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Grumpy Old Men
von Michael Diezel
02.06.2016

Ich habe ja ein großes Herz für die Karten, bei denen nicht jeder sofort erkennt, dass sie ganz schön gut sind, anders als etwa bei Archangel Avacyn oder damals diesem Siege Rhino, die aber gleichzeitig ein gewisses Potenzial besitzen. Inwiefern sie dieses abrufen können, liegt meist an verschiedenen Variablen, unter anderem an den passenden Mitspielern und einem günstigen Metagame. Je nachdem, wie sich diese Faktoren dann entwickeln, entwickelt sich auch die Einzelkarte. Zwischen steile Karriere und ungebremsten Fall ist da quasi alles möglich. Unser heutiges Deck hat als Ausgangspunkt eine solche Karte, die in ihrer Karriere schon nahezu alles mitgemacht hat: kurzer Einstiegshype als mythisch rare Karte, dann völlig in Vergessenheit geraten, wiederentdeckt, Erfolge gefeiert und über Nacht in beachtliche Sphären aufgestiegen und inzwischen erneut vergessen. Die Rede ist von Shaman of Forgotten Ways.


Jede Karte, die uns im Alleingang auf sechs Mana im vierten Zug bringt, ist zumindest einen zweiten Blick wert. Eine solche wiederholbare (!) Beschleunigung kostet ansonsten mindestens ein Mana mehr und selbst da (Explosive Vegetation/Hedron Archive) sprechen wir schon von nachgewiesen constructedtauglichen Karten.

Der Schamane kann sogar noch mehr: Angreifen und blocken zum Beispiel – nicht sonderlich kräftig, zugegeben, aber doch eindrucksvoller, als es sein Portrait vermuten lässt. Richtig gewaltig ist seine zusätzliche aktivierte Fähigkeit, die beim Erfüllen der Voraussetzungen (Kreaturengesamtstärke 8 oder mehr plus geschmeidige elf Mana) sehr oft das Spiel gewinnt. Aber die Voraussetzungen erfüllt man halt auch nicht mal nebenbei.

Im Gegenzug hat er zwei relevante Nachteile gegenüber Karten wie Explosive Vegetation:

1)
Das Mana darf nur für Kreaturenzauber genutzt werden.
2)
Er selbst ist der alte Mann und als solcher stirbt er an allem, was alte Männer eben so unter die Erde bringt: Griffe aus der Dunkelheit, Siechen, Feurige Impulse oder Verkündungen in Stein.

Während man Punkt 2 kaum verhindern kann, dürfte 1 gut zu bedienen sein. Wir spielen einfach jede Menge teurer Kreaturen, da ist das Angebot ja zum Glück gerade recht exquisit. Da der Schamane wie angedeutet seine effektivste Beschleunigung in Turn 4 auf sechs Mana erreicht, wollen wir dort besonders gern die gierigen Klopse auspacken. Die Auswahl ist groß:


… und das sind nur die offensichtlichsten Optionen. Ihre Auszeichnung finden sie eigentlich allesamt dadurch, dass sie sofort etwas machen, wenn sie das Spielfeld betreten. Das ist nicht nur mir wichtig, wenn ich sechs Mana ausgebe. Es ist einfach immer blöd, wenn man sich die ganze Arbeit mit dem Bescheunigen macht, nur um dann die Kreatur für viel weniger Mana umgeballert zu bekommen, und mit nichts als schönen Erinnerungen zurückbleibt. Einzige Ausnahme in dieser Liste ist Dragonlord Dromoka. Dromoka hat dabei zwei relevante Argumente auf ihrer Seite: Sie kann nicht direkt noch im gleichen Zug beantwortet werden, sodass der Gegner sich fürs Abrüsten zumindest seinen Zug aufheben muss. Außerdem ist es die Sorte Kreatur, die auch annähernd 100% der Spiele gewinnt, in denen sie liegenbleibt. Den 5/7-Flieger mit Lebensverknüpfung besiegt man im Damagerace halt eher schlecht.

Vom Rest sieht man eigentlich nur diesen Dragonlord Silumgar mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Silumgar ist – wie schon mehrfach betont – einfach in Höchstform in einem Format, das mit superguten Einzelkarten um sich wirft. Insbesondere, wenn diese Einzelkarten Planeswalker sind, die ein leicht abrufbares Ultimate besitzen. Alle anderen sind eigentlich auch gut genug fürs Constructed, aufgrund ihrer Manakosten aber nur in sehr speziellen Decks. Ramp arbeitet zum Beispiel lieber mit Chandra, Flamecaller, die letztendlich noch eine Stufe alberner daherkommt. Im Zusammenspiel mit Shaman of Forgotten Ways sieht das jedoch anders aus, da dieser eben nicht so gut mit Chandra zusammenarbeitet.

Wer jetzt genau ins Deck rutscht, ist so ein wenig Geschmackssache. Ich bin zum Beispiel ein riesengroßer Fan von Woodland Bellower. Mit Sylvan Advocate, Duskwatch Recruiter und Tireless Tracker hat man mehr als genug lohnende Ziele und theoretisch macht er mit Shaman of Forgotten Ways sogar noch weitere Beschleunigungen möglich. Über diese könnte sich Ulamog, the Ceaseless Hunger freuen, wenn man richtig gierig sein will, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit muss man aber zumindest auf sieben kommen:


Einer der größten Nachteile daran, sehr viele Slots an Kreaturen vergeben zu müssen, liegt ja darin, dass man nur sehr begrenzt mit dem Gegner interagieren kann. Platz für profanes Removal gibt es zum Beispiel kaum. Deswegen freuen wir uns über jede interaktive Kreatur. Dragonlord Atarka ist dabei die Premiumvariante, da die Drachenfürstin höchst selten schlechter ist als ein 2:1-Tausch und dem Gegner zugleich als 8/8-Trampelflieger wirklich nicht viel Zeit lässt, eine Antwort zu finden.

Wie gesagt, ich bin mir nicht sicher, welche 6-Mana-Kreatur man jetzt im Vorfeld von Dragonlord Atarka spielen will, und ich weiß nicht, ob man bis Ulamog hoch will, aber diese Drachenfürstin ist ohne Wenn und Aber eine der absolut essenziellen Säulen des Decks.

Eine dritte ist der böse Wolf:


Einer der großen Vorteile am Spielen unzähliger Kreaturen ist wiederum, dass Duskwatch Recruiter mit jeder einzelnen besser wird. Ähnliches gilt für die ganzen Beschleunigungszauber. Duskwatch Recruiter ist schon lächerlich gut, wenn er ohne Extramana und mit 24 Kreaturen gespielt wird. Wir haben 28 Kreaturen und Beschleunigung – und da reden wir noch nicht einmal davon, was passiert, wenn er jemals zum Heuler der Krallenhorde wird …

Überhaupt werden die ganzen bekannten Kreaturen, die gegenwärtig dafür sorgen, dass Grün neben Weiß die dominante Farbe des Formats ist, nicht unbedingt schlechter:




Jede einzelne von ihnen ist ohne Hilfe schon mindestens großartig, wird aber noch einmal besser, wenn sie Unterstützung erhält. Dies geschieht in allen Fällen durch Alternativkarten zu Shaman of Forgotten Ways.


Das Beste an diesem ganzen Kleinkram ist aber, dass man das traditionelle Problem von Rampdecks völlig umgeht. Diese kann man nämlich als eine Art Kombodeck mit redundanten Anteilen sehen – Beschleunigung und Beef. Damit das funktioniert, muss man möglichst zeitig möglichst viel Beschleunigung ziehen und dann möglichst viel Beef nachspielen. Zieht man es andersherum oder nur einen Teil, ist das ganz schön blöd.

In diesem Deck funktioniert das anders: Mit Karten wie Sylvan Advocate, Tireless Tracker und Duskwatch Recruiter erhöht man sowohl den Anteil der kostengünstigen Karten (sie kosten nämlich nur zwei respektive drei Mana) als auch den der Late-Game-Bedrohungen. Letzteres wird verständlicher, wenn man mal so einen Recruiter oder Tracker für ein paar Züge liegen lässt und sich dann im Normalfall auf die eine oder andere Weise eine komplett neue Hand zusammengezogen hat. Viel Glück damit, dieses Late Game zu besiegen.

Trotzdem braucht es noch den einen oder anderen Dragonlord Atarka, damit das Deck funktioniert, aber eben nicht in den Mengen, wie wir das zum Beispiel von klassischen Rampdecks kennen. Entsprechend ist das Deck auch deutlich unanfälliger gegenüber klassischen Anti-Ramp-Karten wie Transgress the Mind oder Infinite Obliteration.

Natürlich gibt es Nachteile. Hauptsächlich der, dass all das eine gewisse Zeit braucht. Wenn die traditionelle Rampversion beispielsweise einen anständigen Draw hat, der in den beschleunigten World Breaker plus Ulamog führt, ist die Raw Power einfach deutlich beeindruckender als Duskwatch Recruiter into Sylvan Advocate, selbst wenn Ersterer Letzteren noch gezogen hat. Insofern kann man das Deck als stabileres Rampdeck mit etwas weniger Brutalität ansehen, wobei Shaman of Forgotten Ways im Alleingang dafür sorgt, dass diese Aussage nur teilweise richtig ist.

Ein anderer Nachteil liegt darin, dass man anfälliger für einiges Removal wird. Je nach genauem Aussehen sind Rampdecks ja recht immun gegen Fiery Impulse, Languish und Compagnie. Das ist mit diesem Deck leider nicht so. Der Impuls findet eigentlich immer ein Ziel und auch Languish führt des Öfteren zu einem Kartennachteil, den man aber wiederum oft genug an anderer Stelle wieder ausgleichen kann.


2 Mountain
1 Rogue's Passage
1 Crumbling Vestige
4 Evolving Wilds
1 Haven of the Spirit Dragon
1 Mirrorpool
11 Forest
1 Sea Gate Wreckage

4 Ulvenwald Hydra
2 Tireless Tracker
4 Shaman of Forgotten Ways
4 Deathcap Cultivator
3 Dragonlord Atarka
3 Duskwatch Recruiter
(Krallenhorde Howler)
4 Sylvan Advocate
2 Nissa, Vastwood Seer
(Nissa, Sage Animist)
2 Woodland Bellower


3 Explosive Vegetation
3 Nissa's Pilgrimage
4 Oath of Nissa

Sideboard:

1 Tireless Tracker
1 Dragonlord Atarka
4 Lambholt Pacifist
(Lambholt Butcher)
1 Ulamog, the Ceaseless Hunger
4 Kozilek's Return
2 World Breaker
2 Conduit of Ruin


So sieht das Ganze aktuell aus. Da sind doch noch ein paar spannende Punkte dabei: Von der vorhin dargestellten Auswahl an 6-Mana-Klöpsen darf ausgerechnet Ulvenwald Hydra mitspielen, und das auch noch volle vier Mal. Zunächst einmal ist sie fast immer die dickste Kreatur auf dem Spielfeld, was schon nie schlecht sein kann. Wir sprechen hier übrigens schnell von wirklich beeindruckenden Zahlen, die nicht so selten in den zweistelligen Bereich hineingehen. Es ist zwar oft völlig egal, ob eine Kreatur jetzt 7/7, 8/8 oder 12/12 ist, aber nicht immer. Zum Beispiel dann, wenn Rogue's Passage involviert ist. Dass die Möglichkeit dafür besteht, verdanken wir wiederum der Hydra selbst, was uns direkt zum nächsten Punkt bringt: Es gibt eine Menge ziemlich guter Spezialländer …







Mirrorpool ist so ein bisschen das Defaultland, weil es selten schlecht sein kann, nach einer Hydra eine weitere ins Spiel zu bringen. Haven und Wreckage sind die Alternativen, wenn man davon ausgehen muss, dass die Hydra nicht bis zur nächsten potenziellen Mirrorpool-Aktivierung überlebt oder einfach in Reaktion umgeschossen werden würde. Der Haven ist dabei offensichtlich besser mit Atarka, Wreckage in allen anderen Fällen. Alle anderen Fälle treten dabei meist erst ein, wenn schon andere Optionen angedacht wurden, weswegen Sea Gate Wreckage auch meist nicht das erste Land ist, das gesucht wird. Crumbling Vestige wiederum ist für die Momente im Deck, in denen man neben der Hydra noch ein anderes Play hat. Kommt jetzt nicht so oft vor, aber eben doch spürbar häufiger als nie.

Ansonsten dürfte das Maindeck lediglich noch in Details Fragen aufwerfen, ganz im Gegensatz zum Sideboard. Hier gibt es im Prinzip zwei relevante Gruppen:

1)

Kozilek's Return, Dragonlord Atarka und Lambholt Pacifist sind offensichtlich die Anti-Aggro-Karten. Plan ist hier, zu überleben, bis Atarka kommt. Dafür maximieren wir zunächst die Drachenfürstinnen und dann stärken wir die Defensive. Dafür kommt mit Lambholt Pacifist eine Kreatur ins Deck, die einfach etwas dicker ist als die klassische Aggrokreatur sowie Kozilek's Return, welcher die völlig bescheuerten Draws beim Gegner kaputtmacht. Typische Bankdrücker für die Nachsideboardspiele sind Tireless Tracker, Nissa, ein paar Rampsprüche und die eine oder andere Hydra. Die beiden ersten sind einfach zu langsam und gleichzeitig Zufallsopfer von Kozilek's Return, während das Late-Game auch ohne Hydra gewinnen sollte. Duskwatch Recruiter ist meist ebenfalls eine ziemliche Pfeife, da nicht dick genug zum Kämpfen und das späte Spiel gewinnt man eh.

2)

Tireless Tracker, Conduit of Ruin, World Breaker, Ulamog, the Ceaseless Hunger (und Dragonlord Atarka) bekämpfen dann die langsameren Decks über gierigen Kartenvorteil, Tempoplays vom Weltenbrecher und die Ulamoghaftigkeit von Ulamog. Je nach Gegner müssen hier die Rampkreaturen raus (zum Beispiel gegen Languish) oder auch weniger beeindruckende Einzelkarten. Atarka habe ich eingeklammert, da sie sehr gut, aber auch ganz schön mäßig sein kann, je nach genauem Aussehen des Gegnerdecks.

Bleibt noch die Frage nach alternativen Builds. Da sehe ich jede Menge Möglichkeiten. Zuerst wäre sicher der Splash einer weiteren Farbe zu nennen Schwarz (Silumgar) oder Weiß (Dromoka) liefern nicht nur sensationelle Dragonlords, sondern auch die dritte Farbe für ein vollständig gekicktes Radiant Flames. Dieses räumt offensichtlich mehr ab als Kozilek's Return, allerdings auch immer auf der eigenen Seite des Schlachtfelds. Grundsätzlich kann man an der Klopsverteilung sicher noch drehen. Vierte Atarka, erster Ulamog oder völlig andere Geräte – alles nachvollziehbar.

Eine weitere ganz spannende Möglichkeit sehe ich im Spielen von Nahiri, the Harbinger. Zwischen Dragonlord Atarka, Ulvenwald Hydra und Woodland Bellower sollte sich das Ultimate eigentlich immer lohnen und dass die Unheilsvorbotin auch ansonsten eine anständige Magic-Karte ist, sollte sich herumgesprochen haben. Allerdings müsste man die Manabasis komplett umbauen, weil die gegenwärtig einfach so überhaupt nicht auf zeitiges rotes, geschweige denn weißes Mana ausgelegt ist. Ein finaler Klops für den Heimweg ist übrigens dieser:


Wenn es Dragonlord Atarka als dermaßen dominante 7-Mana-Kreatur nicht gäbe, wäre das eine wirkliche Überlegung. Insbesondere in diesem Deck, wo es oft genug möglich sein sollte, direkt das Land nachzuspielen, um garantierten Value zu erzielen. Und so lange gibt es die Drachenfürsten ja nicht mehr im Format …

In diesem Sinne, euch eine schöne Woche!

Der MiDi




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