Auch wenn die letzten WMCQ-Teilnehmerzahlen aus Berlin etwas anderes behaupten, dürfte für die meisten von euch doch Standard das relevanteste aller gängigen Turnierformate sein. Darüber habe ich mich in den letzten Wochen ein wenig ausgeschwiegen, aber das bedeutet nur, dass es jetzt mit verstärkter Energie
dem Delver an den Kragen ins Format geht.
Während meiner geistigen Abwesenheit hat sich eine Menge getan, aber letztendlich doch deutlich weniger, als man in den ersten Wochen nach einer neuen Edition gemeinhin erwartet. Stattdessen wurde vielerorts auf Vertrautes zurückgegriffen und oft nur punktuell mit neuen Karten gearbeitet. Das ist ungewöhnlich, da man ja eigentlich unbedingt die frisch gewonnenen Spielzeuge ausprobieren möchte, andererseits aber durchaus clever, da sich das Format seinem quantitativen Maximum annähert, wodurch 200+ Karten den Pool eben nur bedingt durcheinanderwürfeln.
Einfluss genommen hat
Avacyn Restored trotzdem und zwar hauptsächlich in Form der folgenden Karten:
| Cavern of Souls, die zum einen das Mana für aggressive Mehrfarbdecks stabiler hält und zum anderen Decks mit mehr als den obligatorischen vier Mana Leak aus dem Metagame verscheucht hat
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| Restoration Angel, der Einzug in immer mehr Decks hält, was dazu führt, dass man kaum noch in vier offene Mana angreift, wenn mindestens eins davon weiß ist
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| Pillar of Flame, wodurch Strangleroot Geist und die guten Zombies ein Stück fairer geworden sind
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| Zealous Conscripts, die für die allerbesten Geschichten sorgen
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| Bonfire of the Damned, das Mirakulum, das selbst ohne solches diesem noch am nächsten kommt
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Hinzu kommen die
beiden Wolfirs,
Blood Artist,
Tamiyo,
Borderland Ranger und ungefähr ein Dutzend weiterer vereinzelt auftauchender, deutlich weniger universell einsetzbarer Errungenschaften. Das alles führt zu einem Metagame, das relativ klar aus folgenden Decks besteht:
Delver
RG-Aggro
Naya-Pod
Solar Flare
Ramp
Dahinter tummelt sich eine zweistellige Anzahl an Tier-2–6-Decks, auf die wir heute ein Auge werfen wollen. Genauer gesagt, soll es um potenzielle Turniersieger gehen, denn davon gibt es eine beachtliche Menge. Der Grund dafür liegt in der schon angesprochenen Größe des aktuellen Standardformats. Diese ermöglicht eine große Bandbreite an Strategien, insbesondere auch sehr geradliniger Art. Diese sind im Vakuum fast immer die stärksten Decks, werden aber vergleichsweise einfach gehatet. Grob kann man also sagen, dass sie zwar prinzipiell jedes Turnier gewinnen können, aber eben nur, wenn die Gegner nicht darauf vorbereitet sind.
Insofern dürfte das also besonders für all jene interessant sein, die gern mal ganz oben stehen würden, sich aber aus einem der folgenden Gründe nur sehr begrenzte Hoffnungen machen dürfen:
1) |
Keine Ahnung vom Format.
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2) | Es gibt bessere Spieler.
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3) | Null Bock auf ständige Delver-Mirrors.
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Diese Punkte gehen oft ineinander über, da jemand ohne Ahnung vom Format pauschal schlechter sein dürfte als ein vergleichbarer Spieler mit diesem Plan. Ganz drastisch dürfte sich das dann im Delver-Mirror auswirken, wodurch Punkt 3 automatisch folgt.
Doch was spielt man denn nun, wenn man seinen großen Tag endlich mal herausfordern möchte?
Tempered Steel
Völlig in Vergessenheit geraten ist zum Beispiel Steel-Aggro. Das hat mehrere Gründe, so hat dieses Deck unter anderem Probleme mit der Konstanz, mit
Ancient Grudge, mit seiner Abhängigkeit von
Tempered Steel und so weiter. Nichtsdestotrotz sorgt es auch für die krankesten Eröffnungen im ganzen Format und muss bei Funktionieren doch schon sehr speziell angegangen werden.
| 8 Plains 1 Sunpetal Grove 4 Razorverge Thicket 4 Inkmoth Nexus 3 Gavony Township
4 Etched Champion 4 Vault Skirge 4 Signal Pest 4 Memnite 4 Glint Hawk 1 Mikaeus, the Lunarch
| | 1 Mortarpod 4 Tempered Steel 4 Mox Opal 4 Dispatch 4 Glint Hawk Idol 2 Origin Spellbomb
|
Das Deck besteht quasi ausschließlich aus
Scars-Karten und daran hat
Avacyn Restored auch nichts geändert. Wirkliche Optionen sind bestenfalls fürs Sideboard hinzugekommen, weil die einzig theoretisch interessant aussehende Karte (
Angel's Tomb) im Praxistest völlig versagt hat. Wie man jetzt im Detail baut, ist ebenfalls beinahe komplett eindeutig, lediglich die finalen vier Karten lassen Spielraum. Ich habe diesen Platz mit zwei Spellbombs und je einem
Mortarpod und Mikaeus belegt, wobei Erstere Paradebeispiel für unbeeindruckende Konstanz sind und Letztere das genaue Gegenteil. Erste Alternativen sind wahrscheinlich
Porcelain Legionnaire oder
Blade Splicer, am Grundprinzip ändert das aber wenig.
Warum sollte man das Deck jetzt
spielen?
Wie schon angedeutet, verfügt es über einen prinzipiell unglaublich starken Gameplan. Die zurechtgelegten Starts um
Mox Opal und
Tempered Steel sind kaum zu schlagen – und wenn, dann nur mit sehr speziellen Mitteln. Da wirklich keiner mehr mit dem Haufen hier rechnet, trifft man davon deutlich weniger an, als noch vor ein paar Monaten. Hinzu kommen die aktuellen Matchups, wo sich doch einige passende Gegner finden lassen.
Warum sollte man vielleicht trotzdem ein zweites Mal überlegen?
Zwar werden vergleichsweise wenig direkte Feinde gespielt, jedoch leidet Steel unter dem sogenannten Splashdamage. So gibt es zurzeit sehr viele aggressive Decks und entsprechend sehr viele Antworten für kleine Kreaturen. Ebenso laufen noch immer jede Menge Schwerter, Piken, Pods und Sphären herum, sodass nahezu jedes Deck Antworten für Artefakte hat. Nicht in Massen, aber ein gezogenes
Ancient Grudge reicht halt auch oft. Eine weitere Karte, die das Deck total kaputtmachen kann, ist
Bonfire of the Damned, gerade beschleunigt in Zug 2 gespielt. Immerhin gibt es im Gegenzug genügend Spiele, in dem das böse, rote Wunder zu spät kommt, weil zum Beispiel bereits ein
Tempered Steel im Spiel liegt oder die Offensive aus
Glint Hawk Idol und
Etched Champion besteht.
Der letzte nennenswerte Punkt dürfte das Deck selbst sein. Es zeichnet sich nämlich nicht unbedingt durch große Konstanz aus und ist durchaus abhängig von bestimmten Einzelkarten. So habe ich mein Glück beim letzten FNM hiermit versucht und bin einfach ständig daran gescheitert, keinen Mox und keinen Steel auf den Tisch zu bekommen. Dann pilotiert man plötzlich einen ganz schönen Misthaufen.
Mono-Rot
Keine Farbe hat so viele neue, leckere Sachen abbekommen wie Rot – insofern wusstet ihr bestimmt, dass ich nicht widerstehen kann. Aber schaut doch nur mal auf diese beiden Karten:
Lecker
Okay. Das ist natürlich völliger Quatsch, beide Karten sind im Standard bestenfalls zum Vertauschen geeignet (beeilt euch!), aber nicht für rote Decks. Stattdessen gibt es gleich drei Karten, die zumindest interessant sind:
Zwei davon sind ja schon als spielstark auffällig geworden, erledigen in diesem Deck jedoch sogar noch ein paar der relevanteren Probleme wie
Strangleroot Geist,
Geist of Saint Traft oder gar
Timely Reinforcements. Der kleine Mann mit den großen Steinen hingegen zeigt all den Devils die lange Nase und ist der tausendmal bessere 1-Drop. Zunächst liegt das am Follow-up
Stormblood Berserker, mit dem er gleich doppelt gut zusammenarbeit (aktiviert Blutdurst und dann ist der auch noch ziemlich unblockbar). Außerdem sorgt er im Alleingang dafür, dass man eine ordentliche Manasenke fürs spätere Spiel bekommt, und gleichzeitig dafür, dass die später eher unbeeindruckenden Phönixe auf einmal richtig ordentlich Luftdruck erzeugen.
All das bedeutet, dass man plötzlich zu viele Karten hat, die eigentlich ins Deck gehören, und entsprechend schwierig gestaltet sich der Cut auf 60.
| 14 Mountain 1 Kessig Wolf Run 4 Rootbound Crag 4 Copperline Gorge
3 Hellrider 4 Chandra's Phoenix 4 Stormblood Berserker 2 Grim Lavamancer 4 Stromkirk Noble 3 Stonewright 2 Spikeshot Elder
| | 3 Incinerate 4 Shrine of Burning Rage 3 Pillar of Flame 2 Bonfire of the Damned 3 Brimstone Volley
Sideboard:
1 Pillar of Flame 2 Ancient Grudge 3 Koth of the Hammer 2 Zealous Conscripts 1 Devil's Play 2 Sword of War and Peace 2 Geistflame 2 Tibalt, the Fiend-Blooded
|
In dieser Form spiele ich es momentan, andere Ideen gibt es aber reichlich. So muss man sich einige Fragen stellen, wie zum Beispiel:
Warum sollte man das Deck jetzt
spielen?
Zunächst einmal ist es besser geworden und damit ernsthaft konkurrenzfähig. Dank der Neuzugänge verliert man längst nicht mehr so häufig gegen bestimmte Einzelkarten wie zuvor. Hinzu kommt, dass einige Decks mit der Kombination Druck, Brand, mehr Druck, mehr Brand ganz schön zu kämpfen haben. Ein weiterer Pluspunkt findet sich darin, dass man vergleichsweise unnütze Einzelkarten spielt, was wiederum positiv ist, da immer mehr Decks versuchen, mit feindlichen Kram zu gewinnen (siehe
Image, Phantasmal oder
Conscripts, Zealous).
Warum sollte man vielleicht trotzdem ein zweites Mal überlegen?
Noch mehr als Steel wird es von Sideboardkarten gefordert, die eigentlich für andere Matchups gedacht sind.
Timely Reinforcements,
Celestial Purge,
Divine Deflection et cetera sind mit Sicherheit aktuell nicht in den (meist) weißen Decks, um Monorot zu schaden, tun es aber trotzdem und zwar mit Nachdruck. Nicht ganz so dramatisch ist der Effekt von
Huntmaster of the Fells und
Restoration Angel, die dafür deutlich häufiger in diversen Maindecks auftauchen und dort doch zumindest stören. Schließlich gilt, dass niemand gern gegen rote Karten verliert und dementsprechend immer deutlich mehr darauf achtet, einen Plan B mitzuführen. Zumal dieser gegen Rot auch recht einfach zu finden ist, anders als gegen, sagen wir, Delver.
Frites
Mehr noch als die beiden anderen Decks konnte Frites schnell zu den 1-Hit-Wundern gezählt werden. Nach dem großen Auftritt auf Hawaii dauerte es nicht lange, bis alle Spieler gefühlt 42 Exemplare von
Surgical Extraction,
Nihil Spellbomb oder
Grafdigger's Cage ins Sideboard packten und – da das allein vielleicht nicht mal so schlimm gewesen wäre – zusätzlich anfingen, verstärkt auf die Manatiere zu ballern. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass Frites nur noch ein Schattendasein fristet. Immerhin gibt es in der Edition der Engel eine echte Verstärkung und das passenderweise in Form eines echten Dämonen:
Avacyns Endgegner löst zumindest ein Problem des Decks, nämlich den Bedarf nach einem würdigen Reanimationsziel, wenn der Gegner mal nicht gerade den Tisch voller Würste hat. Bisher sollte das
Wurmcoil Engine übernehmen, was allerdings nur bedingt von Erfolg gekrönt war.
| 4 Blackcleave Cliffs 4 Copperline Gorge 4 Forest 2 Gavony Township 1 Plains 4 Razorverge Thicket 4 Shimmering Grotto
4 Avacyn's Pilgrim 4 Birds of Paradise 4 Elesh Norn, Grand Cenobite 3 Griselbrand 2 Inferno Titan 1 Llanowar Elves
| | 4 Faithless Looting 4 Lingering Souls 4 Mulch 4 Tracker's Instincts 4 Unburial Rites
|
Ansonsten hat sich nicht so viel geändert, vielleicht noch, dass man mit
Somberwald Sage theoretisch einen netten Plan B gegen Decks mit wenig Removal (gibt es die überhaupt noch?) fahren kann.
Warum sollte man das Deck jetzt
spielen?
Zunächst einmal ist es im Vakuum genauso broken, wie sich das für ein Reanimator gehört. Dann ergibt es aktuell eigentlich für niemanden Sinn, noch exzessiv Graveyardhate zu spielen. Von den fünf wichtigsten Decks werden lediglich zwei von den entsprechenden Karten tangiert und sowohl Delver als auch Solar Flare fühlen sich davon nur begrenzt gestört. Insofern dürfte die Zeit der ständigen Spellbombs, Cages et cetera endlich vorbei sein
Warum sollte man vielleicht trotzdem ein zweites Mal überlegen?
doch wenn man sich auf etwas verlassen kann, dann darauf, dass die meisten Leute keine anständigen Sideboards bauen. Das wiederum führt dazu, dass viel mehr Graveyardhate gespielt wird, als man an sich momentan benötigt, einfach weil es als Sideboardoption einfacher zu finden ist als, sagen wir,
Incinerate neuerdings in den Poddecks. Und natürlich weil man sich an die Spiele, in denen man gegen Elesh Norn in Turn 4 verloren hat, besser erinnert (und eine Wiederholung ausschließen möchte) als an die Spiele gegen dieses komische Delver-Deck, was sich nur knapp aus der Affäre ziehen konnte
Gleichzeitig wird das Metagame von 1-Mana-Kreaturen dominiert, die sich entsprechend ständig von
Gut Shot,
Pillar of Flame,
Bonfire of the Damned,
Tragic Slip und dergleichen beantworten sehen. Während RG-Aggro das noch halbwegs wegstecken kann, tut Frites sich damit erheblich schwerer. Letztes Argument gegen das Deck ist der beim roten Deck genannte Trend, immer mehr mit den Karten des Gegners zu spielen. Gegen die diversen Klone und
Threaten möchte man aber lieber nicht das Reanimationsdeck sein.
Grand Architect
Zum Abschluss
| 17 Island 4 Buried Ruin 2 Ghost Quarter
4 Grand Architect 3 Merfolk Looter 4 Phantasmal Image 4 Phyrexian Metamorph 4 Snapcaster Mage 1 Spellskite 4 Wurmcoil Engine
| | 1 Batterskull 4 Gitaxian Probe 4 Ponder 4 Vapor Snag
Sideboard:
2 Dungeon Geists 1 Grafdigger's Cage 1 Hex Parasite 2 Jace, Memory Adept 2 Mental Misstep 3 Ratchet Bomb 1 Spellskite 2 Surgical Extraction 1 Trinket Mage
|
Damit hat der gute Brad Nelson fast den GP in Minnesota gewonnen und ist damit das Vorbild für den gesamten Artikel geworden. Die Kombination aus Architekt plus
Wurmcoil Engine plus Klone ist seit Erscheinen von
Scars of Mirrodin immer im Blickfeld diverser Deckbauer gewesen. Durchgesetzt hat sich das Ganze dabei nie, was hauptsächlich daran lag, dass es keinen Alternativplan hatte, wenn der Architect mal umgeschossen wurde. Brad hat jetzt richtig erkannt, dass aus dem wenn in diesem Format ein falls geworden ist, da
Gut Shot, Pillar und Bonfire zwar ganz gut Paradiesvögel,
Delver of Secrets und
Strangleroot Geist abräumen, nicht jedoch den Toughness-3-Mann
Grand Architect. Insofern hat er genau den passenden Moment gefunden, in dem das Deck gerade mal wirklich gut war, und noch eine solide Version davon ins Feld geführt. Reicht für ein paar Tausend Dollar und könnte für alle ein Vorbild sein, die für genau ein Turnier genau das eine Deck benötigen.
Dies sind also die vier Decks, die ich immer gern in der Hinterhand habe, aber da hört es noch nicht auf. Standard ist gewaltig und beinhaltet eine Menge so guter Synergien und Einzelkarten, dass noch weitere Strategien durchaus plötzlich Erfolg haben könnten, wenn das Umfeld stimmt. Ein nettes Beispiel der letzten Zeit ist etwa UG-Infect, welches mit
Wild Defiance eine bessere
Livewire Lash gefunden hat und jetzt wohl das beste Kombodeck des Formats ist, auch wenn Infectmann plus Pump nur bedingt als echte Kombo zählt. Wobei, vor Kurzem spielten diverse Pros auch Hexproof-Kombo
Es lebe die Interaktion! Weitere Decks, die ein wenig in der Versenkung verschwunden sind und jederzeit wiederbelebt werden könnten, sind
Dungrove Elder-Grün, irgendetwas mit
Tezzeret, Agent of Bolas oder gar UB-Control.
So weit also die guten Decks des Augenblicks, nächste Woche dann Neues!
Bis dahin
Der MiDi
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