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No Country for Old Men
von Michael Diezel
02.12.2009

In den letzten Tagen und Wochen konnten wir uns alle davon überzeugen, dass das aktuelle Standardformat von bestimmten Einzelkarten beherrscht wird, welche dermaßen übermächtig sind, dass sich die Suche nach Synergien zwischen schwächeren Karten weitestgehend erübrigt.

Beim Deckbau landet man immer wieder bei denselben Karten, selbst wenn man noch so sehr versucht, diese zu vermeiden. Wozu auch A und B spielen, die gemeinsam ähnlich gut sind wie C und D, alleine aber unendlich schlechter?

Damit ich trotzdem über etwas schreiben kann, müssen die Decks eben noch ein wenig ausgefallener sein. Einzig mit einer vergleichsweise extremen Idee kommt man weg von den üblichen Verdächtigen.

Problem bei der ganzen Sache ist nur, dass es leider gar nicht so einfach ist, ein Deck aus dem Hut zu zaubern, welches a) nicht aussieht wie eine reine Ansammlung der stärksten Karten der jeweiligen Farben und b) einen ordentlichen Teil seiner Spiele gewinnt. Zur Veranschaulichung (und zu Eurem Amüsement) hier ein paar Beispiele von entsprechenden Experimenten – doch seid gewarnt: nicht zum Nachbau empfohlen!




4 Glacial Fortress
4 Sejiri Refuge
3 Gargoyle Castle
8 Plains
6 Island

2 Iona, Shield of Emeria

4 Elspeth, Knight-Errant
4 Ponder
4 Path to Exile
4 Day of Judgment
4 Polymorph
4 Negate
4 Conqueror's Pledge
3 Martial Coup
2 Summoner's Bane

Sideboard:
4 Pitfall Trap
3 Jace Beleren
4 Flashfreeze
4 Baneslayer Angel
4 Forest
8 Mountain
4 Teetering Peaks
4 Rootbound Crag
4 Savage Lands

4 Goblin Bushwhacker
4 Goblin Guide
4 Warren Instigator
4 Viashino Slaughtermaster
4 Goblin Chieftain
3 Siege-Gang Commander

3 Burst Lightning
3 Sarkhan Vol
3 Colossal Might
4 Lightning Bolt

Sideboard:
1 Might of Oaks
4 Mark of Mutiny
2 Banefire
4 Goblin Ruinblaster
4 Goblin Assault
4 Sejiri Refuge
4 Glacial Fortress
9 Plains
7 Island

4 Mesa Enchantress
3 Wall of Denial
3 Sphinx of Lost Truths

4 Ardent Plea
3 Sigil of the Empty Throne
4 Oblivion Ring
3 Convincing Mirage
4 Journey to Nowhere
4 Day of Judgment
4 Spreading Seas

Sideboard:
3 Jace Beleren
4 Baneslayer Angel
4 Negate
4 Luminarch Ascension

Hinzu kommen ungezählte Versuche, Karten wie Blade of the Bloodchief, Runeflare Trap, Lavaball Trap und Rite of Replication endlich in ein funktionierendes Deck zu packen. Doch ohne Erfolg.

Immerhin lernte ich bei den verschiedenen Experimenten, womit die stärksten Decks wirklich ihre Probleme haben. Jund beispielsweise wurde von mir gern mit Discard bekämpft. Egal ob präventiv, um etwa einen Baneslayer Angel zu schützen, oder einfach für den puren Kartenvorteil via Mind Sludge – geklappt hat es selten. Grund: Das enorme Topdeck-Potenzial eines Decks, bei dem einfach jede Karte irrsinnig gut ist und oft noch durch Cascade Kartenvorteil erzeugt. Somit ist jeder Draw-Step, der kein Land bringt, eine starke Bedrohung.


Viel effektiver ist es da, andere Bereiche des Jund-Decks anzugreifen. Die Manabasis etwa. So erklären sich zum Beispiel die mittlerweile obligatorischen Goblin Ruinblaster oder Spreading Seas. In Zeiten, in denen Sprüche zwar quantitativ wenig kosten, dafür aber in ihren Farbanforderungen sehr spezielle Wünsche äußern, ist plötzlich ein (zugegeben etwas besseres) Phantasmal Terrain bemerkenswert nervig. Das betrifft übrigens nicht nur Jund – sämtliche 3-Mana-Kombinationen funktionieren massiv besser, wenn sie mit dem passenden Alara-Tri-Land starten können.

Interessanterweise sind die wichtigsten Alternativen zur Dreifarbigkeit meist monochrom, was sich aus deren Vorliebe für manatechnisch anspruchsvolle Karten einer Farbe erklärt. Vampire benötigen eben Totenkopfmana mal drei für Gatekeeper of Malakir und auch ein White Weenie möchte gern in Runde 2 zwei und in Runde 4 vier weiße Mana zur Verfügung haben, um die ganzen Jungs für zeitnah spielen zu können. Im Gegensatz zu den dreifarbigen Haufen lässt sich hierbei natürlich nur schwer eine komplette Farbe verweigern, aber zum gediegenen Ausbremsen reicht es allemal.


Das Mana soll also angegriffen werden – keine ganz leichte Aufgabe, wenn der beste LD-Spruch das Niveau von Demolish hat. Womit wir wieder bei Spreading Seas und Kollegen wären. Neben der destruktiven Herangehensweise erlauben diese uns das Tempospiel, wobei neben einer Änderung des Ländertypus auch jede Form von Bounce hilft. Ärgerlich ist, dass Wizards das anscheinend ebenfalls erkannt haben und entsprechend nicht nur Landzerstörung, sondern zugleich die besten Landzurückbringer (so etwas wie Boomerang) unauffällig verschwinden ließen. Damit eine solche Idee der Manaverknappung jedoch wirklich funktioniert, muss eine ordentliche Menge jener Art von Sprüchen heran. Ein altehrwürdiges LD-Deck hat schließlich auch nicht nur vier Stone Rain gespielt.

Zu viele Sprüche dieser Art bewirken allerdings hauptsächlich eins: Wir haben keine Karten mehr auf der Hand. Denn während Spreading Seas dieses Problem von selbst lösen, müssen wir bei den Alternativen gegensteuern. Dafür gibt es drei Möglichkeiten:

1)

Wir machen den Sack möglichst schnell zu, indem wir einen überlegenen Spruch bzw. Mann als Finisher mitmachen lassen, und sorgen somit dafür, dass unsere verschwenderische Spielweise keinen Einfluss mehr nimmt.

2)

Wir sorgen für beständigen Kartennachschub. Da sich normaler Carddraw aktuell nicht in seiner effektivsten Phase befindet, könnte man auf Howling Mine u.Ä. zurückgreifen, deren Fairness gebrochen wird, da der Gegner einen Großteil der so zusätzlich gezogenen Sprüche nicht wird wirken können.

3)

Wir greifen – wie so viele Decks – auf die wunderbare Cascade-Mechanik zurück. Die macht nämlich alles auf einmal.

Zwei der drei Ansätze weisen jedoch arge Schwachstellen auf. Bei 1) wäre das zum einen eine extrem hohe Treffgenauigkeit, mit der man die richtigen Karten zur richtigen Zeit ziehen müsste, und zudem die außergewöhnlich billigen „Problemlöser“, sprich Karten wie Path to Exile oder Terminate, die einen Großteil der möglichen Finisher für sehr wenig Mana wieder loswerden. Nummer 2) bezieht das Problem aus dem Tempoaspekt. Wenn man Runde 2 Howling Mine spielt, fehlt ein wichtiger Zug zur Manaverknappung. Wartet man andererseits auf einen späteren Moment, kann das Artefakt nicht mehr die volle Wirkung entfalten.

Bleibt noch Variante 3), die dann zu folgender Deckliste führt:


4 Island
3 Swamp
3 Mountain
4 Drowned Catacomb
4 Dragonskull Summit
4 Crumbling Necropolis
4 Scalding Tarn

4 Kathari Remnant
3 Sphinx of Jwar Isle

3 Convincing Mirage
3 Deny Reality
3 Jace Beleren
4 Lightning Bolt
3 Cruel Ultimatum
3 Bituminous Blast
4 Grixis Charm
4 Spreading Seas


3 Infest
4 Terminate
4 Duress
4 Goblin Ruinblaster

Diese und weitere Karten gibt's bei:


Ihr seht, irgendwo sind auch Elemente der beiden anderen Punkte mit eingeflossen, da Sphinx of Jwar Isle als kaum zerstörbarer Mann (Frau?) und Cruel Ultimatum als „I win“-Spell sicher in die Kategorie 1 fallen und Jace Beleren im Idealfall eine bessere Howling Mine abgibt.

Doch das Herzstück sind die Cascade-Karten, deren Auslösen eigentlich immer etwas bewirken sollte. Aus diesem Grund gibt es auch keine Kontermagie oder reine Kreaturenzerstörung im Deck. Somit trifft man entweder eine der blauen Auren, Grixis Charm (mit dem sich auch Länder bouncen lassen), Jace Beleren oder Lightning Bolt, wobei Letzterer ohne gegnerisches Getier das größtmögliche Übel darstellt. Inwiefern das wirklich besser ist, als in ein völlig nutzloses Terminate zu kaskadieren, sei dahingestellt. Letzteres ist gründlicher, während der Blitz weniger Mana kostet, was momentan noch den Ausschlag gibt. Sicher bin ich mir in diesem Punkt aber nicht.

Die Spiele selbst gestalten sich dann im Normalfall so, dass man den Gegner zunächst mit möglichst vielen dieser Phantasmal Terrain-Effekte verlangsamt. Man wird ihn zwar nicht ganz vom Wirken der Sprüche abhalten können, aber oft kann man zumindest dafür sorgen, dass sie verzögert werden bzw. zumindest nicht mehrere pro Runde aufs Schlachtfeld kommen. Gerade die gefährlichsten – da mit bestem Kosten/Nutzen-Verhältnis ausgestatteten – Karten wie Sprouting Thrinax oder Woolly Thoctar sollten erst jenseits der dritten Runde die Hand verlassen. Den übriggebliebenen Druck versucht man, mit Blitzen, Bituminous Blast und Kathari Remnant abzumildern, bis hoffentlich Sphinx of Jwar Isle und/oder Cruel Ultimatum gespielt werden können. Natürlich kann man auch Grixis Charm und Deny Reality im Bedarfsfall zur Lösung eines Problems einsetzen, anstatt ein Land zu bouncen.

Das Ganze funktioniert sogar ziemlich gut, wenn man es schafft, folgenden Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen:


Manaelfen: Seit Anbeginn der Zeit Erzfeind jedes Manaverknappungszauberers. Hier hilft nur rasches Blitzen.


Kor Skyfisher: Neutralisiert eine unserer Auren und befindet sich zudem normalerweise in Decks, mit denen man sowieso zu kämpfen hat.


Island: Eine Insel stört es zunächst nicht allzu sehr, wenn sie zu einer Insel wird. Das ist insofern bedauerlich, als dass ein blaues Gegnerdeck wahrscheinlich unbeeindruckt von Spreadings Seas weiterfunktionieren wird. Dafür sind allerdings die Bounce-Sprüche in den meisten dieser Matchups umso besser. Das müssen sie aber auch sein, weil ein gegnerisches Control-Deck in der Regel über mehr wirklich störende Karten (Kartenzieher, Planeswalker) verfügt als wir.


Harrow: Neutralisiert eine Aura/Bounce und verschafft überdies gleich mehr Länder, was nichts Gutes für ein Landverknappungsdeck bedeuten kann.

Es gibt selbstverständlich noch eine Menge weiterer Sachen, die man nie auf dem Tisch sehen möchte, aber ein Großteil davon sollte ebenjenen nun einmal nie bzw. erst im späteren Teil einer Partie betreten.


Ein weiterer Vorteil des Decks ist der virtuelle Kartenvorteil, hervorgerufen durch die Tatsache, dass man im Prinzip keine anzielbaren Kreaturen spielt. Kathari Remnant ist zwar dabei, hat aber im Moment seines Auftritts seinen eigentlichen Zweck des Kaskadierens schon erfüllt, zumal zumindest die roten Zauber meist an seinem Vogelskelett abprallen. Über einen Path to Exile freut man sich dagegen meist, bringt er doch für Ultimatum und Co. benötigtes Mana, so dass nur Terminate bleibt. Das und die Möglichkeit des Gegners, Bituminous Blast nicht auf eigene Jungs spielen zu müssen, was aber in diesem Stadium des Spiels oft auch kein Problem mehr ist. Trotzdem sollte man gegen Jund zumindest daran denken, wenn der Gegner keine eigene Kreatur kontrolliert.

Wenden wir uns dem Sideboarden zu, welches für dieses Deck sehr wichtig ist. Nach jedem Spiel 1 (bzw. 2) steht man nämlich zunächst vor der Frage, ob der LD-Plan der blauen Auren effektiv und schnell genug ist. Dabei sollte man besonders den Verlierer der vorangegangenen Partei (und damit den Startspieler des kommenden Duells) betrachten. So kann gegen ein manatechnisch durchaus anfälliges Boros Bushwhacker-Deck eine Insel in Runde 2, gefolgt von einer weiteren in Runde 3 völlig ausreichen, um zumindest eine Farbe für lange Zeit abzuschneiden und somit den Druck zu mildern. Wird man aber zu diesem Zeitpunkt bereits von zwei gegnerischen Kreaturen hungrig angeschaut, ist es vielleicht doch ratsam, sich lieber um diese zu kümmern. Später wiederum ist eine Convincing Mirage jedoch sehr ineffizient, wodurch sie in einem solchen Fall besser gleich auf der Ersatzbank Platz nehmen kann. Spreading Seas sind etwas flexibler, da sie durch das eingebaute Kartenziehen ja keinen (oder besser: kaum) Kartennachteil verursachen und somit gern immer mal eingeschoben werden und alle tausend Matches oder so sogar Einfluss auf den Ausgang der Begegnung nehmen.

Eine andere Karte, die zum Umdenken während des Spielens führt, ist Goblin Ruinblaster. Wirft man im ersten Spiel die Auren noch mit Kusshand auf die dreifarbigen Länder, sollte man sich mit einem Ruinblaster auf der Hand immer daran erinnern, dass die meisten gegnerischen Decks gar nicht so viele Nichtstandardländer spielen. Im Zweifel also lieber ein Standardland verzaubern, damit der Ruinblaster etwas zum Kaputtmachen findet.

Viel mehr gibt es zu dem Deck eigentlich nicht zu sagen. Außer, dass es irgendwie traurig ist, ein solches Etwas gewinnen zu sehen. Damit es so weit kommt, sollte man bevorzugt gegen Jund, bunte Kontrolle, Vampire oder Monorot spielen. Schwieriger, aber immer noch machbar sind Naya und Boros und nahezu unbezwingbar die Elfen.

Insofern handelt es sich um ein Metagame-Deck reinster Ausprägung und da braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn man plötzlich gegen die seltsamsten Haufen verliert. Falls die gegnerische Manabasis sich nur schwer beeindrucken lässt, fehlt dem Deck schlichtweg die Durchschlagskraft, um konkurrenzfähig zu sein. Also bleibt nur zu hoffen, dass der Großteil aller Gegner gierig ist und gierig bleibt...




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