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Seeing Red
von Michael Diezel
01.09.2011

Obwohl ich eine ganze Menge guter Gründe besaß, auf mein Deck zu vertrauen, war ich doch ein wenig nervös. Goblin Fireslinger gegen Timely Reinforcements oder Primeval Titan antreten zu lassen fühlt sich eben immer ein wenig … schwächlich an. Insofern versuchte ich während der ganzen Fahrt ins schöne Iserlohn zur Deutschen Meisterschaft, meinen alten Testpartner Till Riffert von der Überlegenheit des hochkomplexen Gameplans aus „Brand ins Gesicht“ zu überzeugen. Auch wenn ihm der Gedanke an die Granate durchaus verlockend erschien, blieb er bei dem Deck, welches er schon seit Wochen spielte – Caw-Blade –, und ich blieb allein mit meinen roten Karten.


Bevor ich diese endlich auspacken konnte, musste Iserlohn beziehungsweise das naheliegende Sundern-Enkhausen noch gefunden werden. Das erwies sich als unerwartet schwierig, da unser leicht suizidal veranlagtes Navi – welches permanent mitten auf irgendwelchen Brücken abbiegen wollte – plötzlich keinen Satellitenempfang mehr vorfand und wir somit blind durchs schöne Sauerland fuhren. Dieses ist landschaftlich zwar reizvoll, allerdings wären ein paar Anzeichen von Zivilisation durchaus hilfreich gewesen.

Irgendwann fanden wir dann doch Sundern-Enkhausen und dort unsere Pension Brinkschulte. Diese stellte sich als Fachwerkhaus des 18. Jahrhunderts heraus, stilecht mit Betten und Schränken, die locker mehrere Tonnen Gewicht aufboten. Einzig die Dusche sorgte für etwas Modernität, hatte man sie doch in die Grundfläche eines Kamins eingebaut, der sich passend direkt vor dem Bett befand und Form und Farbe eines Mittelklassesarges hatte.

Die zugehörige Chefin schien auch schon bei der Einweihung 1789 zugegen gewesen zu sein, so alt und schwerhörig war sie, allerdings bereitete sie jeden Morgen ein leckeres Früchstück, sodass wir perfekt vorbereitet in jeden Turniertag starten konnten. Okay, vielleicht nur fast perfekt, immerhin war der Nachbar die St. Laurentius Kirche. St. Laurentius muss ein Frühaufsteher gewesen sein, jedenfalls verdonnerte er die Nachfahren seiner Anhänger zu lautem Glockengebimmel um sieben Uhr morgens.

So viel also zu den persönlichen Rahmenbedingungen. Zu den turnierspezifischen gibt es sowohl einen Artikel als auch einen Forumsbeitrag, in dem ihr auch gern meine Meinung zu den wichtigsten Punkten nachlesen könnt.

Irgendwann ging es jedenfalls los und die brennenden Goblins mussten sich zum ersten Mal beweisen …


Runde 1: Hottmann, Alex – RUG-Twin

Über die verschiedenen Matchups habe ich ja einiges geschrieben, bei diesem geht es darum, möglichst effizient die Manakreaturen zu töten, um dadurch genug Zeit zu schaffen, bis der Gegner bei der Null angekommen ist. Teil 1 dieses Plans klappt dank Doppel-Searing Blaze schon mal hervorragend, trotzdem hat Alex recht schnell genug Mana für Deceiver Exarch und den potenziellen Splinter Twin. Als er mit dem Exarch den Guide blockt, muss ich entscheiden, ob er die Verzauberung auch hat. Das würde bedeuten, ich müsste meinen einzigen Brand – passenderweise eine Granate – auch noch draufballern. Alternativ kann ich den Block als Signal werten, dass er keinen Twin hat, den Exarchen ignorieren und fünf ins Gesicht schießen.


Ihr erinnert euch an die Faustregel? Den Mann also Mann sein lassen, durchgeatmet, als kein Twin kommt und noch ein bisschen was ins Gesicht geschossen.

Spiel 2 läuft dann komplett nach Plan. Er muss einen Mulligan nehmen, verliert ein paar Manatierchen, bleibt auf zwei Ländern stehen und ist einen Zug vor dem Baloth tot. Magic kann so einfach sein.

1:0

Dieses Match zeigt übrigens ganz gut mein heutiges Dilemma, ich würde gern möglichst spannend über die einzelnen Spiele berichten, aber

1)

selbst knappe Spiele werden mit diesem Deck nicht unbedingt durch großartige Spielzüge entschieden, sondern gern mal von bestimmten Karten auf der Hand oder Bibliothek,

2)

die wirklich spannenden Momente sind somit die Drawsteps. Leider ist es nicht möglich, das auch nur halbwegs adäquat in Schrift wiederzugeben.

3)

Runde 1 ist die einzige, in der ich noch motiviert war, mir Notizen zu machen. Da ich direkt nach der DM meinen Rechner zerstört vorfand und diesen erst mal in einem langwierigen Prozess weiderbeleben musste, ist auch eine Menge Zeit ins Land und Erinnerungen verloren gegangen. Man wird ja nicht jünger.


Runde 2: Brade, Raphael – Caw-Blade

Hier zeigt sich zunächst, dass einmalige Timely Reinforcements allein nicht reichen, egal wie timely sie sind. In diesem Fall in Turn 3 für den vollen Effekt gespielt und gefühlt den 22:1-Kartenvorteil gemacht. Der Boss auf dem Spielfeld ist jedoch mein Spikeshot Elder, für den ich gleich zweimal Teetering Peaks finde.


Raphael bekommt ihn nicht weg und auch ansonsten nicht wirklich Druck auf den Tisch. Dadurch habe ich genug Zeit, Brand anzusammeln und diesen irgendwann für genug abzuladen.

In Spiel 2 gab es Manaprobleme auf seiner Seite, etwas, das dieses Deck unglaublich sicher und effektiv ausnutzt.

2:0


Runde 3: Reiter, Florian – Valakut

Das erste Duell gewinnt er, wie er es halt gewinnen kann: Würfelwurf gewinnen, Removal für meinen ersten Dude haben und schnell einen Titanen aufs Board bringen. Guter Mann.


In den beiden folgenden Spielen klappt das nicht so gut, einmal kann ich anfangen und ihn so unter Druck setzen, dass ihm nichts anderes übrigbleibt, als einen Titanen hinzulegen, der prompt mit dem Act of Aggression auf meine Seite wechselt und im anderen dauert es einfach zu lange, bis überhaupt was passiert. Ich gurke eine Weile auf meinen beiden Ländern rum, während Shrine of Burning Rage sich in zweistellige Bereiche auflädt. Dadurch gewinne ich quasi direkt bei Berg #3. Da ich diesen aber nicht ziehe, gibt es halt eine ganze Menge roter Karten, die auch so schon für ordentlich Action sorgen.

3:0


Runde 4: Eder, Wolfgang – Monorot

Der Wolfgang ist wahrscheinlich einer der meistunterschätztesten Spieler in ganz Deutschland. Unendliche Erfolge über mehr als ein Jahrzehnt und eine knappe Million Pro-Punkte sprechen für sich. Wie so viele ist er eher sporadisch aktiv und hat diesmal eine gute monorote Brandliste dabei.

Mit Koth of the Hammer und Co. ist sie meiner überlegen, da ich aber keine Schreine, Phönixe oder Staggershock sehe, fällt das nicht so auf. Um ehrlich zu sein, gehe ich auch von einem echten Mirror aus und boarde dementsprechend ein paar unfähige Jungs heraus und teurere Sachen wie Manic Vandal oder eigene Koths hinein. Warum das nicht gut ist, habe ich letzte Woche erklärt, da Wolfgang aber in Spiel 2 erst auf drei Mana für seinen Vandalen kommt, als mein Schrein schon tödlich ist, ist das völlig Wurst.


Spiel 1 habe ich übrigens gewonnen, indem ich bei völlig ausgeglichener Position (keine Nichtlandkarten im Spiel oder auf der Hand, beide wenig Leben) einfach besser nachgezogen habe. Da sieht man halt, wer im Training steht.

4:0


Draft 1, Tisch 2

Mit einem 4:0 hätte ich im Traum nicht gerechnet. Ja, das Deck hatte im Vorfeld funktioniert und auch theoretisch Sinn ergeben. Aber – siehe Eingansworte – es fühlt sich so viel schlechter an als die Decks er Gegner.

An dieser Stelle bedeutet dies jedoch einmal mehr die Möglichkeit, mir mit misslungenen Drafts einen guten Start kaputtzumachen. Meine Vorbereitung bestand aus ein paar Online-Drafts mit diversen Freunden, die eigentlich allesamt in die Hose gingen. Immerhin konnte ich meinen einzigen RL-Draft gewinnen und das gegen solche internationalen Größen wie Ilja T. Insofern hatte ich auch keine Ahnung, was zu tun sei. Immerhin war ich damit nicht allein, jeder den ich fragte, wie zu draften sei, hatte eine andere Vorstellung davon:

„Aggro!“
„Aggro ist überbewertet!“
„So lange wie möglich einfarbig bleiben und hart cutten!“
„Möglichst lange surfen!“
„Drafte nicht Grün, ist Scheiße!“
„Drafte Grün, ist immer unterdraftet!“
Grave Titan öffnen und dann Schwarz draften!“

Der letzte Tipp erschien mir sowohl am verständlichsten als auch am erfolgversprechendsten, deswegen beschloss ich, den nach Möglichkeit umzusetzen.


In der Praxis scheiterte das dummerweise an meinen Skills, mythisch rare Karten zu öffnen. Stattdessen blickte mich Throne of Empires an. Natürlich hatte ich noch nie mit dieser Karte gespielt, sie sah aber ganz gut und vor allem flexibel aus. Das unterschied sie von den Alternativen im Commonbereich. Außerdem passt der Thron super zu Overrun, von dem ich im Verlauf des Drafts gleich zwei einsammelte. Für diese wiederum gab es auch noch einen Jade Mage, sodass ich mich ein wenig an mein Constructeddeck des letzten Jahres zurückerinnerte. Dort kombinierte ich bekanntliche grüne Deppen mit Overrun und guten blauen Karten und exakt das versuchte ich auch in diesem Draft.

Hin und wieder zuckte ich auch in Richtung Schwarz, insbesondere nach Sorin's Vengeance als circa fünfter Pick, aber spätestens ein skillvoll geöffnetes Mind Control zementierte mich in UG. Nachdem ihr jetzt schon von den guten Karten gelesen habt, will ich auch den Rest nicht verschweigen:


Jade Mage
Merfolk Looter
2 Garruk's Companion
Æther Adept
2 Lurking Crocodile
Skywinder Drake
Giant Spider
Gravedigger
Cudgel Troll
Chasm Drake
Stampeding Rhino
Vastwood Gorger
Garruk's Horde

Doom Blade
Rampant Growth
Arachnus Web
Manalith
Throne of Empires
2 Overrun
Mind Control


10 Forest
6 Island
1 Swamp

Sideboard:

Ponder
Frost Breath
Autumn's Veil
Cancel
Sacred Wolf
Flashfreeze


Ich hatte übrigens schon während des Drafts erkannt, dass Overrun wohl besser zu kleineren Männern wie Llanowar Elves, Garruk's Companion oder wenigstens Grizzlybären passt. Diese gab es jedoch nicht, sodass ich auf überrennende Fettsäcke umbaute. Immerhin konnte ich so noch Gravedigger und Doom Blade splashen, ohne mir zu viele Gedanken übers Mana machen zu müssen. Ansonsten hätte unbedingt der Wolf ins Deck gehört, das spätere Spiel gewinnt man eh und er hilft gerade gegen die Decks, mit denen man ansonsten Probleme hat. Auf Ponder habe ich übrigens verzichtet, da ich erstens nur wenig blaues Mana spielte und zweitens sowieso zweimal Overrun im Deck hatte, da zieht man einen eh immer … dachte ich zumindest.

Ich fand das Deck jedenfalls ziemlich gut und war somit frohen Mutes, zumindest an diesem Tag das hervorragende Constructedergebnis nicht total in die Tonne zu treten.


Runde 5: Reitenauer, Adrian – UB

Ist es schon schwer, Standardduelle nach mehr als zwei Wochen noch zu rekapitulieren, wird es im Limited fast schon unmöglich, da Hilfen wie Gegnerdeck oder Lebenspunkteverlauf nur selten weiterhelfen. Auf der anderen Seite sind Limitedspiele eh uninteressanter, ihr werdet mir also die Kürze verzeihen – hoffe ich.

Adrian gewinnt Spiel 1 über solides Tempospiel. Unbeeindruckender DudeTM wird gelegt und dann gibt es so was wie Aether Adept, Aether Adept, Sorin's Thirst, Unsummon oder so und Unbeeindruckender DudeTM hat auf einmal 20 Schadenspunkte gemacht.


Damit das nicht wieder passiert, dürfen in den folgenden Partien der Wolf und Autumn's Veil mitmachen, die auch beide gute Auftritte haben. Ebenfalls gut sind Thron und Krokodil, wie und warum im Detail, weiß ich aber leider nicht mehr.

5:0


Runde 6: Nelson, Helge – UR

Das erste Spiel habe ich schon fast gewonnen: Er nimmt Mulligan, muss dann meinen Jade Mage mit Kartennachteil (Unsummon, Mana Leak) beseitigen und hat eigentlich nichts wirklich Beeindruckendes übrig. Ich an der Stelle leider auch nicht, da ich auf einen Landklumpen stoße. Meine leichte Überlegenheit verschwindet dann im Laufe der nächsten Züge, als er Grim Lavamancer zieht und spielt. Natürlich ist immer noch unendlich Zeit, aber der Länderklumpen baut sich nicht ab und ehe ich mich richtig darüber aufregen kann, habe ich das Spiel schon völlig überraschend (ich glaube für uns beide) verloren.


In Spiel 2 bleibt der Jade Mage liegen, macht unendlich Druck, bis er endlich umgebracht wird, und diesmal ist bei mir nicht Schluss, sondern ein paar weitere Jungs und schließlich ein Overrun beenden das Spiel.

Im Entscheidungsduell beginnt er schließlich mit Flieger in Turn 3 und 4, danach gibt's noch zweimal Brand und einen Bounce und ich bin kaputt, da mein Deck halt nicht so viel gegen aggressive Flieger macht.

5:1


Runde 7: Brendemühl, Bernd – WR


Hier kann ich mich an fast gar nichts mehr erinnern, lediglich das solide Finish in Spiel 2 ist mir in Erinnerung geblieben:

Overrun für alle meine Männer, Angriff.
Block mit fast allem, überlebe gerade noch so …
Overrun für alle meine Männer, Angriff!

6:1

An dieser Stelle sind Tag 1 und ich selbst völlig geschafft. Das Ergebnis ist das beste, welches ich in meinen elf DM-Jahren je am ersten Tag erzielt habe. Was der alte Mann noch so alles kann!

Allerdings erkenne ich auch, dass die nötige Portion Glück durchaus vorhanden war:

Das Standarddeck war richtig gut in diesem Feld.
Kaum Mulligans, kaum Manaprobleme.
Zeitiges Festlegen beim Draft wurde belohnt.

Ohne Glück geht es eben nicht. Gern würde ich jetzt noch über wilde Geschichten aus Sundern-Enkhausen schreiben, in der Realität jedoch hatten Goblins, Kirchturmglocken und ein verdientes Feierabendbierchen ihren Tribut gefordert und ich war einfach eingeschlafen …




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