Wer sich in den letzten Tagen etwas im Netz umgeschaut hat dürfte bemerkt haben, dass auf allen Magic Websites fast nur noch ein Thema zu geben scheint: Darksteel, Darksteel und nochmal Darksteel. Ist ja auch nicht ungewöhnlich, schließlich ist das Set, wenn man nicht gerade die MTGO Beta gespielt hat oder für PT:Kobe testet, noch relativ frisch. Und ob nun Kai auf BB oder RandomScrub im Starcity Forum, jeder schreibt frei von der Leber weg welche Auswirkungen diese oder jene Karten auf das Standardmetagame oder bestimmte Decktypen seiner Meinung nach haben wird. Es würde mich schon stark wundern wenn jemand in der Lage ist noch eine Darksteel Rare oder Uncommon zu finden, die noch nicht in einem Constructed
Artikel/Posting verwurstet wurde. Hinter jedem zweiten Link verbirgt sich (angeblich) DAS neue Tier1 Deck. Schade nur, dass 90% dieser Decks nach spätestens einer Woche bewiesen haben dass sie nichts besser machen als die bereits etablierten, meistens eben eher schlechter. Das Ziel dieses Artikels ist es zwar auch die Möglichkeiten einiger Darksteel Karten zu ergründen, allerdings mit der eindeutigen Intention eben nicht das neue Wunderdeck zu präsentieren. Vielmehr möchte ich hier als Alternativprogramm drei aktuelle Combodeck-Ideen vorstellen die a) Spass machen b) gut für casual 1on1s oder FNMs geeignet sind und c) Spass machen.
Obwohl ich persönlich eigentlich kein großer Fan von casual bzw. rogue-to-be-rogue Decks bin, hat mich diesmal doch das Experimentierfieber gepackt. Mag sein, dass dies bereits die ersten Auswirkungen der wöchentlichen Multiplayer Spielrunde sind, welcher ich mich mangels lokalnaher Alternativen angeschlossen habe. Wie auch immer, in den letzten zwei Wochen hatte ich die Gelegenheit (MTGO Beta sei dank) ausführlich die neuen Karten zu testen und mich von der zeitlosen Faszination und inneren Eleganz von Combodecks gefangen nehmen zu lassen. Also lehnt euch zurück und entspannt euch auf unserer Reise ins Darksteel Comboland.
Basiswissen Combodecks
Combos haben eine lange Tradition in der Geschichte von Magic. Die Grundidee ist dabei immer dieselbe. Durch die Kombination zwei oder mehrerer Karten ergibt sich ein positiver Effekt, der erstens deutlich stärker ist als es jede der Einzelkarten sein könnte und zweitens möglichst zeitnah zum Sieg führt. Dieser zweite Punkt ist es auch was Combodecks von Tribal- bzw. Affinity Decks unterscheidet, welche zwar auch Synergieeffekte generieren aber nicht durch eine konkrete Kombination direkt gewinnen. Generell grob zu unterscheiden sind harte Combodecks, die mit Hilfe der Combo innerhalb eines Turns gewinnen wollen, und softe Combodecks, die über mehrere Turns (und wenn es nur des Gegners Turn ist) versuchen zum Sieg zu gelangen. Klassische One-Turn-Winner sind beispielsweise Channel/Fireball, Prosper-Bloom, und etwas aktueller Mind's Desire Decks. Combos die sich über mehr als den aktuellen Turn erstrecken sind z.B. Donate, Battle of Witts oder auch Upheaval/Tog Decks. Softe Combos geben dem Gegner also noch eine theoretische (wenn auch im Sinne des Combospielers möglichst kleine)
Gelegenheit eine der Komponenten oder das Resultat der Combo zu zerstören und die eigene Niederlage zu verhindern. Harte Combos müssen direkt, etwa durch den Einsatz von Counterspells, gestoppt werden. Dies aber nur als grober Überblick, schließlich sind die Grenzen hier wie so oft eher fließend und etwa der Unterschied zwischen Combo- und Controldeck nicht immer wirklich groß (so könnte man mit etwas Mut auch einige Wake-Decks als extrem langsame Combodecks bezeichnen).
Ein weiterer häufig verwendeter Begriff ist der Comboloop. Während eine Combo generell nur die Interaktion mehrer Karten beschreibt, geht der Loop noch einen Schritt weiter und definiert die Möglichkeit der endlosen Interaktion. Das heist im Klartext das vom Combospieler ein Aktionskreislauf geschaffen wird der ohne Störung von außerhalb beliebig oft wiederholt werden kann. So lässt sich dann je nach verwendeter Combo unendlich Life, Damage oder Mana generieren. Ein aktuelles Beispiel für eine Endloscombo ist das Zusammenspiel von zwei Triskelions und Scythe of the Wretched. Einen Punkt Schaden auf das Triskelion ohne Scythe, zwei Punkte auf den Gegner und schon kann das Spiel(chen) von vorn beginnen. Normale Combos beschränken sich hingegen auf endliche Werte, das heisst dem Channel/Fireball Spieler reicht es die 20 Schadenspunkte zu machen um den Gegner zu erledigen. Während endlose Comboloops also eindeutig mehr Style besitzen, lässt sich doch sagen, dass es in der Vergangenheit meist die normalen, sprich endlichen, Combos waren die es in Metagame definierende Decks geschafft haben. Auch hier wieder der Hinweis dass dies nicht zwangsläufig eine hundertprozentig eindeutige Definition darstellen kann. So sehen z.B. Prosper-Bloom oder Mind's Desire Decks schon stark nach Endloskombo aus wenn sie wiederholt Unmengen von Karten ziehen und spielen, scheitern dann aber spätestens an der Kartenbeschränkung des eigenen Decks und begnügen sich mit dem einfachen Combokill.
Ein generelles Problem beim Design eines Combodecks besteht in der Gewissensfrage wieviel Prozent des Decks die eigentliche Combo unterstützen sollten und wieviele Karten in die Defensive investiert werden müssen damit die eigenen Lebenspunkte nicht auf Null fallen bevor
man Gelegenheit hatte seine Combo zu starten. Einfacher ist es sicherlich sich zunächst ausschließlich auf die eigentliche Combo zu konzentrieren und beim Goldfischen (Testen des Decks ohne Gegner) die Geschwindigkeit des Decks zu maximieren. Ist dies gelungen wird es aber Zeit unter Realbedingungen zu testen. Spätestens hierbei fällt ein Großteil der Combodecks dann auch durch, da im ersten Design selten alle möglichen Eventualitäten zur Störung der Combo berücksichtigt werden können. Und so wird man häufig in Situationen geraten in denen ein gezieltes Naturalize oder ein simpler Counterspell die gesamte Combo aushebeln und den Sinn des eigenen Decks in Frage stellen. Während man gegen Beatdown Decks häufig noch durch reine Geschwindigkeit gewinnen und so die Aktionen des Gegners weitestgehend ignorieren kann, muss man sich gegen Boardcontrol- oder Controldecks immer bewusst sein welche Comboteile im jeweiligen Matchup besonders anfällig sind. Durch die Interaktion mit dem Gegner wird ein Combodeck, wer hätte es vermutet, erst einmal schlechter weil entweder anfällig gegen Zerstörung oder verwässert durch das Hinzufügen defensiver Karten. Aber natürlich genießen Combodecks als Ausgleich für die bisher genannten Nachteile auch einige Vorteile (sonst würden sie wohl nur von Masochisten gespielt werden). Was beispielsweise häufig von weniger erfahrenen Spielern übersehen wird, ist, dass es in einer realen Spielsituation nicht das Ziel eines Combodecks ist in möglichst wenigen Zügen zu gewinnen. In der Regel reicht es einfach zu gewinnen (welch güldene Erkentniss). Ob die Combo nun in der vierten, sechsten oder erst in der achten Runde zum Sieg führt ist im Endeffekt maximal für das Ego des Deckdesigners relevant. Spielerisch birgt dies einige Vorteile, da der Combospieler mit der Zeit in der Lage sein sollte einzuschätzen ob er bereits im aktuellen Turn die Combo bzw. den Comboloop starten sollte (z.B. weil der Gegner ausgetappt ist oder weil auf der anderen Seite des Tisches fünf Goblins auf den Angriff warten) oder ob es sich noch lohnt zu warten um die Wahrscheinlichkeit zum Erreichen der erfolgreichen Combo (aka „dem Sieg“) zu erhöhen.
So, nach dieser ausführlichen Vorrede wird es nun aber wirklich Zeit für ein paar 4th Turn Kills.
Reactor-Win
Ganz in der Tradition von alternativen Gewinnoptionen á la Battle of Witts oder Test of Endurance präsentiert sich der Darksteel Reactor. Für günstige vier farblose Mana bekommt man ein unzerstörbares Artefakt das einem mit ziemlicher Sicherheit in 20 Runden den Sieg beschert. Das dies niemanden der weiter als fünf Zählen kann vom Hocker haut dürfte klar sein, schließlich ist der Plan einen frühen Reactor zu legen und sich dann 20 Runden zu verteidigen nicht wirklich realistisch. Trotzdem bietet der der Reactor eine gute Basis für ein Combodeck und freundlicherweise triggert seine Win Condition nicht erst im nächsten Upkeep, sondern direkt sobald 20 oder mehr Charge Counter platziert werden konnten. Das Ziel muss es also sein die Zeitspanne bis dies geschehen ist zu verkürzen. Die mit Abstand beste Möglichkeit dies zu erreichen ist ohne Zweifel der Coretapper. Mit einem Exemplar im Spiel verkürzt sich die benötigte Wartezeit bereits auf neun Runden (zwei Counter pro Runde plus zwei durch das Sacrificen), mit zwei von den schnuckeligen Myrs gar auf knapp über fünf Turns. Der rote Sorcery Dismantle ist ebenfalls wie für dieses Deck gemacht (etwaige Kommentare darüber wie Wizards die Decks für uns vorbaut verkneife ich mir hier mal) und niemand der ernsthaft Reactor-Win spielen möchte sollte sich ohne vier Kopien dieser beiden Karten ins Spiel wagen. Auf den eigenen Reactor gecastet lassen sich so für drei Mana dessen Counter verdoppeln. Im Optimalfall halbiert sich also die Zeit die benötigt wird um entsprechend viele Charge Counter (10) auf unsere Win Condition zu legen. Diese zwölf Karten stellen die Basis für das Reactor-Win Deck dar,
andere Karten die ebenfalls Charge Counter produzieren oder beeinflussen habe ich zwar auch getestet im Endeffekt brachten sie aber nicht den gewünschten Erfolg. So scheinen Mirrodin's Core und Aether Vial in Verbindung mit Power Conduit auf dem Papier ganz vernünftig doch in der Realität ist der Core zu langsam und das Vial produziert zwar stetig Counter doch damit ein Dismantle auf das Vile besser ist als auf den Reactor direkt muss schon eine sehr merkwürdige Spielsituation entstanden sein. Das Conduit macht ebenfalls zuwenig als das es einen Platz im Deck verdient hätte, da sind Card-Drawing und Defensive einfach wichtiger. Auch die Möglichkeit mittels Voltaic Construct den Coretapper mehrmals pro Runde benutzen zu können ist zwar sehr verlockend im Grunde ist die Artefaktkreatur aber zu teuer bzw. ohne Coretapper im Spiel eben einfach nur eine nutzlose 2/2.
Reactor-Win spielt sich phasenweise wie ein Affinity Deck. Die zwei besten Kartenzieher im Block bestehen einfach auf einer Artefaktbasis. Ergänzt werden Thoughtcast und Thirst for Knowledge durch vier Fabricates zum fetchen von Reactor oder Coretapper und im Lategame cyclen die beiden Trade Routes eure überflüssigen Länder auf der Suche nach Dismantle oder weiteren Coretappern. Als defensive Maßnahmen stehen lediglich die Mana-Beschleuniger Vine Trellis und Birds of Paradise sowie die vier Æther Spellbombs und im allerletzten Moment noch die Myrs zur Verfügung. Wenn das nicht reicht um die entscheidenden Turns zu überleben, muss im ersten Spiel eben Glück und danach das Sideboard helfen die Aggressivität des gegnerischen Decks zu bändigen. Die gegnerischen Möglichkeiten den Darksteel Reactor zu beseitigen nachdem er im Spiel liegt sind ob seiner Unzerstörbarkeit erfreulicherweise gering. Im aktuellen Standard ist dies eigentlich nur durch Altar's Light, Echoing Truth, Regress und Decree of Annihilation realistisch. Das bedeutet also, dass es ungemein wichtig ist die Hand counterfähiger Gegner zu lesen und ihn zum Countern von Carddrawern oder gar zum austappen zu verleiten.
Ein recht guter Draw mit diesem Deck schaut z.B. so aus, dass man erste Runde Land und Bird legen kann, in der zweiten Runde Land und Coretapper oder Fabricate auf Reactor bzw. Tapper spielt und in der dritten Runde dann bereits in der Lage ist den Reactor zu spielen. Alle weiteren Turns sollten dann dazu genutzt werden möglichst schnell möglichst viele Karten zu ziehen um weitere Coretapper und vor allem die explosiven Dismantles zu finden. Als Sideboardoptionen müssen ganz klar Defensivmaßnahmen auf dem Plan stehen, da das Maindeck noch stark Combo orientiert ist. Weil Reactor-Win am meisten Probleme mit schnellen Beatdown Decks hat sorgen das volle Programm an Pyroclasms und Sun Droplets (durchaus potentielle Dismantle Ziele) sowie zwei weitere Mauern dafür, dass das eigene Leben entscheidend verlängert wird. Ein weiteres Problem sind Anti Karten wie March of the Machines oder Bounce die einfach gecountert werden müssen. Reactor-Win ist also sicher kein unschlagbares Top-Deck, stellt aber meiner Meinung nach eine der interessantesten Arten seinen Gegner mit Hilfe von Darksteel Karten zu besiegen.
Sodele, bleibt zum Abschluss des ersten Teils euch viel Glück zu wünschen, solltet ihr euch in die faszinierende aber häufig auch frustrierende Welt der Combos wagen. Und falls ihr meint bessere Versionen vom Reactor-Win Deck zu haben, einfach in den Comments posten, das ist hier ja schließlich eher ein Food-for-Thoughts Artikel als ein diktatorischer Versuch ein Deck zu etablieren. Im zweiten Teil werde ich dann noch zwei weitere auf Darksteel basierende Combodecks vorstellen, die beide eher kreaturenbasiert aber doch stark unterschiedlich sein werden. So long...
...may the draw be with you…
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