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Eternal
Das Metaproblem
von Pascal Baatz
10.03.2009

[Anm. d. Red.: Dieser Artikel entstand natürlich bereits vor dem Grand Prix in Chicago. Falls ihr denkt, der verändert die hier angesprochene Problematik – dann erklärt im Forum wie!]

In den letzten Jahren erfreut sich das Legacyformat immer größerer Beliebtheit, was unter anderem auf den riesigen Kartenpool zurückzuführen ist, der zu einem weiten offenen Metagame führt. Selbst etablierte Decks wie Threshold oder Landstill haben so viele Möglichkeiten bestimmte nicht festgelegte Slots zu besetzen, dass komplett gleiche Decklisten nur noch ein Phänomen innerhalb von Teams und Think-Tanks sind oder auf gedankenloses Netdecken zurückzuführen ist. So liegt also der Reiz des Formates in den vielen Möglichkeiten und Interaktionen zwischen alten und neuen Karten sowie den daraus resultierenden schier endlosen möglichen Decks, die einem auf Turnieren begegnen können.

Die Vielfalt des Legacyformates führt allerdings auch zu Problemen, über die ich heute sprechen möchte. Je größer die Legacyszene und je größer der Kartenpool durch neue Erweiterungen wird, desto größer wird auch die Anzahl verschiedener Decks. Diese Entwicklung führt seit einiger Zeit zu einer immer stärkeren Konzentration ganz bestimmter Decktypen auf der einen Seite und zur Zerfaserung des Metagame auf der anderen. Wie sich das konkret äußert und was das für das Legacy-Metagame bedeutet, soll im Folgenden geklärt werden. Zu guter Letzt schauen wir uns an welche Probleme, aber auch Chancen sich dadurch bei der Deckwahl ergeben.

Fallbeispiele

Zwecks Metagameanalyse greift man im Standard- aber auch im Extendedformat gerne auf Statistiken über Decktypen zurück. Da solche Informationen bei Legacyturnieren leider immer noch rar sind, habe ich solche Statistiken aus nicht mehr ganz frischen Daten der regelmäßigen Turniere in Iserlohn und Hassloch erstellt. Da es sich jeweils nur um ein Turnier handelt, sind die Daten bezüglich des Metagames mit Vorsicht zu genießen, aber darum geht es hierbei ja auch gar nicht. Vielmehr sollen die Probleme der Kategorisierung und Vorhersage transparent gemacht werden. Die hier angewendeten Methoden könnt ihr dann ja hoffentlich selbst bei aktuellen Daten anwenden.

Legacyturnier Iserlohn am 4. Januar 2009 – 70 Spieler – Quelle: IS-Magic

(Graue Kästchen stehen für Anteile am Gesamtfeld, blaue für Top-8-Platzierungen.)

Threshold
Goyfsligh
Ichorid
Landstill
Staxx
Dragonstompy
Fish
The Rock
Affinity
Loam
ANT
Baseruption
Death & Taxes
Dreadstill
Enchantress
Faeries
Goblins
Mono Blue Control
Zoo
Intuition-Control
Deadguy Ale
Eva Green
FaerieStompy
Meathooks
Merfolk
Solidarity
Survival
Team America
Rogue

Jeder Decktyp der sich ansatzweise zusammenfassen lässt und mehr oder weniger bekannt ist (bzw. erfolgreich war/ist) hat eine eigene Tabellenspalte bekommen. Alles was nicht oder noch nicht in diese Kategorie fällt, habe ich unter Rogue zusammengefasst. Was fällt bei dieser Tabelle auf?

Nun zunächst einmal gibt es keinen klaren Metagame-Faktor. Nur Threshold knackt die magere 10%-Marke und Goyfsligh scheint mit zwar nur vier Decks, aber zwei Top-8-Slots ein gutes Deck zu sein. Wenn man sich die Top 8 insgesamt ansieht, ist diese aber insgesamt so weit verstreut, dass man schwer etwas über das sonstige Feld an den oberen Tischen sagen kann.

Ein anderes Problem an dieser Statistik ist die Zusammenfassung im Vorfeld. In anderen Formaten gibt es zwar auch Abweichungen z.B. zwischen den einzelnen Faeriedecks, aber in Legacy fällt dies zum Teil viel drastischer. Nehmen wir Threshold das angeblich der einzige quantitative Hinweis auf das Metagame ist. Von den neun Decks waren vier UGw mit Counterbalance, vier UGr mit Wasteland und Stifle und ein UGr unbekannter Konfiguration.


Welche Farbe gesplasht wurde, ist erst mal nicht so ausschlagegebend. – Der große Unterschied besteht zwischen Counterbalance/Top gegenüber Wasteland/Stifle. Zwar gleichen sich die Decks bei vielen Karten, aber der Plan, den man mit dem jeweiligen Deck verfolgt, ist ganz anders und auch die Matchups gegen bestimmte Decks weichen stark voneinander ab. Ist der Counterbalance-Lock gegen Goblins recht nutzlos, sind Lightning Bolt, Fire // Ice und Stifle die Gründe für ein positives Matchup gegen die grüne Horde für Ugr-Tempo-Threshold. Eigentlich müsste man allein aus diesem Grund aus dem einen Eintrag mindestens zwei machen.

Schaut man sich nun die Top-8-Liste an gerät man vollends durcheinander. Keine Nimble Mongoose, aber Jace Beleren und Rafiq of the Many. Dieses Deck von Linus Neitzke ist zwar lokal bekannt (siehe Turnierbericht vom Dezember 2008), geht aber nichtsdestotrotz schon über Threshold hinaus und ist eher als UGW-Aggrocontrol zu bezeichnen. Threshold ist sicherlich eines der vielfältigsten Decks, doch die Abgrenzungen zwischen verschiedenen Ausprägungen eines Archetyps macht im Falle der obigen Statistik auch bei Fish (zwei Listen spielten mit Dreadnought/Stifle) oder Landstill (ein UGB-Gifts Ungiven-Deck) Sinn. So zerfasert sich die für Metagamevorhersagen ohnehin schon problematische Tabelle immer weiter und wird fast unbrauchbar. Welchen Nutzen man dennoch aus den vorliegenden Daten ziehen kann, erkläre ich im letzten Teil des Artikels.

Das zweite Turnier das ich statistisch ausgewertet habe, zeigt einen ganz anderen Trend und soll das zweite Problem des Formates verdeutlichen:

Legacyturnier Hassloch am 15. Februar 2009 – 35 Spieler – Quelle: MTGtheSource

Threshold
Loam
Affinity
Landstill
Pox
The Rock
ANT
Intuition-Control*
Elves
Death & Taxes
Fish
Goblins
Sligh
Staxx
TES
Zoo
Rogue (Top 8: Pandaburst)

*Dieses Deck war in der Quelle als Threshold vermerkt. Ich habe es jedoch wie auch in der vorherigen Statistik als eigenständigen Archetyp aufgelistet.

Hier macht Threshold nicht nur 28,57% des Feldes aus, sondern noch satte 50% der Top 8. Auch hinsichtlich der geringen Anzahl anderer Decks gleichen Archetyps ist ein ganz klarer Metatrend festzustellen. Zwar habe ich keine genauen Angaben darüber, wie sich die Zahl der Thresholddecks aufschlüsselt, doch es scheinen überwiegend Counterbalance/Top-Konfigurationen gewesen zu sein und in der Top 8 finden sich auch nur solche Decks. Hier sehen wir also die angesprochene Konzentration auf eine bestimmte Strategie. Threshold gehört zum Urgestein des Formates und hat mit Counterbalance/Top noch an Stärke gewonnen, doch der Grund für die Stärke des Decks ist auch im Format selber begründet. Threshold ist ein extrem flexibles Deck, das sich auf die allermeisten Strategien einstellen kann, ob nun Tier 1 oder Rogue. Ähnlich verhält es sich mit Landstill, das sehr robust gegen die Mehrzahl an Strategien in Legacy ist, aber u.a. wegen fehlender Counterbalance manche Ansätze wie z.B. Loam schlechter stoppen kann als Threshold.

Obwohl ein ganz klarer Trend aus der Statistik zu lesen ist, zeigt sich auch hier wieder das Problem unüberblickbarer und damit unvorhersehbarer Vielfalt. Pandaburst ist sicherlich nicht ein Deck, das man in einer Legacy-Top-8 erwartet, es ist nicht mal ein Deck das man überhaupt erwarten würde!


Dennoch hat es ein sehr solides Lategame gegen Threshold und mit sieben Moon-Effekten im Sideboard auch eine gute Waffe gegen die fragile Manabasis so mancher Decks. Vor allem betreten Manaelfen den Tisch, bevor Counterbalance gespielt wird, und helfen mit den Schwergewichten, die locker an jeder Counterbalance vorbeigehen. Das Deck hier anzutreffen, ist also überraschend, keine Frage, aber nicht unerklärlich. Ähnlich verhält es sich übrigens mit Planeswalker-Decks, die in Iserlohn gute Ergebnisse einfahren. Damit kommen wir auch direkt zu den Auswirkungen der beiden dargelegten Problematiken der Zerfaserung auf der einen und der Konzentration auf der anderen Seite.

Was bedeutet das für mich?

Wenn wir davon ausgehen, das die eigene Deckwahl eher durch ein bestimmtes Metagame vorgegeben werden soll als durch Kartenverfügbarkeit, dann stellen einen beide vorgestellten Turnierumgebungen vor Probleme. Egal welches Deck man wählt, man kann in einem offenen Meta weder mit seinen guten Matchups rechnen noch müsste man allerdings seine schlechten Matchups übermäßig fürchten. Also sollte ein Deck gewählt werden, dessen Matchups relativ ausgewogen sind. Doch wie stellt man das fest, wenn ein Format wie Legacy eben nicht nur vier bis fünf häufige Decks aufweist?
Manchmal muss man einen Schritt zurücktreten, um das große Gesamtbild sehen zu können...

Hier ist es sinnvoll auf die ürsprünglichen Archetypen zurückzufallen: Aggro, Kontrolle und Kombo. Dazu kommt noch die Hybridform Aggrokontrolle, wozu z.B. Threshold aber auch The Rock zählt. Da allein diese beiden Beispele schon sehr unterschiedlich sind, kann man hierbei noch einmal zwischen blaubasierter und anderen Formen von Aggrokontrolle unterscheiden. Zuletzt kommt noch Prison, wie z.B. GeddonStaxx hinzu.

Schauen wir uns das Iserlohner Turnier also noch einmal an:

Aggrokontrolle (blau)
Kontrolle
Aggro
Aggrokontrolle (andere)
Kombo
Prison

Zwar verliert man mit dieser Klassifizierung eine Menge wichtiger Daten, kann aber schon einfacher bestimmte Schwerpunkte feststellen. Aggrodecks scheinen wirklich eine gute Wahl zu sein. Zum einen sind wenige Kombodecks gespielt worden und pure Kontrolldecks waren auch nicht übermäßig vertreten. In den richtigen Farben hat man zudem gute Möglichkeiten gegen die große Anzahl blaubasiereter Aggrokontrolldecks vorzugehen, z.B. durch Choke, Moon-Effekte und Red Elemental Blast. Schlüsselt man die zehn Aggrodecks wieder auf, findet man auch prompt hohe Rot- und Grünanteile.

Ist der Kartenpool doch überschaubar, wie es wohl bei vielen Lesern der Fall sein wird, dann kann man zumindest ermitteln, wie die Matchups gegen Archetypen generell sind, und entsprechend der Tendenzen (eher gut/eher schlecht) und den Daten Schwerpunkte z.B. im Sideboard setzen. Dennoch sollte man in einem offenen Meta eher von spezialisierten Karten Abstand nehmen und verschiedenen flexiblen Karten den Vorzug geben, auch wenn sie vielleicht schwächer wirken. Anstatt drei Krosan Grip machen vielleicht zwei Grip und zwei Pithing Needle in bestimmten Sideboards mehr Sinn, auch wenn diese Aufteilung einen Slot mehr wegnimmt.

Aggrokontrolle (blau)
Kontrolle
Aggro
Aggrokontrolle (andere)
Kombo
Prison

Wie bereits die detailliertere Tabelle des Hassloch-Turniers gezeigt hat, ist blaubasierte Aggrokontrolle dominierend und auch hier schneidet Aggro noch relativ gut ab. Bei einer solchen Konzentration ist es durchaus angebracht, Hatekarten im Maindeck zu spielen. Das muss nicht direkt Choke sein, obwohl ein Choke und ein Enlightened Tutor (mit mehr Zielen als nur ein Choke natürlich) in Decks wie The Rock sicherlich möglich wären. Der hohe Anteil an Counterbalance lässt Krosan Grip main z.B. recht attraktiv erscheinen. Spielt man sowieso schon Red Elemental Blast/Pyroblast im Sideboard, kann man hier sicherlich noch um weitere Kopien aufstocken, usw.

Schließlich bleibt noch die Wahl ein Deck zu spielen, das beide Parts der Aggrokontrollstrategie überfordert wie z.B. Pandaburst oder Planeswalker. Mit spezialisierten Roguedecks besteht zwar die Gefahr, das sich das Meta bereits wieder gewandelt hat oder dass man doch nur gegen andere Decks gelost wird, aber die Chance, mehrere gute Matchups zu bekommen, ist recht annehmbar und den Überraschungseffekt muss man zumindest beim ersten Turnier mit solchen Decks immer miteinbeziehen.

Eine andere Möglichkeit der Deckwahl ist natürlich, einfach auf den Zug aufzuspringen und das beste Deck zu spielen. Auch hier gilt, dass man ggf. schon Maindeck-Karten spielen sollte, die das Mirrormatch brechen. So spielte z.B. Bernhard Klinger, der Gewinner des GPT Chicago in Utrecht drei Crucible of Worlds verteilt auf Maindeck und Sideboard seines Dreadstilldecks, um das Matchup gegen andere Kontrolldecks zu verbessern. Einmal macht die Karte in Matchups, in denen man sie nicht sehen will, keinen Unterschied und in Kontrollmirrors zieht man sie, da jene Spiele häufig länger dauern.

Trotz all dieser Strategien der Deckwahl und des Decktunings bleibt das Metagame insgesamt unübersichtlich. Denn auch wenn es einen klaren Trend gibt, ist der Rest des Feldes sehr unterschiedlich. Ein Problem, das sich leider mit jeder weiteren Edition, die herauskommt, noch verstärken wird.

„Blogacy“
Pascal Baatz
TS Crew




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