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Standard
Erayo's Essence
Der Werdegang von Erayo, Soratami Ascendant
von Wilhelm "Willy" Drutzel
30.08.2006

Der Kamigawa-Block zählt schon die Tage, welche ihm noch in Standard bleiben. Dann werden sich Kokusho, Yosei und die allseits beliebte Jitte in die weite Welt des Extended und darüber hinaus begeben und neue Decks werden ans Tageslicht kommen. Bekannte Karten werden in Erinnerung bleiben wie eine Pithing Needle, eine Ink-Eyes oder ein Gifts Ungiven, das den Weg ins Vintage schaffte. Andere wiederum wird man schwerlich vermissen: Wie selbstverständlich es doch war, den Kitsune Bonesetter im Limited weiterzureichen, oder Hall of the Bandit King, und was wären das für Kartenpreviews gewesen, die einst Takeno's Cavalry oder One with Nothing massivsten Nutzen zugesprochen hätten.

Den langen Weg in die Vergessenheit wäre auch beinahe eine Karte gegangen, hätte sie nicht auf der DM ihren Stempel aufgedrückt. Die Rede ist von Erayo, Soratami Ascendant.



Die Herkunft von Erayo

Einer der drei Rare-Zyklen von „Saviors of Kamigawa“ befasste sich mit dem Kamigawa-eigenen Flipkarten. Jeder Farbe wurde eine Legende zugesprochen, die einen Vorfahren des jene Farbe repräsentieren Kreaturentyps darstellte. Erfüllte sich eine gewisse Begebenheit, flippten diese Legenden in (ebenfalls legendäre) Verzauberungen, den so genannten Substanzen, welche massiven Einfluss auf das Spiel nahmen.

Rune-Tail, Kitsune Ascendant (weiß) flippte, wer dreißig oder Leben zusammenkriegte. Danach verhinderte die Substanz sämtlichen Kampfschaden auf Kreaturen, die man kontrollierte. Weil dreißig Leben nicht einfach zu erreichen sind, schaffte es Rune-Tail lediglich zu einem Precon-Auftritt.

Schon besser sah es bei Homura, Human Ascendant aus. Bekam man den 4/4 Mann, der nicht blocken konnte, in den Friedhof, kehrte er als Verzauberung wieder und powerte eigene Kreaturen mächtig auf.

Sasaya, Orochi Ascendant, versprach als Enchantment Unmengen von Mana, allerdings musste man eine Hand mit mindestens sieben Ländern offenbaren, und das konnte dauern.

Schließlich Kuon, Ogre Ascendant: Kamen drei Kreaturen in einem Zug in den Friedhof, flippte er und ließ jeden Spieler zu Beginn jeder Upkeep eine Kreatur opfern. Zu banal in seinem Effekt (immerhin konnte so etwas wie Kokusho auf der Gegenseite liegen) und mit drei schwarzen Mana auch zu sehr auf schwarz fixiert fand der Mann keinen Platz im Constructed.


Soweit nicht sehr berauschend – andere Flipkarten wie der Nezumi Graverobber oder der Nezumi Shortfang hatten sich da schon ihre Plätze im Constructed erobert.

Anders Erayo: Hier boten sich geradezu die Möglichkeiten an, den Vorfahren der Soratami zu flippen, versprach die „Substanz“ (man hätte das auch gleich mit Essenz übersetzen können) doch, den ersten gespielten Spruch jedes Gegners in jeder Runde automatisch zu countern. Man musste nur vier Spells in einer Runde zusammenkriegen. Zum damaligen Zeitpunkt, als der Mirrodinblock noch Teil des T2-Formats war, erschien das kein Problem. Zwangsläufig baute man Decks um die Karte herum, um den Spellcount schnell voll zu kriegen. Affinity war dafür wie geschaffen.


T2 - Der erste Anlauf

Im damaligen Standard war der Staub, den die Verbannung des Arcbound Ravager und Konsorten (Disciple of the Vault plus Artefaktländer) aufgewirbelt hat, schon lange wieder verflogen, und Tooth and Nail beherrschte die Szene, als der Saviors-Block dazukam. Da blieben für Erayo vorerst nur spärliche Auftritte in weniger optimalen Decks. Hier eine Version von Adrian Lau:
 
lands (18):
1Oboro, Palace in the Clouds
12Island
1Minamo, School at Water's Edge
4Blinkmoth Nexus

creatures (15):
3Steel Wall
4Erayo, Soratami Ascendant
4Ornithopter
4Myr Servitor

spells (27):
3Pithing Needle
2Umezawa's Jitte
2Æther Spellbomb
4Welding Jar
4Thoughtcast
4Serum Visions
4Paradise Mantle
4Cranial Plating

60 cards
creatures (1):
1Steel Wall

spells (14):
1Pithing Needle
2Umezawa's Jitte
2Æther Spellbomb
1Sensei's Divining Top
4Hibernation
4Defense Grid

15 cards
 
Mit Castingkosten von durchschnittlich 1,33 konnte man mit diesem bestenfalls als „niedlich“ zu bezeichnenden Deck recht flott Erayo zum Flippen bringen, dank Kartenzieher konnte man durchs Deck browsen und den blauen Vorfahren holen. Darüber hinaus aber erwiesen sich die Kreaturen als sehr schwachbrüstig im Nahkampf, falls man nicht noch eine Plating parat hatte. Im T2 hatte Erayo damals noch nicht so richtig Platz gefunden.

Die Nationals 2005, geprägt vom kanadischen Siegerdeck, den Viridian Rats, bescherten Erayo in Frankreich noch eine Top 8 Teilnahme in Yannick Lacroix' monoblauem Deck:
 
lands (18):
18Island

creatures (17):
4Thieving Magpie
4Erayo, Soratami Ascendant
2Kira, Great Glass-Spinner
3Trinket Mage
4Spire Golem

spells (25):
3Umezawa's Jitte
4Serum Visions
1Sensei's Divining Top
4Chrome Mox
3Mana Leak
3Condescend
2Annul
4Boomerang
1Pithing Needle

60 cards
spells (15):
3Hibernation
3Zur's Weirding
2Carry Away
1Pithing Needle
3Threads of Disloyalty
3Thunderstaff

15 cards
 
Generell verträgt sich Erayo mit billigen Spells wie den Chrome Moxen, Serum Visions oder auch mal ein günstiger Spire Golem. Im Tooth-And-Nail lastigen Umfeld des späten Mirrodin-T2 erwies sich ein geflippter Erayo schon als Auto-Win – vom Boseiju als möglichen Hoser musste man sich nicht abschrecken lassen. Gegen zu befürchtenden Spotremoval konnte dieses Deck neben Countern noch Kira auffahren.


Mit Erayo durch Kopenhagen

Und dann natürlich Extended: Dort blühte Erayo das erste Mal auf. Es schien klar, dass der Vorfahr sich am besten in Affinitydecks machen würde. Olivier Ruel erkannte dies und kam 2005 auf der Pro Tour Los Angeles unter die Top 16 (sein Bruder Antoine indes gewann das Turnier mit einem ‘Tog-Deck). Mit leichten Modifikationen schaffte er es zudem noch in die Top 8 beim Grand Prix in Kopenhagen:
 
lands (18):
4Blinkmoth Nexus
2Underground River
4Vault of Whispers
4Seat of the Synod
4Darksteel Citadel

creatures (21):
4Erayo, Soratami Ascendant
4Ornithopter
3Arcbound Ravager
4Arcbound Worker
4Frogmite
2Myr Enforcer

spells (21):
3Pithing Needle
3Talisman of Dominance
4Cranial Plating
2Scale of Chiss-Goria
3Chromatic Sphere
2Cabal Therapy
4Thoughtcast

60 cards
spells (15):
4Relic Barrier
2Darkblast
3Disrupt
4Engineered Plague
2Cabal Therapy

15 cards
 
Neben den üblichen (aufgrund des gebannten Disciple of the Vault aber eben nicht sämtlichen) Verdächtigen im Affinity-Deck kann Ruels “Go-Anan” getauftes Deck noch Erayo als lästigen Lock aufbauen. Das Problem ergibt sich, wenn der Gegner über Counterspells verfügt. Dann muss Ruel in den meisten Fällen seine vier Spells in seinem Zug zusammenkriegen und kann lediglich mittels der Spontanzauber simulierenden Scale of Chiss-Goria auf Unannehmlichkeiten antworten. Im Viertelfinale von Kopenhagen war deswegen auch gegen Wessel Oomens Schluss, dessen „Boros Deck Wins“ mit Kataki, War's Wage im Mainboard als Geißel der Affinitydecks ein sehr schlechtes Match-Up für Oliviers zugunsten von Erayo in Sachen Aggressivität gedrosselte Deck darstellte.



Zeit der Experimente

Nach diesen ein wenig in der Menge untergegangenen Auftritten von Erayo wurde es wieder still – Ravnica brachte neue Decktypen hervor, mit denen man eifrig nach neuen Decks to Beat suchte. Mit dem Auftreten von Dissension gesellte sich zur illustren Schar an Aggro-Decks in allen möglichen Farben (selbst monofarbene Decks tauchten in der bunten Welt des Ravnica-T2 auf) die Counter-Weenie hinzu, weißblaue Fliegerdecks mit Counter-Backup und damit nur schwer vorstellbar besser als die Boros-Varianten, welche ihre Gegner manchmal “einfach so” überrannten. Dennoch: Zwischen den billigen Fliegern fand Erayo in einem solchen Deck Platz.




 
lands (22):
6Island
1Minamo, School at Water's Edge
1Oboro, Palace in the Clouds
2Plains
3Ghost Quarter
4Hallowed Fountain
1Eiganjo Castle
4Adarkar Wastes

creatures (23):
3Azorius First-Wing
4Pride of the Clouds
4Erayo, Soratami Ascendant
4Lantern Kami
4Ninja of the Deep Hours
4Ornithopter

spells (15):
3Umezawa's Jitte
3Boomerang
1Orochi Hatchery
4Remand
4Repeal

60 cards
lands (1):
1Ghost Quarter

creatures (4):
2Sky Hussar
2Kami of Ancient Law

spells (10):
1Umezawa's Jitte
3Pithing Needle
3Spell Snare
3Threads of Disloyalty

15 cards
 
Obschon das oben aufgezeigte Deck so seine Schwachstellen hatte – die Hatchery im Mainboard etwa – verriet es bereits einige Komponente jener unheiligen Liaison, welche später die Deutsche Meisterschaft einfahren würde: Repeal und Ornithopter als Ein-Mana-Kartenzieher und gleichzeitig drei Spells zum Count hinzu zu fügen, das passt perfekt in den Masterplan von Erayo. Um dem Ornithopter noch mehr Sinn zuzusprechen fungiert er noch als Ninjutsu-Gehilfe des Ninja of The Deep Hours.




T2 – Die Kür

In der Heimatstadt des Artikelschreibers platzte dann, wie aus heiterem Himmel, die Erayo-Bombe. In den Nationals anderer Nationen hatte sich zuvor das allgegenwärtige Solar Flare größtenteils durchgesetzt, hier im Nizza Bayerns jedoch setzte sich Maximilian Bracht mit Ninja-Erayo durch. Kaum hatte er die deutsche Meisterschaft über Amiel Tenenbaum (Vore, 3-0 für Bracht) eingefahren, ging sein Deck um die große weite Welt (wohl auch wegen der außerordentlich flotten Coverage ), wie es dieses Video hier beweist.


Eine Deckliste darf natürlich auch nicht fehlen:



 
lands (20):
4Breeding Pool
4Yavimaya Coast
1Okina, Temple to the Grandfathers
1Oboro, Palace in the Clouds
1Minamo, School at Water's Edge
6Island
3Forest

creatures (19):
3Higure, the Still Wind
4Ninja of the Deep Hours
4Erayo, Soratami Ascendant
4Birds of Paradise
4Ornithopter

spells (21):
4Repeal
4Sleight of Hand
2Boomerang
4Mana Leak
4Remand
3Disrupting Shoal

60 cards
creatures (4):
4Carven Caryatid

spells (11):
1Disrupting Shoal
4Umezawa's Jitte
4Threads of Disloyalty
2Voidslime

15 cards
 
Angesichts der oben erwähnten Combo Ornithopter plus Repeal und Erayo kann man verstehen, warum Maximilian Bracht sämtliche langsamen Controldecks als Byes bezeichnet, wenn er mit seinen Ninjas gegenüber sitzt. Wildfire, Yosei, Debtor's Knell - die Liste von das T2 prägenden Karten, welche wegen Erayo nicht mehr so recht funktionieren, ist lang. Antworten auf den nervigen Lock gibt es zwar mit Repeal, Boseiju oder dem breit gefächerten Enchantment-Removal (mit Naturalize und Mortify als bekannteste Vertreter), doch die aufgezwungene Verlangsamung des eigenen Decks nebst unvorteilhaften Tausch sind beinahe nicht mehr wieder gut zu machen.

Gegen Aggrodecks hilft ein sehr solider Sideboardplan, ansonsten verblüfft Brachts Deck durch seine Vielzahl an Synergien, selbst der Schlafanzug-Ninja höchstpersönlich, Higure, bis dahin eher als Rare im Tauschordner vergammelnd, hat hier seinen verdienten Platz. Disrupting Shoal tritt ebenfalls aus dem Schatten seines schwarzen (Sickening) und seines weißen (Shining) Bruders, wohl auch wegen des Wordings: Man kann (anders als etwa den altehrwürdigen Spell Blast) den Shoal zum Nulltarif spielen und einen Spell zum Countern anzielen, ohne ihn tatsächlich zu neutralisieren. Sieht man davon ab, dass der Shoal ein Notgroschen im Deck als Counter ist, trägt er zum Spellcount seinen feinen Beitrag bei (etwa als Antwort auf alle möglichen Spells, welche Erayo ans Leder wollen).


Während sich der Ninja of the Deep Hours nach 2005 (damals siegte Hannes Scholz mit einer blaugrünen Aggro-Version) mit der zweiten deutschen Meisterschaft brüsten darf, tritt Erayo in Deutschland zum ersten Mal ins Rampenlicht. Bleibt abzuwarten, was die Zukunft bringt – Time Spiral kündigt sich an und wird Erayo ins Extended und in die Vintageformate drängen. Derzeit lohnt sich noch, über Mishra's Bauble und dem Potential mit Erayo (respektive dem mächtigen Repeal) nachzudenken.

2007 kündigt sich die Extended Pro Tour in Valencia an, datiert auf den 14. Oktober kommenden Jahres. Mal schauen, ob sich Erayo neben Pithing Needle als erinnerungswürdigste Karte aus Saviors of Kamigawa in diesem Format behaupten kann.
Suddenly, Ninjas, hundreds of them…


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