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Neuerungen bei den Turnierregeln
von Jens Strohäker
16.07.2009

Lange hat es dieses Mal gedauert. Schiedsrichter auf aller Welt warteten seit Monaten auf ein Update des Strafenkatalogs und der Magic-Turnierregeln. Für mich persönlich ist das immer ähnlich spannend wie die neuen Banned- und Restricted-Listen für die Eternal-Spieler. Und warum? Weil ich zum einen ungeduldig bin und zum anderen auch nicht immer mit allen Prozeduren und Strafen einverstanden bin und mir daher eine Umstrukturierung wünsche.

Das geht vielen anderen Schiedsrichtern ähnlich, auch wenn Spieler oft der Meinung sind, es ginge uns nur darum, das Schwert der DCI möglichst blind und verheerend zu schwingen. Schiedsrichter müssen sich seit Jahr und Tag vorwerfen lassen, dass sie auf der einen Seite nicht konstant dasselbe rulen und auf der anderen nicht genügend Fingerspitzengefühl und Handlungsfreiheit haben, eine Situation nach ihrem eigenen Ermessen zu handhaben. Beides geht offensichtlich nicht und speziell zum viel zitierten Fingerspitzengefühl ist zu sagen, dass die Antwort auf eine als ungerecht empfundene Regel nun mal nicht sein kann, die Regel nach eigenem Gutdünken zu befolgen oder nicht.

Was man jedoch machen kann, ist die Regeln zu verändern. Der Grund, warum man dieses Mal so lange auf ein Update warten musste, ist schnell erklärt. Es sind sehr viel umfassendere Änderungen vorgenommen worden als gewöhnlich, und mit diesem Artikel will ich auf die wichtigsten eingehen.

Terminologieänderungen
-MTR & IPG
 
Die „Magic Tournament Rules“ beschreiben den Ablauf von Turnieren, wie er sein sollte.

Der „Infraction Procedure Guide“ beschreibt die Verfahrensweisen bei Abweichungen.

Beide Regelwerke findet man im DCI-Document-Center.

Zuallererst unterlaufen die bereits erwähnten Dokumente einigen kosmetischen Änderungen. Der ehemalige „Penalty Guide“ hat sich nun zum „Infraction Procedure Guide“ gemausert. „Magic Floor Rules“ und „Universal Tournament Rules“ wurden zusammengefasst und heißen nun „Magic Tournament Rules“. Einige Abschnitte haben den Ort gewechselt und so finden sich die Kommunikationsrichtlinien nun nicht mehr beim Strafenkatalog, sondern in den Turnierregeln.

Die einzige für Turnierspieler relevante Neuheit hier bezieht sich auf die ehemaligen „Card-Game specific Errors“. Dabei handelt es sich namentlich um „Looking at Extra Cards“, „Drawing Extra Cards“ „Improper Drawing at Start of Game“ und „Failure to Discard“. Diese vier Vergehen wurden nun zu den „Game Play Errors“ hinzuaddiert. Was das für einen Unterschied macht, fragt ihr euch? Der Teufel liegt hier im Detail.

Exkurs – Upgrade-Path

Für jedes Vergehen ist abhängig vom „Rules Enforcement Level“ (kurz REL) des Turniers eine bestimmte Strafe vorgesehen. Das REL wiederum richtet sich nach dem Rahmen, in dem das Turnier stattfindet: Beispielsweise läuft ein Prerelease oder FNM in eher lockerer Atmosphäre, während es bei einem PTQ schon etwas ernster zugeht. Eine praktische Übersicht sowohl über den Strafenkatalog als auch über RELs gibt es hier:


In der Tabelle finden sich jeweils Strafen für Erstvergehen. Im Wiederholungsfall, also wenn ein Spieler einen Verstoß derselben Gattung noch einmal begeht, kommt der sogenannte „Upgrade-Path“ ins Spiel. Dieser Pfad gibt die Reihenfolge vor, in der Strafen bei wiederholtem Vergehen hochgestuft werden.

Caution – Warning – Gameloss – Matchloss – Disqualifikation

Dieser Pfad wird für alle Strafen angewandt, die nicht Spielvergehen, also keine „Game Play Errors“ betreffen. Bei Letzteren kommt stattdessen der folgende Pfad zum Einsatz:

Caution – Warning – Warning – Gameloss – Matchloss – Disqualifikation

Dazu zwei Beispiele:

Beispiel 1: Limited Grand Prix Tag 1, REL Competitive

Ein Spieler hat aus Versehen auf einer Deckliste während der Pool-Registrierung die falsche Karte eingetragen. Der Judge gibt ihm dafür eine Verwarnung für „Improper Registration of Limited Card Pool“. Der Spieler schafft es im Folgenden, sich für den zweiten Tag zu qualifizieren. Dort stehen zwei Booster-Drafts an. Allerdings ist er schon wieder unachtsam und schreibt nur 41 anstatt der von ihm gedrafteten 42 Karten auf seine Deckliste. Als er gefragt wird, ob ihm an diesem Wochenende etwas Ähnliches passiert ist, antwortet er wahrheitsgemäß. Wegen des wiederholten Vergehens steigt der Spieler in den oberen Upgrade-Path ein (Deck-Probleme sind keine „Game Play Errors“). Die nächsthöhere Strafe ist ein Gameloss, welches der Spieler bekommt.

Passiert dasselbe dem Spieler im zweiten Draft des Tages erneut, müsste er als Nächstes mit einem Matchloss und bei einer darauffolgenden Top 8 und dieser Infraction sogar mit einer Disqualifikation rechnen.

Beispiel 2: Pro Tour Qualifier, REL Competitive.

Ein Spieler deckt aus Versehen beim Mischen eine Karte des Gegners auf. Der Schiedsrichter gibt ihm für dieses Missgeschick eine Verwarnung für „Looking at Extra Cards“. Dies ist ein „Game Play Error“. Später an diesem Tag dreht der Spieler beim Ziehen einer Karte die darunterliegende nächste Karte auf. Da dies ein GPE ist, steigt der Spieler beim zweiten beschriebenen Upgrade-Path ein und erhält somit folgerichtig eine zweite Verwarnung. Erst bei einem dritten Vergehen gäbe es hier also den Gameloss.

Und damit zurück zur Sache. Da die oben erwähnten vier Vergehen jetzt zu den „Game Play Errors“ zählen, gilt für sie nun der mildere Upgrade-Pfad.

Friedhofsreihenfolge

Die nächste funktionelle Änderung war ebenfalls überfällig. Genaugenommen wurde sie eigentlich bereits seit der Weltmeisterschaft 2006 geduldet, nur erst jetzt offiziell festgehalten. Spieler dürfen ihren Friedhof sortieren – in allen Formaten, in denen keine Karten aus älteren Editionen als Urza's Saga gespielt werden dürfen.

Final Cut

Früher war es so, dass ein Spieler, der seinem Gegner das Deck zum Mischen präsentiert und dieses gemischt zurückerhalten hatte, noch ein letztes Mal abheben durfte.

Diese Regel gibt es nun nicht mehr. Ihr dürft das Deck nicht mehr abheben, nachdem es euer Gegner gemischt hat. Allerdings gilt noch immer: Habt ihr das Gefühl, euer Gegner habe irgendetwas Dubioses mit eurem Deck angestellt und ihr könnt es sachlich begründen, dann ruft einen Schiedsrichter.

Boosterdraft-Zeiten

Die Pick-Zeiten bei Boosterdrafts haben sich geändert: Für die ersten beiden Picks hat man wieder etwas mehr Zeit und die Zeit, die für die Durchsicht der bisher gedrafteten Karten zwischen den Boostern zur Verfügung steht, ist nun etwas geringer (zunächst 30 Sekunden), allerdings aufsteigend im 15-Sekunden-Takt.



Verlorene Karten dürfen durch Basisländer ersetzt werden

Stellt euch einmal Folgendes vor:

Ihr befindet euch in der Top 8 eines Pro Tour Qualifiers. Die meisten Leute sind bereits abgereist, während ihr euch ein äußerst spannendes erstes Spiel mit eurem Gegner liefert. Irgendwann fällt allerdings einem Schiedsrichter auf, dass zwei eurer Karten im Deck seltsam gebogen sind. Diese stellen sich als zwei Exemplare der Foil-Promo Cryptic Command heraus.

Ihr bekommt ein Gameloss für das erste Spiel, da die Karten unverkennbar markiert sind. Der Versuch, sie gegen normale Cryptic Command auszutauschen, scheitert daran, dass niemand welche zur Hand hat, und auch sämtliche Bemühungen, die Karten in einen unmarkierten Zustand zurückzubiegen, bleiben erfolglos.

Nach den alten Regeln wäre euch hier das Weiterspielen im Turnier verwehrt geblieben. Könnt ihr die Karten nicht zurückbiegen oder Ersatz finden, seid ihr raus, da ihr kein legales Deck mehr habt.

Da solche Situationen häufiger vorkommen, als man denkt, und eine effektive Disqualifikation im Vergleich zu den Alternativen als zu hart empfunden wird, hat man sich nun überlegt, dem Spieler zu erlauben, die nicht mehr spielbaren oder verlorenen Karten von seiner Liste zu streichen und dafür Basisländer seiner Wahl als Ersatz einzufügen. Er darf den Rest des Turniers mit diesem Deck bestreiten und jeweils ab Spiel 2 findet sich dann ja in der Regel etwas Besseres im Sideboard.

Allerdings gibt es keinen Weg mehr zurück, auch nicht, wenn man die zuvor gestrichenen Karten doch noch auftreiben kann.

Warum ist das so? Warum kann man nicht später den Ursprungszustand wieder herstellen? Nun, man will von vornherein zwei Dingen Einhalt gebieten. Zum einen, dass einfach zu viel an einer Deckliste „manipuliert“ wird. Die Regeln und Voraussetzungen sollten für alle Spieler gleich sein und somit hat jeder zu Beginn des Turniers eine Liste abzugeben, die an sich unveränderlich ist. Zum anderen schließt man damit aus, dass ein Spieler Karten absichtlich verliert, wenn ihm die Länder in einem Matchup zugutekämen. (Natürlich wäre das Betrug, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht.)

Out-of-Order Sequencing

Wer von euch hat schon mal von „Out-of-Order Sequencing“ (im Folgenden als OOS abgekürzt) gehört? Dabei handelt es sich im Grunde um keine Neuerung – neu ist lediglich, dass OOS nun in Turnieren aller drei RELs angewandt werden darf (und nicht mehr nur wie bisher, bei REL Regular und Competitive). Da OOS bislang jedoch wenig Aufmerksamkeit erhalten hat (oder gar missverstanden wurde), gibt es im Folgenden eine vollständige Erklärung.

OOS – dieser Terminus beschreibt das Durchführen von Aktionen in einer nicht den Regeln entsprechenden Reihenfolge, welche jedoch zu einem legalen Ergebnis führt. Komplizierter Satz.

Das heißt, dass ein Spieler mehrere Aktionen quasi gleichzeitig durchführen darf – „in einem Aufwasch“ sozusagen –, solange sich das Spiel anschließend wieder in einem legalen Zustand befindet und der Gegner die Vorgänge nachvollziehen kann. Diese Aktionen müssten alle auch dann legal gewesen sein, wenn sie in der korrekten Reihenfolge durchgeführt worden wären. OOS darf außerdem nicht missbraucht werden, um Aktionen nachzuholen, die man ursprünglich vergessen hatte, oder um Entscheidungen auf Basis von Informationen zu fällen, die man bei technisch korrektem Spiel nicht gehabt hätte.

Zu guter Letzt kann der Gegner jederzeit verlangen, dass die Aktionen noch einmal in korrekter Reihenfolge ausgeführt werden, beispielsweise um an einer bestimmten Stelle zu reagieren. Was dabei unter keinen Umständen erlaubt ist, ist, mit OOS eine Reaktion des Gegners zu provozieren und diese Information dann auszunutzen, um rückwirkend andere Entscheidungen zu treffen. Sollte sich bei der Wiederholung die Spielsituation jedoch durch eine Einmischung des Gegners ändern, sind ab dieser Stelle die im Rahmen des OOS getroffenen Entscheidungen nicht länger bindend.

Einige Beispiele:

Ein Spieler greift mit zwei Kreaturen an. Sein Gegner deklariert seine Grizzly Bears als Blocker, aktiviert sein Treetop Village und blockt auch damit.

Technisch falsch, da man nur einmal zu Beginn des Declare-Blockers-Steps Blocker deklarieren kann und währenddessen keine Gelegenheit hat, Fähigkeiten zu aktivieren. Der Spieler kommt durch seine Aktion allerdings zum selben Ergebnis wie in dem Fall, dass er es technisch korrekt spielt. Solange das Spiel durch eindeutig verständliche Handlungen bei einem legalen Punkt ankommt, geht das in Ordnung.

Spieler A kontrolliert Llanowar Elves und ein Treetop Village. Er tappt seine Elfen zum Angriff, dann zwei Länder und das Treetop Village und schiebt es zu den Elfen in die Red Zone. Spieler B, der selbst keine Kreaturen im Spiel und bloß noch vier Lebenspunkte hat, unterbricht ihn daraufhin und bittet ihn, das Ganze noch einmal in der korrekten Reihenfolge zu spielen, da er noch vor dem Deklarieren der Angreifer einen Spruch anbringen möchte. Aufgrund dieses Wissens möchte Spieler A sein Treetop Village nun doch lieber nicht aktivieren... Wie löst man eine solche Situation?

Zunächst einmal war das Angreifen mit beiden Kreaturen in einem Aufwasch nach OOS in Ordnung, auch wenn die Länder eigentlich zu spät getappt wurden. Das ist völlig legal. Ebenfalls gilt, dass der Spielzug auf Wunsch in korrekter Reihenfolge zu wiederholen ist.

Allerdings darf Spieler A seine Entscheidung, das Treetop Village zu aktivieren, nicht anhand der neu gewonnenen Informationen revidieren. Er spielt das Ganze jetzt korrekt, indem er das Village vor dem Deklarieren der Angreifer aktiviert, und an dieser Stelle erhält Spieler B dann Vorrang („priority“), um noch vor dem Angriff einzugreifen.

(Und wenn B nun Ice spielt und damit das Treetop Village tappt, darf A selbstverständlich neu darüber entscheiden, ob seine Llanowar Elves angreifen.)

Spieler A spielt einen Spruch für zwei Mana. Spieler B hat vier Länder inklusive Insel und Mutavault im Spiel. Er spielt in Reaktion eine Spellstutter Sprite. Diese wird verrechnet und er tappt jetzt das Mutavault, um zwei Feen im Spiel zu haben und den Zauberspruch zu neutralisieren.


Spieler B argumentiert im Folgenden, er hätte die ganze Aktion in einem Aufwasch gespielt. Eine sehr haarige Situation! Ist irgendwie pausiert oder kommuniziert worden, dass die Sprite auf dem Stack für Spells freigegeben ist, so ist es für eine Aktivierung zu spät. Insbesondere existiert ein sehr gebräuchlicher Shortcut, der sogar in den Regeln festgeschrieben ist und der besagt, dass ein Spieler nach dem Spielen eines Zauberspruchs automatisch den Vorrang („priority“) abgibt, wenn er nicht ausdrücklich ansagt, auf den eigenen Spruch reagieren zu wollen.

Da man hier mit dem Offenhalten von Mana sehr leicht eine Reaktion des Gegners provozieren kann, ist in diesem Fall Vorsicht angebracht, und ich würde es deswegen nur dann als OOS werten, wenn eindeutig klar ist, dass keines der Ausschlusskriterien gegeben ist.

Jetzt noch einmal, wie ich mir das als OOS vorstellen kann:

Spieler A spielt einen Spruch für zwei Mana. Spieler B hat vier Länder inklusive Insel und Mutavault im Spiel. Er spielt in Reaktion eine Spellstutter Sprite, benennt den Spruch als Ziel und aktiviert zur gleichen Zeit sein Mutavault – ein Shortcut, da der Spieler offensichtlich annimmt, dass die Sprite auf jeden Fall resolvet, kombiniert mit OOS, da er zuerst das Ziel benennt, was er eigentlich nicht kann, bevor das Mutavault aktiviert ist.

So wäre es tragbar.

Und bevor das Ganze zu trocken wird, hier das letzte Beispiel zu OOS:

„So dann spiele jetzt mein Cruel Ultimatum ziehe drei Karten, bekomme fünf Leben und hole mal diese Kreatur zurück.“

Wer hat den Fehler bemerkt? Ganz klar. Out-of-Order-Sequencing hin oder her – Spielhandlungen so umzudrehen, dass neue Informationen (die gezogenen Karten) zur Verfügung stehen, bevor eine Entscheidung (die Wahl der Kreaturenkarte im Friedhof) getroffen wird, ist niemals erlaubt. Hat der Spieler nur eine einzige Kreatur im Friedhof, kann man es aber gut mit einer Ermahnung und einem Hinweis, vorsichtiger zu sein, belassen.


Zum Abschluss dieses Themas: Auch wenn ich mich hier in erster Linie mit Grenzfällen beschäftigt habe, in denen OOS nicht angewandt werden kann oder die Aktionen rückgängig gemacht werden mussten – die meisten Situationen sind völlig unstrittig. Wenn ihr zu Beginn eures Zuges hintereinander erst eine Karte zieht und dann enttappt, ist das zum Beispiel gar kein Problem.

Die Turnierregeln sind längst nicht so strikt und schwer zu erfüllen, wie sie oftmals dargestellt werden (und wie sie vielleicht einmal waren). OOS ist dafür ein wunderbares Beispiel und meines Erachtens eine gute Sache, da es sowohl den weniger erfahrenen Spielern als auch ganz allgemein dem Spielfluss zugutekommt – dabei jedoch in ausreichend enge Grenzen gefasst ist, um einen Missbrauch unmöglich zu machen.

Vernachlässigbare Outside Assistance auf Karten ist legal

Furchtbare Überschrift, ich weiß. Diesmal geht es um die Front oder besser noch das Artwork der Karten. Es gibt endlich ein Statement zu „altered cards“, also bemalten Karten, die in der Hauptsache verschönert werden sollen, mitunter durch ihr Bild aber Spielhilfen geben. Wer sich darunter nichts vorstellen kann: Ein übliches Beispiel wäre etwa ein Tinker, auf dem ein Darksteel Colossus abgebildet ist. Für mich sind solche Modifizierungen immer eine willkommene Ablenkung. Allerdings kamen Stimmen auf, dass das ja in gewisser Weise „Outside Assistance“ (Hilfestellung von außen) sei.

Jetzt ist schriftlich festgelegt, dass solche Gimmicks geduldet werden. Offensichtlich hat der Tinker-Spieler sich das ja nicht draufmalen lassen, weil er ohne nicht wüsste, was er sich mit Tinker suchen soll. Nichtsdestrotrotz kann man natürlich keine kompletten Komboschritte auf seine Karte schreiben oder auf diese Art verschleiern, um welche Karte es sich handelt. Das bleibt weiterhin illegal. Im Zweifelsfall entscheidet der Headjudge und den sollte man gegebenenfalls vor dem Turnier fragen. (Und falls besonders aufwendige künstlerische Modifikationen die verdeckte Karte beispielsweise durch eine höhere Dicke oder ein ungewöhnliches Biegeverhalten im Deck auffinden lassen, gilt das selbstverständlich weiterhin als „Marked Cards„.)

Zuschauer dürfen sich einmischen

Zuschauer dürfen nun bei REL Regular und Competitive Spieler bitten, ihr Spiel zu unterbrechen, damit sie einen Schiedsrichter informieren können, wenn sie der Meinung sind, etwas Illegales sei geschehen. Früher war das Intervenieren in ein Spiel, in welcher Form auch immer, für Zuschauer ein absolutes Tabu.

-MTR 1.11 Spectators
Spectators are responsible for:
1. Remaining silent and passive during matches and other official tournament sections, such as Limited deck construction.
2. Informing a judge if they believe they have observed a rules or policy violation. At Regular or Competitive REL, spectators are permitted to ask the players to pause the match while they get the judge. [...]

Manch einer von euch wundert sich jetzt vielleicht, dass dies bisher nicht erlaubt war und dass ein weitergehendes Eingreifen immer noch nicht erlaubt ist. Die Gründe dafür sind schnell erklärt. Zuschauer haben seltenst denselben Einblick in die Handlungen und Geschehnisse eines Spieles wie dessen Spieler. Was für den Außenstehenden konfus und mitunter falsch erscheint, kann für die Spieler sehr wohl nachvollziehbar sein – gerade in Zeiten von Shortcuts und Out-of-Order-Sequencing.

Ein Eingreifen ist in den meisten Fällen bestenfalls eine Störung der Partie und im schlimmsten Fall Outside Assistance. Das Standardbeispiel beschreibt einen „non-mandatory“ Trigger (z.B.: „Whenever a player casts a red spell, you may gain 1 life.“), von dem der Zuschauer denkt er sei „mandatory“ und auf den er die Spieler aufmerksam macht und den er so dem Spieler, der ihn die ganze Zeit über vergessen hat, wieder ins Gedächtnis ruft.

Auch auf einen tatsächlichen mandatory Trigger sollte nicht ein Zuschauer hinweisen, sondern es ist seine Aufgabe, einen Schiedsrichter zu verständigen, damit der dann die korrekte Strafe aussprechen kann, auch um besser Buch führen zu können, wer wie oft welches Vergehen begangen hat.

Dazu eine kleine Anekdote von einem Pro Tour Qualifier. Vor einigen Jahren, als das Enduring Ideal/Solitary Confinement/Dragon Form-Deck noch im Extended gespielt wurde, kam es zu einer Situation, in der Spieler A auf fünf Leben war. Er kontrollierte Form of the Dragon und einige Kreaturen. Sein Gegner, Spieler B, kontrollierte Solitary Confinement.


Spieler A enttappte in seinem Zug, woraufhin B ungefähr das Folgende sagte: „Du kannst mich nicht anzielen, also musst du dich wohl selbst umschießen.“ Ein Zuschauer war der Meinung, dass die Aussage des Spielers als „Lüge“ gewertet werden müsste und er somit eine Infraction begangen hätte. Allerdings glaubte er, nicht rechtzeitig einen Schiedsrichter holen zu können, und so sagte er einfach laut, dass das nicht stimme und der Spieler auch Kreaturen mit Form of the Dragon anzielen könne. Spieler A gewann daraufhin das Spiel. Der Zuschauer jedoch wurde beim Stand von 5-1 disqualifiziert.


Nach den neuen Regeln hätte der Zuschauer das Recht gehabt, die Spieler zu bitten, das Spiel kurz zu unterbrechen. Er hätte den Schiedsrichter holen können und die Situation schildern. In diesem Beispiel hätte ich ihm dann erklärt, dass ich nicht der Meinung sei, dass ein Grund einzuschreiten bestünde (Spieler B erzählt hier zwar Unsinn, aber das ist ein regelkonformer, legitimer Bluff, den ein Schiedsrichter nicht richtigstellen sollte) und das Spiel mit Extrazeit weiterlaufen lassen.

Bittet euch jemand, euer Spiel zu unterbrechen, egal ob Judge oder Spectator, schaut übrigens unbedingt auf eure Uhr und kommunziert mit eurem Gegner, wie viel Zeit vergeht, damit es später nicht zu Unstimmigkeiten kommt. Der Zuschauer sollte natürlich auch auf die Uhr sehen.

Notizen während eines Matches

Spieler dürfen seit diesem Juli mitgebrachte Notizen zwischen den Spielen eines Matches benutzen. Das beinhaltet Spiel- und Sideboardstrategien. Erstaunlicherweise war der Aufschrei bisher um Längen geringer, als ich persönlich erwartet hätte. Fakt ist, dass es dem Gelegenheitsspieler die Nutzung eines Sideboards erleichtert. Der durchschnittliche Turnierspieler hingegen braucht keine aufgeschriebenen Pläne. Immerhin handelt es sich „nur“ um 15 Karten.

Es geht natürlich ein gewisser strategischer Vorteil verloren, den man gegenüber den Spielern hatte, die sich nicht merken konnten, was sie wogegen sideboarden sollten. Dafür öffnet sich laut Luis Scott-Vargas ein anderes strategisches Fenster, insofern als dass man eine besonders unflexible Strategie des Gegners gegen ihn nutzen kann, beispielsweise indem man selbst ungewöhnlich boardet, damit die Pläne des Gegners ins Leere laufen.

Diese Regelung ist zudem ein Zugeständnis an die Limited-Sideboards. Gerade im Format Sealed Deck ist es nicht ungewöhnlich, nach dem ersten Spiel gegebenenfalls auf ein völlig anderes Deck umzuboarden. Und es war immerhin nie illegal, das Limited-Sideboard in irgendeiner Form vorsortiert zu haben. Anstatt jetzt mehrere Decks auswendig lernen zu müssen oder sich eine möglichst trickreiche Idee einfallen zu lassen, wie man es unauffällig markieren kann, sind Notizen jetzt legal.

Das betrifft allerdings ausschließlich die Zeitspanne zwischen den einzelnen Spielen eines Matches! Sobald ein Spiel beginnt, müsst ihr die von außen eingebrachten Notizen beiseitelegen. Über die gesamte Zeit des Matches dürft ihr aber weiterhin auf leerem Blatt neue Notizen machen, die ihr dann nur während dieses Matches und seiner Spiele benutzen dürft. Das muss für den Gegner weder leserlich noch verständlich sein, doch ihr solltet auf Anfrage eines Schiedsrichters diesem erklären können, was da steht und was es bedeutet.

Durch die neue Regelung immer noch nicht legal sind die folgenden drei Punkte:

1.

Man darf während eines Drafts keine Notizen machen. Während des Deckbaus kann man so viel schreiben, wie man mag. Aber niemals während des Drafts oder der Review-Zeit.

2.

Niemand darf zwischen den Spielen eines Matches an euch herantreten und euch Tipps zu eurem vorigen oder kommenden Spiel geben.

3.

Ihr könnt kein Buch mit allen möglichen Spieltipps dabei haben. Die Notizen sollten sich auf ein oder maximal zwei Zettel beschränken.




Eine kleine Zusammenfassung

Notizen, die man während eines Spiels benutzen will, müssen während desselben Matches gemacht worden sein.

Notizen, die man von zu Hause mitgebracht hat, dürfen nur zwischen zwei Spielen eines Matches konsultiert werden

Beide müssen auf Wunsch eines Schiedsrichters ausgehändigt/erläutert werden.



Drawing Extra Cards Redefined

Die Definition von „Drawing Extra Cards“ hat sich verändert. Die neue Definiton lautet:

-Drawing Extra Cards
This infraction is committed when a player is instructed to draw cards, but draws too many. If a player accidentally draws cards at a time they were not supposed to, or draws cards as part of another offense, the infraction is not Drawing Extra Cards.

Ich gehe nicht davon aus, dass ihr die bisherige Definition kennt und falls doch, solltet ihr sie besser ganz schnell vergessen, denn die war Murks. Unter anderem war mit ihr die Abgrenzung zu einer „Spielregelverletzung“ („Game Rule Violation“) problematisch. Nehmen wir als Beispiel einmal, dass ihr einen Mulldrifter mit der Evoke-Fähigkeit spielt, dessen Fähigkeit verrechnet und zwei Karten zieht. Wenn jetzt auffällt, dass ihr gar kein blaues Mana zur Verfügung hattet, wäre das sowohl nach alter als auch neuer Regel kein Fall von „Drawing Extra Cards“, sondern lediglich eine „Game Rule Violation“ (welche geringer bestraft wird). Das Ziehen der Karten ist schließlich bloß ein Folgefehler, der aus einem anderen Fehler resultiert.


Dasselbe Beispiel, nur diesmal mit Counsel of the Soratami statt Mulldrifter – nach neuer Regelung führt dies zu demselben Ergebnis. Nach alten Regeln hingegen wäre dies ein Fall von „Drawing Extra Cards“ (DEC) gewesen, mit der Begründung, dass der unrechtmäßig gespielte Zauberspruch direkt die Karten ziehen lässt. Klingt das logisch? Nein? Nun, deshalb wurde es ja auch geändert.

Die Strafe für DEC bleibt die alte: ein Spielverlust bei REL Competitive und Professional und eine Verwarnung bei Regular. Bei Regular wurde und wird dann immer, falls nicht identifizierbar, eine zufällige Karte von der Hand des Spielers zurückgelegt.

Das Vorgehen bei einer GRV („Game Rule Violation“) hat sich jedoch geändert. Im Rahmen aller Spielregelverletzungen, sollte – sofern möglich – zurückgedreht werden bis zu dem Punkt, an dem der Verstoß auftrat. Wann das möglich ist, hängt leider immer noch von der Situation ab. Je nachdem wie viel Zeit vergangen ist, wie viel zwischenzeitlich in der Partie passiert ist und wie komplex oder störend das Zurückdrehen ausfällt, wird entweder alles komplett zurückgedreht oder aber gar nichts.

...mit einer Ausnahme! Selbst wenn ansonsten nichts zurückgedreht wird, werden Extrakarten in der Hand nach dem gleichen System in die Zone zurückbefördert, aus der sie stammen. Der Auszug dazu lautet:

-Fixing
 
If the error was discovered within a time frame in which a player could reasonably be expected to notice the error and the situation is simple enough to safely back up without too much disruption to the course of the game, the judge may get permission from the Head Judge to back up the game to the point of the error. Each action taken is undone until the game reaches the point immediately prior to the error. Cards incorrectly placed in hand are returned to the zone from which they were moved (if the identity of the incorrectly drawn card is not known to all players, a random card is returned instead). Once the game is backed up, it continues from that point.

If not caught within a reasonable time frame, or backing up is impossible or sufficiently complex that it could affect the course of the game, the judge should leave the game state as it is and not attempt any form of partial ‘fix' – either reverse all actions or none – with the exception that accidental cards in hand should be returned as described above.

Und das lässt mich zu meinem persönlichen Wermutstropfen kommen: Wenn eine Kreatur fälschlicherweise aus dem Spiel auf die Hand zurückgebracht wurde und ein vollständiges Rückgängigmachen unmöglich ist, verlangen die Regeln jetzt hier ernsthaft, dass ich an diesem Punkt die Kreatur wieder zurück ins Spiel bringen darf/muss?

Die Regeln sind hier leider eindeutig, sie befinden sich aber im Teststadium. Natürlich will ich das Ganze nicht verharmlosen, doch wie auch der neue Penalty-Guide auf den Worlds 2006 zuerst auf einheitlich getrimmt war, um ihn dann nach ausgiebiger Testphase noch weiter zu verbessern, unterliegen auch diese Neuerungen fortwährenden Bemühungen um Verbesserung.

Da hilft jetzt nur eines. Wir alle haben die Chance, Magic und seine Turniere zu verbessern. Das gelingt allerdings nur durch Ausprobieren, Be- und Durchleuchten und natürlich durch Bewerten. In diesem Sinne ist Feedback jederzeit willkommen. Abschließend wünsche ich euch noch viel Spaß mit den neuen Regeln und bei allen Turnieren, die ihr spielt, und verabschiede mich bis zum nächsten Mal.

P.S.: Layer

Es ist zwar keine Turnierregeländerung, aber die Layer haben sich ebenfalls geändert:

-Layer
 
Layer 1: Copy effects are applied.
Layer 2: Control-changing effects are applied.
Layer 3: Text-changing effects are applied.
Layer 4: Type-changing effects are applied.
Layer 5: Color-changing effects are applied.
Layer 6: Ability-adding and ability-removing effects are applied.
Layer 7: Power- and/or toughness-changing effects are applied.

So weit erst mal keine großartigen Veränderungen, lediglich eine weitere geringfügige Aufteilung – aber jetzt kommt's:

-Power- and/or Toughness-Changing Effects
 
Layer 7a: Effects from characteristic-defining abilities are applied.
Layer 7b: Effects that set power and/or toughness to a specific number or value are applied.
Layer 7c: Effects that modify power and/or toughness (but don't set power and/or toughness to a specific number or value) are applied.
Layer 7d: Power and/or toughness changes from counters are applied.
Layer 7e: Effects that switch a creature's power and toughness are applied.

Das heißt im Klartext, dass alle Continuous Effects mit begrenzter Dauer (wie die von Giant Growth und Co.) aus 7b ausgelagert wurden und in denselben Layer gesteckt wurden wie statische Fähigkeiten, die die Stärke oder Widerstandskraft erhöhen, ohne sie auf einen Wert zu setzen. Damit sind jetzt Grizzly Bears, auf die Giant Growth gespielt wurde, bei einer liegenden Humility immer 4/4. Egal, ob zuerst Giant Growth oder zuerst Humility gespielt wurde.

Zudem sind die Counter noch einen Platz weitergerückt auf 7d. Welche beziehungsweise ob das funktionelle Änderungen ausmacht, ist mir momentan nicht bekannt. Falls mir jemand einen Fall nennen kann, bekommt er von mir auf der DM einen Booster!




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