Manuels eMail ist es wert, zum Einstieg zitiert zu werden:
Letztes Mal wart ihr die Langsamen, diesmal komm ich noch kurz vor Redaktionsschluss mit halb zugeknöpfter Hose und Augen, die von einem ungesunden Koffeeingenuss zeugen, in die Konferenz gerannt, um euch unter einem durchaus schon als bedrohlich einzustufenden heiseren Keuchen den geforderten Artikel in zerfledderten Stapeln auf den Tisch zu pfeffern.
Hallo liebe Leser!
Mit Kolumnen ist das so eine Sache. Sie schreiben sich entweder von selbst, oder man muss sich fast quälen, überhaupt einen anständigen deutschen Satz aus den Bits zu formen. Heute eher letzteres. Wieso erreicht mich die Sinnkrise bereits beider zweiten Ausgabe? Sogar James Dean hat da mehr erreicht, rein quantitativ gesehen. Der Druck ist groß in den Printmedien. Ich meine, es gibt viele, sehr viele Schreiber, die lustiger, kompetenter, erfolgreicher, ausdauernder oder vielseitiger sind als ich. Die meisten machen das Ganze dann auch schon Jahre, wenn nicht noch länger. Woher nehme ich mir nun also meine Legitimation?
Wie wäre es mit einem Publikumsjoker?
Ich versuche mal ein kleines Experiment, damit dieses kleine Start-Up-Ding auch für die Ausländer unter euch (= keine Angehörige des Königreiches Württemberg-Hohenzollern oder des Badischen Molochs) nicht schneller das Interesse verlieren als eine Sechzehnjährige die Unschuld. Ich versuche jede Woche entweder ein von euch vorgeschlagenes Thema in den Inhalt zu verflechten, oder gehe auf einen besonderen Aspekt des Turniers ein. Andersrum werde ich aber auch einige kleine Fragen stellen, denen ihr euch dann in den Kommentaren gefälligst Aufmerksamkeit schenkt!
Problem dabei: Ihr seid gefordert. Denn wenn ihr mich hängen lasst, dann lass ich euch auch hängen, bildlich gesprochen. No Pain, No Gain. Also zur Sache: Die heutige Agenda umfasst die totalen Basics:
Wie soll diese Kolumne verflucht noch mal heißen???
Der Hanno hat ja „Geschichten aus Reutlingen“ vorgeschlagen, was für mich aber irgendwie nach der Heimatfilm-Version von „Geschichten aus der Gruft“ klingt. Ich war ja für „How to blow it in three easy steps“, aber das wurde mir von meiner Mutter verboten. Grausame Welt…
Aber nicht lang rumgeschnackt: Der Bericht.
Runde 1: No-Name Player, mit dem Bye
Tja, guter Start eigentlich. So hab ich viel mehr Zeit die anderen Plays zu sehen. Ein kurzer Anriss:
- An einem Tisch ist die Boardsituation drei Savannah Lions und ein Ronom Unicorn gegen fünf Schneebedeckte Gebirge. Nach dem Angriff hat der Rotspieler noch 6 Leben. Ich dreh mich kurz weg, um etwas zu trinken, dreh mich wieder hin und sehe acht mountainwalkende 2/2 Token angreifen. Go figure…
- Turn 3 ein 8/8-Trampler ist gut. Besser ist es, in Turn 4 noch Stonewood Invocation draufzuspielen. Famous last words: „Ich hab hier zwei Wrath, drei Fetters und zwei Counterspells… und der klopft mich mit Kreaturen!“
- Ein Match zwischen IzzeTron und U/W-Control (ohne Tron) geht in die Extrazüge. Es läuft darauf hinaus, dass der Rotspieler das Demonfire topdecken muss und alles ist vorbei; der U/W-Spieler sieht wie der große Verlierer aus. Dann kommt end of turn ein Teferi vom U/W, der Tronspieler muss resolven lassen. Gemurmel macht sich breit und dann kommts: Eye of the Storm! Innerhalb von Millisekunden hat jeder seine eigene Meinung gebildet und eine Kakophonie aus dutzenden Magicspielern verfällt in einen Fluss:
„Da kannsch nix mehr spielen, des wird alles removed“ – „Aber auf dem Auge steht doch was von copy, das sind keine spells“ – „Ich hab das im Internet gelesen, das geht so“ – „Also, da is ne triggered ability, die sagt, dass alle spells da drunter kommen, und da der Teferi sagt… wie ist das genaue wording noch mal?“ – „Ey, kannisch jetz keine spells mehr spielen oder was?“ – „Dochdoch, Kreaturen halt noch“ – „Ja was los hier, macht ihr jetzt das Draw?“ – „Was macht Eye of the Storm überhaupt??“ – „Ey, haltet halt mal die Schnauze“ – „Ja, der kann keine Spells mehr spielen“ – „Wieso?“ – „Der irgendsone Karte gespielt, Alda“ – „Was macht die?“ – „Ähm, also ich zock jetzt hundertmal Rewind, Think Twice, Teachings und Careful Consideration auf dich und deck dich damit“ – „Ey, lass die Karte noch mal lesen“ – „Ist ein Judge anwesend?“ – „Ja, aber ich hab auch keine Ahnung“ – „Ähm… also… du müsstest jetzt 4 ziehen und dann 3 abwerfen…“ – „Jetz hör mal auf zu labern, ich hab nen Demonfire gezogen!“– „Aber das bringt doch nix, Alter“ - „Alter, weißt du was die Karte macht?“ – „Wer geht mir eine rauchen?“ – „Hab ich gewonnen?“ – „Ey deine Mudda vielleicht!“ – „Mir reicht es jetzt mit euch Spasten, ich trag nen 2-1 ein!“
Es war einfach nur schön.
Runde 2: Dennis Kübler, mit U/G Scryb'n'Graft
Hm. Eigentlich wollten wir uns das fürs Finale aufheben, aber da stehen wir nun mal und können nicht anders. Im Ersten braucht er etwas länger, um eine Offensive aufzubauen, also kann ich ihn mit Gegenzaubern aufhalten und mit dem Wrath den Tisch leerhalten. Da er aber mehrere Call of the Herd zieht, komm ich nie wirklich aus der Defensive raus, kann aber dann mit 1.000.000 Mana endlich zuerst Teferi, dann Teachings und infolge dessen dann das Spell Burst/Triskelavus-Lock resolven. Gegen seine Offensive tausche ich dann immer sein Board gegen meinen Drawstep, und als der Tank dann endlich leer ist, hauen ihn mehrere Triskelavites tot.
Im Zweiten legt er extrem schnell los mit Elf, Scryb Ranger, Spectral Force. Ich hab den Wrath und baue meine Defensive mit ein paar Researchs auf. Es tut sich eine Weile nix, und als er Spectral Force versucht, habe ich Draining Whelk.
2-0; 2-0
Runde 3: Dario Di Donato mit TMWA 2K7
Eine Kurze Vorgeschichte: Dario ist der Herr über die Gebirge. Eine Art kleiner Dan Paskins, wenn man so will. Big Red, Boros Deck Wins, Mono-Red Beatdown, Henke-Burn und jetzt also Mono-Rote Goblin-Combo [TMWA heißt The Mountains Win Again, für alle, die's nicht wissen –H.].
Wir schwelgen noch kurz in Erinnerungen und er bindet mir nochmals auf die Nase, wie er mich das letzte Mal besiegen konnte. Ich spielte Annex Wildfire, legte los mit einem Haufen Signets und spielte Turn 4 mein Wildfire. Also machte er in seinem dritten Zug Blood Moon, und danach Shattering Spree mit dreimal Replicate. Nice Play. Aber heute waren die Spiele irgendwie… anders…
Er legt gegen mich zwar einen frühen Blood Moon und ein paar Goblins, aber ich habe ein paar Signets und den Wrath. Danach spielen wir beide ungelogen 10 Runden Land-Go, weil er nur Länder und Rituale zieht, und ich nur Länder und unnütze Mana Leaks. Er macht dann Mogg War Marshal, ich lege Fetters drauf anstatt zu discarden, er macht Empty für viele Token, ich Zorn Gottes und hab ihn dann im Spell-Burst-Lock. Auf Magic Online wäre jetzt der Shuffler schuld.
Spiel 2 geht auch den gewohnten Weg: Er hat die Combo eher spät und nur für 6 Token, also kann ich mit Triskelavus Gegenwehr aufbauen und gegen gefühlte hundert Karten und Token tauschen. Als das Board leer ist und ich auf 24 Mana sitze, reveale ich das Teachings für Spell Burst und habe gewonnen. Das war dermaßen langweilig, wie sich zwei dermaßen schlechte Draws gegenseitig unterbieten, ich war froh dass es endlich vorbei war! Dario wünscht mir Glück im Finale, und ich verspreche ihm, dass er Dritter wird.
3-0; 4-0
Runde 4: Martin Helbig mit TriskeTron Mirror Match
Mir bleibt auch nix erspart heute… Aber auch hier geht's entsprechend schnell: Es geht eine Weile hin und her, beide können ein paar Drawspells durchbringen, irgendwann legt er Teferi und ich bekomm ihn nicht weg. Tot. Im Zweiten kann ich ihn mit Remand und Annex klein halten und hab irgendwann einen so großen Manavorteil, dass er aufgibt. Im Dritten muss ich nach einem Mulligan eine Hand mit einem Land, drei Signets und 2 Compulsive Research halten, die sich natürlich nicht großartig weiterentwickelt. Er bietet mir einen Draw an (wir hatten vorher einen Split ausgemacht) und ich wische mir den Schweiß von der Stirn.
3-0-1; 5-1-1
Erster Platz und Primus inter pares: Martin Helbig mit TriskeTron [3-0-1]
Diesmal will ich es mir nicht nehmen lassen, ein oder zwei Zeilen zu dem Deck zu verfassen. Gut, große Kritik kann man der Liste nicht anlasten, ich finde allerdings den Moat im Board irgendwie… deplaziert. Ist der gut gegen Mono-Grün? Oder gegen Boros (kann ich mir nicht vorstellen)? Allerdings wird damit ein schöner Bogen geschlagen zu DEM Deck. Das hat auch den Moat gespielt, wenn auch Maindeck… Überhaupt sind da viele Parallelen drin, aber bevor ich abschweife, könnte man auch erwähnen, dass der Moat wahrscheinlich nur die allerletzte, hastig geschnorrte fünfzehnte Karte ist und somit den Vorzug vor dem Basic Swamp bekommen hat. Und so zerkrümelt der Keks nun mal.
Zweiter Platz: Manuel Mayer mit TriskeTron (wie überaus Originell…) [3-0-1]
Ja, ganz schlimme Deckliste eigentlich, da müssen mehr Spell Burst rein und weniger Karten, die gar nix machen. Ich hatte halt Angst vor den Elefantenhorden, obwohl ich mit dem Sideboard ausnahmsweise zufrieden bin. Gönnt mir meine fünf Minuten Ruhm!
Dritter Platz: Dario Di Donato mit The Mountains Win Again 2k7 [3-1]
[Seufz... hier sind natürlich alle 20 Moutains Snow-Covered... blödes Script. –H.]
Das Island steht für eine mir unbekannte SB-Karte. Nicht das der Dario jemals mit Basic Islands gespielt hätte, oh nein, Sir! Ich muss schon sagen, wenn irgendein Deck meinen Respekt verdient, dann das. Über den Dario muss man aber auch sagen, dass er eigentlich nur mit den roten Ländern im Deck was gewinnen kann. Ist wie Samson mit seinen Haaren. Er hat sich sogar noch die Mühe gemacht, zwanzig(!) verschiedene Goblin-Tokens selbst zu zeichnen(!!). Talk about dedication…
Der Royal Flush geht übrigens so: Mountain, Rite of Flame, Rite of Flame, Seething Song, Seething Song, Goblin King, Empty the Warrens. Oder so: Mountain, Rite of Flame, Rite of Flame, Rite of Flame, Song, Empty the Warrens und dann Empty gleich nochmal. Ist natürlich so wahrscheinlich wie eine funktionierende Brigitte-Diät, aber man kann ja träumen…
(Cue-in: „La Boom“ – Titelmelodie)
…
Dreeeeeeams are maaaaaaaaai realitiiiiiiiiiiiii…
…
Wo war ich? Ach ja…
Vierter Platz: Uwe Stroinski mit NRB (No Required Brains), oder wie ich es nennen würde: “Nice Rack, B****” [3-1]
Ok, das Prinzip des Discard-Rack-Archetypen habe ich verstanden, aber ich hätte da, cool wie Columbo, doch noch eine Frage: Orzhov Pontiff? Ok, wenn man ein wirklich gutes Gespür oder das dritte Auge hat, ist das 'ne ganz gute Karte gegen den dritten Platz (was aber auch nix geholfen hat), aber ansonsten scheinen mir die Anwendungsmöglichkeiten stark begrenzt: „Orzhov Pontiff, +1/+1, Angriff für… vier.“ Nice Play. Also nehmen wir ihn als reinen, puren Removalspell, vermutlich gedacht gegen Boros. Ich gebe zu, das ist clever: Erst die Priests und Löwen und Gesockse vom Tisch fegen, und dann noch die Solifuge mit Removal auf die eigene Kreatur umboxen.
Auch nicht ganz klar sind mir die fünf 4cc-Discarder nach dem Boarden. Ob die so gut mit 20 Ländern und 4 Smallpox sind? Vor allem Nightmare Void fällt da auf. Und wenn wir schon beim Meckern sind: Jötun Grunt aunomma. DEN find ich jetzt aber wieder ziemlich gut, leider eher im Extended, mit den vielen Fetchländern, wo der Friedhof bei 40% der Decks einen Einfluss hat, also der Nachteil noch zum Vorteil gereicht. Aber so ist der doch eher für das späte Spiel gut, also doch wohl kein 4-of, oder? Aber trotz allem unqualifizierten Bashens: Großes Tennis, das Deck. Total konsequent und humorlos durchgezogenes Konzept, I like.
Danach wurde noch mal gedraftet, zweimal Planar Chaos und einmal Time Spiral. Um den Draft hülle ich den Mantel des Schweigens, weil ich es wohl verbauert habe. Wieder U/B gewesen mit 9+ Removal und noch ein paar ganz guten Karten, aber ich habe mich einfach brutal verhauen lassen. Im letzten Spiel übersehe ich dann noch, das die Melancholie die zu verzaubernde Kreatur auch noch gleich mittappt, und lege lieber die Null Profusion. Mein Gegner hat einen von den vier Wistful Thinkings aus seinem Maindeck und ich bin tot, weil ich auf dem Board im Hintertreffen bin. Ist schon eine Weile her, dass ich 1-3 gedraftet habe – und mir dann hinterher noch die bitteren Kommentare anhören musste: „Naja, dann wohl wieder kein Draft gefeatured, weil sich der Herr Autor ja dringend frisieren muss!“ Ja, ja. Getroffene Hunde und so. Nächstes Mal, Indianerehrenwort!
Also, bevor ich euch in den wohlverdienten Feierabend entlasse (oder was auch immer ihr vorhabt), wiederhole ich noch einmal die Hausaufgaben:
Wie soll diese Kolumne verflucht noch mal heißen???
Welches Thema interessiert euch brennend, über das noch nix erzählt wurde???
Antwortet in den Kommentaren, schreibt mir eine Mail, oder einen Brief, schickt mir Rauchzeichen oder bewaffnete Schläger, komuniziert telepathisch mit mir, macht was ihr wollt, nur sagt irgendwas. Damit wäre alles gesagt, alle Getränke ausgetrunken, alle Kalauer gerissen und alle Frauen… angelächelt. Ich verabscheue mich, und bis in ein paar Wochen wieder.
Manuel Mayer
Mmayer01 at web dot de
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