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Community Slow Play Eine Erläuterung von Christian "Chriga" Gawrilowicz |
19.05.2007 |
Seit etwa zwei Jahren wird Slow Play bei Turnieren schärfer geahndet, Zeit für eine ausführliche Erklärung um was es sich dabei handelt, die häufigsten Ausreden von Spielern und wie Judges diese Situation handhaben.
Auszug aus den Penalty Guidelines:
Definition
- Players who take longer than is reasonably required to complete game actions are engaging in Slow Play. If a judge believes a player is intentionally playing slowly to take advantage of a time limit, a Cheating - Stalling infraction should be issued instead.
Example
- (B) A player in a Magic tournament repeatedly reviews his opponent's graveyard without any significant change in game state.
- (C) A player in a Magic tournament spends time writing down the contents of an opponent's deck when resolving Haunting Echoes.
- (D) After 3 minutes into a round at a Magic Pro Tour Qualifier, a player has not completed his shuffling.
- (F) A player gets up from their seat to look at standings, or goes to the bathroom without permission of an official.
Philosophy
- All players have the responsibility to play quickly enough so that their opponents are not at a significant disadvantage because of the time limit. A player may be playing slowly without realizing it. At lower RELs a comment of “I need you to play faster” is often appropriate and all that is needed. Further slow play should be penalized.
Unter Slow Play versteht man also unabsichtliches Zu-lange-brauchen für eine Aktion. Wie kommt es dazu? Mal sucht man nach einem Ausweg aus einer hoffnungslosen Situation (der doch nicht da ist), mal steht man vor zwei oder mehr gleich guten Plays und kann sich nicht entscheiden, mal spielt man aus Angst vor einem Fehler übervorsichtig, hat mal einen schlechten Tag oder ist einfach nicht der Schnellste.
Allen Situationen gemeinsam ist, dass sich das Spiel nicht weiterbewegt, das Match eventuell in die Extra Turns geht und der Rest des Turnieres warten muss. Dies und die Tatsache, dass man dem Gegner Zeit weggenommen hat, sind die Gründe warum es eine Strafe (bei REL "Regular" Caution, bei REL "Competitive" und "Professional" Warning) gibt.
Ein Judge schreitet immer dann ein wenn er den Eindruck hat, dass ein Spieler mehr Zeit für seine Aktionen benötigt als "reasonably required". Das ist eine ziemlich schwammige Aussage, daher der Versuch einer Quantifizierung. Im Durchschnitt geht ein Magic-Spiel über etwa 10 Züge. Bei drei Spielen pro Match innerhalb von 50 Minuten macht das 60 Züge insgesamt für beide Spieler, das heißt ohne Zeit für Mischen, Sideboarden und sonstiges zu rechnen hat jeder Spieler ca. 50 Sekunden für seinen gesamten (durchschnittlichen) Zug mit Untap, Karte ziehen, irgendwas spielen, angreifen, "weiter" sagen. Dauert solch ein durchschnittlicher Zug länger, macht sich ziemlich sicher einer der beiden Spieler des Slow Playes schuldig.
Wie stellt ein Judge fest, dass ein Spieler zu lange dauert? Ganz einfach: jeder Judge spielt auch von Zeit zu Zeit und hat ein Gefühl dafür, wie lange man für einen Zug brauchen kann. Ich persönlich gebe einem Spieler (ab REL "competitive") nachdem er die Karte für den Turn gezogen hat ca. 30 Sekunden um etwas zu machen, andere Judges haben andere Techniken. Insgesamt sind die Judges übrigens (noch) sehr zurückhaltend beim Verhängen dieses Penaltys.
Einige weit verbreitete Ausreden beim zu langsamen Spiel:
“Die Board Situation ist so kompliziert.”
Das mag ja sein, aber diese Boardsituation existiert nicht erst seit dieser Runde, die hat sich über den Verlauf des Spieles entwickelt. Und wenn mein Gegner nun ein neues Permanent ins Spiel bringt, muss ich mir nur überlegen was dieses für Auswirkungen auf die Situation hat. – Die Auswirkung aller anderen untereinander muss ich mir jetzt nicht mehr durchdenken. Eine Ausnahme gibt es wo tatsächlich mehr Zeit zum Denken zugestanden wird – nach einem “cataclysmic change of game state”, d.h. nachdem etwas Dramatisches passiert ist. Wenn z.B. mein Mono-Grün-Aggro-Gegner plötzlich einen Wrath of God spielt dann fällt das in diese Kategorie. Wenn mein Blau-Weiß-Control-Gegner einen Wrath spielt, dann war das zu erwarten. Ergo: keine zusätzliche Zeit zum Nachdenken.
“Ich habe so viele Handkarten.”
Sinngemäß gilt das obige. Im Normalfall zieht man nur eine Karte pro Runde und über die Interaktion der bereits früher gezogenen Handkarten untereinander nachdenken hat man hoffentlich bereits in den früheren Runden erledigt. Im Fall dass man tatsächlich gerade eine größere Menge Karten gezogen hat ist das etwas längere Planen natürlich zulässig.
“Ich habe gerade einen Gamebreaker gezogen”
Der ist doch wohl nicht plötzlich so im Deck aufgetaucht, sondern war wohl von Anfang darin enthalten. Und dann hat man sich wohl hoffentlich auch überlegt was man macht, wenn man ihn zieht.
“Mein Deck ist so kompliziert zu spielen.”
Auch keine gute Ausrede. Denn eigentlich sollte man wissen was das eigene Deck kann und wie es sich spielt. Wenn man allerdings unvorbereitet in das Turnier geht, dann wird man ein Problem mit dem Zeitlimit und angehäuften Slow Play-Strafen bekommen.
“Ich spiele ein Combo-Deck und muss mir überlegen wie ich das spiele.”
Siehe oben. Bei einem Combo-Deck ist es umso wichtiger zu wissen wie man es spielt. Und genaugenommen formuliert man schon beim Betrachten der Starthand einen Plan und überlegt sich wie man das Spiel anlegen muss.
“Ich spiele ein schnelles Deck.”
Es mag ja sein, dass der Plan des Decks ist schnell zu gewinnen, aber was wenn dieser nicht aufgeht und das Spiel statt 7 plötzlich 20 Runden dauert? Grundsätzlich ist jedes Deck mit dem selben Tempo pro Zug zu spielen. Sollte jetzt argumentieren, dass Beatdown-Decks leichter zu spielen sind und man weniger denken muss, dann empfehle ich z.B. ein Domain-Zoo-Mirror-Match in Extended.
“Ich spiele immer mit diesem Tempo.”
Dann sollte man sich andere Turniere suchen – warum sollen die anderen Spieler immer auf diese Person warten müssen? Ein Vergleich mit Schach sei mir erlaubt: Wenn ich nicht schnell genug bin, werde ich mehr verlieren – in Magic gibt es stattdessen Penaltys.
Slow Play vs. Stalling
Slow Play hat mit Stalling nichts gemeinsam. Ersteres ist ein (unabsichtliches) zu lange für Spielaktionen brauchen, zweiteres ist das absichtliche Verbrauchen von Zeit, um einen Vorteil zu erhalten. Wiederholtes Slow Play wird auch nicht als Stalling betrachtet, sondern immer noch als Slow Play. Dieses kann allerdings auch zum DQ führen – über die normalen Upgrades von Penaltys falls ein und das selbe Vergehen mehrfach begangen wird: zuerst Warning, dann Game Loss, dann Match Loss und zum Schluß DQ. Allerdings muss man sich schon ziemlich anstrengen um für Slow Play DQed zu werden.
Zusammenfassung: Gespieltes Deck, Anzahl der Handkarten und Board-Situation sind bei der Beurteilung von Slow Play nur in Ausnahmefällen relevant (siehe oben im Detail).
Wenn Judges bemerken, dass sich ein (oder auch beide) Spieler nicht mehr bewegt, wird es zuerst eine freundliche Aufforderung geben, doch jetzt eine Aktion zu setzen und wenn dies nichts fruchtet: die Strafe. Moderne Judges kennen das Spiel gut genug, um zu beurteilen, wann man ein wenig mehr Zeit zum Nachdenken benötigt.
Von den Spielern wird erwartet, dass sie sich auf ein Turnier entsprechend vorbereiten. Dadurch wird zügiger gespielt, weniger Matches gehen in die Extraturns, Turniere enden zu den kalkulierten Zeiten (oder vielleicht sogar früher) und es müssen weniger Spieler ihrem jeweiligen Gegner beim Denken zusehen.
Ich hoffe, damit die häufigsten Missverständnisse zum Thema “Slow Play” ausgeräumt zu haben. Anmerkungen, Kommentare, Fragen bitte in die Comments.
Christian “chriga” Gawrilowicz
DCI-Level-3-Judge, Austria/Switzerland
P.S.: Nachdem sicher irgendjemand “AMSTERDAM” rufen wird: Dieser GP war eine sehr unrühmliche Ausnahme und hat unter anderem deswegen so lange gedaudert, weil einige Judges nicht sehr auf die Verhinderung von Slow Play fokussiert waren.
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