Als ich im Juni 2000 meine erste Deutsche Meisterschaft gespielt habe und zum ersten Mal die Halle betrat, saß Flix gerade mit einem anderen Spieler an einem Tisch und spielte Memory. Memory? Mit
Magic-Karten versteht sich, aber das eigentlich Interessante war nicht, dass sie mit
Magic-Karten spielten, sondern, dass es sich bei den zu findenden Pärchen nicht etwa um gleiche Karten handelte, sondern um jeweils unterschiedliche. Wie konnte man erkennen, dass zwei Karten zusammengehören? Gar nicht, man musste
wissen, dass sie auf dem Druckbogen nebeneinander liegen, und das war auch der Clou bei dem Spiel. Es ging weniger darum, Memory zu spielen, als sich einer einigermaßen unterhaltsamen Methode zu bedienen, um die Printruns auswendig zu lernen.
In anderen Teilen der Welt mögen Spieler früher entdeckt haben, dass bestimmte
Magic-Karten grundsätzlich gepaart auftreten, aber in Deutschland war es das erste Mal, dass ich so etwas gesehen habe. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis für diese Arbeit muss damals noch verdammt gut gewesen sein, denn Wizards gaben sich noch nicht besonders viel Mühe, ihre Printruns zu verstecken, und so konnte man früher deutlich mehr mit höherer Sicherheit aus den Boostern lesen als heute. Ich möchte euch heute ein wenig über die Hintergründe dieser doch etwas obskuren Methode erhellen und anschließend analysieren, was sie für
Scars of Mirrodin überhaupt noch bringt.
Wie wird ein Booster zusammengestellt?
Zunächst einmal dürfte jedem klar sein, dass Booster aus grundsätzlich verschiedenen Karten bestehen: Commons, Uncommons, Rares und Mythic Rares. Diese Karten unterscheiden sich durch ihre Seltenheit, aber wie kommt diese zustande? Offensichtlich, indem man von einigen Karten weniger druckt als von anderen. Dieser banale Punkt legt schon nahe, wie es funktioniert. Karten verschiedener Seltenheitsstufe werden wahrscheinlich in verschiedenen Arbeitsgängen gedruckt, da man kaum ein paar Millionen Komplettsets herstellen möchte, nur um Uncommons, Rares und Mythics anschließend in gigantischen Mengen wieder zu vernichten. Man fasst die Karten einer Seltenheitsstufe also in einem Druckvorgang zusammen. Alle Uncommons sind beispielsweise zusammen auf einer Druckplatte. Keine Ahnung, ob es sich dabei heute wirklich noch um Platten handelt, aber das ist hier nicht so wichtig; der Begriff vermittelt ganz gut, worum es geht.
Dann werden in der benötigten Menge Printsheets mit diesen Druckplatten gedruckt. Die Printsheets sind das, worauf man
bei der DM 2009 oder auch beim GP Bochum mit diesen Saugpfeilen schießen konnte. Anschließend werden diese Uncut Sheets, wie sie auch genannt werden, zerteilt, also auf die Größe von
Magic-Karten zurechtgeschnitten. Diese Sheets sind normalerweise 11×11 Karten groß, sodass aus jedem Sheet 121 Karten werden. Diese müssen dann im entsprechenden Verhältnis gedruckt werden und schließlich werden die geschnittenen Karten auf die Booster verteilt. Bei diesem Prozess entstehen die Printruns, also die Sequenzen an Karten, die wir in Boostern vorfinden. Denn die Karten werden nicht maschinell gemischt – was auch schwierig wäre –, sondern in zusammenhängenden Stücken von zwei bis sechs Karten vom Sheet in den Booster gesteckt. Diese Teilsequenzen sind es, aus denen man den ursprünglichen Printsheet rekonstruieren kann. Diese Information ermöglicht letztlich, zu bestimmen, welche Karte(n) aus einem Booster genommen worden sein müssen.
Wie viele von diesen Druckplatten braucht es, um ein
Magic-Set herzustellen? Vier? Das wäre die naheliegende Antwort, eine jeweils für Commons, Uncommons, Rares und Mythics. Tatsächlich sind es neun Platten. Das klingt ziemlich krumm und kommt daher, dass man für die Foils Extradruckplatten braucht. Es ist nicht so, wie manch einer vielleicht denkt, dass Foils entstehen, indem man normale Karten „foilt“, stattdessen ist der Herstellungsprozess einfach ein anderer und sie werden separat gefertigt. Ich will nicht weiter Ratespiele spielen; es ist so, dass man je eine Platte benötigt für normale Uncommons, normale Rares und Mythics, normale Lands, Foil-Commons und -Lands, Foil-Uncommons, Foil-Rares und -Mythics und die Siebte für die Tokens und Rules-Tips. Die letzten beiden Platten schließlich beinhalten die Commons.
Auf jeder dieser Platten sind 121 Karten mit Ausnahme der Uncommons. Auf einem Uncommon-Sheet sind nur 120 Karten, jede der 60 doppelt. Dabei weiß ich nicht, ob die 121. Karte einfach Abfall ist oder auf einem 10×12-Bogen gedruckt wird. Das ist für uns aber auch einfach total egal. Fakt ist außerdem, dass die kompletten Foil-Sheets für alles, was ein normaler Mensch wollen kann, unnütz sind. Die Tokens und Länder kann man im Prinzip wie Rares behandeln, nur dass sie niemanden interessieren. Es bleiben ein Sheet für Rares und Mythics, einer für Uncommons und zwei für Commons.
Was ist drauf auf diesen Sheets? Der Raresheet sieht so aus, dass jede Rare zweimal drauf ist und jede Mythic Rare einmal. Bei 15 Mythics und 53 Rares kommt man so genau auf 121 Karten. Mythics sind also genau doppelt so selten wie Rares und von 121 Booster enthalten 15 Mythics, was ziemlich genau auf jeden achten Booster herauskommt, wenn auch nicht ganz. Den Rares hat sich mal ein gewisser „Card Wizard“ angenommen und aus den Printruns rekonstruiert, wo im Display sich welche Rares befinden. Als Wizards das mitbekommen haben, haben sie allerdings angefangen, die Rares nicht einfach stur vom Sheet zu nehmen, sondern auch da hin und wieder Sprünge einzubauen, sodass man nicht sicher vorhersagen kann, wo sich welche Rare/Mythic befindet. Die Uncommons sind für diesen Zweck ungeeignet, da sich wohl kaum einer die Mühe machen wird, Booster wegen der Money-Uncommons aufzumachen. Auch für den Draft sind sie uninteressant, da die drei Uncommons im Booster nicht zusammenhängend vom Sheet kommen, sondern (glaube ich) in einer 2-1-Konstellation. Da kann man die fehlende Uncommon mit einer Sicherheit von einem Achtel vorhersagen, mit anderen W
orten, man kann es auch gleich lassen.
Kommen wir zu den Commons, die uns ja eigentlich interessieren. 101 Commons lassen sich weder auf einen noch auf zwei Sheets besonders toll aufteilen. Wo liegt der Trick? Die Commons werden wie oben schon erwähnt auf zwei Sheets aufgeteilt, allerdings sind auf dem einen Sheet 60 Commons je zweimal drauf, während auf dem anderen 40 Commons je dreimal drauf sind. Das geht trotzdem noch nicht ganz auf, denn wir haben 101 Common und zwei 121er-Sheets. Die Lösung ist da natürlich, den jeweils 121. Slot mit der 101. Karten zu belegen. Diese Ehre kommt in
Scars of Mirrodin Golem Foundry zuteil. Dadurch ist
Golem Foundry ein klein wenig seltener als alle anderen Commons, wenn ich mich nicht verrechnet habe, ungefähr um ein Fünfzehntel. Zum Ausgleich dafür, dass die Karten auf den Sheets unterschiedlich häufig sind, wird der eine Sheet 50
% häufiger gedruckt als der andere, sodass am Ende alle Commons gleich selten sind. Das ist erst mal unwichtig, für das Verständnis, wie die
Scars-Printruns funktionieren aber nicht unbedingt schädlich. Zu guter Letzt stellt sich die Frage, wie die Commons denn nun wirklich auf einen Booster verteilt werden; und während die bisher dargestellten Informationen im Prinzip auf jedes große Set seit
Shards of Alara zutreffen, kann die konkrete Zusammenstellung eines Boosters von Set zu Set sehr unterschiedlich sein.
Was ist in einem Booster Scars of Mirrodin?
Dass die zehn Commons eines Boosters nicht zufällig in diesen gelangen, sollte mittlerweile klar sein, aber um welche es sich konkret handelt, ist bisher unklar geblieben. Bei
Scars of Mirrodin ist es so, dass die beiden Printsheets jeweils in zwei Hälften geteilt werden, bezeichnen wir sie als oben und unten, wobei es genauso gut rechts und links sein könnten. Die eine Hälfte besteht aus 55 Karten, die andere aus 66. Wir haben also jetzt vier Teile Oben55 und Oben66 so wie Unten55 und Unten66.
In einen Booster
Scars of Mirrodin kommen nun zuerst drei bis vier Karten aus Oben66, dann eine bis vier Karten aus Unten66 und schließlich die restlichen Karten alle aus einem (!) der 55er-Teile. Welche Karten in welchem Teil sind, könnt ihr
hier nachsehen. Dabei sind die Bezeichnungen des guten Mannes ein wenig anders:
Oben66 = B
Unten66 = A
Oben55 = C1
Unten55 = C2
Die Karten in einem Booster, die aus dem gleichen Teil eines Printsheets kommen, sind dann in Reihenfolge, man kann also in der gerade erwähnten Tabelle nachschauen und findet eine Stelle, an der genau diese Karten hintereinander stehen. Wenn aus dem Booster nur eine Common fehlt, sollte man also mit einiger Zuverlässigkeit bestimmen können, welche das gewesen ist. Dummerweise wissen wir nur, wenn die Karte irgendwo in der Mitte eines Abschnitts fehlt, genau, um welche es sich handelt. Waren beispielsweise ursprünglich die Karten ABC im Booster und B fehlt, sehen wir das sofort, weil B im Booster gewesen sein
muss, wenn A und C noch enthalten sind. Wurde jedoch die Karte A gepickt, so können wir das nicht mit Gewissheit sagen, weil das Stück BC durch A oder D vervollständigt werden könnte. Schlimmer noch, wenn dieses Stück BC aus Unten66 stammt, dann können wir noch nicht einmal sagen, ob wirklich eine Karte aus Unten66 fehlt, denn die Sequenzen aus diesem Abschnitt können zwischen einer und vier Karten lang sein.
Das Einzige, was uns an dieser Stelle ein wenig rettet, ist unser gesunder
Menschenverstand. So gibt es in Unten66 eine Stelle, an der hintereinander
Vulshok Heartstoker,
Corpse Cur,
Arrest,
Chrome Steed und
Contagious Nim auftauchen. Wenn wir einen Booster bekommen, der
Corpse Cur und
Arrest enthält, können wir doch recht sicher sein, dass unser rechter Nachbar nicht den Heartstoker genommen hat; der ist einfach zu schlecht. Wenn jetzt allerdings noch ein
Chrome Steed im Booster wäre, dann könnte er theoretisch
Contagious Nim genommen haben. Wie wahrscheinlich das ist, muss man selbst entscheiden.
Als wenn das alles nicht schon genügend Raum für Unsicherheiten ließe, muss man dann auch noch berücksichtigen, dass Booster Foils enthalten können. Eine Foilkarte ersetzt zufällig eine der zehn Commons im Booster. Stellt euch vor, jemand hätte den Booster fertiggestellt und ein anderer guter Geist hätte anschließend schnell eine zufällige Common wieder herausgenommen und diese durch eine beliebige Foil ersetzt, wobei das durchaus auch eine
Wurmcoil Engine sein kann. Spätestens an dieser Stelle ist jeder Versuch, Gewissheit über den Pick des Vordermanns zu erlangen, dahin.
Es dürfte klar sein, dass auf diese Weise selbst bei nur einer fehlenden Karte sehr viele Fragezeichen stehen und diese Form der Analyse für ein
Magic-Turnier nicht besonders hilfreich ist. Bei gecallten Drafts ist die Zeit eh recht knapp bemessen und die kann man vermutlich besser investieren, als sich zu überlegen, welche Karte gefehlt haben
könnte. Ganz abgesehen davon, dass man dafür erst einmal die Abfolge von 242 Karten lernen muss. Vielleicht kann man aber andere Lehren aus den Printsheets ziehen. Tatsächlich existieren ein paar Muster, die einem das Leben als Drafter erleichtern können. Es gibt da nicht sehr viel, aber wenn ich so einen Artikel schon mal schreibe, möchte ich euch natürlich auch mitteilen, was ich gefunden habe.
Auf den beiden 55er-Sheets sind fast keine Karten drauf, die man realistischerweise firstpickt. C1/Unten55 enthält neben ein paar Spruchbomben fast nur Karten am Rande der Spielbarkeit. C2/Oben55 enthält
Accorder's Shield und
Tumble Magnet, die beide farblos sind und daher nicht besonders viel Informationen geben, wenn sie denn einmal als Erstes aus einem Booster genommen wurden.
Wall of Tanglecord und
Untamed Might könnte man noch in obskuren Fällen als First Picks annehmen, aber im Großen und Ganzen kann man davon ausgehen, dass nur die ersten Karten im Booster eine Rolle spielen. Aus der ersten Hälfte des Boosters kann man, f
alls eine Common fehlt, folgende Schlüsse ziehen:
1) |
Galvanic Blast und Shatter sind nie im selben Booster. Wenn eine der beiden Karten im Booster ist, können wir also recht sicher sein, dass keine rote Common firstgepickt wurde. Ist auch noch Turn to Slag dabei, ist das quasi sicher.
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2) |
Arrest taucht nicht mit Revoke Existence zusammen auf. Revoke Existence im Booster bedeutet wahrscheinlich, dass keine weiße Common vor uns genommen wurde.
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3) |
Die soliden und guten schwarzen Commons (Grasp of Darkness, Instill Infection, Fume Spitter, Plague Stinger) treten nie in Pärchen auf. Einzig Contagious Nim kann über eine solche Karte genommen worden sein. Das Muster lässt sich sogar mit bloß einer Ausnahme um Leaden Myr erweitern. Der ist einmal direkt neben Fume Spitter auf dem Printsheet, die beiden tauchen also mit fast 50-prozentiger Sicherheit zusammen auf.
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4) |
Infectkreaturen neigen zur Rudelbildung. Theoretisch könnte ein Booster Corpse Cur, Contagious Nim, Tel-Jilad Fallen, Ichorclaw Myr, Plague Stinger, Tainted Strike und Untamed Might enthalten. Wenn man ins Abstruse geht, könnte man so einen Booster sogar im dritten Pick erhalten, nachdem Tangle Angler und Skithiryx vor einem genommen wurden. Um mal wieder etwas realistischer zu werden, Tel-Jilad Fallen, Ichorclaw Myr und Plague Stinger sind auf einem Sheet, der lediglich zwei Cycles hat, an einer Stelle direkt hintereinander. Wenn zwei davon noch im Booster sind, ist die Wahrscheinlichkeit also recht hoch, dass es sich nicht um ein Signal, sondern eine Falle handelt.
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5) |
Die Chance, dass Cystbearer und Sylvok Replica zusammen im Booster sind, ist sehr gering, aber es ist möglich. Ansonsten gehen sich Cystbearer, Sylvok Replica und Tel-Jilad Fallen konsequent aus dem Weg. Sylvok Replica kommt allerdings einmal mit Blight Mamba zusammen, sodass die Signalwirkung von Sylvok Replica ein wenig reduziert ist, falls ihr einen wirklich verrückten Infectdrafter vor euch habt. Etwas abgeschwächt lässt sich feshalten, dass eine gute grüne Karte im Booster normalerweise ein Signal ist.
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6) |
Blau hat meines Erachtens nur drei Commons, die man überhaupt früh picken kann, nämlich Neurok Replica, Sky-Eel School und Silver Myr. Davon sitzen Silver Myr und Sky-Eel School die Hälfte der Zeit im selben Booster, während Neurok Replica völlig unkorreliert ist, weil es in einem anderen Teil des Printsheets sitzt. Schade …
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Viel mehr kann man meines Erachtens aus den Printruns nicht gewinnen, weil die Signalwirkung von First-Pick-Artefakt extrem gering ist.
Und was ist online?
Auf
Magic Online könnten die Booster natürlich ziemlich random sein. Wer einen Shuffler bauen kann, kann diesen (Pseudo-) Zuf
allszahlengenerator auch einsetzen um beliebige Karten in einen Booster zu stecken. Tatsächlich emuliert
MTGO aber den Prozess, der für reale Booster verwendet wird. Wie das genau passiert, darüber kann man sich in
diesem fürchterlichen YouTube-Video aufklären lassen. Angeschaut? Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.
Jedenf
alls sind die
MTGO-Booster echten Boostern sehr ähnlich, am ehesten kann man sagen, dass sie noch etwas regelmäßiger sind. Während bei echten Boostern die Anteile der Karten aus den verschiedenen Abschnitten recht stark schwanken (ein bis vier Karten aus dem A/Unten66-Teil zum Beispiel), variiert das in virtuellen Booster deutlich weniger.
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