sogar Stormfront Pegasus, und in Blau Sachen wie Foresee, Aether Adept und Azure Drake. Vergleichen wir mal mit Rot: Lightning Bolt, super lecker! Chandra's Outrage, ebenfalls klasse. Und dann kommt schon… Vulshok Berserker? Oder Fling? Ich weiß nicht, was ihr unter Tiefe versteht, aber da ist nicht viel zu wollen. Auch der tolle Fireball, den alle zum Splashen weggreifen, kann darüber nicht hinwegtrösten. Grün hat ein anderes Problem. Grün ist zwar tief, hat aber keine richtig gute Common. Keine Ahnung, ob nun Cultivate oder Garruk's Companion, oder Spined Wurm die beste ist, aber verglichen mit Aether Adept oder Doom Blade ist das doch alles Schrott. Das Schöne an Grün ist, dass man in den letzten zwei Boostern Spoiler auflesen und mit Cultivate und Sylvan Ranger splashen kann. Aber was sagte ich gerade über Bomben…? Ja, eben…

Der Schlüssel zum Erfolg ist in meinen Augen einmal mehr eine saubere Kurve. Es gab da mal Diskussionen im Forum von wegen, wie gut Bären in diesem Format seien. Ich finde sie spielbar bis gut. Und zwar nicht nur, weil ich Bären als Tiere mag. Sondern weil sie sehr schön die Kurve runterdrücken. Und da das Format schneller ist, will man nicht erst im vierten Zug die erste Kreatur legen, nicht einmal wenn's ein kultivierter Spined Wurm ist. Denn wenn der Gegner mit 2-Drops eröffnet hat und dann entweder Aether Adept, Unsummon, Ice Cage, Mana Leak, Doom Blade, Pacifism, Excommunicate, Blinding Mage oder irgendetwas ähnlich Verheerendes zur Hand hat, ist man gleich direkt tot. (Um lediglich ein paar Commons meiner bevorzugten drei Farben zu nennen.) Klar, sekundär geht's um Kartenvorteil und Spoiler, aber in erster Linie ums Tempo.


Meiner Erfahrung nach gibt es immer noch einiges an unterbewerteten Karten. Von Aether Adept wissen die meisten, dass er ganz gut ist – ich würde ihn mittlerweile als meinen liebsten First Pick im First Pack einstufen. Scroll Thief macht unendlich viel, dafür, dass er so vanilla aussieht – Blau allein hat Ice Cage, Unsummon und Aether Adept im Commonslot, die das Ding richtig frech machen. Und ja, ihr habt's erraten, er blockt Bären weg. Bären sollte man ebenfalls höher picken, als man es aus dem Eldrazi-Draft gewohnt ist, und obwohl man sie nicht immer im Maindeck zockt, sollte man sie on the draw gegen Decks einboarden, die schneller als das eigene sind, und on the play gegen langsamere. Völlig frech auch der Sacred Wolf, der – sobald mit irgendeinem Enchantment versehen – für die meisten Decks nicht mehr kontrollierbar ist.


Ebenfalls urgut ist die Crystal Ball, die ich mittlerweilen meist schon über Fireball nehme. Im Lategame funktioniert das Teil ähnlich wie ein blauer Honden – die überschüssigen Länder und die toten Karten (circa 50% des Decks) filtert man heraus, die guten Spells zieht man. Und im frühen Spiel sucht man sich das, was man gerade so will. Blinding Mage halte ich übrigens für die beste weiße Common und dementsprechend hoch sollte man ihn auch picken.

Die in meinen Augen besten Archetypen:

UW-Aggro

1 War Priest of Thune
1 Azure Drake
2 Infantry Veteran
3 Stormfront Pegasus
2 Æther Adept
1 White Knight
1 Phantom Beast
1 Juggernaut
1 Water Servant
1 Cloud Elemental
1 Wild Griffin
1 Assault Griffin


9 Plains
8 Island

1 Cancel
1 Ice Cage
1 Safe Passage
1 Mighty Leap
2 Inspired Charge
1 Excommunicate



Ein Paradebeispiel für ein solches Deck! Wie man das Ganze forciert, könnt ihr in einem meiner Draftartikel auf BlackBorder nachlesen. Wichtig hier, dass man die aggressiven Flieger über Carddraw und oft auch über Removal pickt. Das A und O dieses Decks: Aether Adept und ein voller 2-Mana-Slot.

UW-Control

6 Plains
10 Island
1 Mystifying Maze

1 Cancel
1 Condemn
1 Negate
1 Pacifism
3 Preordain
1 Mana Leak
1 Mind Control
1 Excommunicate


1 Azure Drake
1 Æther Adept
1 Roc Egg
1 Conundrum Sphinx
2 Phantom Beast
2 Blinding Mage
1 Scroll Thief
1 Harbor Serpent
1 Cloud Elemental
1 Serra Angel
1 Siege Mastodon



Anstelle eines aggressiven 2-Drops möchte man hier Mana Leak oder Blinding Mage. Wichtig ebenfalls der Kartenvorteil und die Counter, um mit den lästigen Bomben klarzukommen. Desto mehr Azure Drake und Removal, desto besser.

UB-Control

1 Cancel
1 Stabbing Pain
1 Negate
1 Call to Mind
3 Preordain
3 Sign in Blood
3 Doom Blade
1 Mana Leak
1 Crystal Ball
1 Jace's Ingenuity
1 Rise from the Grave


8 Island
8 Swamp

1 Nightwing Shade
2 Æther Adept
1 Juggernaut
2 Liliana's Specter
1 Gravedigger



Ein unglaublich starkes Beispiel, das ihr hier sehen könnt. Zentral auch diesmal das Removal, dann der Kartenvorteil, den man bei der Fülle an Commons, die ihn erzielen (Gravedigger, Liliana's Specter, Sign in Blood, Foresee …), meist gar nicht berücksichtigen muss.

Spoiler-Mix

1 Sylvan Ranger
1 Garruk's Packleader
1 Garruk's Companion
1 Wall of Vines
2 Sacred Wolf
1 Llanowar Elves
1 Hoarding Dragon
1 Giant Spider
1 Elvish Archdruid
1 Child of Night
2 Spined Wurm
1 Bloodthrone Vampire
1 Mitotic Slime
2 Gravedigger
1 Reassembling Skeleton


5 Swamp
3 Mountain
8 Forest
1 Terramorphic Expanse

1 Volcanic Strength
1 Diabolic Tutor
1 Destructive Force
1 Cultivate
1 Sorcerer's Strongbox



Öffnet man einen grünen oder roten Spoiler, dann hat man einen (und zwar den einzigen) Grund, sich auf die Farben einzulassen. Mit Rot und Schwarz kann man sich das tolle Sacrifice-Deck (mit Fling, Threaten und Bloodthrone Vampire/Viscera Seer) basteln, mit Grün kann man versuchen, möglichst viele heilige Wölfe und Verzauberungen zu bekommen. Ansonsten müssen es die Spoiler richten, die manchmal – wie in diesem Fall – sogar schön zusammenarbeiten.



So viel zum Thema M11. Zurück zur Tragödie, Teil 2. Der Draft ist ziemlich rasch erzählt: Ich öffne einen leeren Booster mit Gravedigger als bester Karte, bekomme als sechsten Pick Lightning Bolt und dann trocknet alles etwas aus, nicht nur in meinen Farben, auch in den anderen. Am Ende lande ich in einem ultra-kontrolligen Deck, dem das Removal und die Counter fehlen, um richtig gut zu sein.


2 Corrupt
Mind Rot
Rise from the Grave
Stabbing Pain
Sign in Blood
Duress
2 Foresee
Call to Mind
Negate
Mana Leak
Jace's Ingenuity
Lightning Bolt


1 Mountain
6 Island
10 Swamp
Terramorphic Expanse

2 Gravedigger
Reassembling Skeleton
2 Child of Night
Barony Vampire
Conundrum Sphinx
Wall of Frost



Runde 4 – Markus Krebs – Mono-Rot

Ich verliere ausnahmsweise mal einen Würfelwurf. Markus, auch liebevoll „Krabbe“ genannt, ist bekannt dafür, in jeder zweiten Runde die fünf Extrazüge in Anspruch zu nehmen. Unsere Spiele hingegen dauern je etwa drei Minuten. Er beginnt mit einem Fiery Hellhound und einem Cyclops Gladiator, ich mit meiner Conundrum Sphinx. Er legt Shiv's Embrace auf den Gladiator, tötet im Angriff meine schöne Rare und ich bin in zwei Zügen tot. Spiel 2 läuft etwas hin und her, im fünften Zug legt er Berserkers of Blood Ridge, ich kann nichts dagegen unternehmen, er legt wieder die Drachenverzauberung drauf und fertig ist das Massaker.

Runde 5 – Damien Emmenegger – UW

Ich gewinne meinen ersten Würfelwurf des Turniers und freue mich schon wie ein kleines Honigkuchenpferd. Die Freude vergeht jedoch schnell, als ich merke, dass er das Deck gedraftet hat, von dem ich hier schon den ganzen Artikel lang schwärme. Spiel 1 gewinne ich sogar fast noch, indem ich mein zweites, diesmal tödliches Corrupt ziehe, woraufhin er mir aber lässig das Redirect zeigt und mich im nächsten Zug umlegt. Im zweiten Spiel habe ich, obwohl er einen Mulligan nimmt, keinen Stich.

An Tagen wie diesen sollte man zu Hause bleiben und Starcraft 2 zocken.

Und das habe ich dann am Sonntag auch getan.
Ende gut, alles gut.
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